Blog

Beschädigung eines Pkw’s im Rahmen einer Verkehrskontrolle durch Winkerkelle der Polizei bei dem Versuch den Fahrer anzuhalten

Gemäß § 36 Abs. 5 Satz 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) in der seit dem 01.04.2013 gültigen Fassung dürfen Polizeibeamte Verkehrsteilnehmer zur Verkehrskontrolle einschließlich der Kontrolle der Verkehrstüchtigkeit und zu Verkehrserhebungen anhalten.
Das Zeichen zum Anhalten kann nach Satz 2 der Vorschrift auch durch geeignete technische Einrichtungen am Einsatzfahrzeug, eine Winkerkelle oder eine rote Leuchte gegeben werden.
Die Verkehrsteilnehmer haben nach § 36 Abs. 5 Satz 4 StVO die Anweisungen der Polizeibeamten zu befolgen.
Laut Allgemeiner Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV – StVO) Abschnitt B zu § 36 Abs. 1 StVO II. Satz 1 müssen Weisungen des Polizeibeamten klar und eindeutig sein. Es empfiehlt sich, sie durch Armbewegungen zu geben (Satz 2). Zum Anhalten kann der Beamte eine Winkerkelle benutzen oder eine rote Leuchte schwenken (Satz 3).
Die Art und Weise der Durchführung von Verkehrskontrollen steht allerdings nicht einschränkungslos im Ermessen der Polizei, sie hat sich vielmehr an dem damit verfolgten Zweck, d. h. der Feststellung von Verstößen gegen die StVO auszurichten.

  • Die die Rechtsgüter eines Verkehrsteilnehmers gefährdende – und erst recht die sie verletzende – Durchführung einer Verkehrskontrolle stellt sich grundsätzlich als Amtspflichtverletzung dar.
  • Allerdings trifft für die tatsächlichen Voraussetzungen einer Amtspflichtverletzung den Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast.

 

Darauf hat der 4. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts (OLG) Saarbrücken mit Urteil vom 20.08.2015 – 4 U 119/14 – hingewiesen und in einem Fall,

  • in dem es anlässlich einer Verkehrskontrolle, bei dem Versuch eines Polizeibeamten des beklagten Landes den Kläger mit seinem Pkw mit einer Winkerkelle mit der Aufschrift „Halt Polizei“ anzuhalten, zu einer Beschädigung des Pkw’s des Klägers im Bereich der rechten A-Säule gekommen,
  • jedoch streitig war, wie und warum es zum Kontakt zwischen Winkerkelle und Fahrzeug kam,

 

die Klage auf Schadensersatz abgewiesen, weil ein amtspflichtwidriges Verhalten nicht feststellbar war.

 

Wenn Inhaber eines Internetanschlusses Urheberrechtsverletzung begangen haben soll

Wird ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, so spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Urheberrechtsverletzung verantwortlich ist (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 12.05.2010 – I ZR 121/08 –).

Eine solche Vermutung spricht jedoch nicht für die Täterschaft, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung auch andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten, weil

 

Den Inhaber des Internetanschlusses trifft allerdings eine sekundäre Darlegungslast, da der Inhaber des ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechts keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat und dem Anschlussinhaber nähere Angaben dazu ohne Weiteres möglich und zumutbar sind.

  • Die sekundäre Darlegungslast führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO)) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen.
  • Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und ggf. welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen.
    In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (zum Ganzen: BGH, Urteil vom 08.01.2014 – I ZR 169/12 –).

 

Der Anschlussinhaber hat seiner sekundären Darlegungslast entsprochen, wenn er beispielsweise – der Wahrheit entsprechend – vorgetragen hat, in seinem Haushalt hätten auch sein volljähriger Bruder, sein volljähriger Cousin sowie weitere Freunde Zugriff auf seinen Internetanschluss.

  • Hat der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast genügt, ist es wieder Sache des Rechteinhabers als Anspruchsteller, die für eine Haftung des Internetanschlussinhabers als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (BGH, Urteil vom 08.01.2014 – I ZR 169/12 –).

 

Kann der Rechteinhaber dem Inhaber des Internetanschlusses keine Täterschaft oder Teilnahme an der Urheberrechtsverletzung nachweisen und

  • hatten ausschließlich volljährige Familienangehörige Zugriff auf dessen Internetanschluss,

 

kann der Rechteinhaber den Anschlussinhaber,

  • weil dieser nicht verpflichtet ist, volljährige Familienangehörige über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen oder von sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu belehren und ihnen die Nutzung des Internetanschlusses zur rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen oder zu sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu verbieten,

 

als Störer nur dann in Anspruch nehmen, wenn konkreten Anhaltspunkte für eine solche Nutzung bestanden (BGH, Urteil vom 08.01.2014 – I ZR 169/12 –).

Darauf hat das Amtsgericht (AG) Stuttgart-Bad Cannstatt mit Urteil vom 13.08.2015 – 8 C 1023/15 – hingewiesen (so auch AG Hamburg, Urteil vom 03.07.2015 – 36a C 134/14 –).

 

Wenn die Reisroute einer Kreuzfahrt nachträglich geändert wird

Eine nachträgliche Änderung der Reiseroute durch ein Kreuzfahrtunternehmen kann zu einem Minderungsanspruch führen.

Darauf hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 26.03.2015 – 275 C 27977/14 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall war von einem klagenden Ehepaar, das über ein Online-Reisebüro bei dem beklagten Reiseveranstalter eine Schwarzmeer-Kreuzfahrt zum Preis von 2.606,10 Euro gebucht hatte, bei der die Häfen Katakolon (Griechenland), Istanbul (Türkei), Jalta (Ukraine), Odessa (Ukraine), Constanza (Rumänien) sowie Gythion (Griechenland) angelaufen werden sollten, wegen einer Routenänderung eine Reisepreisminderung in Höhe von 30 Prozent des Reisepreises mit der Begründung gefordert worden,

  • dass man ihnen zunächst vor Reiseantritt mit dem Hinweis, dass deswegen eine kostenlose Stornierung oder Umbuchung gemäß der Geschäftsbedingungen (AGB`s) des Veranstalters nicht möglich sei, angekündigt habe, dass aufgrund der aktuellen politischen Situation die Ziele Odessa und Jalta durch Burgas (Bulgarien), Volos (Griechenland) und Izmir (Türkei) ersetzt würden und
  • dann, eine Stunde vor der geplanten Abreise in Istanbul, wegen schlechten Wetterberichts für das Schwarze Meer, die Fahrt dorthin und damit auch die Durchfahrt durch die Dardanellen vollständig gestrichen sei und stattdessen dann die Häfen Marmaris (Türkei) und Dubrovnik (Kroatien) angelaufen worden seien.

 

Die Klage hatte Erfolg.

Da die tatsächlich durchgeführte Kreuzfahrt nicht der von den Klägern ursprünglich gebuchten Schwarzmeer-Kreuzfahrt entsprach, erachtete das AG München die Reise insgesamt als mangelhaft.
Weiter stellte das Gericht fest,

  • dass, wenn eine restliche Reisepreiszahlung, wie im obigen Fall geschehen, nach der Mitteilung, dass eine Stornierung der Reise nicht möglich sei, geleistet werde, diese Zahlung nicht vorbehaltlos erfolgt und
  • dass die von der Beklagten vorgenommene Routenänderung – sowohl die erste wie auch die zweite – hier schon deshalb nicht von den Allgemeinen Reisebedingungen (ARB) der Beklagten abgedeckt war, weil die Kläger bei der Online-Buchung von den ARB der Beklagten keine Kenntnis nehmen konnten, so dass diese, mangels wirksamer Einbeziehung bei Vertragsschluss, somit auch nicht Vertragsbestandteil geworden waren.

 

Wie das AG weiter ausführte, entfiel der Minderungsanspruch auch nicht wegen höherer Gewalt. Denn auch höhere Gewalt beeinträchtige die Einstandspflicht des Reiseveranstalters nicht.

Eine Minderung von 30 Prozent des Reisepreises war nach Auffassung des Gerichts u. a. deshalb berechtigt, weil sich der Gesamtcharakter der Kreuzfahrt dadurch, dass diese nicht wie ursprünglich geplant in das Schwarze Meer führte, sondern stattdessen nur im östlichen Mittelmeer durchgeführt worden war, geändert hatte.

Das hat die Pressestelle des Amtsgerichts München am 28.08.2015 – 52/15 – mitgeteilt.

 

Kündigung eines Bausparvertrages mit gebundenem Sollzinssatz

Bei einem Bausparvertrag handelt sich um einen einheitlichen Darlehensvertrag mit zwei Stufen, bei dem zunächst der Bausparer als Darlehensgeber anzusehen ist und Bausparer sowie Bausparkasse sodann mit der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens ihre jeweiligen Rollen als Darlehensgeber und Darlehensnehmer tauschen

  • Zunächst spart der Bausparer bis zur Zuteilungsreife ein Guthaben an und erhält hierfür die vereinbarte Guthabenverzinsung. Die Einlagen des Bausparers während der Ansparphase stellen dabei ein Darlehen an die Bausparkasse dar, für dessen Rückerstattung eine Zeit nicht bestimmt ist.
  • Nach Zuteilung kann der Bausparer bestimmungsgemäß das Bauspardarlehen in Höhe der Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Bausparsumme und dem bis zur Zuteilung angesammelten Guthaben in Anspruch nehmen.
    Mit der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens tauschen Bausparer und Bausparkasse ihre jeweiligen Rollen als Darlehensgeber und Darlehensnehmer.
  • Verpflichtet nach Zuteilung das Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen ist der Bausparer nicht.

 

Der Auffassung, dass bei gebundenem Sollzinssatz der Bausparkasse neben den Vorschriften der Allgemeinen Bausparbedingungen (ABB) nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zehn Jahre nach Eintritt der erstmaligen Zuteilungsreife, die in einem Bausparfall dem vollständigem Empfang der Darlehensvaluta im Sinne des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB gleichstehen soll, eine Recht zur ordentlichen Kündigung mit sechsmonatiger Kündigungsfrist zusteht, sind

 

Anderer Ansicht ist das Amtsgericht (AG) Ludwigsburg, das mit Urteil vom 07.08.2015 – 10 C 1154/15 – entschieden hat, dass

  • § 489 Abs 1 Nr 2 BGB keine Anwendung findet auf Bausparverträge und
  • wenn ein Bausparer die Zuteilung nicht annimmt und der Bausparvertrag danach von der Bausparkasse unter Hinweis auf § 489 Abs 1 Nr 2 BGB gekündigt wird, die Feststellungsklage des Bausparers auf Fortbestand des Bausparvertrages zulässig und begründet ist.

 

Nach der Entscheidung des AG Ludwigsburg soll sich eine Bausparkasse deshalb nicht auf ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB berufen können, weil dies nicht der Intention des Gesetzgebers entspricht, die der Schaffung der vorliegenden Norm zugrunde lag (wird in dem Urteil ausführlich begründet).
Abgesehen davon ist das AG Ludwigsburg auch der Auffassung, dass nach dem Wortlaut des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB, wonach dem Darlehensnehmer nach „dem vollständigen Empfang“ das Kündigungsrecht zustehen soll, der vollständige Empfang im Sinn der Vorschrift nicht mit der Zuteilungsreife des Bausparvertrages gleichzusetzen sein kann (a.A. LG Mainz, LG Aachen sowie LG Hannover (s. o.).

 

Berichtigung des Protokolls einer Wohnungseigentümerversammlung

Begehrt ein Wohnungseigentümer nach einer Wohnungseigentümerversammlung die Berichtigung des zu dieser Versammlung aufgenommen und nach § 24 Abs. 6 Satz 2 des Gesetzes über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (WEG) von dem Vorsitzenden und einem Wohnungseigentümer und, falls ein Verwaltungsbeirat bestellt ist, auch von dessen Vorsitzenden oder seinem Vertreter unterschriebenen Protokolls, handelt es sich, wenn die Berichtigung verweigert wird, um eine Streitigkeit im Sinne von § 43 Abs. 1 Nr. 3 WEG, weil die Parteien in einem solchen Fall über die Pflichten des Verwalters streiten, die diesen im Zusammenhang mit der Versammlungsleitung und Protokollführung treffen.

Dahinstehen kann, ob sich der Protokollberichtigungsanspruch

  • gegen alle Personen richtet, die mit ihrer Unterschrift für die Richtigkeit der Niederschrift einzustehen haben (vgl. § 24 Abs. 6 Satz 2 WEG) und im Nachhinein die Berichtigung verweigern (so Bayerisches Oberstes Landesgericht (BayObLG), Beschluss vom 12.09.2002 – 2 Z BR 28/02 –) oder
  • ob allein der verantwortliche Versammlungsleiter passivlegitimiert ist (so Müller, Praktische Fragen des Wohnungseigentums, 6. Aufl., 8. Teil, Rn. 203).

 

Denn auch wenn man davon ausgeht, dass eine Protokollberichtigung nur dann wirksam durchgeführt werden kann, wenn sie auch von den Wohnungseigentümern, die das Protokoll nach Maßgabe des § 24 Abs. 6 Satz 2 WEG unterschrieben haben, mit getragen wird, hätte dies nicht zur Folge, dass eine allein gegen den Versammlungsleiter gerichtete Klage abzuweisen wäre, da ein allein gegen den Versammlungsleiter ergehendes Urteil gemäß § 48 Abs. 3 WEG gegen alle übrigen gemäß § 48 Abs. 1 WEG beizuladenden Wohnungseigentümer wirkt und damit auch gegen nicht verklagte Eigentümer, die das Protokoll mit unterzeichnet haben.

Allerdings ist das Rechtsschutzinteresse an der gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs auf Berichtigung des Protokolls einer Wohnungseigentümerversammlung nur gegeben, wenn

  • sich die Rechtsposition des Anspruchstellers durch die begehrte Änderung verbessern oder
  • zumindest rechtlich erheblich verändern würde und
  • nicht immer schon dann, wenn das Protokoll unrichtige oder unvollständige Feststellungen enthält.

 

Darauf hat das Landgericht (LG) Stuttgart mit Urteil vom 22.07.2015 – 10 S 10/15 – hingewiesen.

 

Kein Schadensersatz für Eltern wegen fehlendem Kita-Platz

Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden hat mit Urteil vom 26.08.2015 – 1 U 319/15 – die Klage einer Mutter abgewiesen,

  • die vor der Geburt ihres Sohnes als Architektin tätig war und Ersatz des ihr entgangenen Verdienstes wegen Amtspflichtverletzung gemäß § 839 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. Art. 34 Grundgesetz (GG) verlangt hatte,
  • weil die Beklagte als örtlicher Träger der öffentliche Jugendhilfe, ihr für ihren einjährigen Sohn keinen Platz in einer Kindertageseinrichtung zur Verfügung stellte und sie deshalb nicht weiter arbeiten konnte.

 

Zwar seien, wie der Senat in seiner Entscheidung ausgeführt hat, von Amtsträgern der Beklagten ihre aus § 24 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) resultierende Amtspflicht, dem Sohn der Klägerin ab Vollendung seines ersten Lebensjahres einen Platz in einer Kindertagesstätte zu verschaffen, verletzt worden.
Denn dieser Anspruch bestehe nicht nur im Rahmen der vorhandenen Kapazität, sondern „Kita-Plätze hat man zu haben.“

Da die Klägerin jedoch nicht geschützte Dritte der der Beklagten obliegenden Amtspflicht auf Verschaffung eines Kindertagesstättenplatzes zugunsten ihres Sohnes sei und zudem der Vedienstausfallschaden auch nicht vom Schutzzweck der Norm umfasst wäre (wird jeweils im Urteil ausgeführt), habe die Klägerin keinen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG.

 

Wer ist Halter eines Kraftfahrzeugs?

Halter eines Kraftfahrzeuges ist, wer

  • es für eigene Rechnung in Gebrauch hat und
  • die Verfügungsgewalt besitzt, die ein solcher Gebrauch voraussetzt.

 

Entscheidend ist dabei nicht das Rechtsverhältnis am Kraftfahrzeug, insbesondere also nicht die Frage, wer dessen Eigentümer ist.
Maßgebend ist vielmehr eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, bei der es vor allem auf die Intensität der tatsächlichen, in erster Linie wirtschaftlichen Beziehung zum Betrieb des Kraftfahrzeuges im Einzelfall ankommt.

  • Wer danach tatsächlich und wirtschaftlich der eigentlich Verantwortliche für den Einsatz des Kraftfahrzeuges im Verkehr ist, schafft die vom Fahrzeug ausgehenden Gefahren, für die der Halter nach den strengen Vorschriften des Straßenverkehrsgesetzes einstehen soll.

 

Fahrzeughalter muss nicht der sein, der in der Zulassungsbescheinigung eingetragen ist und

  • da davon, dass derjenige Halter des Fahrzeuges ist, der in der Zulassungsbescheinigung eingetragen ist, auch nach der Erfahrung nicht mit sehr großer Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden kann,
  • kann aus der Eintragung in der Zulassungsbescheinigung Teil 1 und 2 auch kein Anscheinsbeweis für die Haltereigenschaft des Eingetragenen hergeleitet werden.

 

Darauf hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Nürnberg-Fürth mit Urteil vom 13.08.2015 – 8 O 9261/14 – in einem Fall hingewiesen, in dem es in einem Schadensersatzprozess nach einem Verkehrsunfall u.a. darum ging, ob die Beklagte Halterin gemäß § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) des von einem anderen gesteuerten, unfallverursachenden Pkw’s war.

 

Wo können Ausgleichsansprüche wegen Flugverspätung gerichtlich geltend gemacht werden?

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat in der Rechtssache Rehder mit Urteil vom 09.07.2009 – C-204/08 – entschieden, dass ein Fluggast, der wegen Flugverspätung Ausgleichszahlungsansprüche nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (Fluggastrechteverordnung – FluggastrechteVO) geltend macht, bei einer eingliedrigen Flugverbindung, die vom Vertragspartner des Fluggasts selbst durchgeführt wurde, wählen kann zwischen

  • dem Gericht des Ortes des Abflugs und
  • dem des Ortes der Ankunft des Flugzeugs.

 

Noch nicht entschieden hat der EuGH, wo ein Fluggast klagen kann bzw. muss bei einer mehrgliedrigen Flugverbindung, wenn die gebuchte Flugverbindung also aus mehreren Flügen bestand, der Fluggast beispielsweise

  • bei der Fluggesellschaft Air France eine Flugverbindung von Stuttgart über Paris nach Helsinki gebucht hatte,
  • die Beförderung von Paris nach Helsinki im Wege des Code-Sharing durch Finnair erfolgt war und
  • der Flug auf dieser zweiten Teilstrecke eine Verspätung von über drei Stunden hatte.

 

Der für das Reise- und Personenbeförderungsrecht zuständige X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Beschluss vom 18.08.2015 – X ZR 2/15 – gemäß Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) dem EuGH deshalb folgende zwei Fragen zur Auslegung des Art. 5 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel-I-Verordnung) vorgelegt:

  1. Ist Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Brüssel-I-Verordnung dahin auszulegen, dass der Begriff „Ansprüche aus einem Vertrag“ auch einen Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Fluggastrechteverordnung erfasst, der gegenüber einem ausführenden Luftfahrtunternehmen verfolgt wird, welches nicht Vertragspartner des betroffenen Fluggasts ist?
  2. Soweit Art. 5 Nr. 1 Brüssel-I-VO Anwendung findet:
    Ist bei einer Personenbeförderung auf einer aus mehreren Flügen bestehenden Flugverbindung ohne nennenswerten Aufenthalt auf den Umsteigeflughäfen der Abflugort der ersten Teilstrecke als Erfüllungsort gemäß Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Spiegelstrich Brüssel-I-VO anzusehen, auch wenn die Flugverbindung von unterschiedlichen Luftfahrtunternehmen durchgeführt worden ist und sich die Klage gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen einer anderen Teilstrecke richtet, auf der es zu einer großen Verspätung gekommen ist?

 

Der X. Zivilsenat des BGB vertritt die Ansicht, dass in dem obigen Beispielsfall ein Gerichtsstand auch am Abflugort der ersten Teilstrecke, also am Flughafen Stuttgart, eröffnet sei, weil

  • zum einen eine Klage auf Ausgleichszahlung auch dann im Gerichtsstand des der Luftbeförderung zugrundeliegenden Vertrags erhoben werden können dürfte, wenn das nach der Fluggastrechteverordnung verpflichtete „ausführende Luftfahrtunternehmen“ nicht zugleich der Vertragspartner des Fluggasts ist, nachdem die Ansprüche nach der Fluggastrechteverordnung eine vertragliche Grundlage der Beförderungsleistung voraussetzen und
  • zum anderen bei einer nach dem Vertrag mehrgliedrigen Flugverbindung ohne nennenswerten Aufenthalt auf den Umsteigeflughäfen der Abflugort der ersten Teilstrecke auch dann als zuständigkeitsbegründender Erfüllungsort anzusehen sein dürfte, wenn die Klageansprüche aus Ereignissen auf einer anderen Teilstrecke resultieren, da dies einer konsequenten Anknüpfung an die vertragliche Grundlage der Beförderungsleistung entspräche.

 

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 18.08.2015 – Nr. 147/2015 – mitgeteilt.

 

Beweisanträge eines Angeklagten

Gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 Strafprozessordnung (StPO) darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden,

  • wenn eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
  • wenn die Tatsache, die bewiesen werden soll, (aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen) für die Entscheidung  ohne Bedeutung ist,
  • wenn die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
  • wenn das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
  • wenn das Beweismittel unerreichbar ist,
  • wenn der Antrag zum Zweck der Prozeßverschleppung gestellt ist oder
  • wenn eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

 

Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf nach § 244 Abs. 6 StPO eines Gerichtsbeschlusses

Aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos sind Indiztatsachen,

  • wenn zwischen ihnen und dem Gegenstand der Urteilsfindung keinerlei Sachzusammenhang besteht oder
  • wenn sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Fall ihres Erwiesenseins die Entscheidung nicht beeinflussen könnten.

 

Wird ein Beweisantrag wegen Bedeutungslosigkeit der behaupteten Tatsache abgelehnt, muss der Beschluss die Erwägungen anführen, aus denen der Tatrichter ihr aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen keine Bedeutung für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch beimisst.
Erforderlich sind hierzu regelmäßig

  • eine Würdigung der bis dahin durch die Beweisaufnahme gewonnenen Indiztatsachen sowie
  • konkrete Erwägungen, aus denen sich ergibt, warum das Gericht aus den behaupteten Tatsachen keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen würde.

 

Die Würdigung erlaubt eine Beweisantizipation, bei der die unter Beweis gestellte Tatsache ohne Abstriche zu berücksichtigen ist.

  • Geht es um die Glaubwürdigkeit eines Zeugen, was beispielsweise der Fall ist, wenn der Beweisantrag darauf abzielt, dass der Zeuge in einem Punkt die Unwahrheit gesagt hat, bedarf es der Begründung, warum die zu beweisende Tatsache das Gericht auch im Falle ihres Nachweises unbeeinflusst ließe.

 

Das Gericht muss sich in dem Beschluss demzufolge in einem solchen Fall

  • damit auseinandersetzen, welche Bedeutung eine Bestätigung der Beweisbehauptung für die Glaubwürdigkeit der Zeuge haben würde und
  • wenn beispielsweise mit dem Beweisantrag behauptet wird, dass ein Zeuge in einem Punkt die Unwahrheit gesagt hat, in der Beschlussbegründung ausführen, dass es selbst dann, wenn der Zeuge in dem behaupteten Punkt die Unwahrheit gesagt haben sollte, an seiner Überzeugung, dass der Angeklagte die Taten, so wie sie von dem Zeugen geschildert wurden, begangen hat, nichts ändert.

 

Die Anforderungen an die Begründung des Beschlusses entsprechen grundsätzlich den Darlegungserfordernissen bei der Würdigung von durch die Beweisaufnahme gewonnenen Indiztatsachen in den Urteilsgründen (BGH, Beschluss vom 19.10.2006 – 4 StR 251/06 –).

Genügt der Gerichtsbeschluss diesen Anforderungen nicht, ist die Ablehnung rechtsfehlerhaft.

Darauf hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 09.07.2015 – 1 StR 141/15 – hingewiesen.

 

Beschädigung eines Pkw’s bei Mäharbeiten an einer Straße

Wird bei Mäharbeiten an einer Bundesstraße vom Mähwerk des Traktors ein Holzstück auf die Fahrbahn geschleudert und dadurch ein vorbeifahrendes Fahrzeug beschädigt, kann dies ein unabwendbares Ereignis sein, für das dem Fahrzeugeigentümer kein Schadensersatzanspruch zusteht.

Das hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 03.07.2015 – 11 U 169/14 – in einem Fall entschieden, in dem

  • Mitarbeiter des Landesbetriebes Straßenbau des beklagten Landes Nordrhein-Westfalen Mäharbeiten an einem Straßenabschnitt mit einem Traktor mit Mähausleger, Schlegelmähkopf und Kettenschutz durchgeführt hatten,
  • dabei ein vorbeifahrender Pkw durch ein von dem Mähwerk auf die Fahrbahn geschleudertes Holzstück beschädigt worden war und
  • der Eigentümer dieses Fahrzeugs Schadensersatzansprüche geltend gemacht hatte, weil nach seiner Ansicht die vom Mähgerät ausgehenden Gefahren nicht ausreichend abgesichert worden waren.

 

Der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm hat die Klage abgewiesen.

Nach seiner Ansicht war das Unfallgeschehen ein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17 Abs. 3 Straßenverkehrsgesetz (StVG), für das das Land nicht haftet.
Wie der Senat ausführte, hat der zuständige Baulastträger bei Mäharbeiten an einer Straße

  • zum Schutz der Verkehrsteilnehmer diejenigen Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen,
  • die mit vertretbarem Aufwand zu einem verbesserten Schutz führten.
  • Bei umfangreichen Mäharbeiten und beim Einsatz von Mähgeräten, die selbst über Sicherheitseinrichtungen verfügen, nach denen ein Schadenseintritt unwahrscheinlich sei, seien jedoch grundsätzlich keine weitergehenden Sicherungsmaßnahmen erforderlich.

 

Da die Beweisaufnahme in dem streitgegenständlichem Fall ergeben hatte, dass

  • das eingesetzte Mähgerät über Sicherheitseinrichtungen verfügte, durch die die Gefahr des Herausschleuderns eines Gegenstandes aus dem Schlegelmähkopf auf seltene Ausnahmefälle reduziert wurde,
  • zudem durch den Traktur der seitlich neben ihm ausgeführte Mähvorgang zur Straße hin abgeschirmt worden war,
  • die durchzuführenden Mäharbeiten umfangreich waren und
  • die zu mähende Fläche auch keine Besonderheiten aufwies, durch welche das mit Mäharbeiten verbundene Gefahrenpotenzial erhöht worden wäre,
  • also von dem Mähgerät selbst nur ein sehr geringes Schadensrisiko für andere Verkehrsteilnehmer ausging,

 

waren dem beklagten Land nach Auffassung des Senats somit bei der Durchführung der Mäharbeiten mit dem eingesetzten Mähgerät keine weitergehenden Sicherungsmaßnahmen zuzumuten.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 20.08.2015 mitgeteilt.