Blog

Internetauktion auf der Plattform von eBay

Bei einer Internetauktion auf der Plattform von eBay kommt der Vertrag in Anwendung der §§ 145 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) durch ein Angebot und dessen Annahme zustande (Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 07.11.2001 – VIII ZR 13/01 – und vom 03.11.2004 – VIII ZR 375/03 –).
Das Einstellen einer Ware auf der Plattform von eBay ist dabei als ein verbindliches Verkaufsangebot an denjenigen auszulegen, der bis zum Abschluss der Auktion das höchste Gebot abgibt (BGH, Urteile vom 03.11.2004 – VIII ZR 375/03 – und vom 08.06.2011 – VIII ZR 305/10 –). Dabei erklärt der Anbieter mit der Freischaltung des Angebotes die vorweggenommene Annahme des höchsten wirksamen Gebotes zum Ende der Angebotsdauer.

Wird bei einer eBay-Auktion von einem Bieter ein sog. Maximalgebot abgegeben, ist dies die Weisung an das elektronische Bietsystem, als Erklärungsbote bis zu der vorgegebenen Maximalgrenze denjenigen Betrag zu bieten, der erforderlich ist, um Höchstbietender zu werden oder zu bleiben.
Das automatische Bietsystem der Handelsplattform erhöht dann jeweils aktuelle Konkurrenzangebote schrittweise um denjenigen Betrag, der erforderlich ist, um wieder Höchstbietender zu sein und zwar solange bis das Maximalangebot von einem anderen Bieter überboten wird.
Dabei stellt jedes neue Höchstgebot eine eigenständige Willenserklärung dar, die das automatische Bietsystem des Plattformbetreibers als „virtueller Erklärungsbote“ nach Maßgabe der Berechnungsschritte übermittelt, d.h. öffentlich anzeigt, womit sie dem Anbieter im Sinne von § 130 Absatz 1 Satz 1 BGB zugegangen ist.

Jedes neue Höchstangebot führt zum Erlöschen des jeweils vorangegangenen Höchstangebotes.

Gibt ein Anbieter unter Verwendung eines weiteren Mitgliedskontos auf seine eigenen Waren selbst Gebote ab, sind diese Gebote keine wirksamen Angebote im Sinne der §§ 145 ff. BGB, weil der Anbieter mit sich selbst nicht kontrahieren kann. Ein Antrag zur Schließung eines Vertrages im Sinne von § 145 BGB liegt nämlich nach dem Wortlaut der Vorschrift nur vor, wenn es an einen anderen gerichtet ist. Mithin liegt bei Geboten eines Anbieters schon tatbestandsmäßig keine Willenserklärung vor.
Allerdings führt der Umstand, dass ein Anbieter mit seinen eigenen Geboten keine wirksame Willenserklärung abgegeben hat, nicht dazu, dass solche Gebote völlig unbeachtlich wären.
Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von eBay sehen nämlich nicht vor, dass Gebote auf eigene Artikel als nichtig anzusehen sind. Zwar dürfen Mitglieder den Verlauf einer Auktion nicht durch die Abgabe von Geboten unter Verwendung eines weiteren Mitgliedskontos manipulieren, insbesondere ist es ihnen untersagt, selbst Gebote auf ihre eingestellten Angebote abzugeben (§ 3 Nr. 3 eBay-AGB).
Als Sanktion für den Verstoß gegen diese Bedingungen ist jedoch nicht vorgesehen, dass die Gebote unwirksam sind. Vielmehr behält sich der Plattformbetreiber in solchen Fällen vor, aus einem Katalog eine angemessene Sanktion zu verhängen (z.B. eine Verwarnung, eine Benutzungsbeschränkung oder eine Sperrung des Kontos, vgl. § 4 eBay-AGB).

Deshalb genügt grundsätzlich auch die bloße Tatsache der Abgabe eines eigenen Angebots durch den Anbieter, um die Gebundenheit an das vorhergehende Gebot aufzuheben, d.h., das vorangegangene Höchstangebot zum Erlöschen zu bringen und dieses vorangegangene Höchstangebot lebt auch nach Feststellung der Unwirksamkeit des Angebots nicht wieder auf.
Eine Ausnahme kommt nur in Betracht, wenn das Übergebot des Anbieters offensichtlich unwirksam ist oder es sofort zurückgewiesen wird.

Ist von einem Anbieter am Ende der Angebotsdauer selbst das Höchstangebot abgegeben und damit vereitelt worden, dass die Bedingung – ein Höchstgebot des Bieters zum Ablauf der Auktion – eintritt, ist der zuletzt überbotene Bieter gemäß § 162 Absatz 1 BGB so zu stellen, als sei mit dem Inhalt seines letzten Höchstgebotes ein Kaufvertrag zustande gekommen.
Wird der Eintritt der Bedingung von der Partei, zu deren Nachteil er gereichen würde, nämlich wider Treu und Glauben verhindert, so gilt nach dieser Bestimmung die Bedingung als eingetreten.

Hat der Anbieter durch sein Mitsteigern den Preis in die Höhe getrieben und so verhindert, dass der Bieter die Ware zu einem niedrigeren Preis kaufen konnte, ist er gemäß § 241 Absatz 2, § 311 Absatz i.V.m. § 280 Absatz 1 BGB zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der in der Differenz des Verkehrswertes zum (fiktiven) Kaufpreis des Artikels besteht. Voraussetzung ist aber, dass sich feststellen lässt, dass es dem Bieter ohne die Manipulation des Anbieters gelungen wäre, die Sache unterhalb des Verkehrswertes zu ersteigern; ansonsten fehlt es an einem Schaden.

Darauf hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart mit Urteil vom 14.4.2015 – 12 U 153/14 – hingewiesen.

 

Gebäudeschäden durch holzzerstörenden Schwammbefall

Ein Gebäudeversicherer hat dem Gebäudeeigentümer für den gesamten Schwammbefall des versicherten Gebäudes und nicht nur hinsichtlich der innerhalb der Vertragslaufzeit konkret nachgewiesenen Befallstellen Versicherungsschutz zu gewähren.

Darauf hat der 16. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG) mit Urteil vom 04.06.2015 – 16 U 3/15 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall hatte die Klägerin, die Eigentümerin eines mehrgeschossigen Mietobjekts war, für das bei dem beklagten Versicherer eine gleitende Neuwertversicherung bestand, die Schutz gewährte gegen Schäden, die durch holzzerstörende Pilze (Schwamm), nämlich den echten Hausschwamm, den Kellerschwamm, den Porenschwamm, den Blättling und den Hausbockkäfer verursacht werden,

  • nach Kündigung der Versicherung, aber einen Monat vor Vertragsablauf einen erheblichen Befall mit einer versicherten Schwammart an dem Gebäude entdeckt und dies der Versicherung gemeldet,
  • die zwar für die Sanierung dieser festgestellten Schadstellen einstehen wollte, jedoch nicht für die Sanierung der Stellen an denen erst nach Ablauf der Versicherung weiterer Schwammbefall festgestellt worden war.   

 

Da sich den dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen,

  • in denen es hieß, „dass der Versicherungsfall beginnt, sobald der Versicherungsnehmer von dem Schadensereignis (Befall) Kenntnis erlangt, spätestens mit der Feststellung des Schadens durch den Versicherer“,

 

nach Auffassung des 16. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen OLG eine Beschränkung auf nur diejenigen Schäden, die bis zum Ende der Vertragslaufzeit positiv festgestellt und der Versicherung konkret angezeigt wurden, nicht entnehmen lies, entschied der Senat, dass der Versicherer der Gebäudeeigentümerin hinsichtlich des gesamten Schwammbefalls an dem versicherten Gebäude Versicherungsschutz zu gewähren hat.

Nach den Versicherungsbedingungen könne ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer nämlich, wie der Senat ausführte, davon ausgehen, dass mit der Wahrnehmung, dass das Gebäude von einem Pilz befallen ist, der Versicherungsbefall eingetreten ist und dann sämtlicher festgestellter weiterer Schwamm vollständig beseitigt wird.
Dies sei auch der typische Fall eines Schadens durch Schwamm.
In aller Regel wird zunächst eine einzelne Stelle auffällig werden und dadurch dem Versicherungsnehmer zur Kenntnis gelangen. Dessen Meldung zieht dann weitere Untersuchungsmaßnahmen nach sich, die regelmäßig einen weiteren Befall zu Tage fördern werden, dessen Sanierung insgesamt Inhalt des Versprechens des Versicherers ist.
Wäre es anders, könnte der Versicherer den Umfang seiner Leistungspflicht allein dadurch reduzieren, dass er die nach der ersten Schadensmeldung vorgesehenen eigenen Feststellungen unterlässt oder verzögert.

Das hat die Pressestelle des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts am 18.06.2015 – 7/2015 – mitgeteilt.

 

Rauchwarnmelder in Mietwohnung

Mieter müssen den Einbau von Rauchwarnmeldern durch den Vermieter auch dann dulden, wenn sie die Wohnung zuvor schon selbst mit von ihnen ausgewählten Rauchwarnmeldern ausgestattet haben.

Das hat der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteilen vom 17.06.2015 – VIII ZR 216/14 und VIII ZR 290/14 – in zwei Fällen entschieden, in denen eine Wohnungsbaugesellschaft sowie eine Wohnbaugenossenschaft den eigenen Wohnungsbestand jeweils einheitlich mit Rauchwarnmeldern ausstatten und warten lassen wollten.

Begründet hat der Senat seine Entscheidungen damit, dass, wenn Vermieter Wohnungen mit Rauchwarnmeldern ausstatten, dies bauliche Veränderungen seien, die zu einer nachhaltigen Erhöhung des Gebrauchswerts und einer dauerhaften Verbesserung der allgemeinen Wohnverhältnisse im Sinne von § 555b Nr. 4 und 5 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) führten und deshalb von den Mietern zu dulden seien (§ 555d Abs. 1 BGB).
Dadurch, dass der Einbau und die spätere Wartung der Rauchwarnmelder für das gesamte Gebäude „in einer Hand“ sei, werde ein hohes Maß an Sicherheit gewährleistet, das zu einer nachhaltigen Verbesserung auch im Vergleich zu einem Zustand führe, der bereits durch den Einbau der vom Mieter selbst ausgewählten Rauchwarnmeldern erreicht sei.
Auch ergebe sich die Duldungspflicht der Mieter, wie der Senat weiter ausführte, daraus, dass den Vermietern der Einbau von Rauchwarnmeldern durch eine gesetzliche Verpflichtung auferlegt sei (in den den Entscheidungen zugrunde liegenden Fällen war dies § 47 Abs. 4 der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt (BauO LSA)) und somit aufgrund von Umständen durchzuführen ist, die von ihnen nicht zu vertreten seien (§ 555b Nr. 6 BGB).

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 17.06.2015 – Nr. 97/2015 – mitgeteilt.

 

Schmerzensgeld nach verzögerter Tumorbehandlung

Verzögert ein grober Befunderhebungsfehler die Behandlung eines Tumors im Unterschenkel einer 23-jährigen Patientin, kann eine nach der Behandlung zurückbleibende dauerhafte Fuß- und Großzehenheberschwäche dem Behandlungsfehler zuzurechnen sein und ein Schmerzensgeld von 15.000 Euro rechtfertigen.

Das hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 18.02.2015 – 3 U 166/13 – in einem Fall entschieden, in dem der beklagte Orthopäde einen behandlungsbedürftigen Tumor bei der Klägerin ca. 8 bis 9 Monate früher hätte erkennen, wenn von ihm damals schon eine kernspintomografische Untersuchung durchgeführt worden wäre.

In diesem Versäumnis sah der Senat einen groben Behandlungsfehler, der eine Beweislastumkehr zugunsten der Klägerin bewirkte, so dass zu ihren Gunsten davon auszugehen war, dass die vom Beklagten zu vertretene zeitliche Verzögerung bei der Behandlung des Tumors auch ursächlich war für die später eingetretene Fuß- und Großzehenheberschwäche.

Nach den Feststellungen des vom Senat gehörten Sachverständigen war der grobe Behandlungsfehler nämlich generell geeignet die Fuß- und Großzehenheberschwäche hervorzurufen, da die um ca. 8 bis 9 Monate verzögerte Behandlung und das Tumorwachstum in dieser Zeit die Voraussetzungen für eine erfolgreiche und komplikationsfreie Behandlung des Tumors verschlechtert hatten.

Den aufgrund der Beweislastumkehr zugunsten der Klägerin anzunehmenden Kausalzusammenhang hatte der Beklagte nicht widerlegen können.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 17.06.2015 mitgeteilt.

 

Rechtsanwalt Rösch besucht Fortbildung in Nürnberg

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht Ingo-Julian Rösch besucht am 17.06.2015 die Fortbildung “ Verkehrsrecht: Aktuelle Entscheidungen und Brennpunkte im Verkehrsschadensrecht der RAK Nürnberg.

 
 

Die Prozessführungsermächtigung

Für die Geltendmachung eines fremden Rechts im eigenen Namen bedarf es

  • zum einen einer entsprechenden Ermächtigung des Berechtigten und
  • zum anderen eines eigenen schutzwürdigen Interesses des Prozessstandschafters an der Durchsetzung des Rechts.
  • Zudem müssen die Voraussetzungen für eine zunächst gegebene gewillkürte Prozessstandschaft im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz vorliegen und dürfen nicht entfallen sein.

 

Widerrufen mit materiell-rechtlicher Wirkung kann eine erteilte Prozessführungsbefugnis auch während des Rechtsstreits und zwar, sofern sich aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis nicht Abweichendes, z.B. die Unwiderruflichkeit der Ermächtigung, ergibt,  solange zur Durchsetzung des Rechts noch Prozesshandlungen des Prozessstandschafters geboten sind.

Allerdings führt ein hiernach im Verhältnis zwischen dem Rechtsinhaber und dem Ermächtigten materiell-rechtlich wirksamer Widerruf der Prozessführungsermächtigung nicht in jedem Fall zur Unzulässigkeit der Klage.

  • Erfolgt der Widerruf nach dem Beginn der mündlichen Verhandlung der beklagten Partei, bleibt er verfahrensrechtlich ohne Auswirkungen auf die Prozessführungsbefugnis der klagenden Partei, sofern nicht die beklagte Partei einer Abweisung der Klage als unzulässig zustimmt bzw., weil darin die Zustimmung liegt, die Abweisung der Klage als unzulässig beantragt.
    Das bedeutet, stimmt die beklagte Partei in einem solchen Fall einer Abweisung der Klage als unzulässig nicht zu, ist die Ermächtigung der klagenden Partei, auch wenn sie materiell-rechtlich wirksam widerrufen wurde, mit Rücksicht auf den Vorrang des Prozessrechts in diesem Bereich (vgl. § 51 Zivilprozessordnung (ZPO)) als fortbestehend anzusehen und der Rechtsstreit – vorbehaltlich eines Eintritts des Rechtsinhabers in den Prozess nach den Regeln über den Parteiwechsel (vgl. zu dieser Möglichkeit Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 07.07.1993 – IV ZR 190/92 –) – mit dem Prozessstandschafter fortzusetzen.
  • Ist der Widerruf dagegen vor der Einlassung der beklagten Partei zur Hauptsache erfolgt, entzieht dieser der klagenden Partei die Prozessführungsbefugnis mit der Folge, dass die Klage als unzulässig abzuweisen ist.
    Unberührt bleibt auch in diesem Fall die Möglichkeit, dass der Rechtsinhaber anstelle des Ermächtigten nach den Regeln über den Parteiwechsel (§ 263 ZPO) in den Prozess eintritt.
    Eine entsprechende Anwendung der §§ 239 ff. ZPO kommt dagegen wegen der fehlenden Vergleichbarkeit der Rechtsstellung des gewillkürten Prozessstandschafters mit der des materiellen Rechtsinhabers nicht in Betracht.

 

Das hat der V. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 27.02.2015 – V ZR 128/14 – entschieden.

 

Kollision von zwei rückwärts ausparkenden Fahrzeugen

Kollidieren zwei versetzt gegenüber auf dem Parkplatz eines Supermarktes abgestellte Pkws beim rückwärts Ausparken ist gemäß § 17 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) eine hälftige Schadensverteilung auch dann sachgerecht, wenn eines der beiden Fahrzeuge vor der Kollision bereits zum Stehen gekommen war.

Das hat das Amtsgericht (AG) Bochum mit Urteil vom 28.05.2015 – 83 C 9/15 – entschieden.

Begründet hat das AG Bochum seine Entscheidung damit, dass beim Zurücksetzen ihrer Fahrzeuge beide Fahrzeugführer besondere Vorsicht walten lassen, insbesondere jeweils auf andere auf dem Parkplatz fahrende und rangierende Fahrzeuge achten sowie gegebenenfalls von einem weiteren Heraussetzten absehen müssen und

  • ihre Sorgfaltspflicht nicht mit dem Abschluss des rückwärtigen Rangiervorgangs durch Anhalten endet,
  • sondern sie auch für das in engem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit ihrem Zurücksetzen stehende weitere Verkehrsgeschehen verantwortlich bleiben.

 

Für die Beachtung der Sorgfaltspflichten sowie den Verursachungsanteil mache es nämlich, wie das AG ausgeführt hat, keinen erheblichen Unterschied, welches der beiden Fahrzeuge vor der Kollision bereits zum Stehen gekommen war und welches sich noch in Bewegung befunden habe.

Anders zu beurteilen wäre die Verteilung der Haftung nach §§ 7, 18, 17 Abs. 1 StVG nur bzw. erst dann gewesen, wenn nachweisbar ein enger und räumlicher Zusammenhang zwischen dem Zurücksetzten des einen Fahrzeugs und der Kollision nicht mehr bestanden hätte, also eines der beiden Fahrzeuge vor der Kollision nachweisbar schon längere Zeit gestanden wäre.
In dem der Entscheidung des AG Bochum zugrunde liegendem Fall war das eine Fahrzeug aber nicht schon längere Zeit gestanden, sondern hatte dessen Fahrer vor der Kollision erst gerade angehalten und den Vorwärtsgang eingelegt.

 

Richterwechsel nach Schluss der mündlichen Verhandlung und vor Urteilsverkündung

Gemäß § 309 Zivilprozessordnung (ZPO) kann das Urteil nur von denjenigen Richtern gefällt werden, die an der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung teilgenommen haben. Scheidet einer der beteiligten Richter vor der Fällung des Urteils aus, ist gemäß § 156 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zwingend die Wiedereröffnung der Verhandlung anzuordnen (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 01.03.2012 – III ZR 84/11 –).
Ein Verstoß gegen § 309 ZPO stellt einen absoluten Revisionsgrund i.S. von § 547 Nr. 1 ZPO sowie eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG)) dar (BGH, Urteil vom 11.09.2008 – I ZR 58/06 –).

Die endgültige Beratung und Abstimmung (Urteilsfällung) darf – wie sich auch aus § 309 ZPO erschließt – nicht vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung stattfinden.

Durch die Einräumung einer Schriftsatzfrist nach § 283 ZPO wird für die betroffene Partei der Schluss der mündlichen Verhandlung hinsichtlich des zulässigen Erwiderungsvorbringens bis zum Ablauf der Frist verlängert. Folglich darf nach Gewährung eines Schriftsatznachlasses das Urteil nicht vor Ablauf der gesetzten Frist gefällt werden (BGH, Urteil vom 19.10.2004 – X ZR 98/03 –).
Scheidet ein an der mündlichen Verhandlung beteiligter Richter vor Fristablauf aus, muss die mündliche Verhandlung wieder eröffnet werden.

Dem nicht entgegen steht, dass die Entscheidung über die Wiedereröffnung einer mündlichen Verhandlung in analoger Anwendung von § 320 Abs. 4 Sätze 2 und 3 ZPO von den im Spruchkörper verbliebenen Richtern zu treffen ist, wenn nach dem Ausscheiden eines an Schlussverhandlung und Urteilsfällung beteiligten Richters vor der Verkündung des Urteils noch ein nicht nachgelassener Schriftsatz eingeht (vgl. dazu BGH, Urteil vom 01.02.2002 – V ZR 357/00 –).
Denn vor Ablauf einer Schriftsatzfrist kann über das Urteil nicht abschließend befunden werden, da der nachgelassene Schriftsatz die zu treffende Entscheidung nach Maßgabe des § 283 ZPO inhaltlich beeinflussen kann, während einem ohne Schriftsatznachlass nachgereichten Schriftsatz eine vergleichbare Wirkung nicht zukommt. Dieser gibt lediglich Anlass, über die – vom Urteilsinhalt abgrenzbare – Frage zu entscheiden, ob die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen ist.

Darauf hat der II. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 21.04.2015 – II ZR 255/13 – hingewiesen.

 

Öffentliche Linienverkehrsbusse müssen „E-Scooter“ nicht mitnehmen

Betreiber eines öffentlichen Linienverkehrs mit Bussen sind nicht verpflichtet drei- oder vierrädrige E-Scooter zu befördern.

Das hat der 13. Senat des Oberverwaltungsgerichts (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster mit Beschluss vom 15.06.2015 – 13 B 159/15 – in einem einstweiligem Verfügungsverfahren entschieden, in dem ein schwerstbehinderter Mann von den Betreibern eines öffentlichen Personennahverkehrs mit Bussen, mit der Begründung, dass dessen Einsatz seine Mobilität erhöhe, die Beförderung seines dreirädrigen E-Scooters verlangt hatte.

Das Begehren hatte keinen Erfolg, weil, wie das OVG ausführte, die Beförderung eines solchen E-Scooters bei gleichzeitiger Mitfahrt des Fahrgastes den Regelungen für die Beförderung von Sachen unterliegt und danach Sachen nur dann befördert werden, wenn dadurch die Betriebssicherheit und andere Fahrgäste nicht gefährdet werden können.
Durch die Beförderung des E-Scooters des Antragstellers könnten jedoch, wie die „Untersuchung möglicher Gefährdungspotentiale bei der Beförderung von Elektromobilen (E-Scootern) in Linienbussen“ einer sachverständigen Stelle ergeben habe, durchaus andere Fahrgäste gefährdet werden.
Danach sei bei der Beförderung von E-Scootern, da diese – anders als ein Rollstuhl – im Bus nicht fixiert werden können und quer zur Fahrtrichtung des Busses stehen, zu befürchten, dass sie infolge ihres Gewichts von 138 kg nicht erst bei einer Notbremsung, sondern schon bei geringeren Beschleunigungs- bzw. Verzögerungswerten kippen oder rutschen und dabei andere Fahrgäste verletzten können.

Das hat die Pressestelle des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen am 15.06.2015 mitgeteilt.

 

Körperliche Züchtigungen gefährden das Kindeswohl

Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung vom 02.11.2000 besteht gemäß § 1631 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ein Recht eines jeden Kindes auf eine uneingeschränkt gewaltfreie Erziehung.

Darauf und dass danach körperliche Bestrafungen in der Erziehung unzulässig sind hat der 9. Familiensenat des Oberlandesgerichts (OLG) Nürnberg mit Beschlüssen vom 26.05.2015 – 9 UF 1549/14 – und 11.06.2015 – 9 UF 1430/14 – hingewiesen, mit denen er Entscheidungen des Amtsgerichts (AG) Ansbach, das zwei, der Glaubensgemeinschaft Zwölf Stämme angehörenden Elternpaaren, Teilbereiche der elterlichen Sorge, insbesondere das Aufenthaltsbestimmungsrecht, entzogen hatte, im Ergebnis bestätigt hat.

Nach der Überzeugung des Senats stand fest, dass die betroffenen Eltern aufgrund ihrer religiösen Überzeugung ihre Kinder, wie schon in der Vergangenheit, auch in Zukunft körperlich züchtigen würden, weil die Züchtigung mit einer Rute nach den Vorstellungen der Glaubensgemeinschaft, die die betroffenen Eltern teilten, unabdingbar zur Kindererziehung gehört.

Derartige körperliche Züchtigungen gefährden aber, wie der Senat ausführte, das Kindeswohl, wobei die Gefährdung des Wohls der Kinder

  • nicht erst darin liege, dass sie, beim Einsatz einer Rute körperliche Schmerzen erdulden müssten und die daraus resultierende Demütigung als psychischen Schmerz erfahren,
  • sondern bereits darin, dass die Kinder einer solchen Behandlung künftig wiederkehrend ausgesetzt seien, ständig mit der Verabreichung von Schlägen rechnen und daher in Angst davor leben müssten.

 

Deshalb komme es auch, wie vom Senat weiter ausgeführt wurde, nicht entscheidend auf den Eintritt länger andauernder physischer Verletzungen oder das Ausmaß psychischer Spätfolgen an und nachdem mildere Maßnahmen die Kinder nicht ausreichend geschützt hätten, sei die Trennung von den Eltern unverzichtbar.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Nürnberg am 15.06.2015 – 8/15 – mitgeteilt.