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Wenn Radfahrer auf Hund trifft und stürzt

Steht der Sturz eines Radfahrers

  • in unmittelbarem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit der Begegnung mit einem freilaufenden Hund,
  • spricht der Beweis des ersten Anscheins für die Verursachung des Sturzes durch das Bewegungsverhalten des Hundes, wenn nach geltender Polizeiverordnung der Hund nur angeleint hätte geführt werden dürfen.

 

Wird der Anscheinsbeweis durch den Hundehalter nicht erschüttert, haftet er gemäß § 833 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für die Folgen des von seinem Hund verursachten Unfalls (so Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Urteil vom 21.07.2008 – 6 U 60/08 –; vgl. aber auch OLG Frankfurt, Urteil vom 04.06.2002 – 8 U 23/02 –).

Daneben kommt in einem solchen Fall eine Haftung des Hundehalters bzw. des verantwortlichen Hundeführers nach § 823 BGB in Betracht. Denn Polizeiverordnungen, die einen Leinenzwang vorsehen, sind nicht nur Schutzgesetze gem. § 823 Abs. 2 BGB, sondern der, der seinen Hund auf für Radfahrer freigegebenen Wegen frei laufen lässt, handelt auch fahrlässig.

Ein Mitverschulden gem. § 254 BGB an dem Sturz muss sich ein Radfahrer nur entgegenhalten lassen, wenn ihm irgendeine fehlerhafte Verhaltensweise, konkret eine anders mögliche, den Unfall vermeiden könnende Fahrweise, nachgewiesen werden kann. Nicht verlangt werden kann allerdings von einem Radfahrer, dass er vor Passieren eines Hundes absteigt und sein Rad an dem Hund vorbei schiebt.

Darauf hat die 5. Kammer des Landgerichts (LG) Tübingen mit Urteil vom 12.05.2015 – 5 O 218/14 – in einem Fall hingewiesen,

  • in dem die Klägerin mit ihrem Fahrrad auf einem für Radfahrer freigegebenen landwirtschaftlichen Weg gestürzt war,
  • weil der Beklagte seinen Hund entgegen der geltenden Polizeiverordnung hatte frei laufen lassen, dieser, nach ihrer Behauptung, als sie sich bereits bis auf wenige Meter genähert hatte, vom linken Rand des Weges nach rechts gelaufen war und sie deshalb hatte stark bremsen müssen.

 

Bayerische Beamte mit gravierender Sehschwäche haben Anspruch auf Beihilfe für ärztlich verordnete Brillengläser

Ein gravierend in seiner Sehfähigkeit eingeschränkter bayerischer Beamter hat Anspruch auf beihilferechtliche Erstattung ihm ärztlich verordneter Gleitsichtgläser.

Das hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) mit Urteil vom 14.07.2015 – 14 B 13.654 – in einem Fall entschieden, in dem ein bayerischer Beamter auf beihilferechtliche Erstattung von Aufwendungen für ihm ärztlich verordnete Brillengläser geklagt hatte, wobei sein Antrag von ihm von vorneherein auf die in der Bayerischen Beihilfeverordnung enthaltenen Höchstbeträge (ohne Brillenfassung) beschränkt worden war.

Seine Entscheidung hat der BayVGH damit begründet, dass die im bayerischen Beihilferecht seit dem Jahr 2004 für Erwachsene enthaltene Beschränkung der Erstattung von Aufwendungen für Sehhilfen auf einige wenige Diagnosen (z.B. Blindheit eines Auges und Sehschwäche des anderen Auges) nicht mit der verfassungsrechtlich gewährleisteten Fürsorgepflicht des Dienstherrn vereinbar und damit nichtig sei.

Denn der Dienstherr müsse seinen Beamten eine medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung im Krankheitsfall gewährleisten.
Dies schließe zwar grundsätzlich nicht aus, bestimmte Hilfsmittel ganz oder teilweise von der beamtenrechtlichen Beihilfe auszuschließen.
Ärztlich verordnete Sehhilfen seien aber – jedenfalls bei gravierenden Sehschwächen – unverzichtbare Hilfsmittel, um grundlegende Verrichtungen des täglichen Lebens besorgen zu können. In diesen Fällen dürfe die Beihilfefähigkeit jedenfalls für ärztlich verordnete Brillengläser nicht ausgeschlossen werden.

Das hat die Pressestelle Bayererischen Verwaltungsgerichtshofs am 16.07.2015 mitgeteilt.

 

Wenn dienstliche Computer von Arbeitnehmern für private Kopiervorgänge genutzt werden

Kopiert ein Arbeitnehmer privat beschaffte Bild- oder Tonträger während der Arbeitszeit unter Verwendung seines dienstlichen Computers unbefugt und zum eigenen oder kollegialen Gebrauch auf dienstliche „DVD-“ bzw. „CD-Rohlinge“, kann darin ein Grund zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses liegen und zwar unabhängig davon,

  • ob darin zugleich ein strafbewehrter Verstoß gegen das Urheberrechtsgesetz liegt oder
  • ob der Arbeitnehmer alle dazu notwendigen Handlungen selbst vorgenommen oder dabei mit anderen Bediensteten zusammengewirkt oder das Herstellen von „Raubkopien“ durch diese bewusst ermöglicht hat.

 

Dass ihm solche Kopier- und/oder Brennvorgänge gestattet sind, kann ein Arbeitnehmer nicht daraus schließen, dass es ihm erlaubt war seinen dienstlichen Rechner für bestimmte andere Zwecke zu nutzen.

Darauf hat, wie von der Pressestelle des Bundesarbeitsgerichts am 16.07.2015 – Nr. 36/15 – mitgeteilt wurde, der Zweite Senat des BAG mit Urteil vom 16.07.2015 – 2 AZR 85/15 – hingewiesen.

 

Die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung

Wegen des mit einer Durchsuchung verbundenen schwerwiegenden Eingriffs in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (vgl. Art. 13 Abs. 1 Grundgesetz (GG) dürfen Durchsuchungen gemäß Art. 13 Abs. 2 GG

  • nur durch den Richter und
  • lediglich nachrangig bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe – bei der strafprozessualen Durchsuchung gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz Strafprozessordnung (StPO) durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 GVG) – angeordnet werden,
  • wobei zwischen richterlicher und nichtrichterlicher Durchsuchungsanordnung ein Regel-Ausnahme-Verhältnis besteht.

 

Dabei geht das Grundgesetz davon aus, dass der Richter in Anbetracht seiner persönlichen und sachlichen Unabhängigkeit und seiner strikten Unterwerfung unter das Gesetz (Art. 97 GG) die Rechte des Betroffenen im Einzelfall am besten und sichersten wahren kann.

  • Gefahr im Verzug ist nur anzunehmen, wenn die richterliche Anordnung nicht mehr eingeholt werden kann, ohne dass der Zweck der Maßnahme (regelmäßig die Sicherstellung von Beweismitteln) gefährdet wird.
  • Kann hingegen der Richter mit dem Durchsuchungsbegehren befasst werden und über dieses entscheiden, ohne dass damit ein Risiko des Verlusts von Beweismitteln verbunden ist, ist für einen Rückgriff auf die Eilkompetenz der Strafverfolgungsbehörden kein Raum.

 

Vielmehr hat dann allein der zuständige Richter über den Eingriff in das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG zu entscheiden und dabei auch dem aus dem Rechtsstaatsprinzip fließenden Verfassungsgebot effektiver Strafverfolgung Rechnung zu tragen.

  • Ob ein angemessener Zeitraum zur Verfügung steht, innerhalb dessen eine Entscheidung des zuständigen Richters erwartet werden kann, oder ob bereits eine zeitliche Verzögerung wegen des Versuchs der Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde und daher eine nichtrichterliche Durchsuchungsanordnung ergehen darf, haben die Ermittlungsbehörden nach der Konzeption des Art. 13 Abs. 2 GG zunächst selbst zu prüfen.
     

Bei dieser Prüfung haben sie die von der Verfassung vorgesehene „Verteilung der Gewichte“, nämlich die Regelzuständigkeit des Richters, zu beachten.
Die daraus folgende Pflicht der Ermittlungsbehörden, sich regelmäßig um eine Durchsuchungsanordnung des zuständigen Richters zu bemühen, wird nicht durch den abstrakten Hinweis verzichtbar, eine richterliche Entscheidung sei zur maßgeblichen Zeit üblicherweise nicht mehr zu erreichen. Reine Spekulationen, hypothetische Erwägungen oder lediglich auf kriminalistische Alltagserfahrungen gestützte, fallunabhängige Vermutungen reichen ebenfalls nicht aus, um die Annahme von Gefahr im Verzug zu begründen. Auch schließt das verfassungsrechtliche Gebot, dem Ausnahmecharakter der Eilkompetenz Rechnung zu tragen, aus, mit dem Antrag auf Erlass einer Durchsuchungsanordnung zu warten, bis die Gefahr eines Beweismittelverlusts eingetreten ist. Selbst herbeigeführte tatsächliche Voraussetzungen können die Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft und ihrer Ermittlungspersonen nicht begründen.
Stattdessen sind bei der Beurteilung der Frage, ob der Versuch, eine richterliche Entscheidung herbeizuführen, unterbleiben darf, weil bereits die damit verbundene zeitliche Verzögerung den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde, die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalles in Rechnung zu stellen.
Die Ermittlungsbehörden haben insbesondere die Komplexität der im Rahmen der Durchsuchungsanordnung zu prüfenden tatsächlichen und rechtlichen Fragen und den insoweit erforderlichen Zeitaufwand zu berücksichtigen.
Daneben haben sie aber auch in ihre Überlegungen einzubeziehen, dass die Vorlage schriftlicher Unterlagen zur Herbeiführung einer richterlichen Eilentscheidung zumindest nicht ausnahmslos erforderlich ist.
Jedenfalls in einfach gelagerten Fällen, in denen allein aufgrund der mündlichen Darstellung des Sachverhalts eine sachangemessene Entscheidung möglich ist, würde ein solches Erfordernis weder der gesetzlichen Intention noch der Bedeutung des Richtervorbehalts für den Grundrechtsschutz des Einzelnen gerecht. Es bestehen daher in solchen Fällen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn der zuständige Richter allein aufgrund mündlich übermittelter Informationen entscheidet und die Durchsuchung auch mündlich anordnet, sofern er diese Anordnung zeitnah schriftlich dokumentiert und damit den sich aus Art. 19 Abs. 4 GG ergebenden Erfordernissen Rechnung trägt.

  • Falls die Ermittlungsbehörden zu dem Ergebnis gelangen, dass bereits der bloße Versuch der Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde, und diese unter Inanspruchnahme ihrer Eilkompetenz selbst anordnen, sind die dieser Entscheidung zugrunde gelegten Umstände des Einzelfalles zu dokumentieren, um der Garantie effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG Rechnung zu tragen.

 

In Fällen einer behördlichen Durchsuchungsanordnung ist nachträglich ein Rechtsbehelf entsprechend § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO gegeben (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22.01.2002 – 2 BvR 1473/01 –).
Die hierauf ergehende richterliche Entscheidung kann mit der Beschwerde gemäß § 304 Abs. 1 StPO angefochten werden.

  • Haben die Ermittlungsbehörden – nach Abwägung der Umstände des konkreten Einzelfalles – das Vorliegen der Voraussetzungen für die Annahme von Gefahr im Verzug verneint und eine richterliche Durchsuchungsanordnung beantragt, endet mit der Befassung des Gerichts und der dadurch eröffneten Möglichkeit präventiven Grundrechtsschutzes durch den Richter die Eilzuständigkeit der Ermittlungsbehörden.

 

Entscheidend ist dabei nicht der Zeitpunkt, zu dem die Staatsanwaltschaft den Entschluss fasst, eine richterliche Durchsuchungsanordnung zu beantragen, sondern der Zeitpunkt, in dem das Gericht mit dem Antrag auf Erlass einer Durchsuchungsanordnung befasst wird. Dies ist der Fall, wenn die Staatsanwaltschaft dem zuständigen Richter den Antrag tatsächlich unterbreitet hat, so dass dieser in eine erste Sachprüfung eintreten kann.
Erst ab diesem Zeitpunkt kann der Richter die Aufgabe präventiven Grundrechtsschutzes gemäß Art. 13 Abs. 2 GG erfüllen.
Damit entfällt das Bedürfnis für eine Eilanordnung der Strafverfolgungsbehörden, da es nunmehr Sache des zuständigen Richters ist, über die Voraussetzungen und die Eilbedürftigkeit eines Eingriffs in das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG im Lichte des verfassungsrechtlichen Gebots effektiver Strafverfolgung zu entscheiden.
Nicht entscheidend für den Zeitpunkt des Entfallens der Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft ist dagegen der tatsächliche Beginn der sachlichen Prüfung durch das Gericht oder gar die endgültige gerichtliche Entscheidung.

  • Auch soweit während des durch den Richter in Anspruch genommenen Entscheidungszeitraums nach dessen Befassung die Gefahr eines Beweismittelverlusts eintritt, etwa weil dieser auf ein mündlich gestelltes Durchsuchungsbegehren hin die Vorlage schriftlicher Antragsunterlagen oder einer Ermittlungsakte fordert, Nachermittlungen anordnet oder schlicht bis zum Eintritt der Gefahr eines Beweismittelverlusts noch nicht entschieden hat, lebt die Eilkompetenz der Ermittlungsbehörden nicht wieder auf.

 

Dies gilt unabhängig davon, aus welchen Gründen die richterliche Entscheidung über den Durchsuchungsantrag unterbleibt. Mit seiner Befassung ist es Aufgabe des Richters, den durch Art. 13 Abs. 2 GG geforderten präventiven Grundrechtsschutz unter Beachtung des Verfassungsgebots effektiver Strafverfolgung zu gewähren.

  • Scheitert hingegen der Versuch der Befassung des Gerichts mit dem Antrag auf Erlass einer Durchsuchungsanordnung, weil der zuständige Richter nicht erreicht werden kann und infolgedessen ein Beweismittelverlust droht, kommt ein Rückgriff auf die Eilkompetenz der Ermittlungsbehörden gemäß Art. 13 Abs. 2, 2. Halbsatz GG in Betracht.

 

Gehen die Ermittlungsbehörden zwar davon aus, dass ein ausreichender Zeitraum für den Erlass einer richterlichen Durchsuchungsanordnung besteht, wird der zuständige Ermittlungs- oder Eilrichter und auch dessen Vertreter aber nicht erreicht, obwohl dies ernsthaft versucht wurde, ist die Möglichkeit der Gewährung präventiven richterlichen Grundrechtsschutzes tatsächlich nicht eröffnet. Tritt in dieser Situation die Gefahr eines Beweismittelverlusts ein und ordnen die Ermittlungsbehörden daraufhin unter Rückgriff auf ihre Eilzuständigkeit eine Durchsuchung an, wird dadurch die verfassungsrechtlich vorgesehene „Verteilung der Gewichte“ nicht verändert. In diesem Fall ist eine Situation gegeben, die dem in Art. 13 Abs. 2 GG zugrunde gelegten Regel-Ausnahme-Verhältnis entspricht und in der auch nach der Wertung des Grundgesetzes im Interesse effektiver Strafverfolgung die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung durch die Ermittlungsbehörden erfolgen darf.
Die sich aus Art. 19 Abs. 4 GG ergebenden Dokumentationspflichten erfassen in diesem Fall auch die Darlegung der durchgeführten Kontaktversuche mit dem zuständigen Ermittlungs- oder Eilrichter und dessen Vertreter. Fehlt es an einem ernsthaften Versuch der Kontaktaufnahme, liegt ein Fall der selbst herbeigeführten Voraussetzungen von Gefahr im Verzug vor, der die Eilzuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden ausschließt.

  • Wird der zuständige Richter mit einem Durchsuchungsantrag befasst, ist er verpflichtet, den Antrag umgehend unter allen relevanten Gesichtspunkten zu prüfen und eine eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen.

 

Diese Prüfungs- und Entscheidungszuständigkeit beschränkt sich nicht auf die Feststellung eines abschließenden Ergebnisses in Form der Anordnung der beantragten ermittlungsrichterlichen Maßnahme oder deren Ablehnung.
Vielmehr hat der zuständige Richter darüber hinaus darüber zu befinden, wie lange er den Antrag prüft, ob es vor seiner Entscheidung weiterer Sachaufklärung bedarf und in welcher Form ihm die Entscheidungsgrundlagen vermittelt werden sollen. An diese Verfahrensgestaltung und die sich daraus ergebenden Konsequenzen sind die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen – vorbehaltlich neuer oder neu bekannt gewordener Verfahrensumstände – ebenso gebunden wie an eine abschließende Entscheidung über den Antrag.
Ab dem Zeitpunkt seiner Befassung trägt grundsätzlich allein der Richter die Verantwortung für die Anordnung der Durchsuchung, so dass ihm auch die Abwägung und Entscheidung obliegt, ob und inwieweit durch den von ihm zu verantwortenden Prüfungsvorgang der Ermittlungserfolg gegebenenfalls gefährdet wird. Wie er diesen Prozess ausgestaltet, ist Ausfluss seiner ihm durch Art. 97 GG garantierten Unabhängigkeit. Daraus sich ergebende nachteilige Konsequenzen für die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs sind sowohl zur Sicherung dieser Unabhängigkeit als auch im Interesse der Effektivität präventiven Grundrechtsschutzes hinzunehmen.

  • Die Eilkompetenz der Ermittlungsbehörden kann nur dann neu begründet werden, wenn nach der Befassung des Richters tatsächliche Umstände eintreten oder bekannt werden, die sich nicht aus dem Prozess der Prüfung und Entscheidung über diesen Antrag ergeben, und hierdurch die Gefahr eines Beweismittelverlusts in einer Weise begründet wird, die der Möglichkeit einer rechtzeitigen richterlichen Entscheidung entgegensteht (überholende Kausalität).

 

In solchen Fällen ist nach dem Konzept des Art. 13 Abs. 2 GG im Interesse effektiver Strafverfolgung die Eilzuständigkeit der Ermittlungsbehörden gegeben, weil ein Geschehensablauf vorliegt, der nicht Gegenstand der laufenden richterlichen Prüfung und daher geeignet ist, das Vorliegen von Gefahr im Verzug eigenständig (neu) zu begründen. Die bereits erfolgte Befassung des zuständigen Richters mit einem Durchsuchungsantrag steht der Eilzuständigkeit der Staatsanwaltschaft schon deswegen nicht entgegen, da sie auf einer anderen tatsächlichen Grundlage beruht.
Die sich aus Art. 19 Abs. 4 GG ergebenden Dokumentations- und Begründungspflichten erfordern allerdings, dass in einem solchen Fall die Umstände, die zur Eilkompetenz der Ermittlungsbehörden geführt und das Abwarten der Entscheidung des befassten Richters ausgeschlossen haben, in einer Weise dokumentiert werden, die eine gerichtliche Überprüfung des Vorliegens eines Eilfalles ermöglichen.

Darauf hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) mit Beschluss vom  16.06.2015 – 2 BvR 2718/10 –, – 2 BvR 1849/11 –,  – 2 BvR 2808/11 – hingewiesen.

Gegen die richterliche Durchsuchungsanordnung kann Beschwerde eingelegt werden (§ 304 Abs. 1 und 5 StPO), wobei, wenn eine Durchsuchung beendet ist, das Ziel der Beschwerde ab diesem Zeitpunkt als auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Durchsuchung gerichtet anzusehen ist (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 17.12.2014 – StB 10/14 –).

Voraussetzung für die materielle Rechtmäßigkeit einer Durchsuchungsanordnung nach § 102 StPO zum Zweck der Sicherstellung von Beweismitteln bei einem Verdächtigen ist, dass,

  • nach dem Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Durchsuchungsanordnung der Verdacht besteht, dass eine Straftat begangen wurde, wobei die Verdachtsgründe auf konkreten Tatsachen beruhen müssen, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen,
  • der Tatvorwurf in dem Durchsuchungsbeschluss so beschrieben ist, dass der äußere Rahmen abgesteckt wird, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchzuführen ist,
  • die erwarteten Beweismittel wenigstens annäherungsweise – gegebenenfalls in Form beispielhafter Angaben – beschrieben worden sind sowie
  • der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist, d. h.
    • der erhebliche Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Betroffenen muss in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen und
    • gerade diese Zwangsmaßnahme muss zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich sein, was dann nicht der Fall ist, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.01.2015 – 2 BvR 2419/13 –).

 

Umfang von Funktionstätigkeiten bei in Teilzeit beschäftigten Lehrern

In Teilzeit Beschäftigte dürfen nur entsprechend ihrer Teilzeitquote und teilzeitbeschäftigte Lehrer deshalb auch nur in der Summe ihrer Tätigkeiten (Unterricht, Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, Teilnahme an Klassen- und Schulkonferenzen, Elterngespräche, Vertretungsstunden etc., aber auch Funktionstätigkeiten) entsprechend ihrer Teilzeitquote zur Dienstleistung herangezogen werden.
Das bedeutet, dass bei teilzeitbeschäftigten Lehrern der Teilzeitquote bei der Übertragung von Funktionstätigkeiten, d.h. einer dauerhaften, nicht unmittelbar unterrichtsbezogenen schulischen Verwaltungsaufgabe (Beispiele: Leitung der Schulbibliothek, Organisation des Schüleraustauschs) Rechnung getragen werden oder ein zeitlicher Ausgleich durch entsprechend geringere Heranziehung zu anderen Aufgaben (z.B. keine oder weniger Vertretungsstunden) erfolgen muss.

Das hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) mit Urteil vom 16.07.2015 – 2 C 16.14 –, unter Bezugnahme auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Grundgesetz (GG)) sowie Unionsrecht, in einem Fall entschieden, in dem eine Oberstudienrätin teilzeitbeschäftigt an einem Gymnasium und dort mit dem Amt eines Oberstudienrats stets die Verpflichtung zur Übernahme einer Funktionstätigkeit verbunden war.

Das hat die Pressestelle des Bundesverwaltungsgerichts am 16.07.2015 – Nr. 60/2015 – mitgeteilt.

 

Wenn Arbeitnehmer Abschied feiern

Mit Urteil vom 29.05.2015 – 4 K 3236/12 E – hat der 4. Senat des Finanzgerichts (FG) Münster in einem Fall,

  • in dem der Kläger, ein leitender Angestellter in einem Unternehmen anlässlich seines Arbeitsplatzwechsels als Dozent an eine Fachhochschule Kollegen, Kunden, Lieferanten, Verbands- und Behördenvertreter sowie Experten aus Wissenschaft und Forschung zu einem Abendessen in ein Hotelrestaurant eingeladen hatte, wobei die Einladungen von dem Kläger mit seinem bisherigen Arbeitgeber abgestimmt und die Anmeldung für die Feier über das bisherige Sekretariat des Klägers erfolgt war,

 

entschieden, dass die dem Kläger für diese Abschiedsfeier von dem Hotel in Rechnung gestellten 5.000 EUR abzugsfähige Werbungskosten sind, weil die Aufwendungen durch die berufliche Tätigkeit des Klägers veranlasst waren.

Wie der 4. Senat des FG Münster ausführte, fallen unter Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG), also unter Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen, Aufwendungen, die durch die Erzielung von steuerpflichtigen Einnahmen veranlasst sind.
Dabei ist für die Annahme des damit geforderten Veranlassungszusammenhangs erforderlich, dass die Aufwendungen objektiv mit der auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit tatsächlich zusammenhängen und subjektiv zur Förderung dieser Tätigkeit gemacht werden, wobei das subjektive Element kein zwingendes Merkmal des Werbungskostenbegriffs ist, wohingegen der objektive Zusammenhang stets vorliegen muss (Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 11.01.2007 – VI R 52/03 –).
Keine Werbungskosten liegen dagegen gemäß § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG vor bei Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen, wobei, ob dies der Fall ist, anhand der Umstände des Einzelfalls umfassend zu würdigen ist.

 

Während Geburtstage oder Dienstjubiläen der privaten Sphäre des Steuerpflichtigen zugerechnet werden, hat eine Verabschiedung in den Ruhestand als letzter Akt des aktiven Dienstes ganz überwiegend beruflichen Charakter.

  • Für die Beurteilung der beruflichen oder privaten Veranlassung ist allerdings nicht allein auf den Anlass der Veranstaltung abzustellen; diese stellt lediglich ein wesentliches Indiz dar.
  • Im Rahmen der Gesamtwürdigung sind vielmehr auch weitere Umstände heranzuziehen.

 

In Anlehnung an die Rechtsprechung zur Abgrenzung einer vom Arbeitgeber veranstalteten Feierlichkeit von einer Privatfeier des Arbeitnehmers ist weiterhin zu berücksichtigen,

  • wer als Gastgeber auftritt,
  • wer die Gästeliste bestimmt,
  • die Zusammensetzung und Zugehörigkeit der Teilnehmer zur beruflichen oder privaten Sphäre des Steuerpflichtigen,
  • die Örtlichkeit der Veranstaltung,
  • die Höhe der Aufwendungen im Vergleich zu ähnlichen betrieblichen Veranstaltungen sowie
  • der Charakter der Feierlichkeit insgesamt (BFH, Urteile vom 06.03.2008 – VI R 68/06 –; vom 11.01.2007 – VI R 52/03 – und vom 01.02.2007 – VI R 25/03 –).

 

Dass in dem von ihm entschiedenen Fall die Aufwendungen des Klägers für seine Abschiedsfeier durch seine berufliche Tätigkeit veranlasst waren, begründete der 4. Senat des FG Münster u. a. damit,

  • dass der Anlass der Feier, der Arbeitgeberwechsel des Klägers, rein beruflicher Natur gewesen sei, dass sämtliche Gäste des Klägers aus seinem beruflichen Umfeld gestammt hätten,
  • dass private Freunde oder Angehörige nicht eingeladen gewesen seien,
  • dass die ganz überwiegende Zahl der Gäste auch ohne Ehe- bzw. Lebenspartner eingeladen worden sei,
  • dass der Kläger seinen bisherigen Arbeitgeber in die Organisation der Feier eingebunden sowie die Gästeliste mit diesem abgestimmt und
  • den Kläger auch sein bisheriges Sekretariat bei der Organisation der Anmeldungen unterstützt habe.

 

Als dieser Beurteilung nicht entgegenstehend erachtete der Senat den Umstand, dass die Feier abends stattgefunden hatte. Auch sah er die Höhe der Kosten der Feier von rund 50 EUR pro Person unter Berücksichtigung des Verdienstes und der beruflichen Stellung des Klägers für nicht so hoch an, dass daraus eine private Veranlassung hätte abgeleitet werden können.

 

Haftung bei grob fehlerhafter ärztlicher Behandlung eines Verkehrsunfallopfers

Der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg hat mit Urteil vom 08.07.2015 – 5 U 28/15 – ein Krankenhaus zur Zahlung von 265.000,- € an den Haftpflichtversicherer eines Unfallverursachers verurteilt.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall hatte ein Motorradfahrer,

  • nachdem er bei einem von dem Fahrer eines bei der Klägerin haftpflichtversicherten Pkws verschuldeten Verkehrsunfalles verletzt und mit einer beidseitigen Rippenserienfraktur sowie einer Lungenquetschung in das beklagte Krankenhaus eingeliefert worden war,
  • dort, aufgrund eines groben ärztlichen Behandlungsfehlers einen schweren Hirnschaden erlitten, der dazu führte, dass er sich seither im Zustand des Wachkomas befindet.

 

Mit ihrer Klage hatte die Klägerin,

  • nachdem sie sich mit dem Kradfahrer auf die Zahlung eines Schadensersatzbetrages, insbesondere Schmerzensgeldes in Höhe von 275.000,-€ geeinigt hatte,
  • von dem beklagten Krankenhaus die Erstattung eines Betrages von 265.000,-€ mit der Begründung verlangt, dass das Krankenhaus für den Hirnschaden des Kradfahrers allein hafte, weil dieser, ohne den groben ärztlichen Behandlungsfehler, heute nicht mehr an den Folgen des Verkehrsunfalls leiden würde.

 

Die Klage war erfolgreich.

Der 5. Zivilsenat des OLG Oldenburg entschied, dass das Krankenhaus deshalb zu 100 % für den Hirnschaden des Kradfahrers hafte, weil

die von dem Versicherungsnehmer der Klägerin, dem Fahrer des Pkws, zu verantwortenden unmittelbaren Verletzungsfolgen (Rippenfraktur und Lungenquetschung) im Vergleich zu den von dem beklagten Krankenhaus zu verantwortenden Verletzungsfolgen (Hirnschaden) als gering anzusehen seinen,
das von dem beklagten Krankenhaus zu verantwortende Verhalten in deutlich höherem Maße als der Unfall geeignet gewesen sei, den Hirnschaden des Kradfahrers herbeizuführen und
bei wertender Betrachtung der von der Klägerin zu verantwortende Verursachungsbeitrag vollständig hinter dem des beklagten Krankenhauses zurück trete.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Oldenburg am 16.07.2015 mitgeteilt.

 

Wenn Motorradfahrer auf Rollsplitt stürzt

Stürzt ein Motorradfahrer auf Rollsplitt im Kurvenbereich einer Gemeindestraße, haftet die Gemeinde für seine Schäden, wenn ein Warnhinweis unmittelbar vor der Unfallstelle fehlt.
Steht ein paar Kurven vor der Unfallstelle ein Gefahrstellenschild, muss sich der Motorradfahrer allerdings ein Mitverschulden anrechnen lassen.

Das hat der 7. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG) mit Urteil vom 18.06.2015 – 7 U 143/14 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall war der Geschädigte,

  • nachdem die beklagte Gemeinde auf einer Gemeindestraße hatte Straßenausbesserungsarbeiten durchführen lassen, von dem von ihr beauftragten Unternehmen knapp eine Woche nach Beendigung der Arbeiten die zuvor aufgestellten Warnschilder „Splitt“ und „Rollsplitt“ entfernt worden waren sowie lediglich ein mehrere Kurven zuvor aufgestelltes Warnschild (Zeichen 101 Gefahrstelle) verblieben war,
  • mit seinem Motorrad beim Durchfahren einer Rechtskurve auf Rollsplitt gestürzt.

 

Seine Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld hatte teilweise Erfolg. Die Gemeinde muss dem Motorradfahrer 2/3 seines materiellen Schadensersetz ersetzen sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von 4000 Euro zahlen.

Nach der Entscheidung des 7. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen OLG haftet die Gemeinde als Träger der Straßenbaulast wegen Verletzung der Aufsichts- und Überwachungspflichten,

  • weil sie diese Pflichten, auch wenn sie die konkret durchzuführenden Arbeiten auf ein anderes Unternehmen übertragen hatte, behalten hatte und
  • von dem beauftragten Unternehmen nach Durchführung der Bauarbeiten die auf Rollsplitt hinweisenden Schilder mit Ausnahme des Schildes ein paar Kurven vor der Unfallstelle unmittelbar vor dem Unfall abgebaut worden waren, obwohl der Rollsplitt zu diesem Zeitpunkt noch nicht in der Weise beseitigt war, dass keine Gefährdung der Verkehrsteilnehmer mehr bestand.

 

Angesichts der von seinem Motorrad ausgehenden Betriebsgefahr, die durch einen Fahrfehler des Motorradfahrers erhöht wurde, erschien dem Senat eine Haftungsverteilung von 1/3 zu seinen Lasten und 2/3 zu Lasten der Gemeinde als angemessen. Dabei berücksichtigte der Senat,

  • dass der auf der Straße befindliche Rollsplitt für den Motorradfahrer vor und bei Befahren der Rechtskurve optisch zwar nicht erkennbar war,
  • dass aber aufgrund des optischen Eindrucks für den Benutzer der Straße erkennbar war, dass im Unfallbereich Ausbesserungsarbeiten stattgefunden hatten und
  • der Motorradfahrer, trotz des ein paar Kurven vor der Unfallstelle auf eine Gefahrenstelle hinweisenden Verkehrszeichens, nicht Vorsicht hatte walten lassen, sondern sein Motorrad im Kurvenbereich zum Beschleunigen hochgeschaltet und damit eine vermeidbare Gefahrerhöhung geschaffen hatte.

 

Das hat die Pressestelle des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts am 15.07.2015 – 8/2015 – mitgeteilt.

 

Kollision zwischen Pkw und Zug auf unzureichend gesichertem Bahnübergang

Stößt ein Pkw auf einem unzureichend gesicherten Bahnübergang mit dem Zug einer Privatbahn zusammen, kann eine für den Unfall ursächliche Nachlässigkeit des Schrankenwärters sowohl der Privatbahn als auch dem für die Bahnstrecke verantwortlichen Unternehmen der Deutschen Bahn zuzurechnen sein, so dass alle Beteiligten in vollem Umfang für den Fahrzeugschaden haften.

Darauf hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 11.06.2015 – 6 U 145/14 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall war der Pkw des Klägers auf einem Bahnübergang mit dem Zug der beklagten Privatbahn zusammen gestoßen, weil

  • bei dem im Regelfall durch Andreaskreuz, Lichtzeichenanlage und automatische Schrankenanlage gesicherten Bahnübergang zum Unfallzeitpunkt ein technischer Defekt vorlag und
  • der auch beklagte Schrankenwärter, der den Bahnübergang deshalb sichern sollte, es trotz telefonischer Zugankündigung versäumt hatte, das Warnlicht einzuschalten und die Schranke herunter zu lassen.
  • Eigentümerin der Infrastrukturanlagen der Bahnstrecke, auf der die Privatbahn den Bahnbetrieb betreibt, ist das ebenfalls verklagte Unternehmen der Deutschen Bahn (im Folgenden: Deutsche Bahn).

 

Die Schadensersatzklage des Klägers gegen die drei Beklagten hatte Erfolg. Die Beklagten wurden vom 6. Zivilsenat des OLG Hamm verurteilt, als Gesamtschuldner 28.000 Euro Schadensersatz an den Kläger zu zahlen.

Wie der Senat ausgeführt hat, sind die Deutsche Bahn und die Privatbahn nach § 1 des Haftpflichtgesetzes (HaftpflG) zum Schadensersatz verpflichtet.
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift, nach der der Betriebsunternehmer dem Geschädigten zum Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet ist, der dadurch entsteht, dass beim Betrieb einer Schienenbahn ein Mensch getötet oder verletzt oder eine Sache beschädigt wird, sind erfüllt,

  • weil das Fahrzeug der Klägerin beim Betrieb der von der von der Deutschen Bahn als Eisenbahninfrastrukturunternehmen i. S. d. § 2 Abs. 1 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) und von der Privatbahn als Eisenbahnverkehrsunternehmen i. S. d. § 2 Abs. 1 AEG betriebenen Schienenbahn beschädigt worden ist.

 

Bei diesen beiden Beklagten handelt es sich nämlich um selbständig organisierte Teile eines einheitlichen Eisenbahnunternehmens i. S. d. § 2 Abs. 1 AEG, die – jeder für sich – Betriebsunternehmer i. S. d. § 1 Abs. 1 HaftpflG sind (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 09.05.2012 – 12 U 1247/11 –).

Auch ist die Haftung der Privatbahn nicht durch höhere Gewalt i. S. v. § 1 Abs. 2 HaftpflG ausgeschlossen,

  • weil höhere Gewalt voraus setzt, dass der Unfall auf Seiten der Privatbahn durch einem betriebsfremden, von außen durch Naturkräfte oder durch Handlungen Dritter herbeigeführten Ereignis beruht, welches nach menschlicher Erfahrung unvorhersehbar, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch äußerste Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit vom Betriebsunternehmer in Kauf zu nehmen ist (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 16.10.2007 – VI ZR 173/06 –) und 
  • es im Hinblick auf das streitgegenständliche Unfallereignis bereits an einer Einwirkung von außen fehlt.

 

Denn eine Einwirkung von außen liegt nur dann vor, wenn die Ursache für das haftungsbegründende Ereignis außerhalb des Bahnbetriebs und seiner Einrichtungen liegt und auch nicht mit seinen Gefahrenquellen zusammenhängt und davon kann jedenfalls dann nicht ausgegangen werden, wenn sich infolge der unsachgemäßen Bedienung einer Bahnsicherungsanlage durch einen im Bahnbetrieb angestellten Unternehmer oder eines seiner Angestellten die typische Bahngefahr der Kollision eines Zuges mit einem PKW realisiert.

Das schuldhafte Verhalten des Schrankenwärters müssen sich, wie der Senat weiter ausgeführt hat, Privatbahn und Deutsche Bahn betriebsgefahrerhöhend zurechnen lassen. Sein Verschulden besteht darin, dass er es pflichtwidrig unterlassen habe, auf telefonische Ankündigung des sich nähernden Zuges die Schranken am Bahnübergang herunter zu lassen und das rote Warnlicht einzuschalten.
Der mit der Sicherung der Gleisanlagen betraute Schrankenwärter und die für die Infrastruktur verantwortliche Deutsche Bahn bilden eine Haftungseinheit, die auch zu Lasten der Privatbahn wirkt, die wiederum mit der Deutschen Bahn eine gemeinsame Betriebseinheit bildet. Hinzu kommt, dass sich das Versäumnis des Schrankenwärters in gleicher Weise gefahrerhöhend auf die Bahnanlage der Deutschen Bahn und den Betrieb des Schienenfahrzeuges der Privatbahn ausgewirkt hat.

Ein Mitverschulden des Fahrers des klägerischen Fahrzeugs an dem Unfall war nicht nachweisbar und die vom klägerischen Fahrzeug ausgehende allgemeine Betriebsgefahr trat nach Auffassung des Senats hinter dem der Privatbahn sowie der Deutschen Bahn zurechnenden Verursachungsbeitrag des Schrankenwärters zurück. 

 

Wenn Arbeitnehmer wissen wollen, ob für sie Sozialversicherungsbeiträge entrichtet wurden

Ein Versicherter kann in begründeten Fällen von seiner gesetzlichen Krankenversicherung Auskunft darüber verlangen, ob sein Arbeitgeber für ihn die Sozialversicherungsbeiträge ordnungsgemäß entrichtet hat.

Das hat der 8. Senat des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) mit Urteil vom 14.07.2015 – L 8 KR 158/14 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall wollte eine Arbeitnehmerin, nachdem sie von einem früheren Arbeitskollegen erfahren hatte, dass ihr ehemaliger Arbeitgeber für ihn Beiträge zu den Sozialversicherungen nicht gezahlt haben soll, von ihrer Krankenkasse wissen, ob ihr ehemaliger Arbeitgeber für sie Sozialversicherungsbeiträge abgeführt hat.

Der Klage der Arbeitnehmerin auf Auskunft, die von ihr erhoben worden war, nachdem die Krankenkasse die Auskunft mit der Begründung verweigert hatte, es handle sich um Sozialdaten des Arbeitgebers, die sie ohne dessen Einwilligung nicht an Versicherte übermitteln dürfe, war erfolgreich.
Wie der Hessische LSG ausführte,

haben Versicherte nach § 83 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) einen gesetzlichen Anspruch auf Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Sozialdaten. Deshalb müsse die Krankenkasse einen bei ihr versicherten Arbeitnehmer darüber informieren, ob dessen Arbeitgeber für ihn Beiträge zur Sozialversicherung entrichtet habe. Bei diesen Informationen handele es sich um sogenannte Sozialdaten auch des Versicherten nach § 67 Abs. 1 SGB X.
Zwar sei allein der Arbeitgeber verpflichtet, die Beiträge zu zahlen. Der Arbeitnehmeranteil an den Beiträgen werde jedoch aus dem Vermögen des Arbeitnehmers erbracht (§§ 28d, 28h, 28e Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Auch lägen schützenswerte Geheimhaltungsinteressen des Arbeitgebers, die einer Auskunftserteilung entgegenstünden, nicht vor (§ 83 Abs. 4 SGB X).

Das hat die Pressestelle des Hessischen Landessozialgerichts am 14.07.2015 – 12/15 – mitgeteilt.