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Schadensersatzanspruch wegen Verletzung eines Haustiers

Nach § 251 Abs. 2 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sind die aus der Heilbehandlung eines verletzten Tieres entstandenen Aufwendungen nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn sie dessen Wert erheblich übersteigen.
Daraus folgt, dass es auch bei der Heilbehandlung eines Tieres eine Verhältnismäßigkeitsgrenze gibt bis zu der ein Schädiger nur in Anspruch genommen werden darf und dass unverhältnismäßige Heilbehandlungskosten im Sinne von § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB vom Schädiger nicht ersetzt werden müssen.

Bei der Beurteilung, wo im einzelnen diese Verhältnismäßigkeitsgrenze zu ziehen ist, spielen verschiedene Faktoren eine Rolle.

  • Ausgangspunkt für die Bestimmung der Verhältnismäßigkeitsschwelle ist der Wert des Tieres zum Zeitpunkt der Schädigung (so Oberlandesgericht (OLG) München, Urteil vom 11.04.2011 – 21 U 5534/10 –; a. A. Landgericht (LG) Erfurt, Urteil vom 12.05.2015 – 10 O 582/14 –), wobei zu berücksichtigen ist, dass der Marktwert eines Haustieres zum Schadensereignis höher oder geringer sein kann als zum Erwerbszeitpunkt.
    So können beispielsweise bei einem Hund Alter, Gesundheitszustand und Vorerkrankungen den Marktwert mindern, während beispielsweise das Durchlaufen einer besonderen Ausbildung etwa als Blindenhund oder der gewerbliche Einsatz zu Zuchtzwecken den Marktwert erhöhen kann (OLG München, Urteil vom 11.04.2011 – 21 U 5534/10 –; a. A. LG Traunstein, Urteil vom 22.03.2007 – 2 O 719/05 – kein Altersabschlag).

 

Daneben sind bei der Bemessung der Verhältnismäßigkeit aber auch folgende Gesichtspunkte von Belang,

  • das immaterielle Interesse des Tierhalters, d. h., Rechnung zu tragen ist der besonderen Qualität einer Beziehung zwischen Mensch (Familie) und Haustier;
  • was der Eigentümer im Sinne eines verständigen Tierhalters in der konkreten Lage ohne die Fremdschädigung für sein Tier aufgewendet hätte sowie
  • die Erfolgsaussicht der tierärztlichen Behandlung, d. h., je unwahrscheinlicher der Erfolg ist, umso eher wird die Behandlung unvernünftig und unverhältnismäßig sein, wobei allerdings dann, wenn erhebliche Kosten erst im Laufe einer längeren Behandlung anfallen, also – quasi unerwartet – nach und nach entstehen die Verhältnismäßigkeit noch eher angenommen werden kann (Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 19.08.2014 – 3 W 19/14 –).

 

Danach ist zumeist die Verhältnismäßigkeitsgrenze dann – einzelfallabhängig (je nach Vorliegen der o.g. Kriterien) – als erreicht angesehen worden, wenn die Behandlungskosten das 6- bis 10-fache des Wertes des Tieres erreicht haben (vgl. OLG München, Urteil vom 11.04.2011 – 21 U 5534/10 –; Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 19.08.2014 – 4 W 19/14 – und LG Bielefeld, Urteil vom 15.05.1997 – 22 S 13/97 – zur Obergrenze erstattungsfähiger Heilungskosten für Katzen ohne Marktwert).

 

Ausgleichszahlung auch bei Vorverlegung eines gebuchten Fluges?

Jedenfalls in einer

  • mehr als geringfügigen Vorverlegung eines geplanten Fluges durch das Luftverkehrsunternehmen

liegt eine

  • – mit dem Angebot einer anderweitigen Beförderung verbundene – Annullierung des Fluges vor,

 

die einen Ausgleichsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen (Fluggastrechteverordnung) begründen kann.

Darauf hat der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 09.06.2015 – X ZR 59/14 – in einem Fall hingewiesen, in dem von den Klägern, die bei dem beklagten Luftverkehrsunternehmen Flüge von Düsseldorf nach Fuerteventura und zurück gebucht hatten, Ausgleichszahlungen in Höhe von jeweils 400 € nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b der Fluggastrechteverordnung begehrt worden waren, weil das beklagte Flugunternehmen sie am 02.11.2012 informiert hatte, dass ihr Rückflug, der am 05.11.2012 um 17:25 Uhr hatte stattfinden sollen, auf 08:30 Uhr vorverlegt worden war.

Wie der Senat ausgeführt hat, ist für eine Annullierung kennzeichnend,

dass das Luftverkehrsunternehmen seine ursprüngliche Flugplanung endgültig aufgibt, auch wenn die Passagiere auf einen anderen Flug verlegt werden.
Dies ist durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteile vom 19.11.2009 – C-402/07 – und vom 13.10.2011 – C-83/10 – Sousa Rodríguez/Air France) geklärt, die zur Abgrenzung des Tatbestands der Annullierung vom Tatbestand der großen Verspätung entwickelt worden ist.
Danach wird die ursprüngliche Flugplanung auch dann aufgegeben, wenn ein Flug – wie im Streitfall – um mehrere Stunden „vorverlegt“ wird.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 09.06.2015 – Nr. 89/2015 – mitgeteilt.

 

Aufstellungsverbot von Grabsteinen aus Kinderarbeit auf Friedhöfen?

Der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Baden-Württemberg hat in vier Normenkontrollverfahren auf Anträge von insgesamt neun Steinmetzbetrieben (Antragsteller) aus dem Raum Stuttgart mit Beschlüssen vom 21.05.2015 – 1 S 383/14, 1 S 403/14, 1 S 491/14, 1 S 556/14 –

  • die Vorschrift in der Friedhofssatzung der Stadt Stuttgart (Antragsgegnerin), nach der nur Grabmale aufgestellt werden dürfen, die nachweislich in der gesamten Wertschöpfungskette ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt sind, und der Nachweis hierfür mittels Zertifikat einer anerkannten Organisation erbracht wird,

 

für rechtswidrig und daher unwirksam erklärt.

Bereits mit Urteil vom 29.04.2014 – 1 S 1458/12 – hatte das Gericht eine vergleichbare Vorschrift in der Friedhofssatzung der Stadt Kehl mit der Begründung für unwirksam erklärt,

dass das Verbot von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit Steinmetze unzumutbar belaste. Für sie sei es nicht hinreichend erkennbar, welche Nachweismöglichkeiten als ausreichend gälten. Es fehle eine allgemeine Auffassung, welche der vorhandenen Zertifikate für faire Steine als vertrauenswürdig gelten könnten. Eine Anerkennung solcher Zertifikate durch eine zuständige staatliche Stelle gebe es nicht. Die Satzung regele auch nicht ausdrücklich unter Benennung der Zertifikate, welche als Nachweis ausreichten. Da die Vorschrift bereits aus diesen Gründen unwirksam sei, bleibe offen, ob ihre gesetzliche Ermächtigung in § 15 Abs. 3 Bestattungsgesetz des Landes Baden-Württemberg verfassungsgemäß sei.

Nach § 15 Abs. 3 Bestattungsgesetz des Landes Baden-Württemberg kann in Friedhofsordnungen und Polizeiverordnungen festgelegt werden, dass nur Grabsteine und Grabeinfassungen verwendet werden dürfen, die nachweislich aus fairem Handel stammen und ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne der Konvention 182 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) hergestellt sind und sind die Anforderungen an den Nachweis nach Satz 1 in den Friedhofsordnungen und Polizeiverordnungen festzulegen.

In seinen Entscheidungen vom 21.05.2015 zur Stuttgarter Friedhofssatzung hat der VGH Baden-Württemberg ferner darauf hingewiesen,

dass ausreichende Nachweismöglichkeiten weiterhin nicht bestünden. Insbesondere sei eine hinreichend gesicherte Verkehrsauffassung, welche Zertifikate über Grabsteine, die ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt sind, als vertrauenswürdig gelten können, derzeit nicht festzustellen. Dem Vorbringen der Antragsgegnerin, es gebe eine allgemeine Verkehrsauffassung, dass die Siegel der Organisationen „XeritifiX“ und „fair stone“ vertrauenswürdig seien, könne nicht gefolgt werden. Das Fehlen einer allgemeinen Verkehrsauffassung zeige sich bereits in den unterschiedlichen Regelungen baden-württembergischer Gemeinden in ihren Friedhofssatzungen. Auch die bekannte Verbraucherzeitschrift Ökotest habe im Mai 2014 festgestellt, die Meinungen darüber, was nachprüfbare Dokumente für ohne Kinderarbeit hergestellte Natursteine seien, gingen auseinander. Eine Anhörung von Sachverständigen im Landtag von Nordrhein-Westfalen habe ebenfalls ergeben, dass die Aussagekraft bestehender Siegel ungeklärt sei.

Das hat die Pressestelle des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg am 09.06.2015 mitgeteilt.

 

Facebook-Einträge können gegen Kontaktaufnahmeverbot verstoßen

Mit Facebook-Einträgen kann ein unter Bewährung stehender Verurteilter so gegen ein ihm auferlegtes Kontaktaufnahmeverbot verstoßen, dass nach § 56 f Abs. 1 Nr. 2 Strafgesetzbuch (StGB) der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung gerechtfertigt ist.

Darauf hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 07.05.2015 – 3 Ws 168/15 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der Verurteilte,

  • obwohl ihm die Bewährungsweisung erteilt worden war, es zu unterlassen, Kontakt zur Geschädigten direkt oder indirekt in jeglicher Form, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, aufzunehmen,
  • verschiedene Nachrichten auf seiner Facebook-Seite gepostet, u.a. unter Verwendung eines von ihm der Geschädigten gegebenen Spitznamens Beschimpfungen wie „du bist ein Schwein wie deine kinde. Du bist die groß Hure von babelon“, zudem Affenfotos mit der Überschreibung „du bist ein Affe“, verbunden mit und dem Vornamen der Geschädigten, und unter Nennung eines Namens der Schwester der Geschädigten „sag zu deiner Schwester: Du bist geistig beeinträchtig und lässt dich schnell von anderen Leuten um den Finger wickeln“.

 

Dies rechtfertigt, wie der 3. Strafsenat des OLG Hamm entschieden hat, den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung, weil der Verurteilte damit gröblich und beharrlich gegen die ihm erteilte Weisungen verstoßen und Anlass zu der Besorgnis gegeben hat, dass er erneut Straftaten begehen werde.

Der Verurteilte habe damit die ihm erteilte Weisung, jegliche direkte oder indirekte Kontaktaufnahme zur Geschädigten zu unterlassen, mehrfach missachtet. Über die Einträge auf seiner Facebook-Seite habe er wiederholt direkt oder – indirekt – über die Schwester Kontakt zur Geschädigten aufgenommen. Ihm sei bewusst gewesen, dass zumindest Verwandte und Bekannte der Geschädigten die Einträge lesen und sie der Geschädigten übermitteln würden. Darauf sei es ihm angekommen.
Auch habe er gewusst, dass die Geschädigte durch einen Bekannten selbst auf seine Facebook-Seite zugreifen könne.
Dass sich die Geschädigte vorliegend mit Hilfe Dritter Zugang zu seiner Facebook-Seite verschafft habe, entlaste den Verurteilten nicht, nachdem er die Facebook-Einträge seiner Seite öffentlich verwandt und sie damit einem durch ihn nicht näher bestimmbaren Personenkreis zugänglich gemacht habe.
Die Vielzahl und der beleidigende Inhalt der Facebook-Einträge stellten einen gröblichen und beharrlichen Weisungsverstoß dar.
Dieser gebe Anlass zu der Besorgnis, der Verurteilte werde erneut Straftaten – zumindest Beleidigungs- und Bedrohungsdelikte – begehen.
Darüber hinaus bestehe die Gefahr, dass der Verurteilte der Geschädigten gegenüber erneut gewalttätig werde. Der der ersten Gewalttat zugrunde liegende Partnerschaftskonflikt sei erkennbar noch nicht aufgearbeitet.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 09.06.2015 mitgeteilt.

 

Wer erhält wann Grundbucheinsicht?

Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Grundbuchordnung (GBO) ist die Einsicht des Grundbuchs jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt.
Ein berechtigtes Interesse im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben, wenn

  • zur Überzeugung des Grundbuchamts ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargelegt wird (Bayerisches Oberstes Landesgericht (BayObLG), Beschluss vom 08.05.1991 – BReg 2 Z 17/91 –),
  • wobei auch ein bloß tatsächliches, insbesondere wirtschaftliches Interesse das Recht auf Grundbucheinsicht begründen kann.
  • Entscheidend ist in der Regel das Vorbringen sachlicher Gründe, welche die Verfolgung unbefugter Zwecke oder reiner Neugier ausgeschlossen erscheinen lassen (Oberlandesgericht (OLG) München, Beschluss vom 07.11.2012 – 34 Wx 360/12 – zum Grundbucheinsichtsrecht eines pflichtteilsberechtigten Angehörigen, der Miterbe ist, zur Feststellung etwaiger Pflichtteilsergänzungsansprüche).

 

Das bloße Bestehen einer Nachbarschaft begründet für sich genommen kein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO.
Insbesondere besteht auch nicht ohne weiteres ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, wer die eigenen Grundstücksnachbarn sind. Vielmehr müssen konkrete, in der räumlichen Nähe begründete Umstände dargelegt werden, aus denen das Interesse abgeleitet wird, beispielsweise, dass wegen einer in der Nachbarschaft geplanten Bebauung ein Nachbarschaftskonflikt droht und deshalb Interesse an Absprachen mit den betroffenen Eigentümern besteht.

Auch allein das von einem Antragsteller vorgetragene Interesse, ein Grundstück erwerben zu wollen, rechtfertigt die Grundbucheinsicht nicht, solange nicht dargelegt ist, dass bereits Kaufvertragsverhandlungen stattfinden.

Darauf hat der 11. Zivilsenat des OLG Karlsruhe mit Beschluss vom 01.06.2015 – 11 Wx 97/14 – hingewiesen.

 

Kein Schmerzensgeld für nach Kopfsprung in Baggersee Querschnittsgelähmten

Wer, obwohl mit Warnschildern darauf hingewiesen wird, dass Baden verboten ist, kopf-über in einen See springt und sich dabei, weil das Wasser nicht tief genug ist, verletzt, hat keinen Anspruch auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld.

Das hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg mit Beschluss vom 07.10.2014 – 6 U 140/14 – in einem Fall entschieden, in dem sich ein Mann beim Kopfsprung in einen Baggersee eine Querschnittslähmung zugezogen und mit der Klage von dem Eigentümer des Sees u.a. die Zahlung eines Schmerzensgeldes von 70.000 € verlangt hatte.

Nach dieser Entscheidung, die vom Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 30.04.2015 – III ZR 331/14 – bestätigt wurde, ist der Eigentümer eines Sees nicht verpflichtet, neben den Warnschildern weitere Sicherungsmaßnahmen zur Umsetzung des Badeverbotes vorzunehmen. Soweit an dem See verbotswidrig ein „wildes“ Baden stattfindet, geschieht das auf eigene Gefahr der Badenden.

Wie der Senat weiter ausführte, habe sich der Mann bewusst über das Badeverbot hinweggesetzt. Er habe dabei nicht davon ausgehen dürfen, dass das Baden an dem See ungefährlich sei.
Auch habe sich der Mann nicht deshalb verletzt,

  • weil er verbotener Weise in dem See gebadet habe,
  • sondern weil er kopf-über in ein Gewässer gesprungen sei, ohne zu untersuchen, ob dieses tief genug sei, was ein vernünftiger Mensch wegen der offensichtlichen Gefahren, die sich selbst bei nur geringem Nachdenken aufdrängten, nicht tun würde und

 

so weit, andere von derartigen selbstschädigenden Handlungen abzuhalten würde eine etwaige dem Seeeigentümer obliegende Verkehrssicherungspflicht nicht gehen.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Oldenburg am 08.06.2015 mitgeteilt.

 

Gerichtshof der Europäischen Union stärkt Verbraucherrechte

Hat ein Verbraucher eine körperliche, bewegliche Sache von einem Händler gekauft und zeigt sich innerhalb von sechs Monaten seit der Lieferung ein Sachmangel i. S. v. § 434 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wird die dem Verbraucher obliegende Beweislast erleichtert, indem vermutet wird, dass die Sache bereits bei Lieferung mangelhaft war.

Diese Beweislasterleichterung zugunsten des Verbrauchers beruht auf der Feststellung, dass sich in Fällen, in denen die Vertragswidrigkeit erst nach dem Zeitpunkt der Lieferung des Gutes offenbar wird, die Erbringung des Beweises, dass diese Vertragswidrigkeit bereits zu diesem Zeitpunkt bestand, als „eine für den Verbraucher unüberwindbare Schwierigkeit“ erweisen kann, während es in der Regel für den Gewerbetreibenden viel leichter ist, zu beweisen, dass die Vertragswidrigkeit nicht zum Zeitpunkt der Lieferung bestand und dass sie beispielsweise auf unsachgemäßen Gebrauch durch den Verbraucher zurückzuführen ist.

Um diese Beweiserleichterung in Anspruch nehmen zu können, ist der Verbraucher zunächst verpflichtet, den Verkäufer über das Vorliegen eines Sachmangels zu unterrichten, wobei, was den Inhalt dieser Mitteilung anbelangt, der Verbraucher in diesem Stadium nicht verpflichtet ist, den Beweis zu erbringen, dass der Sachmangel das von ihm erworbene Gut tatsächlich beeinträchtigt.

  • Unter Berücksichtigung der Unterlegenheit, in der er sich hinsichtlich des Kenntnisstands über die Eigenschaften dieses Gutes und dessen Zustand im Zeitpunkt des Verkaufs gegenüber dem Verkäufer befindet, kann der Verbraucher auch nicht verpflichtet sein, den genauen Grund für den Sachmangel anzugeben.
  • Damit die Mitteilung für den Verkäufer von Nutzen sein kann, muss sie hingegen eine Reihe von Angaben enthalten, deren Genauigkeitsgrad zwangsläufig je nach den Umständen des Einzelfalls, die sich auf die Art des fraglichen Gutes, den Inhalt des Kaufvertrags und das konkrete Auftreten der behaupteten Vertragswidrigkeit beziehen, unterschiedlich sein wird.

 

Im Übrigen muss der Verkäufer lediglich den Beweis erbringen,

  • dass die gekaufte Sache mangelhaft ist und
  • dass sich die in Rede stehende Mangelhaftigkeit binnen sechs Monaten nach der Lieferung der Sache herausgestellt hat.

 

Sind diese Tatsachen erwiesen, ist der Verbraucher,

  • der weder den Grund für den Mangel, noch den Umstand, dass der Mangel dem Verkäufer zuzurechnen ist und auch nicht beweisen muss, welcher Mangel der Kaufsache für das nicht ordnungsgemäße Funktionieren ursächlich ist,

 

vom Nachweis befreit, dass die Mangelhaftigkeit bereits zum Zeitpunkt der Lieferung des Gutes bestand.
Das Auftreten eines Mangels in dem kurzen Zeitraum von sechs Monaten erlaubt die Vermutung, dass dieser Mangel zum Zeitpunkt der Lieferung „zumindest im Ansatz“ bereits vorlag, auch wenn er sich erst nach der Lieferung der Sache herausgestellt hat.
Es ist dann also Sache des Gewerbetreibenden, gegebenenfalls den Beweis zu erbringen, dass die Mangelhaftigkeit zum Zeitpunkt der Lieferung der Sache noch nicht vorlag, indem er dartut, dass der Sachmangel seinen Grund oder Ursprung in einem Handeln oder Unterlassen nach dieser Lieferung hat.

Gelingt es dem Verkäufer nicht, rechtlich hinreichend nachzuweisen, dass der Grund oder Ursprung der Vertragswidrigkeit in einem Umstand liegt, der erst nach der Lieferung des Gutes eingetreten ist, erlaubt die in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44 aufgestellte Vermutung dem Verbraucher, seine Rechte aus der Richtlinie geltend zu machen.

Darauf hat die erste Kammer des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) mit Urteil vom 04.06.2015 – C 467/13 – in einem Vorabentscheidungsersuchen

  • betreffend die Auslegung von Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.05.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter

 

in einer Rechtssache hingewiesen,

  • in der ein Gebrauchtwagen, den eine Frau bei einem Autohaus gekauft hatte, vier Monate nach der Übergabe während einer Fahrt Feuer gefangen hatte und völlig ausgebrannt war, die Frau das Autohaus für den Schaden haftbar gemacht hatte und eine technische Untersuchung zur Ursache des Brands nicht (mehr) durchgeführt werden konnte, da das Fahrzeug inzwischen, mit Wissen des Autohauses, verschrottet worden war.

 

Anmerkung:
Anderer Ansicht als der EuGH ist bzw. war bislang der Bundesgerichtshof (vgl. BGH, Urteil vom 02.06.2004 – VIII ZR 329/03 –), der entschieden hat,  

  • dass, wenn der Käufer Rechte gemäß § 437 BGB geltend macht, nachdem er die Kaufsache entgegengenommen hat, ihn die Darlegungs- und Beweislast für die einen Sachmangel begründenden Tatsachen trifft,
  • dass § 476 BGB insoweit für den Verbrauchsgüterkauf keine Beweislastumkehr enthält,
  • dass die Bestimmung einen binnen sechs Monaten seit Gefahrübergang aufgetretenen Sachmangel voraussetzt und
  • eine lediglich in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung begründet, dass dieser Mangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlag.

 

Eine anwaltlich vertretene Person gegen ihren Willen anschreiben?

Regelmäßig verletzt zumindest ein erstes Anschreiben einer anwaltlich vertretenen Person deren allgemeines Persönlichkeitsrecht auch dann nicht, wenn diese darum gebeten hat, sie nicht direkt anzuschreiben.
Dies gilt jedenfalls dann, wenn mit dem Schreiben auch ein über die Stellungnahme in einer bestimmten Rechtsangelegenheit hinausgehendes Ziel verfolgt wird.

Das hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Celle mit Urteil vom 28.05.2015 – 13 U 104/14 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall hatte der beklagte Presseverlag,

  • nachdem er von der Klägerin wegen einer vermeintlich unzulässigen Bildberichterstattung durch Anwaltsschreiben abgemahnt und ihm gleichzeitig mitgeteilt worden war, „dass die Klägerin für eine Antwort in Bezug auf dieses Schreiben nicht empfangsbereit ist, sie nicht direkt diesbezüglich angeschrieben zu werden wünscht, sondern dass die Rechtsangelegenheit ausschließlich mit der Kanzlei (…) abgewickelt wird“,

 

die Klägerin dennoch persönlich angeschrieben,

  • in diesem Schreiben dargelegt, dass die Berichterstattung nach ihrer Auffassung zulässig gewesen sei und die Klägerin abschließend zu einem persönlichen Gespräch eingeladen, um „für die Zukunft eine (…) Gesprächsgrundlage“ zu schaffen sowie
  • gleichzeitig die Rechtsanwälte der Klägerin über dieses Schreiben informiert.

 

Die daraufhin von der Klägerin erhobene Klage mit dem Antrag, der Beklagten zu untersagen, sie in vergleichbaren Fällen direkt anzuschreiben, wies der 13. Zivilsenat des OLG Celle ab.

Nach dieser Entscheidung steht der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch weder aufgrund einer Störung ihres Eigentums oder Besitzes aus §§ 1004, 903, 862 BGB, noch aufgrund einer Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechtes aus § 1004 Abs. 1 analog, § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i. V. m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) zu.

Begründet hat der Senat dies damit,

  • dass, im Gegensatz zu dem damit nicht vergleichbaren besitzrechtlich erheblichem unerwünschten Einwurf von Werbesendungen (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 20.12.1988 – VI ZR 182/88 –), die einmalige Versendung eines Briefes in einer konkreten Angelegenheit, noch keine relevante Störung des Eigentums oder Besitzes darstellt sowie
  • in der bloßen – als solchen nicht ehrverletzenden – Kontaktaufnahme gegen den eindeutig erklärten Willen des Betroffenen eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nur dann liegen kann, wenn bei einer Abwägung der beiderseitigen Interessen das Recht der Klägerin auf Schutz ihrer Persönlichkeit und Achtung ihrer Privatsphäre aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) das Interesse des Beklagten, mit ihr unmittelbar in Kontakt zu treten, überwiegt (BGH, Urteil vom 08.02.2011 – VI ZR 311/09 –) und dies hier, wie weiter ausgeführt wird, nicht der Fall sei.

 

Ferner wies der Senat darauf hin,

  • dass die § 12 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) zugrunde liegenden Wertungen auch dann kein abweichendes Ergebnis rechtfertigen, wenn der für den Beklagten handelnde Mitarbeiter selbst als Rechtsanwalt zugelassen sein sollte, und
  • grundsätzlich ein aufgrund der allgemeinen Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschütztes rechtliches Interesse einer Partei besteht, in einer rechtlichen Auseinandersetzung Kontakt zu ihrem Gegner aufzunehmen, um eine argumentative Klärung dieser Auseinandersetzung herbeizuführen.

 

Arbeitszeitgesetz und alternierende Rund-um-die-Uhr-Betreuung

Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) ist auch auf Erzieher und Erzieherinnen (Beschäftigte) in Wohngruppen mit alternierender Rund-um-die-Uhr-Betreuung anwendbar.

Das hat die 14. Kammer des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin mit Urteil vom 24.03.2015 – VG 14 K 184.14 – in einem Fall entschieden, in dem bei einem Betreuungsmodell

  • für jede Wohngruppe drei Beschäftigte zuständig waren, die alternierend etwa sechs Kinder und Jugendliche durchgehend in der Wohngruppe betreuten, wobei,
  • während ein Beschäftigter in der Regel drei bis fünf Tage in Folge in der Wohngruppe wohnte, der zweite im Tagesdienst tätig war und der dritte hat frei hatte.

 

Die 14. Kammer des VG Berlin sah darin

 

Zwar ist das ArbZG nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 nicht anzuwenden auf Arbeitnehmer, die in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen zusammenleben und sie eigenverantwortlich erziehen, pflegen oder betreuen.
Ein Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft im Sinne dieser Vorschrift liege allerdings nur dann vor, wenn ein Arbeitnehmer mit mindestens einer anderen Person in einem räumlich abgegrenzten Bereich für längere Zeit dergestalt zusammen wohne, dass dies einem Zusammenleben und gemeinsamen Wirtschaften in einem Familienverbund weitgehend gleichkomme und dies sei hier nicht der Fall.
Denn die Beschäftigten würden während der Rund-um-die-Uhr-Betreuung nicht in der Wohngruppe wohnen, sondern dort ausschließlich arbeiten. Die Wohngruppe biete keinen privaten Rückzugsbereich und sei gerade nicht der Ort, der den räumlichen Schwerpunkt der privaten Lebensverhältnisse darstelle.
Ob die betreuten Kinder und Jugendlichen in den Gruppen untereinander einen Haushalt bildeten, sei dabei rechtlich unerheblich. Denn das Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft sei allein aus der objektivierten Sicht der vom ArbZG zu schützenden Arbeitnehmer zu beurteilen.
Als Bereitschaftsdienst im vollen Umfang zur Arbeitszeit der Beschäftigten zählten im Übrigen auch Zeiten mit geringerer Belastungsintensität – etwa beim Schulbesuch der Kinder -.

Das hat die Pressestelle des Verwaltungsgerichts Berlin am 05.06.2015 – Nr. 19/2015 – mitgeteilt.

 

Fristlose Kündigung wegen schwerwiegender Beleidigung des Vermieters

Einem Mieter, der seinen Vermieter grundlos und ohne vorausgegangene Provokation massiv beleidigt, kann fristlos gekündigt werden, ohne dass es zuvor einer Abmahnung bedarf, weil schwerwiegenden Beleidigungen das Vertrauen zerstören und zerstörtes Vertrauen durch eine Abmahnung nicht wieder hergestellt werden kann.

Das hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 14.11.2014 – 452 C 16687/14 – in einem Fall entschieden, in dem eine Mieterin,

  • weil sie der Meinung war, dass ihre Wohnung durch die darunter liegende Heizanlage überwärmt sei, so dass Temperaturen bis zu 38 Grad herrschten, was jedoch wie von einem Sachverständiger festgestellt worden war, nicht stimmte,

 

im Streit darüber im Rahmen verschiedener Prozesse ihre Vermieterin scherwiegend beleidigt und ihr u. a. brutale Sterbehilfe vorgeworfen sowie ihr Verhalten mit der Vernichtung der Juden im Dritten Reich verglichen hatte.

Das hat die Pressestelle des Amtsgerichts München am 05.06.2015 mitgeteilt.