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Altersbestimmung mittels Röntgenuntersuchung?

Mit Beschluss vom 30.01.2015 – II-6 UF 155/13 – hat der 6. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm entschieden, dass in einer Vormundschaftssache Röntgenbilder zur Bestimmung des Alters eines betroffenen Mündels gefertigt und verwertet werden dürfen, wenn das anwaltlich vertretene Mündel der Röntgenuntersuchung zugestimmt hat.

Zwar dürfe, wie der Senat ausgeführt hat, gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 der Verordnung über den Schutz vor Schäden durch Röntgenstrahlen (Röntgenverordnung – RöV) eine Röntgenstrahlung am Menschen nur

  • in Ausübung der Heilkunde oder Zahnheilkunde,
  • in der medizinischen Forschung und
  • in sonstigen durch das Gesetz vorgesehenen oder zugelassenen Fällen

angewendet werden und

  • eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung, im Rahmen der Altersbestimmung eine radiologische Diagnostik vornehmen zu können, fehle und
  • ergebe sich insbesondere auch nicht aus §§ 27, 30 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG).

Daraus, dass mangels gesetzlicher Grundlage keine Verpflichtung eines Beteiligten besteht, sich radiologisch untersuchen zu lassen, folge aber jedenfalls dann kein Verwertungsverbot der hieraus gewonnenen Ergebnisse, wenn der Beteiligte in die Untersuchung eingewilligt habe.
Da die Regelungen der §§ 23, 25 RöV ausschließlich individualschützenden Charakter haben und allein dem Schutz des Betroffenen vor Röntgenstrahlung dienen, das Recht auf körperliche Unversehrtheit aber disponibel sei, könne wirksam in eine Röntgenuntersuchung zur Altersbestimmung eingewilligt werden. 

 

Wenn zum Erbe (auch) erlaubnispflichtige Schusswaffen gehören.

Wer infolge eines Erbfalls eine erlaubnispflichtige Waffe erwirbt, erhält für diese Waffe eine waffenrechtliche Erlaubnis, wenn

  • der Erblasser berechtigter Besitzer war und
  • er selbst zuverlässig und persönlich geeignet ist,

ohne dass anders als sonst ein Bedürfnis für den Waffenbesitz nachgewiesen sein muss.
Allerdings müssen Erben, die kein eigenes Bedürfnis zum Waffenbesitz haben, nach § 20 Waffengesetz (WaffG) in der seit 01.04.2008 geltenden Fassung, ererbte Schusswaffen durch ein dem Stand der Technik entsprechendes Blockiersystem versehen.
Diese Pflicht, ererbte Schusswaffen durch ein Blockiersystem zu sichern, gilt auch für solche Waffen, die der Erbe aufgrund eines Erbfalles vor Einführung der Blockierpflicht in das Waffengesetz erworben hat.

Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) mit Urteil vom 16.03.2015 – BVerwG 6 C 31.14 – in einem Fall entschieden, in dem

  • die Klägerin als Erbin ihres 2001verstorbenen Ehemannes Eigentümerin von Schusswaffen geworden war,
  • das beklagte Polizeipräsidium ihr hierfür waffenrechtliche Erlaubnisse erteilt und
  • ihr nachfolgend im Jahre 2011 aufgegeben hatte, die Schusswaffen mit einem Blockiersystem zu versehen.

Die gesetzliche Blockierpflicht gilt danach für sämtliche erlaubnispflichtige Schusswaffen, die durch Erbfall erworben wurden, unabhängig vom Zeitpunkt der Erwerbs.
Die Blockierpflicht soll, wie das BVerwG ausgeführt hat, im Sinne einer konsequenten Risikominimierung die mit dem Besitz ererbter Schusswaffen verbundene abstrakte Gefahr einer Schädigung Dritter verringern, welche der Gesetzgeber bei fehlendem waffenrechtlichen Bedürfnis des Besitzers für nicht hinnehmbar erachtet hat.
Wären nur Erbfälle ab dem Jahr 2008 einbezogen, würde die angestrebte Risikoverringerung erst allmählich über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten eintreten.
Diese Erstreckung auf Altfälle ist mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar.

  • Der Gesetzgeber hat allgemein ein berechtigtes Interesse daran, die mit dem Waffengesetz jeweils verfolgten Sicherungszwecke möglichst rasch zur Geltung zu bringen.

Er handelt bei der Ausgestaltung des Waffenrechts mit dem Ziel, seine verfassungsrechtliche Schutzpflicht für Leben und körperliche Unversehrtheit der Bürger zu erfüllen.

  • Er kann deshalb in aller Regel das Recht zum Umgang mit Waffen verschärfen, ohne hieran durch den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes beschränkt zu werden.

Umgekehrt kann derjenige, dem der Umgang mit Waffen erlaubt ist, in aller Regel nicht berechtigterweise darauf vertrauen, dass die hierfür geltenden Anforderungen für alle Zukunft unverändert bleiben.

Das hat die Pressestelle des Bundesverwaltungsgerichts am 24.04.2015 – Nr. 31/2015 – mitgeteilt.

 

Wenn der Anbieter bei einer eBay-Auktion das Angebot ändert.

Der Vertragsschluss bei sog. Online-Auktionen erfolgt nicht durch Zuschlag des Auktionators im Sinne des § 156 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), sondern durch Einigung mittels Angebot und Annahme im Sinne der §§ 145 ff BGB.
Der Erklärungsinhalt der jeweiligen Willenserklärung (§§ 133, 157 BGB) richtet sich hierbei auch nach den Bestimmungen über den Vertragsschluss in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Internetportals, denen die Beteiligten vor der Teilnahme an der Internet-Auktion zugestimmt haben (vgl. BGH, Urteile vom 08.06.2011 – VIII ZR 305/10 – und vom 10.12.2014 – VIII ZR 90/14 –).

  • In die Auslegung der Willenserklärung des Anbieters sind deshalb die jeweils gültigen Bestimmungen der eBay-AGB über das Zustandekommen eines Vertrages einzubeziehen.
  • Demzufolge darf, sobald bei einer eBay-Auktion auf ein Angebot geboten wurde, der Anbieter das Angebot nur noch ändern, wenn er nach den eBay-AGB dazu berechtigt ist.
  • Wird ein Angebot unberechtigt geändert, kommt bei Bietende ein Vertrag mit dem Höchstbietendem und dem Inhalt des ursprünglichen Angebots zu Stande.

Darauf hat das Amtsgericht (AG) Dieburg mit Urteil vom 15.04.2015 – 20 C 945/14 – in einem Fall hingewiesen,

  • in dem die Klägerin im Wege einer eBay-Auktion, die am 09.03.2014 enden sollte, als private Verkäuferin einen Opel-Kadett lediglich mit Artikelbeschreibung zum Verkauf angeboten und
  • zwei Tage vor Auktionsende, ihr Angebot um die Angabe ergänzt hatte, dass, wenn das Auto nach dem Ende der Auktion nicht innerhalb von sieben Tagen gegen Barzahlung am Artikelstandort abgeholt werde, für den Bieter Lagerkosten von 11 € pro Tag bis zum Tag der Abholung anfallen.

 

Wann haftet ein Kraftfahrzeughalter nach § 7 Abs. 1 StVG für Schäden bei dem Einsatz des Kraftfahrzeugs als Arbeitsmaschine?

Voraussetzung für einen Anspruch nach § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) ist,

  • dass eines der dort genannten Rechtsgüter „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges“ verletzt bzw. beschädigt worden ist,
  • wobei, wenn der Schaden auf einem Privatgelände eingetreten ist, dies einer Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG grundsätzlich nicht entgegen steht, denn der Betrieb eines Kraftfahrzeuges im Sinne dieser Norm erfordert nicht seinen Einsatz auf öffentlicher Verkehrsfläche.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist das Haftungsmerkmal „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges“ entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Denn die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kraftfahrzeuges erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird; die Vorschrift will daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen.

Ein Schaden ist demgemäß dann bereits „bei dem Betrieb“ eines Kraftfahrzeuges entstanden,

Erforderlich ist aber stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird,

Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass der Unfall

  • in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang
  • mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder
  • einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges

steht (vgl. BGH, Urteile vom 10.02.2004 – VI ZR 218/03 –; vom 27.11.2007 – VI ZR 210/06 –; vom 26.02.2013 – VI ZR 116/12 – und vom 21.01.2014 – VI ZR 253/13 –).

Bei Kraftfahrzeugen

  • mit Arbeitsfunktionen

ist es erforderlich, dass

  • ein Zusammenhang mit der Bestimmung des Kraftfahrzeuges als eine der Fortbewegung und dem Transport dienende Maschine (vgl. § 1 Abs. 2 StVG) besteht.

Eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG entfällt daher, wenn

  • die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kraftfahrzeuges keine Rolle mehr spielt und das Fahrzeug nur noch als Arbeitsmaschine eingesetzt wird oder
  • bei Schäden, in denen sich eine Gefahr aus einem gegenüber der Betriebsgefahr eigenständigen Gefahrenkreis verwirklicht hat.

Eine Verbindung mit dem „Betrieb“ als Kraftfahrzeug kann jedoch zu bejahen sein, wenn

Darauf hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 24.03.2015 – VI ZR 265/14 – in einem Fall hingewiesen,

  • in dem ein Schaden, dadurch entstanden war, dass ein Grashäcksler
    • durch den Metallzinken,
    • der von einem zuvor auf demselben Grundstück eingesetzten und einem Traktor gezogenen sowie angetriebenen Kreiselschwader abgefallen war,
  • beschädigt worden war und entschieden, dass
    • die Beschädigung des Grashäckslers nicht der von dem Traktors ausgehenden Betriebsgefahr zuzurechnen ist, der den Kreiselschwader gezogen und angetrieben hat.

Danach können Schäden durch das Ablösen von Teilen eines Kraftfahrzeuges

  • zwar beim Betrieb des Kraftfahrzeuges entstanden sein, wenn sie im Zusammenhang mit einem Verkehrsvorgang stehen,
  • allerdings muss das Risiko, das sich in dem konkreten Fall verwirklicht hat, in den Schutzbereich des § 7 StVG fallen.

So hat der VI. Zivilsenat des BGH Schäden als vom Schutzzweck des § 7 StVG erfasst angesehen, die

entstanden waren,

  • im ersten Fall, weil das Streugut während der Fahrt verteilt worden war, sich ein durch den Einsatz im Straßenverkehr mitgeprägtes spezifisches Gefahrenpotential ergab und sich das Auswerfen des Streuguts von der Eigenschaft des Streuwagens als Kraftfahrzeug und Beförderungsmittel nicht sinnvoll trennen lies;
  • im zweiten Fall, weil der Unimog mit seiner Motorkraft nicht nur den Antrieb für das Mähwerk gebildet hatte, sondern auch auf dem Seitenstreifen entlanggefahren war und dadurch das Mähfahrzeug fortbewegt hatte.

Der Gesichtspunkt,

  • dass eine Verbindung mit dem Betrieb als Kraftfahrzeug zu bejahen sei,
  • wenn eine „fahrbare Arbeitsmaschine“ gerade während der Fahrt bestimmungsgemäß Arbeiten verrichte,

kann jedoch, wie der VI. Zivilsenat des BGH weiter ausführte,

  • nicht losgelöst von dem konkreten Einsatzbereich des Fahrzeuges mit Arbeitsfunktion gesehen werden und
  • dass das maßgebliche Kriterium der Differenzierung das Stehen oder Fahren des Kraftfahrzeuges während der Arbeitsfunktion darstellt, ist in dieser Allgemeinheit nicht zutreffend.

Erforderlich ist nämlich stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird,

Deshalb lässt sich nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände entscheiden, wann haftungsrechtlich nur noch die Funktion als Arbeitsmaschine in Frage steht.
Ist dies der Fall, ist der Zurechnungszusammenhang unter Schutzzweckgesichtspunkten enger zu sehen.

In dem von ihm entschiedenen Fall war für den VI. Zivilsenat des BGH maßgeblich, dass der Schaden weder auf einer öffentlichen noch einer privaten Verkehrsfläche, sondern auf einer zu dieser Zeit nur landwirtschaftlichen Zwecken dienenden Wiese eingetreten ist und die Transportfunktion lediglich dem Bestellen der landwirtschaftlichen Fläche diente.
Hinzu kam, dass der Schaden nach Abschluss des Arbeitsvorganges entstanden war, so dass sich bei der notwendigen Gesamtbetrachtung ergab, dass bei dem Einsatz der landwirtschaftlichen Maschine – hier der Kombination eines Traktors mit angehängtem, von diesem betriebenen Arbeitsgerät – zur Bestellung einer landwirtschaftlichen Fläche die Funktion als Arbeitsmaschine im Vordergrund stand und der Schadensablauf nicht durch den Betrieb des Kraftfahrzeuges geprägt wurde (vgl. im Ergebnis auch Brandenburgisches OLG, Urteil vom 18.02.2010 – 12 U 142/09 –).

 

An engen Straßenstellen ist das Halten nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StVO unzulässig.

Ein unzulässiges Halten an engen Straßenstellen im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) liegt vor, wenn der zur Durchfahrt insgesamt freibleibende Raum

bei vorsichtiger Fahrweise nicht ausreichen würde.

Danach setzt ein Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StVO also voraus, dass,

  • unter Berücksichtigung des haltenden oder geparkten Fahrzeugs
    • – die Halteverbote des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 StVO bewirken nämlich zugleich, dass in diesen Bereichen nicht geparkt werden darf (vgl. Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf, Beschluss vom 30.12.1999 – 2b Ss (OWi) 221/99 –; OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.05.2012 – 9 U 128/11 –)-
  • zur Durchfahrt kein Raum von mindestens 3,05 m Breite verbleibt.

Bei der Beurteilung, ob ein Betroffener gegen § 12 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StVO verstoßen hat,

  • also verbotswidrig an engen Straßenstellen gehalten bzw. geparkt hat,

ist abzustellen auf den Zeitpunkt,

  • in dem das Fahrzeug von dem Betroffenen abgestellt wird bzw. worden ist.

Das bedeutet, ein Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StVO

  • kann dem Betroffenen nicht vorgeworfen werden,
    • wenn eine enge Straßenstelle erst durch nachfolgendes Halten bzw. Parken anderer Fahrzeuge auf der gegenüberliegenden Straßenseite entstanden ist,
  • bzw. kann einem Betroffenen nicht nachgewiesen werden,
    • wenn sich nicht (mehr) beweissicher klären lässt, ob der Betroffene sein Fahrzeug vor oder nach dem auf der gegenüberliegenden Straßenseite geparkten Fahrzeug abgestellt hat.

Darauf hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Saarbrücken mit Urteil vom 01.04.2015 – 13 S 165/14 – hingewiesen.

 

Kein Schadensersatzanspruch bei „So-Nicht-Unfall“ in Bezug auf die Schadenshöhe.

Ist im Rahmen der Haftung gemäß §§ 7, 18 Straßenverkehrsgesetz (StVG)

  • der äußere Tatbestand der Rechtsgutverletzung (hier: Kollision zwischen 2 PKW)
  • nach dem für die haftungsbegründende Kausalität geforderten Maßstab des § 286 Zivilprozessordnung (ZPO) vom Geschädigten bewiesen,

steht (damit lediglich) haftungsbegründend fest,

  • dass dem Geschädigten dadurch ein (kollisionsbedingter) Schaden entstanden ist.

Im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität muss jedoch sodann vom Geschädigten

Gelingt dieser Beweis nicht (sog. „So-Nicht-Unfall“ bezogen auf den Schadensumfang), bleibt die Schadensersatzklage ohne Erfolg.
Auf die Frage einer Unfallmanipulation, geschweige denn auf deren möglichen Ablauf im Einzelnen, kommt es dabei dann nicht an.

Das hat der 9. Zivilsenat des OLG Hamm mit Urteil vom 10.03.2015 – 9 U 246/13 – entschieden und eine Klage auf Schadensersatz aufgrund eines Unfallgeschehens in einem Fall abgewiesen,

  • in dem feststand,
    • dass es haftungsbegründend zu einer Kollision zwischen den Fahrzeugen des Klägers und des Beklagten gekommen war,
    • die als solche auch geeignet war, einen Schaden an dem klägerischen Fahrzeug herbeizuführen,
  • aber das eingeholte unfallanalytische Sachverständigengutachten nicht ergeben hatte,
    • dass das klägerische Fahrzeug auf diese Weise
    • die vom Kläger behaupteten Schäden in ihrer Gesamtheit oder einen abgrenzbaren Teil davon erlitten hat.

 

Anspruch auf Perücke bei Verlust des Kopfhaares?

Der typische männliche Verlust des Kopfhaares ist,

  • im Gegensatz zu einem darüber hinausgehenden Haarverlust, der unter anderem auch die Brauen, Wimpern und den Bartwuchs umfasst (Alopecia areata universalis) und insbesondere bei einem jungen Mann eine Krankheit darstellen kann,

weder eine Krankheit noch eine Behinderung

Darauf hat, wie die Pressestelle des Bundessozialgerichts (BSG) am 22.04.2015 – Nr. 8/15 – mitteilte, der 3. Senat des BSG – B 3 KR 3/14 R – hingewiesen.

Danach können Perücken zwar ein Hilfsmittel sein und sind insbesondere Vollperücken nicht als Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgenommen.

Der alleinige Verlust des Kopfhaares bei einem Mann ist jedoch nicht als Krankheit zu werten, weil er

  • weder die Körperfunktionen beeinträchtigt
  • noch entstellend wirkt.

Die überwiegende Zahl

  • der Männer

verliert im Laufe des Lebens ganz oder teilweise ihr Kopfhaar.
Dadurch erregen Männer aber

  • weder besondere Aufmerksamkeit im Sinne von Angestarrt-Werden
  • noch werden sie stigmatisiert.

Demgegenüber tritt

  • bei Frauen

aus biologischen Gründen in der Regel im Laufe des Lebens kein entsprechender Haarverlust ein.

  • Eine Frau ohne Kopfhaar fällt daher besonders auf und zieht die Blicke anderer auf sich.

Dieser bei Frauen von der Norm deutlich abweichende Zustand ist – wenn er entstellend wirkt – krankheitswertig, sodass die Versorgung mit einer Perücke bei Frauen Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung sein kann.

Männer sind allerdings nicht vollständig von der Versorgung mit Vollperücken zu Lasten der Krankenversicherung ausgeschlossen.

  • Ein solcher Anspruch kann bestehen, wenn der Haarverlust nicht allein die Kopfbehaarung, sondern auch die übrige Behaarung des Kopfes wie Brauen, Wimpern und Bart erfasst.

Ein solcher Haarverlust geht über den typischen männlichen Haarverlust hinaus und kann insbesondere bei Jugendlichen oder jungen Erwachsenen Aufsehen erregen. Je nach Alter des Mannes und Aussehen des unbehaarten Kopfes kann in einem solchen Fall daher eine auffallende, entstellende Wirkung vorliegen, die Krankheitswert besitzt. 

 

Zur Feststellung eines Verkehrsverstoßes aufgrund der Aussage eines Polizeibeamten.

Kann ein Polizeibeamter

  • sich an einen von ihm angezeigten und von dem Betroffenen bestrittenen Vorfall nicht mehr in allen Details erinnern,
  • und nimmt er deshalb auf die von ihm erstattete Anzeige ergänzend Bezug,

kann der Tatrichter aufgrund der Aussage des Polizeibeamten den Verstoß dennoch wie angezeigt für erwiesen erachten,

  • wenn der Polizeibeamte die volle Verantwortung für den Inhalt der Anzeige übernimmt,
  • klar ist, in welcher Weise er bei der Anzeigeerstattung beteiligt gewesen ist,
  • ob und inwieweit ein Irrtum ausgeschlossen ist und
  • warum es verständlich erscheint, dass der Polizeibeamte den Vorfall nicht mehr vollständig in Erinnerung hat (vgl. auch Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf, Beschluss vom 11.04.2014 – 2 RBs 37/14 –).

Darauf hat das Amtsgericht (AG) Landstuhl mit Urteil vom 02.04.2015 – 2 OWi 4286 Js 1076/15 – hingewiesen.

 

Nach Sturz einer Kundin im Supermarkt.

Mit Urteil vom 20.03.2015 – 17 C 113/14 – hat das Amtsgericht (AG) Schöneberg einer Kundin (im Folgenden Klägerin genannt), die in einem Supermarkt gestürzt war und sich dabei verletzt hatte, ein Schmerzensgeld von 1.000,00 EUR, weitere 128,33 EUR Schadensersatz für beschädigte Kleidung und Medikamente sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 85,68 EUR nebst Zinsen zugesprochen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war die Klägerin beim Einkaufen im Ladengeschäft der Beklagten, im Bereich der Flaschenregale, als sie einen anderen Kunden auswich, auf einer dort auf dem Boden befindlichen Pfütze ausgerutscht sowie gestürzt und hatte sich dabei nicht unerheblich verletzt.

Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen ihrer durch den Sturz erlittenen Verletzungen hat das AG der Klägerin gemäß §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 249 Abs. 2, 253 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gegen den Betreiber des Supermarktes (im Folgenden Beklagter genannt) zuerkannt, weil

  • der Betreiber eines Geschäfts verpflichtet ist, seinen Kunden gegenüber, die sich zum Zwecke des Einkaufs in seine Geschäftsräume begeben, zumutbare Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer Sicherheit zu ergreifen und
  • der Beklagte diese ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht schuldhaft verletzt hatte.

Nach der Entscheidung des AG hat ein Betreiber eines Ladengeschäfts, zumal an einem Regentag,

  • regelmäßige Kontrollgänge oder gleichwertige Vorsichtsmaßnahmen vorzusehen und durchzuführen,
  • um Gefahrenstellen, beispielsweise zur Glätte führende Pfützen auf dem Boden, möglichst frühzeitig erkennen und beseitigen zu können.

Nachdem

  • von dem Beklagten vorliegend schon nicht dargetan worden war, dass er derartige organisatorische Vorkehrungen zur Gefahrerkennung und -beseitigung getroffen hatte und
  • er seine Behauptung, auch zumutbare Kontrollmaßnahmen hätten die Pfütze nicht verhindern können, weil diese erst unmittelbar vor dem Sturz durch herabtropfendes Wasser vom Regenschirm eines Kunden entstanden sei, nicht hatte beweisen können,

war davon auszugehen,

  • dass der Beklagte seine Pflichten zumindest fahrlässig verletzt hat und
  • darauf der Sturz der Klägerin zurückzuführen war.

Denn aufgrund der am Boden befindlichen Pfütze bestand objektiv eine Gefahr für den Kundenverkehr,

  • so dass zu vermuten war, dass diese Gefahrenstelle auch für den Sturz der Klägerin ursächlich war und
  • es Sache des Beklagten gewesen wäre, darzutun und zu beweisen, dass die Klägerin unabhängig von der Glättestelle – beispielsweise allein durch eine Kollision mit einem anderen Kunden – zu Fall gekommen ist.

Ein Mitverschulden der Klägerin an ihrem Unfall vermochte das AG vorliegend nicht festzustellen, zumal es hierzu einer grob fahrlässigen Unaufmerksamkeit im Sinne eines „Verschuldens gegen sich selbst“ bedurft hätte und man auf einem durch stehende Flüssigkeit glatten Steinfußboden auch ohne grobe Unaufmerksamkeit ausrutschen kann.

 

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie verstehen muss.

Heißt es in Allgemeinen Versicherungsbedingungen für eine (Betriebs)Haftpflichtversicherung, wie in Ziff. 1.1 der Allgemeinen Haftpflicht-Versicherungsbedingungen 2008 (AHB 2008),

„Versicherungsschutz besteht im Rahmen des versicherten Risikos für den Fall,

  • dass der Versicherungsnehmer wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadenereignisses (Versicherungsfall),
  • das einen Personen-, Sach- oder sich daraus ergebenden Vermögensschaden zur Folge hatte,

aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird“(= Satz 1),

sowie

  • „dass Schadenereignis das Ereignis ist, als dessen Folge die Schädigung des Dritten unmittelbar entstanden ist“ (= Satz 2)

und

  • „dass es auf den Zeitpunkt der Schadenverursachung, die zum Schadenereignis geführt hat, nicht ankommt“ (= Satz 3),

kommt es für die Frage, ob

  • das Schadensereignis i. S. v. dieser Bedingungen in die Vertragslaufzeit einer Betriebshaftpflichtversicherung fällt,

darauf an,

  • ob die schädliche Einwirkung auf die Sache eines Dritten jedenfalls auch innerhalb der versicherten Zeit erfolgte.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe mit Urteil vom 10.03.2015 – 12 U 289/14 – in einem Fall hingewiesen, in dem

  • von dem Kläger, einem selbständigen Dachdeckermeister,
    • der zwischen 01.01.2008 und 2012 bei der Beklagten eine Betriebshaftpflichtversicherung unterhalten hatte,
    • im Jahre 2007 Flachdacharbeiten bei dem Neubau seines Auftraggebers durchgeführt sowie auch abgenommen worden waren und
  • es im Jahr 2010, infolge mangelhaft verlegter Dachbahnen, zu Wasserschäden im Bereich des Objekts seines Auftraggebers gekommen war.  

Dieser Wasserschaden fiel, wie das OLG Karlsruhe entschied, in die versicherte Zeit, weil

  • als das maßgebliche Schadensereignis i. S. v. Ziff. 1.1 der AHB 2008 erst der Eintritt des Wassers anzusehen ist,

so dass der Kläger danach Anspruch auf Versicherungsschutz hatte.  

Die Entscheidung begründete das OLG Karlsruhe damit, dass Allgemeine Versicherungsbedingungen nach ständiger Rechtsprechung so auszulegen sind, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei

  • verständiger Würdigung,
  • aufmerksamer Durchsicht und
  • unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs

verstehen muss.

  • Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an.
  • Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind aus sich heraus zu interpretieren.
  • In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen.
  • Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH, Urteile vom 25.07.2012 – IV ZR 201/10 – und vom 26.03.2014 – IV ZR 422/12 –).

Geht man davon aus, wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer Satz 3 von Ziff. 1.1 AHB 2008 „dass es auf den Zeitpunkt der Schadenverursachung, die zum Schadenereignis geführt hat, nicht ankommt“ zunächst entnehmen, dass

  • es nicht auf den Zeitpunkt der Schadenverursachung ankommt, da diese erst noch zum Schadenereignis führen muss.
    Der Zeitpunkt der Ausführung der Dacharbeiten scheidet damit aus.

Umgekehrt wird er aufgrund der Regelung in Satz 2 „dass Schadenereignis das Ereignis ist, als dessen Folge die Schädigung des Dritten unmittelbar entstanden ist“, erkennen, dass

  • das Schadenereignis zeitlich noch vor dem Zeitpunkt der Schädigung des Dritten liegen muss, da die Schädigung als Folge des Schadenereignisses bezeichnet ist.
    Dabei muss der zeitliche Abstand allerdings nicht groß sein, da die Schädigung des Dritten „unmittelbar“ aus dem Schadenereignis entstanden sein soll.
    Danach kommt auch die Abnahme der fehlerhaften Arbeit als maßgebliches Ereignis nicht in Betracht; sie führt die Schädigung nicht unmittelbar herbei.

Als möglicher Anknüpfungspunkt verbleibt damit

  • nur der tatsächlich stattfindende Wassereintritt.

Die letzte Tatsache, die den Schaden an dem Objekt des Auftraggebers ausgelöst hat, ist der Eintritt des Wassers selbst.
Erst für diesen Umstand,

  • nämlich den tatsächlich stattfindenden Wassereintritt

wird der Kläger hier von seinem Auftraggeber haftbar gemacht.
Schadenereignis kann aber nur ein solches Ereignis sein,

  • das zur Auslösung des gegen den Versicherungsnehmer gerichteten Haftpflichtanspruchs geeignet ist.

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird die Klausel daher aufgrund des in ihr verwendeten Begriffs der Unmittelbarkeit so verstehen, dass ihm gerade für den Eintritt dieser Tatsache

  • nämlich den tatsächlich stattfindenden Wassereintritt

Haftpflichtversicherungsschutz gewährt werden soll (BGH, Urteil vom 26.03.2014 – IV ZR 422/12 –).
Damit lag das Schadensereignis innerhalb der versicherten Zeit