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Irreführendes Blinken eines Vorfahrtsberechtigten

Kollidiert ein Autofahrer beim Abbiegen nach links in eine bevorrechtigte Straße mit einem von links kommenden, auf der bevorrechtigen Straße fahrenden Pkw,

  • der (irreführend) rechts geblinkt, aber weder seine Geschwindigkeit verringert, noch bereits zum Abbiegen angesetzt hatte,
  • ist eine Haftungsverteilung 70 zu 30 zu Lasten des Wartepflichtigen angemessen.

 

Das hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Saarbrücken mit Urteil vom 03.07.2015 – 13 S 64/15 – entschieden (ebenso Oberlandesgericht (OLG) München, Urteil vom 06.09.2013 – 10 U 2336/13 –)

Für die Folgen des Unfallgeschehens haften in einem solchen Fall die Halter der beiden an dem Unfall beteiligten Fahrzeuge gem. § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG),

  • weil der Unfallschaden bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges entstanden,
  • der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen ist und
  • für keinen der Unfallbeteiligten ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG dargestellt hat, auch nicht für den auf der bevorrechtigten Straße Fahrenden und zwar unabhängig davon, ob er noch rechtzeitig hätte bremsen oder ausweichen können, denn er hatte den Fahrtrichtungsanzeiger in irreführender Weise gesetzt und damit den Anforderungen an einen „Idealfahrer“ nicht genügt.

 

Bei der gemäß § 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG gebotenen Abwägung der beiderseitigen Mitverursachungs- und –verschuldensanteile hat die 13. Zivilkammer des LG Saarbrücken berücksichtigt,

  • zu Lasten des auf der bevorrechtigten Straße Fahrenden, den Verkehrsverstoß gegen § 1 Abs. 2 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), weil er den Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt hatte, obwohl er nicht rechts abbiegen wollte und ein solches irreführendes Blinken vorliegend einen schweren Verkehrsverstoß darstellte sowie
  • zu Lasten des Abbiegenden, die Verletzung der Vorfahrt nach § 8 StVO, weil der auf der bevorrechtigen Straße Fahrende seine Vorfahrt durch das Setzen des Fahrtrichtungsanzeigers nicht verloren hatte.

 

Denn das Setzen des Fahrtrichtungsanzeigers durch einen Vorfahrtsberechtigten kann dessen Vorfahrtsrecht generell nicht aufheben,

  • sondern allenfalls ein Vertrauen des Wartepflichtigen begründen, das im Rahmen der konkreten Abwägung der Mitverursachungs- und -verschuldensanteile zu berücksichtigen ist und
  • ein solches Vertrauen auf das Abbiegen eines rechts blinkenden, vorfahrtsberechtigten Fahrzeugs setzt voraus, dass sich das Abbiegen in der Gesamtschau der Fahrsituation – sei es durch eindeutige Herabsetzung der Geschwindigkeit, sei es durch den Beginn des Abbiegens selber – zweifelsfrei manifestiert hat (vgl. Saarländisches OLG, Urteil vom 11.03.2008 – 4 U 228/07 –; a.A. OLG München, Urteil vom 18.09.1998 – 10 U 6463/97 – sowie Kammergericht (KG), Urteil vom 25.09.1989 – 12 U 4646/88 –, wonach der nach § 8 StVO Wartepflichtige auf ein angekündigtes Abbiegen des Vorfahrtsberechtigten bereits dann vertrauen dürfen soll, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte die Abbiegeabsicht in Zweifel ziehen).

 

Den nach § 8 StVO Wartepflichtigen trifft nämlich eine gesteigerte Sorgfaltspflicht mit der Folge, dass sich der Wartepflichtige nur eingeschränkt auf den Vertrauensgrundsatz. Er darf zwar in der Regel auf das Unterbleiben atypischer, grober Verkehrsverstöße des Vorfahrtsberechtigten vertrauen, muss jedoch die Möglichkeit sonstiger Verkehrsverstöße des Vorfahrtsberechtigten in Betracht ziehen.
Ein Vertrauen des Wartepflichtigen ist danach erst begründet, wenn die Abbiegeabsicht zweifelsfrei feststeht und da hier der auf der bevorrechtigten Straße Fahrende weder seine Geschwindigkeit verringert, noch (bereits) zum Abbiegen angesetzt hatte, durfte der Wartepflichtige auch nicht auf ein Abbiegen des Vorfahrtsberechtigten vertrauen. 

 

Arbeitsunfall wenn Taxifahrer niedergeschossen wird?

Der 9. Senat des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) hat in einem Fall,

  • in dem ein nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) kraft Gesetzes versicherter Taxifahrer Personen, die sich lautstark dem Taxistand näherten, zur Ruhe aufgefordert hatte und daraufhin von einer dieser Personen niedergeschossen sowie schwer verletzt worden war,

 

entschieden (Az.: L 9 U 41/13),

  • dass dies jedenfalls dann von der gesetzlichen Unfallversicherung als Arbeitsunfall gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII anzuerkennen ist, wenn
    • kein privates Überfallmotiv vorlag und
    • der Taxifahrer aus betriebsbezogenen Gründen gehandelt hat, was hier der Fall war, weil der Senat davon ausging, dass der Taxifahrer einen störungsfreien Taxibetrieb sicherstellen sowie verhindern wollte, dass potentielle Kunden durch den Lärm abgeschreckt werden.

 

Das hat die Pressestelle des Hessischen Landessozialgerichts am 21.07.2015 – 13/15 – mitgeteilt.

 

Geldentschädigung wegen Diskriminierung bei wiederholter Kündigung einer schwangeren Frau?

Die wiederholte Kündigung einer schwangeren Frau ohne Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde kann einen Anspruch auf Geldentschädigung wegen Diskriminierung auslösen.

Darauf hat das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin mit Urteil vom 08.05.2015 – 28 Ca 18485/14 – hingewiesen und einen Arbeitgeber zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 1.500,00 EUR verurteilt.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall hatte der beklagte Arbeitgeber der bei ihm beschäftigten Klägerin,

  • nachdem er ihr bereits während der Probezeit gekündigt hatte und diese Kündigung vom Arbeitsgericht in einem vorangegangenen Kündigungsschutzverfahren nach § 9 des Gesetzes zum Schutz erwerbstätiger Mütter (MuSchG) für unwirksam erklärt worden war, weil die Klägerin ihrem Arbeitgeber gleich nach der Kündigung unter Vorlage des Mutterpasses mitgeteilt hatte, dass sie schwanger sei und der Arbeitgeber keine Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde zur Kündigung eingeholt hatte,  
  • einige Monate später erneut ohne Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde gekündigt.

 

Mit der Begründung, dass der Arbeitgeber aufgrund des ersten Kündigungsschutzverfahrens und der Kenntnis des Mutterpasses mit dem Fortbestand der Schwangerschaft habe rechnen müssen, wurde vom ArbG Berlin auch diese erneute Kündigung für unwirksam erklärt und der Arbeitgeber zur Zahlung einer Geldentschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verurteilt.

Das hat die Pressestelle des Arbeitsgerichts Berlin am 21.07.2015 – Nr. 23/15 – mitgeteilt.

 

Wenn ein Auftraggeber Ersatz der von ihm aufgewendeten Mängelbeseitigungskosten verlangt

Weist ein vom Auftragnehmer erstelltes Werk, beispielsweise eine Gebäude, von ihm zu vertretende Mängel auf und hat er die Beseitigung der Mängel ernsthaft und endgültig abgelehnt oder die Mängel nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist beseitigt,

  • muss der Auftraggeber, wenn er in einem solchen Fall als zu ersetzenden Schaden den Ersatz der von ihm aufgewendeten Mängelbeseitigungskosten verlangt,
  • die Erforderlichkeit der Mängelbeseitigung und deren Kosten darlegen und gegebenenfalls beweisen, wobei an die Darlegung grundsätzlich keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind.

 

Zum Vortrag gehört eine nachvollziehbare Abrechnung der Mängelbeseitigungsaufwendungen. Der Auftragnehmer muss in die Lage versetzt werden, die abgerechneten Arbeiten daraufhin zu überprüfen, ob sie zur Ersatzvornahme erforderlich waren.

  • Der Auftraggeber hat nämlich nur Anspruch auf Erstattung derjenigen Kosten, die für die Mängelbeseitigung erforderlich gewesen sind und erforderlich sind nur diejenigen Aufwendungen, welche der Auftraggeber als vernünftiger und wirtschaftlich denkender Bauherr im Zeitpunkt der Beauftragung des Dritten für angemessen halten durfte, wobei es sich um eine vertretbare Maßnahme der Schadensbeseitigung handeln muss (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 07.03.2013 – VII ZR 119/10 –).
  • Nicht erstattungsfähig sind hingegen Aufwendungen für sonstige, weitergehende Baumaßnahmen, die nicht der Mängelbeseitigung dienten.

 

Es besteht auch

  • weder eine Vermutung, dass stets sämtliche von einem Drittunternehmer im Zuge einer Mängelbeseitigungsmaßnahme durchgeführten Arbeiten ausschließlich der Mängelbeseitigung dienten,
  • noch ein im Verhältnis zum Auftragnehmer schützenswertes Vertrauen des Auftraggebers, der Drittunternehmer werde nur Arbeiten zur Mängelbeseitigung durchführen.

 

Ob die von einem Drittunternehmer verlangten Preise als erforderliche Aufwendungen erstattungsfähig sind, hängt vom Einzelfall ab.
Der Auftraggeber darf nicht beliebig Kosten produzieren.
Die Kosten sind überhöht, wenn eine preiswertere Sanierung, die den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeiführt, erkennbar möglich und zumutbar war.
Bei der Würdigung, welche Maßnahme zu welchen Preisen möglich und zumutbar war, ist zu berücksichtigen, dass der Auftraggeber nicht gehalten ist, im Interesse des säumigen und nachbesserungsunwilligen Auftragnehmers besondere Anstrengungen zu unternehmen, um den preisgünstigsten Drittunternehmer zu finden. Er darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Preis des von ihm beauftragten Drittunternehmers angemessen ist. Einen überhöhten Preis kann er auch dann akzeptieren, wenn ihm keine andere Wahl bleibt, etwa weil die Sache dringend ist.
Hat der Auftraggeber sich sachverständig beraten lassen, so kann er Ersatz seiner Aufwendungen auch dann verlangen, wenn sich später herausstellt, dass die von ihm durchgeführte Sanierung zu aufwändig war und eine preiswertere Möglichkeit bestand (vgl. BGH, Urteil vom 07.03.2013 – VII ZR 119/10 –).

Darauf hat der VII. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 25.06.2015 – VII ZR 220/14 – hingewiesen.

 

Bei Urheberrechtsverletzung über Internetanschluss

Ist über einen bestimmten Internetanschluss in einer Dateitauschbörse widerrechtlich, unter Verletzung des Urheberrechts, ein Werk öffentlich zugänglich gemacht worden, ist eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers dann nicht gegeben, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten bzw. wenn dies vom Anschlussinhaber vorgetragen ist.
Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Internetanschluss zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde.
Der Anschlussinhaber trägt dazu eine sekundäre Darlegungslast (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 08.01.2014 – I ZR 169/12 –).
Dieser genügt der Anschlussinhaber dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen.
In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet.
Eine wie auch immer geartete Beweislastumkehr zu Lasten des Anschlussinhabers ist damit allerdings nicht verbunden.
Die sekundäre Darlegungslast dient der Bewältigung von Informationsdefiziten bei der Sachverhaltsaufklärung; sie ändert jedoch nichts an dem Grundsatz, dass keine Partei verpflichtet ist, dem Gegner die für den Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen.

  • Der Anschlussinhaber erfüllt daher die ihm obliegende sekundäre Darlegungslast, wenn er die Personen, die selbständig und eigenverantwortlich Zugriff auf den Internetanschluss haben, ermittelt und namentlich unter Angabe einer bekannten Anschrift benennt.
  • Seiner Nachforschungspflicht im Rahmen der sekundären Darlegungslast genügt er, wenn er die möglichen Personen, die eine Zugriffsmöglichkeit hatten, hierzu befragt und das Ergebnis der Befragung mitteilt.
  • Zu weiteren Nachforschungen ist er im Regelfall nicht verpflichtet (a.A. wohl Landgericht (LG) München, Urteil vom 05.09.2014 – 21 S 24208/13 –).

 

Genügt der Anschlussinhaber der sekundären Darlegungslast, besteht also nach seinem Vortrag die Möglichkeit, dass andere die Urheberrechtsverletzung begangen haben könnten, auch wenn diese es gegenüber dem Anschlussinhaber abgestritten haben, ist es wiederum Sache des Rechteinhabers entweder zu beweisen,

  • dass keine anderen Anschlussnutzer als Täter in Betracht kommen, oder
  • dass der Anschlussinhaber aus dem Kreis der in Betracht kommenden Personen tatsächlich der Täter ist.

 

Als Störer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann ein Anschlussinhaber, wenn er – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beigetragen hat.
Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der Inanspruchgenommene die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte.
Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die weder als Täter noch als Teilnehmer für die begangene Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen werden können, setzt die Haftung als Störer nach der Rechtsprechung des BGH die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfungspflichten, voraus.
Ob und inwieweit dem als Störer Inanspruchgenommenen eine Verhinderung der Verletzungshandlung des Dritten zuzumuten ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat (vgl. BGH, Urteile vom 12.05.2010 – I ZR 121/08 –; vom 15.11.2012 – I ZR 74/12 – und vom 16.05.2013 – I ZR 216/11 –).

Darauf hat das Amtsgericht (AG) Hamburg mit Urteil vom 03.07.2015 – 36a C 134/14 – hingewiesen.

 

Wenn streitig ist, ob (Eigen-)Bedarfslage des Vermieters bestand oder nur vorgetäuscht war

Ein der Vermieter ist im Falle der Vortäuschung von Eigenbedarf – wie auch sonst bei einer schuldhaften (materiell) unberechtigten Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses (st. Rspr.; vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 28.11.2001 – XII ZR 197/99 – [zur Gewerberaummiete]; vom 22.04.2010 – I ZR 31/08 – [zum Frachtvertrag]; vgl. auch BGH, Urteil vom 16.01.2009 – V ZR 133/08 – [zum Grundstückskaufvertrag]), wie hier des Wohnraummietverhältnisses – dem Mieter gemäß § 280 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zum Schadensersatz verpflichtet (vgl. BGH, Urteile vom 08.04.2009 – VIII ZR 231/07 –; vom 13.06.2012 – VIII ZR 356/11 –; BGH, Beschluss vom 07.09.2011 – VIII ZR 343/10 –), wenn zwischen der behaupteten Pflichtverletzung (vorgetäuschter Eigenbedarf) und dem geltend gemachten Schaden ein Kausalzusammenhang besteht.

Streiten die Parteien in einem vom Vermieter erhobenen Räumungsklageprozess und daneben in einem vom Mieter erhobenen Schadensersatzprozess darüber, ob eine (Eigen-)Bedarfslage des Vermieters bestand oder nur vorgetäuscht war und haben sie in dem Räumungsklageprozess einen Räumungsvergleich geschlossen, ist die Frage, ob dieser Räumungsvergleich den Zurechnungszusammenhang zwischen der Vortäuschung der (Eigen-)Bedarfssituation und dem weiter vom Mieter geltend gemachten Schaden unterbricht, im Wege der Auslegung des Vergleichs und unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls danach zu beurteilen, ob die Parteien durch gegenseitiges Nachgeben auch den Streit darüber beilegen wollten, ob die (Eigen-)Bedarfslage des Vermieters bestand oder nur vorgetäuscht war.
Nur dann, wenn mit dem Vergleich auch etwaige Ansprüche des Mieters wegen eines nur vorgetäuschten Bedarfs abgegolten werden sollten, fehlt es an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang (vgl. auch BGH, Beschluss vom 07.09.2011 – VIII ZR 343/10 –).
An das Vorliegen des Willens des Mieters, auf etwaige Ansprüche gegen den Vermieter wegen eines nur vorgetäuschten (Eigen-)Bedarfs zu verzichten, sind strenge Anforderungen zu stellen; der Verzichtswille muss – auch unter Berücksichtigung sämtlicher Begleitumstände – unmissverständlich sein (Anschluss an und Fortführung von BGH, Urteile vom 21.11.2006 – VI ZR 76/06 –; vom 26.10.2009 – II ZR 222/08 –; vom 18.09.2012 – II ZR 178/10 –; vom 22.04.2015 – IV ZR 504/14 –).
Für einen stillschweigenden Verzicht des Mieters auf die vorgenannten Ansprüche bedarf es regelmäßig bedeutsamer Umstände, die auf einen solchen Verzichtswillen schließen lassen (Fortführung von BGH, Urteile vom 11.10.2000 – VIII ZR 276/99 –; vom 20.09.2006 – VIII ZR 100/05 –; Beschluss vom 19.09.2006 – X ZR 49/05 –). Derartige Umstände können bei einem Räumungsvergleich etwa darin liegen, dass sich der Vermieter zu einer substantiellen Gegenleistung – wie etwa einer namhaften Abstandszahlung – verpflichtet.

Darauf hat der VIII. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 10.06.2015 – VIII ZR 99/14 – hingewiesen.

 

Die Tarifbedingung „Hilfsmittel gleicher Art“ in der privaten Krankenversicherung

Sehen Tarifbedingungen einer privaten Krankheitskostenversicherung vor, dass Leistungen für „Hilfsmittel gleicher Art“ (nur) einmal innerhalb von drei Jahren erstattungsfähig sind, ist damit der konkrete Verwendungszweck des Hilfsmittels, insbesondere bezogen auf das jeweils geschädigte Körperteil gemeint.

Das hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 24.06.2015 – IV ZR 181/14 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall,

  • in dem es in den Tarifbedingungen eines privaten Krankenversicherers hieß, dass Kosten für technische Mittel, die körperliche Behinderungen unmittelbar mildern oder ausgleichen sollen, wie beispielsweise Sehhilfen, Arm- und Beinprothesen erstattungsfähig sind, Leistungen für Hilfsmittel gleicher Art aber nur einmal innerhalb von drei Kalenderjahren erstattungsfähig sind,
  • hatte ein Versicherungsnehmer, der nach einer Oberschenkelamputation im Jahr 2011 mit einer Kniegelenksprothese im Anschaffungswert von circa 44.000 € versorgt worden war, mit der Begründung, diese Prothese eigne sich wegen der darin befindlichen elektronischen Bauteile nicht für den Einsatz in Situationen, in denen sie – wie etwa beim Duschen, im Schwimmbad oder am Strand – der Gefahr von Spritzwasser ausgesetzt sei, die Erstattung von 8.397,56 € für eine 2012 erworbene Badeprothese verlangt.

 

In dieser Entscheidung hat der IV. Zivilsenat des BGH darauf hingewiesen, dass die Klausel, wonach „Hilfsmittel gleicher Art“ nur einmal innerhalb von drei Jahren erstattungsfähig sind, einer Kostenerstattung für die Badeprothese nicht entgegensteht.

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer, auf dessen Verständnismöglichkeiten es bei der Auslegung der genannten Tarifklausel ankommt, wird die Formulierung „Hilfsmittel gleicher Art“ nämlich nicht dahin verstehen, dass damit die bloße Einordnung in die Begriffe des voranstehenden Hilfsmittelkataloges angesprochen wäre mit der Folge, dass binnen drei Jahren lediglich Anspruch auf Kostenerstattung für eine Bein- oder Armprothese, ein Hörgerät usw. bestünde.
Stattdessen wird er annehmen, dass mit „gleicher Art“ der konkrete Verwendungszweck des betreffenden Hilfsmittels, insbesondere bezogen auf das jeweils geschädigte Körperteil gemeint ist, so dass die Klausel im Ergebnis lediglich auf eine Begrenzung so genannter Zweitversorgung oder auf Ersatzbeschaffung zielt.

Das bedeutet, sollte sich die Hauptprothese des Klägers nicht ausreichend vor Spritzwasser schützen lassen und deshalb keine Verwendung in Bereichen mit Wasserkontamination ermöglichen, würde die Badeprothese gerade dem Zweck dienen, dort eingesetzt zu werden, wo sich die Hauptprothese als ungeeignet erweist, die Mobilität des Klägers zu gewährleisten.
Sie wäre dann – verglichen mit der Hauptprothese – kein Hilfsmittel gleicher Art und unterfiele damit nicht der Dreijahresbegrenzung. 

 

Wenn nach strafrechtlicher Verurteilung eines Täters Schmerzensgeldansprüche geltend gemacht werden

Macht das Opfer einer Straftat, nachdem der Täter deswegen rechtskräftig verurteilt worden ist, beim Zivilgericht Schadensersatz- und/oder Schmerzensgeldansprüche geltend, sind die in dem strafrechtlichen Urteil festgestellten Tatsachen für die denselben Sachverhalt beurteilenden Zivilgerichte nicht bindend.
Die tatsächlichen Feststellungen in einem Strafurteil können aber im Wege des Urkundenbeweises im Zivilprozess berücksichtigt und vom Zivilgericht – nach eigener kritischer Prüfung – der eigenen Überzeugungsbildung zugrunde gelegt werden.
Der Zivilrichter kann aufgrund dessen somit zu der Überzeugung gelangen, dass daran, dass der Beklagte die ihm zur Last gelegte(n) Straftat(en) zum Nachteil des Klägers begangen hat, keine durchgreifenden Zweifel bestehen.

Darauf hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 27.05.2015 – 9 W 68/14 – hingewiesen und

  • in einem Fall, in dem der Beklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, begangen zum Nachteil des Klägers, rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von verurteilt worden, der zivilrechtlichen Schmerzensgeldforderung des Klägers aber entgegengetreten war, indem er die Straftaten sowie die für den Kläger nachteiligen gesundheitlichen Folgen bestritten hatte,
  • es mit der Begründung, die Rechtsvereidigung sei nicht erfolgreich, abgelehnt, dem Beklagten Prozesskostenhilfe für seine Rechtsverteidigung gegen den Schmerzensgeldanspruch zu bewilligen.

 

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 13.07.2015 mitgeteilt.

 

Wenn Radfahrer auf Hund trifft und stürzt

Steht der Sturz eines Radfahrers

  • in unmittelbarem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit der Begegnung mit einem freilaufenden Hund,
  • spricht der Beweis des ersten Anscheins für die Verursachung des Sturzes durch das Bewegungsverhalten des Hundes, wenn nach geltender Polizeiverordnung der Hund nur angeleint hätte geführt werden dürfen.

 

Wird der Anscheinsbeweis durch den Hundehalter nicht erschüttert, haftet er gemäß § 833 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für die Folgen des von seinem Hund verursachten Unfalls (so Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Urteil vom 21.07.2008 – 6 U 60/08 –; vgl. aber auch OLG Frankfurt, Urteil vom 04.06.2002 – 8 U 23/02 –).

Daneben kommt in einem solchen Fall eine Haftung des Hundehalters bzw. des verantwortlichen Hundeführers nach § 823 BGB in Betracht. Denn Polizeiverordnungen, die einen Leinenzwang vorsehen, sind nicht nur Schutzgesetze gem. § 823 Abs. 2 BGB, sondern der, der seinen Hund auf für Radfahrer freigegebenen Wegen frei laufen lässt, handelt auch fahrlässig.

Ein Mitverschulden gem. § 254 BGB an dem Sturz muss sich ein Radfahrer nur entgegenhalten lassen, wenn ihm irgendeine fehlerhafte Verhaltensweise, konkret eine anders mögliche, den Unfall vermeiden könnende Fahrweise, nachgewiesen werden kann. Nicht verlangt werden kann allerdings von einem Radfahrer, dass er vor Passieren eines Hundes absteigt und sein Rad an dem Hund vorbei schiebt.

Darauf hat die 5. Kammer des Landgerichts (LG) Tübingen mit Urteil vom 12.05.2015 – 5 O 218/14 – in einem Fall hingewiesen,

  • in dem die Klägerin mit ihrem Fahrrad auf einem für Radfahrer freigegebenen landwirtschaftlichen Weg gestürzt war,
  • weil der Beklagte seinen Hund entgegen der geltenden Polizeiverordnung hatte frei laufen lassen, dieser, nach ihrer Behauptung, als sie sich bereits bis auf wenige Meter genähert hatte, vom linken Rand des Weges nach rechts gelaufen war und sie deshalb hatte stark bremsen müssen.

 

Bayerische Beamte mit gravierender Sehschwäche haben Anspruch auf Beihilfe für ärztlich verordnete Brillengläser

Ein gravierend in seiner Sehfähigkeit eingeschränkter bayerischer Beamter hat Anspruch auf beihilferechtliche Erstattung ihm ärztlich verordneter Gleitsichtgläser.

Das hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) mit Urteil vom 14.07.2015 – 14 B 13.654 – in einem Fall entschieden, in dem ein bayerischer Beamter auf beihilferechtliche Erstattung von Aufwendungen für ihm ärztlich verordnete Brillengläser geklagt hatte, wobei sein Antrag von ihm von vorneherein auf die in der Bayerischen Beihilfeverordnung enthaltenen Höchstbeträge (ohne Brillenfassung) beschränkt worden war.

Seine Entscheidung hat der BayVGH damit begründet, dass die im bayerischen Beihilferecht seit dem Jahr 2004 für Erwachsene enthaltene Beschränkung der Erstattung von Aufwendungen für Sehhilfen auf einige wenige Diagnosen (z.B. Blindheit eines Auges und Sehschwäche des anderen Auges) nicht mit der verfassungsrechtlich gewährleisteten Fürsorgepflicht des Dienstherrn vereinbar und damit nichtig sei.

Denn der Dienstherr müsse seinen Beamten eine medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung im Krankheitsfall gewährleisten.
Dies schließe zwar grundsätzlich nicht aus, bestimmte Hilfsmittel ganz oder teilweise von der beamtenrechtlichen Beihilfe auszuschließen.
Ärztlich verordnete Sehhilfen seien aber – jedenfalls bei gravierenden Sehschwächen – unverzichtbare Hilfsmittel, um grundlegende Verrichtungen des täglichen Lebens besorgen zu können. In diesen Fällen dürfe die Beihilfefähigkeit jedenfalls für ärztlich verordnete Brillengläser nicht ausgeschlossen werden.

Das hat die Pressestelle Bayererischen Verwaltungsgerichtshofs am 16.07.2015 mitgeteilt.