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Wenn Wohnungseigentümer ihr Sondereigentum zweckwidrig nutzen.

Unterlassungsansprüche der Wohnungseigentümer untereinander wegen einer zweckwidrigen Nutzung des Sondereigentums verjähren,

  • solange die Nutzung anhält, nicht,

weil der Schwerpunkt der Störung nicht vornehmlich in der Aufnahme der zweckwidrigen Nutzung, sondern auch darin liegt,

  • dass diese aufrechterhalten wird.

Dabei ist unerheblich, ob die zweckwidrige Nutzung durch den Sondereigentümer

  • selbst oder
  • durch dessen Mieter

erfolgt.

Die Verwirkung eines solchen Unterlassungsanspruchs wegen zweckwidriger Nutzung des Sondereigentums setzt unter anderem

  • eine ununterbrochene, dauerhafte Einwirkung voraus.

Zu beachten dabei ist, dass, wenn die zweckwidrige Nutzung des Sondereigentums durch Vermietung erfolgt,

Der vermietende Wohnungseigentümer setzt damit nämlich eine neue Willensentscheidung hinsichtlich einer zweckwidrigen Nutzung um. Die übrigen Wohnungseigentümer haben aufgrund dessen Anlass, für die Zukunft eine der Teilungserklärung entsprechende Nutzung einzufordern, auch wenn sie hiervon zuvor – etwa aus Rücksicht auf das bestehende Mietverhältnis – Abstand genommen haben.

Das hat, wie die Pressestelle des Bundesgerichtshofs (BGH) am 08.05.2015 – Nr. 81/2015 – mitgeteilt hat, der unter anderem für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 08.05.2015 – V ZR 178/14 – entschieden.

 

Fristlose Kündigung wegen Beleidigung des Vermieters?

Die Beleidigung des Vermieters durch den Mieter mit „Sie promovierter Arsch“ rechtfertigt eine fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ohne vorherige Abmahnung jedenfalls dann, wenn keine vorausgehende Provokation des Mieters durch den Vermieter vorgelegen und sich der Mieter nicht entschuldigt hat.

Das hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 28.11.2014 – 474 C 18543/14 – entschieden.

Das AG erachtete in dem seiner Entscheidung zugrunde liegenden Fall die Vertragsverletzung durch die Beleidigung für so schwer wiegend, dass seiner Ansicht nach dem Vermieter eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden konnte.
Dabei berücksichtigte es, dass die Parteien im gleichen Haus wohnten, damit regelmäßige Zusammentreffen unausweichlich waren und sich der Mieter nachträglich nicht entschuldigt hatte.
Eine Abmahnung nach § 543 Abs. 3 Satz 1 BGB vor der Kündigung war nach Auffassung des AG deshalb nicht notwendig, weil die massive Beleidigung die Vertrauensgrundlage zwischen den Parteien so schwerwiegend erschüttert hatte, dass sie auch durch eine Abmahnung nicht hätte wiederhergestellt werden können und eine Abmahnung daher auch nicht erfolgversprechend gewesen wäre (§ 543 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BGB).

Das hat die Pressestelle des Amtsgerichts München am 08.05.2015 mitgeteilt.

 

Wann ist im Strafprozess eine zur Entlastung eines Angeklagten behauptete und unter Beweis gestellte Tatsache aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos?

Aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos nach § 244 Abs. 3 S. 2 Strafprozessordnung (StPO) sind Tatsachen, wenn

  • der Nachweis ihres Vorliegens im Ergebnis nichts erbringen kann,
  • weil er die Beweiswürdigung nicht zu beeinflussen vermag.

Zur Prüfung der Erheblichkeit

  • ist die unter Beweis gestellte Tatsache wie eine erwiesene Tatsache in die konkrete Beweislage, also das bisherige Beweisergebnis einzufügen;
  • es ist im Wege einer prognostischen Betrachtung zu fragen, ob hierdurch die Beweislage in einer für den Urteilsspruch relevanten Weise beeinflusst, d. h. die bisherige Überzeugung des Gerichts – gegebenenfalls in Anwendung des Zweifelssatzes – in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde.

Dabei ist die unter Beweis gestellte Tatsache so, als sei sie bewiesen, in das bisherige gewonnene Beweisergebnis einzustellen und als Teil des Gesamtergebnisses in seiner indiziellen Bedeutung zu würdigen (Bundesgerichtshofs (BGH), Beschluss vom 18.03.2015 – 2 StR 462/14 –).

Lehnt das Tatgericht die Erhebung eines Beweises wegen Bedeutungslosigkeit einer Beweistatsache ab, muss der Ablehnungsbeschluss nach § 244 Abs. 6 StPO,

  • zum einen den Antragsteller sowie die weiteren Prozessbeteiligten so weit über die Auffassung des Gerichts zu unterrichten, dass diese sich auf die neue Verfahrenslage einstellen und gegebenenfalls noch in der Hauptverhandlung das Gericht von der Erheblichkeit der Beweistatsache überzeugen oder aber neue Anträge mit demselben Beweisziel stellen können sowie
  • zum anderen dem Revisionsgericht die Prüfung ermöglichen, ob der Beweisantrag rechtsfehlerfrei zurückgewiesen worden ist und ob die Feststellungen und Erwägungen des Ablehnungsbeschlusses mit denjenigen des Urteils übereinstimmen.

Deshalb muss das Tatgericht mit konkreten Erwägungen zu begründen, warum es aus einer Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will.
Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen, denen das Tatgericht genügen müsste, wenn es die Indiz- oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Überzeugungsbildung ohne Einfluss geblieben ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 01.10.2013 – 3 StR 135/13 –; vom 15.01.2014 – 1 StR 379/13 – und vom 22.07.2014 – 2 StR 17/14 –). 

 

Inwieweit haben Lehrer bei einer Klassenfahrt Anspruch auf Erstattung ihrer Übernachtungskosten?

Mit Urteil vom 17.04.2015 – 6 K 3315/14.F – hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts (VG) Frankfurt entschieden, dass Lehrer, bei Teilnahme an einer Klassenfahrt,

sondern nach § 8 Abs. 1 S. 2 HRKG Anspruch auf Erstattung der höheren tatsächlichen Übernachtungskosten dann haben,

  • wenn eine billigere Übernachtungsmöglichkeit nicht bestanden hat.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall waren dem Kläger, einem Oberstudienrat,

  • der an einer Wintersportfahrt seiner Schulklasse vom 15. bis zum 22. Februar teilgenommen und die ihm in dieser Zeit für seine Übernachtung im Schullandheim in Rechnung gestellten 302,80 Euro gegenüber dem Staatlichen Schulamt als Reisekosten geltend gemacht hatte, lediglich 160,- Euro mit der Begründung erstattet worden,
  • dass nach einem Erlass zur Ausführung des HRKG Lehr- und Begleitkräfte anstelle des Tages- oder Übernachtungsgeldes eine Aufwandsentschädigung erhalten und eine Erstattung höherer Übernachtungskosten in dem Erlass nicht vorgesehen sei.

Die Klage des Oberstudienrats hatte Erfolg.

Wie die 6. Kammer des VG Frankfurt entschied, hat der Oberstudienrat nach § 4 Abs. 1 S. 1 HRKG Anspruch auf Zahlung einer weiteren Reisekostenerstattung in Höhe von 142,80 Euro.
Nach dieser Vorschrift haben

  • Dienstreisende Anspruch auf Erstattung der dienstlich veranlassten notwendigen Reisekosten,
  • wobei Art und Umfang ausschließlich durch das HRKG bestimmt wird (§ 4 Abs. 1 S. 2 HRKG).

Vorliegend war der Kläger Dienstreisender, weil nach § 2 Abs. 1 HRKG Dienstreisen im Sinne dieses Gesetzes, die von der zuständigen Behörde schriftlich oder elektronisch angeordneten oder genehmigten Reisen zur Erledigung von Dienstgeschäften außerhalb der Dienststätte sind und dazu auch die Durchführung von Klassenfahrten gehören, deren Durchführung der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag gebietet.

  • Dienstreisende erhalten danach gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 HRKG für notwendige Übernachtungen ein pauschales Übernachtungsgeld von 20,- Euro pro Nacht.
  • Höhere Übernachtungskosten werden erstattet,
    • wenn sie unvermeidbar sind (§ 8 Abs. 1 S. 2 HRKG), d. h., wenn eine billigere Übernachtungsmöglichkeit nicht bestand und
    • billigere Übernachtungsmöglichkeiten für den Kläger außerhalb des Schullandheims hatte es nicht gegeben.

Diese gesetzliche Regelung kann durch einen Erlass nicht außer Kraft gesetzt werden, wie auch aus § 4 Abs. 1 Satz 2 HRKG hervorgeht.

Hinweis:
Das Reisekostenrecht ist in Bund und Ländern unterschiedlich geregelt.

 

Wann haftet ein Unternehmer für Mängel seines Werkes nicht?

Haben die Parteien einen Werkvertrag (§ 631 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) geschlossen,

  • ist der Unternehmer für Mängel seines Werks (§ 633 BGB) dann nicht verantwortlich und
  • der Besteller somit zur Abnahme des Werks gemäß § 640 BGB und zur Zahlung des Werklohns gemäß § 641 BGB verpflichtet,  

wenn der Mangel seines Werks

  • auf verbindliche Vorgaben des Bestellers oder
  • von diesem gelieferte Stoffe oder Bauteile oder
  • Vorleistungen anderer Unternehmer

zurückzuführen ist und

  • der Unternehmer seine Prüfungs- und Hinweispflicht erfüllt hat.

In diesen Fällen ist die Eigenverantwortung des Unternehmers für die Herstellung des Werkes eingeschränkt und deshalb die verschuldensunabhängige Mängelhaftung nach § 634 BGB nicht uneingeschränkt interessengerecht.

Hat der Unternehmer

  • seine weiteren, auf die ordnungsgemäße Vertragserfüllung gerichteten Pflichten erfüllt,

ist es nach Treu und Glauben geboten, ihn unter der Voraussetzung aus der Mängelhaftung zu entlassen, dass er seine

  • ebenfalls auf die ordnungsgemäße Vertragserfüllung gerichtete

Pflicht erfüllt hat,

  • den Besteller auf die Bedenken hinzuweisen,

die ihm bei der gebotenen Prüfung gegen die Geeignetheit

Das gilt auch in den Fällen, in denen die Parteien

  • eine bestimmte Funktion des Werkes voraussetzen oder vereinbaren,

die Befolgung der bindenden Anordnungen des Bestellers zur Ausführungsweise jedoch dazu führt,

  • dass diese Funktion nicht erfüllt wird.

Hat der Unternehmer

  • den Besteller auf die Bedenken gegen eine solche Anordnung hingewiesen hat und
  • dieser auf der untauglichen Ausführung bestanden,

haftet der Unternehmer für die Funktionsuntauglichkeit des Werkes nicht.

Die Erfüllung der Prüfungs- und Hinweispflicht ist ein Tatbestand, der den Unternehmer von der Sach- oder Rechtsmängelhaftung befreit.
Dies ergibt sich für den VOB/B-Bauvertrag aus den Regelungen in § 13 Abs. 3 und § 4 Abs. 3 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B), und gilt über den Anwendungsbereich der VOB/B hinaus im Grundsatz auch für den BGB-Bauvertrag (BGH, Urteil vom 08.11.2007 – VII ZR 183/05 – [Forsthaus-Blockheizkraftwerk]).

Die Grenzen der Prüfungs- und Hinweispflicht ergeben sich aus dem Grundsatz der Zumutbarkeit, wie sie sich nach den Umständen des Einzelfalles darstellt.
Maßgeblich sind in erster Linie

  • das vom Unternehmer zu erwartende Fachwissen sowie
  • alle Umstände, die für den Unternehmer bei hinreichend sorgfältiger Prüfung als bedeutsam erkennbar sind.

Die Bedenken müssen so eindeutig geltend gemacht werden, dass dem Auftraggeber die Tragweite einer Nichtbefolgung klar wird (BGH, Urteil vom 25.10.2007 – VII ZR 27/06 –; Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf, Urteile vom 18.12.2007 – 23 U 164/05 – und vom 05.02.2013 – 23 U 185/11 –).

  • Eines Bedenkenhinweises des Unternehmers an den Besteller bedarf es nicht, wenn dem Besteller die Funktionseinschränkung der vereinbarten Ausführung des Werks bekannt ist und er sich in Kenntnis der Funktionseinschränkung eigenverantwortlich dennoch für diese Ausführung entschieden hat.

In einem solchen Fall ist davon auszugehen, dass ein Bedenkenhinweis auf eine Funktionseinschränkung, die dem Besteller bereits bekannt ist, zu keiner anderen Ausführung des Bauwerks geführt hätte (vergleiche dazu BGH, Urteil vom 19.05.2011 – VII ZR 24/08 –).

Darauf hat das OLG Stuttgart mit Urteil vom 31.03.2015 – 10 U 93/14 – hingewiesen.

 

Zivilrechtliche Unterbringung von Alkoholkranken zum Schutz vor Selbstgefährdung?

Gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist eine Unterbringung eines Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, nur zulässig, so lange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist,

  • weil aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten
  • die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt.

Alkoholismus für sich gesehen ist keine psychische Krankheit bzw. geistige oder seelische Behinderung im Sinne von § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB, so dass allein darauf die Genehmigung der Unterbringung nicht gestützt werden kann.
Ebenso wenig vermag die bloße Rückfallgefahr eine Anordnung der zivilrechtlichen Unterbringung zu rechtfertigen.

Etwas anderes gilt, wenn der Alkoholismus

  • entweder im ursächlichen Zusammenhang mit einem geistigen Gebrechen steht,
    • insbesondere einer psychischen Erkrankung,

oder

Die Grundrechte eines psychisch Kranken schließen einen staatlichen Eingriff nicht aus, der ausschließlich den Zweck verfolgt, ihn vor sich selbst in Schutz zu nehmen und ihn zu seinem eigenen Wohl in einer geschlossenen Anstalt unterzubringen.
Die zivilrechtliche Unterbringung ist – wie das Betreuungsrecht insgesamt – ein Institut des Erwachsenenschutzes als Ausdruck der staatlichen Wohlfahrtspflege, deren Anlass und Grundlage das öffentliche Interesse an der Fürsorge für den schutzbedürftigen Einzelnen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28.01.2015 – XII ZB 520/14 –).

Deshalb kann die geschlossene Unterbringung

  • zur Vermeidung einer lebensbedrohenden Selbstgefährdung,
    • beispielsweise wenn ein Betroffener außerhalb einer Unterbringung umgehend (binnen weniger als einer Woche) alkoholrückfällig werden und innerhalb kurzer Zeit (binnen weiterer vier bis acht Wochen) in ein lebensbedrohliches Delirium tremens fallen würde, das bei nicht sofort gegebener intensivmedizinischer Behandlung zum Tode führt,

auch dann genehmigt werden,

  • wenn eine gezielte Therapiemöglichkeit nicht besteht.

Zwar steht es nach der Verfassung in der Regel jedermann frei, Hilfe zurückzuweisen, sofern dadurch nicht Rechtsgüter anderer oder der Allgemeinheit in Mitleidenschaft gezogen werden.
Das Gewicht, das dem Freiheitsanspruch gegenüber dem Gemeinwohl zukommt, darf aber nicht losgelöst von den tatsächlichen Möglichkeiten des Betroffenen bestimmt werden, sich frei zu entschließen.

  • Mithin setzt eine Unterbringung zur Verhinderung einer Selbstschädigung infolge einer psychischen Erkrankung voraus, dass der Betroffene aufgrund der Krankheit seinen Willen nicht frei bestimmen kann (BGH, Beschluss vom 17.08.2011 – XII ZB 241/11 –).

Dadurch, dass sich bei einem Betroffenen eine Einsichtsfähigkeit in die Krankheit und damit Behandlungsbedürftigkeit nicht erreichen lässt, sondern allenfalls ein sog. Gewöhnungseffekt (Gewöhnung daran, keinen Alkohol mehr zu trinken) erzielen lassen wird, ist eine Unterbringung nicht ausgeschlossen.

  • Denn die Frage der Therapiefähigkeit ist für eine nicht zur Heilbehandlung, sondern gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB zum Selbstschutz erfolgte Unterbringung nicht maßgeblich.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 25.03.2015 – XII ZA 12/15 – hingewiesen.

 

Trunkenheit im Verkehr nach § 316 StGB.

Trunkenheit im Verkehr nach § 316 Strafgesetzbuch (StGB) kann fahrlässig oder vorsätzlich begangen werden.
Mit bedingtem Vorsatz hinsichtlich seiner Fahruntüchtigkeit handelt ein Täter des § 316 StGB, wenn er seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit

  • kennt oder zumindest mit ihr rechnet und
  • sich damit abfindet.

Maßgeblich ist, ob der Fahrzeugführer eine so gravierende Beeinträchtigung seiner Leistungsfähigkeit

  • zumindest für möglich hält und
  • sich mit ihr abfindet oder billigend in Kauf nimmt, dass er den im Verkehr zu stellenden Anforderungen nicht mehr genügt,

wobei absolute Grenzwerte vom Vorsatz nicht umfasst sein müssen, da es sich bei ihnen nicht um Tatbestandsmerkmale, sondern um Beweisregeln handelt.

Davon, ob Fahrlässigkeit oder (schon) bedingter Vorsatz vorliegt, muss sich der Tatrichter auf der Grundlage einer Gesamtschau aller objektiven sowie subjektiven Tatumstände, unter Berücksichtigung folgender Aspekte, überzeugen (§ 261 Strafprozessordnung (StPO)):

  • Einen naturwissenschaftlich oder medizinisch gesicherten Erfahrungssatz, dass derjenige, der eine Alkoholmenge trinkt, die zu einer die Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit übersteigenden Blutalkoholkonzentration führt, seine Fahruntüchtigkeit auch erkennt, gibt es nicht.
  • Allerdings ist bei der Prüfung der Frage, ob ein Fahrzeugführer den Tatbestand des § 316 StGB bedingt vorsätzlich verwirklicht hat, eine solche Blutalkoholkonzentration ein gewichtiges Beweisanzeichen für das Vorliegen vorsätzlichen Handelns.
    Deshalb ist der Tatrichter auch nicht gehindert anzunehmen, dass eine Blutalkoholkonzentration umso eher für eine vorsätzliche Tat spricht, je höher sie ist.
    Er muss sich jedoch bewusst sein, dass er sich lediglich auf ein (widerlegbares) Indiz stützt, das zwar gewichtig ist, aber im Einzelfall der ergänzenden Berücksichtigung anderer Beweisumstände bedürfen kann.

Will der Tatrichter die Annahme bedingten Vorsatzes damit begründen,

  • dass ein Täter mit einer hohen Blutalkoholkonzentration im Allgemeinen weiß, dass er große Mengen Alkohol getrunken hat, so dass sich ihm die Möglichkeit einer Fahruntüchtigkeit aufdrängt,

muss er folglich erkennen lassen, dass er

  • lediglich einen Erfahrungssatz mit einer im konkreten Fall widerlegbaren Wahrscheinlichkeitsaussage zur Anwendung bringt,
  • nicht aber einen wissenschaftlichen Erfahrungssatz.

Deshalb ist es

  • einerseits nicht ausgeschlossen, dass der Vorwurf bedingt vorsätzlichen Handelns trotz Aufnahme einer erheblichen Alkoholmenge im konkreten Fall – etwa wegen eines länger zurückliegenden Zeitraums der Alkoholaufnahme oder bei Konsum von Mixgetränken mit unbekanntem Alkoholanteil – als entkräftet angesehen werden kann (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 15.11.1990 – 4 StR 486/90 – [BAK von 2,4 ‰ bei Entschluss zur Fahrt]; vgl. zur Erforderlichkeit von Feststellungen zu Trinkverlauf und Trinkende auch BGH, Beschluss vom 25.09.2006 – 4 StR 322/06 –).
  • Andererseits kann – wenn keine Besonderheiten vorliegen – auch im Einzelfall schon allein die die Aufnahme einer die Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit von 1,1 ‰ nur knapp überschreitenden Alkoholmenge dem Tatrichter die Überzeugung von einer vorsätzlichen Tatbegehung verschaffen (vgl. Oberlandesgericht (OLG) Celle, Beschluss vom 25.10.2013 – 32 Ss 169/13 –).

Darauf hat der 4. Strafsenat des BGH mit Urteil vom 09.04.2015 – 4 StR 401/14 – hingewiesen,

  • wobei er der in der obergerichtlichen Rechtsprechung teilweise vertretenen Auffassung entgegengetreten ist, dass bei weit über dem Grenzwert zur absoluten Fahruntüchtigkeit liegenden Blutalkoholwerten sich die Erkenntnis- und Kritikfähigkeit in einer den Vorsatz ausschließenden Weise verringere und (erneut) vorsatzausschließender Glaube an die Fahrtüchtigkeit eintrete (so etwa Kammergericht (KG) Berlin, Urteil vom 24.11.2014 – 121 Ss 155/14 –).
  • Vielmehr beseitigt, wie der 4. Strafsenat des BGH ausgeführt hat, eine bei steigender Blutalkoholkonzentration möglicherweise eintretende Selbstüberschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit nicht die Kenntnis, eine große Menge Alkohol im Blut zu haben und nach den geltenden Regeln deshalb nicht mehr fahren zu dürfen.

Dass bei Blutalkoholkonzentrationen von mehr als 2 ‰ die Steuerungsfähigkeit bzw. das Hemmungsvermögen erheblich herabgesetzt sein kann, ändert daher regelmäßig nichts an der für den Vorsatz allein maßgeblichen Einsicht, dass das Fahren im öffentlichen Verkehr in diesem Zustand verboten ist. Dass der Fahruntüchtige möglicherweise hofft, die vorgesehene Fahrstrecke unfallfrei bewältigen zu können, lässt den Vorsatz unberührt. Erst wenn durch den Grad der Trunkenheit die Einsichtsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt ist, kommt ein Vorsatzausschluss in Betracht. 

 

Die Beweiskraft einer Privaturkunde im Zivilprozess.

Eine Privaturkunde begründet nach § 416 Zivilprozessordnung (ZPO)

  • allein vollen Beweis dafür,

dass die in der Urkunde enthaltenen Erklärungen

  • von dem Aussteller abgegeben worden sind.

Die Beweisregel erstreckt sich

  • dagegen nicht
  • auf die inhaltliche Richtigkeit des Erklärten.

Ob die in der Privaturkunde enthaltenen Angaben

  • zutreffen,
  • ob die darin bestätigten tatsächlichen Vorgänge wirklich so geschehen sind oder nicht,
  • ob insbesondere ein Rechtsgeschäft zustande gekommen ist und welchen Inhalt es hat,

unterliegt der freien tatrichterlichen Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO. Dafür erbringt die Privaturkunde keinen Beweis.

Die Beweisregel des § 416 ZPO,

  • wonach durch Vorlage der Urkunde voller Beweis dafür erbracht ist, dass der Aussteller die in der Urkunde enthaltenen Erklärungen abgegeben hat und
  • nach der es, soweit die Beweiskraft der Urkunde reicht (§ 286 Abs. 2 ZPO), auf die Überzeugung des Gerichts nicht ankommt,

greift aber nur dann ein, wenn die vom Beweisführer beigebrachte Urkunde

Echt im Sinne des § 416 ZPO ist eine Privaturkunde, wenn

  • die Unterschrift dem Namensträger zuzuordnen ist und
  • die über der Unterschrift stehende Schrift
    • vom Aussteller selbst stammt oder
    • mit dessen Willen dort steht.

Dass die Unterschrift vom Namensträger stammt hat die Partei zu beweisen, die sich auf die Urkunde beruft.

Steht

  • die Echtheit der Unterschrift fest,

greift zugunsten der Partei, die sich auf die Urkunde beruft, die Vermutung der Echtheit

Ist der Text über der Unterschrift von dem Aussteller

  • weder geschrieben
  • noch verfasst worden,

erstreckt sich diese Vermutung darauf,

Diese Vermutung gilt auch

§ 440 Abs. 2 ZPO enthält jedoch

  • nicht – wie § 416 ZPO – eine die freie richterliche Beweiswürdigung ausschließende Beweisregel,
  • sondern eine Beweislastanordnung in Form einer widerlegbaren gesetzlichen Vermutung.

Gegen die Vermutung des § 440 Abs. 2 ZPO ist

Bei einem

  • behaupteten Blankettmissbrauch

hat allerdings

  • der Aussteller die nicht vereinbarungsgemäße Ausfüllung eines Blanketts zu beweisen.
  • Lebt der Aussteller nicht mehr, trifft die Beweislast den Erben, gegen den aus einer Urkunde mit der Unterschrift des Erblassers Rechte geltend gemacht werden.

An den Beweis des Gegenteils gegen eine gesetzliche Vermutung sind strenge Anforderungen zu stellen.

  • Der Beweis ist nicht schon dann geführt, wenn die Möglichkeit besteht, dass der Text der Urkunde ohne den Willen des Ausstellers nachträglich über dessen Unterschrift gesetzt worden ist, die Vermutung also nur erschüttert ist.
  • Die Vermutung der Echtheit des Textes über der Unterschrift muss nach der Überzeugung des Gerichts – die gemäß § 286 ZPO allerdings auch aus den Gesamtumständen gewonnen werden kann – widerlegt sein (vgl. BGH, Urteil vom 04.02.2002 – II ZR 37/00 – [zur Vermutung aus § 1006 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)]).

Ist die Vermutung des § 440 Abs. 2 ZPO widerlegt,

  • also bewiesen worden, dass der Text über der Unterschrift nicht dem Willen des Unterzeichners entsprochen hat,

ist die Urkunde insoweit unecht und

  • dann kommt ihr auch nicht die in § 416 ZPO bestimmte Beweiskraft zu.

Darauf hat der V. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 12.03.2015 – V ZR 86/14 – hingewiesen.

 

Wenn ein Betroffener nach Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid zur Hauptverhandlung nicht erscheint.

Hat ein Betroffener Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid eingelegt und

  • erscheint er, trotz ordnungsgemäßer Ladung, ohne genügende Entschuldigung zu der vom Amtsgericht anberaumten Hauptverhandlung nicht,
  • obwohl ihn das Gericht von der Verpflichtung zum Erscheinen nicht entbunden hat,

wird sein Einspruch nach § 74 Abs. 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG)

  • ohne Verhandlung zur Sache durch Urteil verworfen.

Die Verwerfung des Einspruchs des Betroffenen gemäß § 74 Abs. 2 OWiG setzt voraus, dass sich

  • aus allen Umständen, die dem Gericht zum Zeitpunkt der Entscheidung bekannt sind,
  • keine Anhaltspunkte für ein entschuldigtes Fernbleiben ergeben.

Liegen Anhaltspunkte für eine genügende Entschuldigung vor, so darf der Einspruch nur verworfen werden, wenn

  • das Gericht diesen nachgegangen ist und
  • sich im Freibeweisverfahren die Überzeugung verschafft hat, dass genügende Entschuldigungsgründe nicht gegeben sind.
  • Bestehen nicht zu klärende Zweifel, ob der Betroffene genügend entschuldigt ist, kommt eine Verwerfung des Einspruchs nicht in Betracht (vgl. Kammergericht (KG) Berlin, Beschluss vom 24.07.2014 – 3 Ws (B) 392/14 –).

Bestehen

  • Anhaltspunkte für eine Erkrankung des Betroffenen

ist sein Ausbleiben nicht erst dann entschuldigt,

  • wenn er verhandlungsunfähig ist.
  • Es genügt vielmehr, dass ihm infolge der Erkrankung das Erscheinen vor Gericht nicht zuzumuten ist.

Darüber hinaus kann ein Betroffener

  • auch in subjektiver Hinsicht entschuldigt sein,
  • etwa weil er im Vertrauen auf ein ärztliches Attest davon ausgegangen ist, ein Erscheinen sei ihm krankheitsbedingt nicht zuzumuten (vgl. KG, Beschluss vom 22.03.2002 – 3 Ws (B) 48/02 –).

Darauf und dass ansonsten die Verwerfung des Einspruchs, wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs fehlerhaft ist, hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des KG Berlin mit Beschluss vom 18.03.2015 – 3 Ws (B) 58/15 – hingewiesen. 

 

Was man bei einer Zahlung per Banküberweisung wissen muss.

Für die Rechtzeitigkeit der Leistung einer Geldschuld kommt es

  • nicht auf den Zeitpunkt der Vornahme der Überweisung durch den Schuldner,
  • sondern auf den Zeitpunkt der Gutschrift beim Gläubiger an.

Nach früherem Verständnis der Geldschuld als qualifizierter Schickschuld reichte für die Rechtzeitigkeit der Leistung, dass der Schuldner das Geld vor Fristablauf am Leistungsort abgesandt hatte, §§ 269 Abs. 1, 270 Abs. 4 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

  • Nach inzwischen wohl allgemeiner Meinung zwingen aber Art. 3 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2000/35/EG (jetzt: Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7/EU) und die Rechtsprechung des Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH, 1. Kammer, Urteil vom 03.04.2008 – C-306/06 –) zu einer richtlinienkonformen Auslegung hinsichtlich der Rechtzeitigkeit der Leistung jedenfalls dann, wenn der geschäftliche Zahlungsverkehr zwischen Unternehmen betroffen ist.
  • Da es nach dem Wortlaut der Richtlinie für die Rechtzeitigkeit der Leistung auf den Erhalt der Zahlung durch den Gläubiger ankommt, ist eine Zahlung per Überweisung nunmehr nur dann rechtzeitig, wenn sie dem Gläubiger am fraglichen Tag gutgeschrieben ist.

Umstritten ist, inwieweit diese richtlinienkonforme Auslegung auch auf Verbraucher Anwendung finden soll, die vom Wortlaut der Richtlinie nicht umfasst sind (offen gelassen vom Bundesgerichtshof (BGH) im Urteil vom 13.07.2010 – VIII ZR 129/09 –).
Eine Ausdehnung der richtlinienkonformen Auslegung auf Verbraucher erscheint jedoch sachgerecht (OLG Karlsruhe, Urteil vom 09.04.2014, 7 U 177/13,), weil

  • ein übergeordnetes Interesse an einer einheitlichen Rechtsanwendung besteht,
  • die unterschiedliche Beurteilung der Frage der Rechtzeitigkeit der Leistung abhängig von der Unternehmer- oder Verbraucherstellung des Schuldners zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen würde, obwohl weder ein sachlicher Grund für eine abweichende Behandlung von Verbrauchern ersichtlich ist, noch der Wortlaut des § 270 Abs. 1 BGB eine solche Unterscheidung nahelegt und
  • auch Zwecke des Verbraucherschutzes der Ausdehnung der richtlinienkonformen Auslegung auf Verbraucher nicht entgegenstehen.

Das hat das Landgericht (LG) Freiburg mit Urteil vom 28.04.2015 – 9 S 109/14 – in einem Fall entschieden, in dem es um die Rechtzeitigkeit der Leistung einer Wohnungsmiete ging.