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Warum man im Fußballstadion keine Knallkörper oder andere pyrotechnische Gegenstände zünden sollte.

Wird infolge einer Störung durch einen Zuschauer ein Fußballverein vom Verband mit einer Strafe belegt,

  • kann der Verein von dem störenden Zuschauer in vollem Umfang Ersatz für die geleistete Verbandsstrafe verlangen,
  • wenn und soweit das Verhalten des Zuschauers für die Verbandsstrafe ursächlich war.

Darauf hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Köln mit Urteil vom 08.04.2015 – 7 O 231/14 – hingewiesen und in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall,

  • in dem gegen einen Profifußballverein (im Folgenden Kläger genannt) eine Verbandstrafe verhängt worden war, weil ein Zuschauer (im Folgenden Beklagter genannt) bei einem Heimspiel der Lizenzspielermannschaft durch das Zünden eines Knallkörpers mehrere andere Zuschauer im Stadion verletzt hatte

und

  • der Verein die Verbandsstrafe von dem Zuschauer ersetzt haben wollte,

den Zuschauer verurteilt,

  • dem Verein diesen Schaden (vorliegend waren das 30.000,00 EUR) nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu ersetzen.

Durch den Besuch des Zweitligaspiels war, wie die Kammer ausführte, zwischen den Parteien

Das Zünden von Knallkörpern oder anderen pyrotechnischen Gegenständen und das Werfen solcher Gegenstände auf andere Personen stellte eine erhebliche Verletzung der einem Zuschauer nach § 241 Abs. 2 BGB obliegenden Rücksichtnahmepflichten dar (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 25.08.2011 – 11 O 339/10 –; LG Karlsruhe, Urteil vom 29.05.2012 – 8 O 78/12 –).

Diese Pflichtverletzung hatte der Beklagte zu vertreten. Jedenfalls konnte er den ihm nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB obliegenden Entlastungsbeweis nicht führen.

Der von dem Verein geltend gemachte Schaden war durch die Pflichtverletzung des Zuschauers adäquat kausal verursacht worden, weil es nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegt, dass ein Fußballverein infolge von Störungen durch Zuschauer mit einer Verbandstrafe belegt wird.
Auch ist es einem von einem Sportgericht bestraften Fußballverein nicht grundsätzlich verwehrt, von dem störenden Zuschauer in vollem Umfang Ersatz für geleistete Geldstrafen zu verlangen, wenn und soweit sein Verhalten für diese ursächlich war (LG Karlsruhe, Urteil vom 29.05.2012 – 8 O 78/12 –; LG Düsseldorf, Urteil vom 25.08.2011 – 11 O 339/10 –).
Insbesondere verstößt es nicht gegen Treu und Glauben, wenn ein Verein, der für das Verhalten eines Zuschauers haften muss, von diesem Regress für die geleistete Strafe verlangt.
Die nach § 241 Abs. 2 BGB bestehenden Rücksichtnahmepflichten eines Zuschauers bestehen nämlich gerade auch gegenüber dem Verein, so dass ein Zuschauer dem Verein den durch sein Fehlverhalten entstandenen Vermögensschaden ersetzen muss.
Schuld- und verbandsrechtliche Verpflichtungen, die dem Verein durch das Verhalten eines Zuschauers entstehen, wirken sich dabei voll auf den Umfang der Ersatzpflicht aus.
Eine Haftungsbegrenzung dahingehend, dass der Geschädigte besonders hohe Schäden selbst zu tragen hat, ist § 280 Abs. 1 BGB nicht zu entnehmen.

 

Wann die Bitte „den Vertrag beitragsfrei“ zu stellen den Fortbestand einer Lebensversicherung gefährden kann.

Durch

  • ein Beitragsfreistellungsverlangen

des Versicherungsnehmers einer Lebensversicherung

  • kommt es zum Erlöschen der Versicherung,
  • wenn die Mindestversicherungsleistung nicht erreicht wurde.

Das ergibt sich – mittelbar – aus § 165 I Versicherungsvertragsgesetz (VVG), wonach der Versicherungsnehmer jederzeit die Umwandlung der Versicherung in eine prämienfreie Versicherung verlangen kann, sofern die dafür vereinbarte Mindestversicherungsleistung erreicht wird.
Wird diese nicht erreicht, hat der Versicherer den Rückkaufswert nach § 169 VVG zu zahlen.
Die herrschende Meinung folgert daraus, dass die Versicherung im Übrigen erlischt. Die Folgen treten automatisch ein. Die Umwandlung ist grundsätzlich endgültig.

  • Der Versicherungsnehmer hat dann keinen Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Versicherungsvertrages.
  • Es ist nur ein Neuabschuss möglich.

Da ein Beitragsfreistellungsverlangen nach Eingang bei dem Versicherer automatisch die Umwandlung bewirkt, ist der Versicherer,

  • sofern das Verlangen selbst nicht auslegungsfähig ist,
  • auch nicht (mehr) zu irgendwelchen Beratungsleistungen im Sinne von § 6 I, II oder IV VVG verpflichtet.

Denn die Beratungspflichten aus § 6 VVG entfallen mit Ablauf des Versicherungsverhältnisses und auch über § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gelangt man wegen der „automatischen Rechtsfolgen“ zu keinem anderen Ergebnis.

Ist das Schreiben eines Versicherungsnehmers

  • eindeutig als Beitragsfreistellungsverlangen anzusehen und
  • wollte ein Versicherungsnehmer nicht, dass die Versicherung damit erlischt, hat er sich also bei Abgabe der Erklärung in einem Irrtum nach § 119 BGB befunden,

muss er seine Willenserklärung gemäß § 121 BGB ohne schuldhaftes Zögern anfechten.

Darauf hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt mit Urteil vom 05.03.2015 – 3 U 131/13 – hingewiesen und in einem Fall

  • in dem, der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung nebst Berufsunfähigkeitszusatzversicherung vor Ende der Laufzeit und zu einem Zeitpunkt als die Mindestversicherungsleistung in Höhe von 5.000,- € noch nicht erreicht war, den Versicherer in einem Schreiben gebeten hatte den Vertrag mit sofortiger Wirkung beitragsfrei zu stellen

und

  • ihm von dem Versicherer daraufhin, unter Mitteilung, dass die Versicherung in Auswirkung seines Antrages und Auszahlung des Rückkaufwertes erlösche, rund 6.447,- € ausbezahlt worden waren,

entschieden,

  • dass es durch das Schreiben des Versicherungsnehmers, mit dem er die Beitragsfreistellung verlangt hatte, zum Erlöschen des Vertrages gekommen ist.

 

Die Hinweispflicht des Gerichts aus § 139 ZPO.

Gerichtliche Hinweispflichten nach § 139 Zivilprozessordnung (ZPO)

Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) garantiert den Verfahrensbeteiligten, dass sie Gelegenheit erhalten, sich vor Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zu dem dieser zugrunde liegenden Sachverhalt zu. Ein Gericht verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG und das Gebot eines fairen Verfahrens, äußern. wenn es ohne vorherigen Hinweis

  • Anforderungen an den Sachvortrag stellt oder
  • auf rechtliche Gesichtspunkte abstellt,

mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15.02.2005 – XI ZR 144/03 – und vom 15.03.2006 – IV ZR 32/05 –).

Die grundrechtliche Gewährleistung des rechtlichen Gehörs vor Gericht schützt auch das Vertrauen der in erster Instanz siegreichen Partei darauf,

  • vom Berufungsgericht rechtzeitig einen Hinweis zu erhalten,

wenn

Außer zur Hinweiserteilung ist das Berufungsgericht auch verpflichtet, der betroffenen Partei Gelegenheit zu geben, auf den Hinweis zu reagieren und ihren Tatsachenvortrag zu ergänzen (vgl. BGH, Beschluss vom 15.02.2005 – XI ZR 144/03 –).

  • Stellt die durch den Hinweis belastete Partei einen Antrag auf Schriftsatznachlass, hat das Berufungsgericht ihr eine Erklärungsfrist einzuräumen, innerhalb derer sie zu dem Hinweis Stellung nehmen und ihren Vortrag gegebenenfalls ergänzen oder klarstellen kann.

Darauf hat der IX. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 05.02.2015 – IX ZR 211/13 – hingewiesen.

 

Lkw-Fahrer haftet nicht für Verletzung eines Landwirts bei der Anlieferung von Schweinen auf dessen Hof.

Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg hat mit – noch nicht rechtskräftigem – Urteil vom 16.04.2015 – 1 U 81/14 – die Klage eines Landwirts wegen eines Unfalls bei der Anlieferung von Schweinen abgewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall

  • hatte der Lkw-Fahrer einer Firma Schweine auf den Hof des Landwirts geliefert,
  • dort den Lkw rückwärts mit heruntergelassener Ladeklappe an den Schweinestall des Landwirts herangesetzt und
  • dabei den linken Arm des Landwirts in die Stalltür eingequetscht,
  • die, als der Landwirt sie gerade von innen zum Abladen der Tiere hatte öffnen wollen, durch die Ladeklappe des rückwärtsfahrenden Lkw wieder zugedrückt worden war.

Die Klage des Landwirts,

  • der seit dem Unfall arbeitsunfähig krankgeschrieben war und
  • zunächst nur die Feststellung begehrt hatte, dass der Lkw-Fahrer, sein Arbeitgeber und die dahinter stehende Haftpflichtversicherung für den Unfall einzustehen haben,

wies der 1. Zivilsenat des OLG Oldenburg ab.

  • Zwar habe der Landwirt, wie der Senat ausführte, grundsätzlich einen Anspruch auf Schadensersatz.
  • Vorliegend ergebe sich aber ausnahmsweise aus den Vorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung ein Haftungsausschluss.

Denn eine Haftung

  • für die fahrlässige Verursachung eines Unfalls

sei nach § 105 Sozialgesetzbuch VII (SGB VII) i. V. m. § 106 Abs. 3 SGB VII dann ausgeschlossen, wenn

  • gesetzlich unfallversicherte Mitarbeiter unterschiedlicher Unternehmen vorübergehend auf einer „gemeinsamen Betriebsstätte“ zusammenarbeiten.

Eine solche gemeinsame Tätigkeit auf dem Hof des Landwirt zwischen ihm und dem Lkw-Fahrer bei der Anlieferung der Schweine,

  • also nicht lediglich eine Arbeitsverrichtung unabhängige voneinander,
  • sondern eine Hand-in-Hand-Zusammenarbeit,

lag nach Auffassung des Senats vor, weil

  • der Arbeitsvorgang nur durch ein erfolgreiches Ineinandergreifen mehrerer Arbeitsschritte von beiden Seiten funktionieren konnte.

Der Lkw-Fahrer habe nämlich mit heruntergelassener Ladeklappe den Lkw rückwärts an den Schweinestall des Klägers heranfahren müssen, während der Landwirt die Stalltür von innen habe öffnen müssen.
Eine andere Möglichkeit habe nicht bestanden.
Denn

  • wenn der Fahrer den Lkw vor die geschlossene Stalltür gefahren hätte,

wäre dies genau so sinnlos gewesen, wie

  • wenn der Landwirt die Stalltür geöffnet hätte, ohne dass der Fahrer den Lkw herangefahren hätte.

Das Urteil bedeutet für den Landwirt, dass er sich wegen der erlittenen materiellen Schäden an seine Berufsgenossenschaft wenden muss.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Oldenburg am 17.04.2015 mitgeteilt.

 

Klage gegen „Polizeikessel“ abgewiesen.

Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts (VG) Stuttgart hat mit Urteil vom 16.04.2015 – 1 K 4014/13, 1 K 4430/13 und 1 K 4431/13 – die Klagen von fünf Klägern abgewiesen, die die Feststellung begehrt hatten,

  • dass das Festhalten und der Platzverweis durch die Polizei am 12.10.2013 in Göppingen
  • im Zusammenhang mit einer Gegendemonstration gegen eine gleichzeitig laufende Demonstration von anderen Personen

rechtswidrig waren.

Danach ist die Polizei in solchen Fällen berechtigt Personen,

in Gewahrsam zu nehmen,

  • bis die Gefahr eines Zusammentreffens mit Teilnehmern der anderen Demonstration beseitigt ist.

Dass die Kläger sich in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall selbst an gewalttätigen Aktionen nicht beteiligt hatten, änderte daran nach Auffassung der 1. Kammer des VG Stuttgart deshalb nichts, weil

  • die Kläger sich einem nicht angemeldeten und
  • auch nicht spontan entstandenen Aufzug von gewaltbereiten Aktivisten angeschlossen und
  • durch ihre Anwesenheit zu dem – bei verständiger Würdigung der Situation berechtigten – Eindruck einer bestehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit beigetragen hatten.

Das hat die Pressestelle des Verwaltungsgerichts Stuttgart am 17.04.2015 mitgeteilt.

 

Wer einen gebrauchten Pkw unter Ausschluss von Gewährungsrechten kauft sollte es vor dem Kauf genau unter die Lupe nehmen.

Wer einen gebrauchten Pkw unter Ausschluss von Gewährungsrechten kauft

  • geht ein hohes Risiko ein und
  • sollte das Fahrzeug deshalb vor dem Vertragsschluss genau unter die Lupe nehmen.

Hatte das Fahrzeug

  • nämlich beispielsweise mehrere Vorbesitzer und
  • noch vor dem Erwerb durch den Verkäufer bei einem früheren Eigentümer einen nicht fachgerecht reparierten wirtschaftlichen Totalschaden erlitten,

muss der Käufer, wenn er später davon erfährt und den Kauf deshalb rückabwickeln möchte,

Darauf hat das Landgericht (LG) Coburg im Urteil vom 11.07.2014 – 22 O 127/14 – hingewiesen und in einem solchen Fall,

  • weil der Pkw-Käufer dem Verkäufer die Kenntnis von dem bei dem früheren Eigentümer erlittenen Totalschaden nicht nachweisen konnte,

die Klage des Pkw-Käufers auf Rückabwicklung des Kaufvertrages abgewiesen.

Das hat die Pressestelle des Landgerichts Coburg am 17.04.2015 – 14/15 – mitgeteilt.

 

Wenn ein Arzt, der seine Aufklärungspflicht verletzt hat, sich auf eine hypothetische Einwilligung des Patienten beruft.

Auch wenn kein Behandlungsfehler vorliegt, kann ein Arzt haften, wenn der Patient über mögliche Risiken eines Eingriffs unzureichend aufgeklärt worden ist und deswegen seine Einwilligung in den Eingriff unwirksam war.

  • War die Einwilligung eines Patienten wegen unzureichender Risikoaufklärung unwirksam, kann sich der Arzt (nur noch) damit verteidigen, dass der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung in den Eingriff eingewilligt hätte.

Ein solcher Einwand der hypothetischen Einwilligung als Verteidigungsmittel ist grundsätzlich beachtlich (Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 15.03.2005 – VI ZR 313/03 –; vom 10.10.2006 – VI ZR 74/05 –; vom 18.11.2008 – VI ZR 198/07 – und vom 30.09.2014 – VI ZR 443/13 –).

  • Die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass sich der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung zu der tatsächlich durchgeführten Behandlung entschlossen hätte, trifft nicht den Patienten, sondern den Arzt.

Beruft ein Arzt sich im Fall einer Aufklärungspflichtverletzung

  • auf eine hypothetische Einwilligung,

so muss der Patient,

  • wenn er geltend macht, dass er sich nicht hätte operieren lassen, wenn er richtig aufgeklärt worden wäre,
  • zunächst allerdings plausible Gründe dafür darlegen, dass er sich in diesem Falle in einem echten Entscheidungskonflikt befunden haben würde.

Abzustellen ist dabei auf die persönliche Entscheidungssituation des Patienten aus damaliger Sicht.

  • Was aus ärztlicher Sicht sinnvoll und erforderlich gewesen wäre und wie sich ein „vernünftiger“ Patient verhalten haben würde, ist deshalb grundsätzlich nicht entscheidend.
  • Auch kann nicht verlangt werden, dass der Patient genaue Angaben darüber macht wie er sich wirklich verhalten oder entschieden hätte.
  • Jedoch muss er einsichtig machen, dass ihn die vollständige Aufklärung über das Für und Wider des ärztlichen Eingriffs ernsthaft vor die Frage gestellt hätte, ob er zustimmen solle oder nicht (BGH, Urteil vom 06.07.2010 – VI ZR 198/09 –).

Dazu bedarf es einer wertenden Gesamtschau aller Umstände des Einzelfalles, wobei maßgeblich sind

  • der Leidensdruck,
  • die Risikobereitschaft

des Patienten,

  • die Dringlichkeit des Eingriffs und
  • die Erwartung eines (dann fiktiv) umfassend aufgeklärten Patienten vor dem Eingriff.

Erst und nur,

  • wenn der Patient nach diesen Maßstäben einen echten Entscheidungskonflikt zur Überzeugung des Tatrichters plausibel gemacht hat,
  • muss der Arzt den ihm obliegenden Beweis führen, dass sich der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung zu der tatsächlich durchgeführten Behandlung entschlossen hätte (Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe mit Urteil vom 09.04.2014 – 7 U 124/12 –).

Darauf hat der 5. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts (OLG) in Bremen mit Urteil vom 02.04.2015 – 5 U 12/14 – in einem Fall hingewiesen, in dem der Patient bei Anlegung der obigen Maßstäbe seine Substantiierungslast nicht erfüllt hatte, der von ihm behauptete Entscheidungskonflikt nach seinem gesamten Vortrag nicht plausibel und demzufolge davon auszugehen war, dass der Patient auch bei vollständiger und umfassender Aufklärung in die Operation eingewilligt hätte.

 

Eingetragener Kaufmann ist gegen schlechte Bewertung (Scoring) durch eine Ratingagentur nicht wehrlos.

Mit Urteil vom 07.04.2015 – 24 U 82/14 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main einer Ratingagentur untersagt, einem von einem eingetragenen Einzelkaufmann betriebenen Unternehmen eine schlechte Bewertung (Scoring) zu erteilen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte die Beklagte,

  • die eine Wirtschaftsauskunftei betreibt, in der sie Informationen und Analysen über Unternehmen sammelt und hieraus Bonitätsauskünfte erstellt, die sie auf Anfrage Dritten zur Verfügung stellt,

die Klägerin,

  • die ein Unternehmen betreibt und bei der weder eine Insolvenz noch Zahlungsausfälle bisher vorgekommen sind,

zunächst

  • mit dem „Risikoindikator 4“, dem schlechtesten von vier Werten, bewertet sowie „das Ausfallrisiko bei ihr als hoch eingestuft“ und

sie, nach ihrer Bitte um Aufklärung, dann

  • mit „3“ und damit eine Stufe besser eingestuft.

Die Klage der Klägerin gegen diese Bewertung und Einstufung war erfolgreich, weil, wie das OLG Frankfurt am Main befand,

  • die äußerst negative Bewertung der Kreditwürdigkeit der Klägerin ohne jegliche sachliche Basis sowie
  • das Vorgehen der Beklagten bei der Abgabe ihrer verschiedenen Bewertungen von einer verantwortungslosen Oberflächlichkeit geprägt war und

das Recht der Klägerin verletzte, keine rechtswidrigen Eingriffe in ihren Gewerbebetrieb erleiden zu müssen.

Seine Entscheidung begründete das OLG damit, dass Maßstab für das Ratingagenturen erlaubte Verhalten § 28 b Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) sei.
Nach Ziffer 1 dieser Vorschrift dürfe ein „Wahrscheinlichkeitswert für ein bestimmtes zukünftiges Verhalten erhoben oder verwendet werden, wenn die zur Berechnung des Wahrscheinlichkeitswertes genutzten Daten unter Zugrundelegung eines wissenschaftlich anerkannten mathematisch-statistischen Verfahrens nachweisbar für die Berechnung der Wahrscheinlichkeit des bestimmten Verhaltens erheblich sind“.
Zwar seien, wie das OLG weiter ausführte, die sog. „Scoreformeln“ selbst sowie die Basisdaten nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 14.01.2014 – VI ZR 156/13 – (dazu welche Auskünfte die SCHUFA einem Betroffenen auf Verlangen erteilen muss) als geschütztes Geschäftsgeheimnis der Ratingagentur anzusehen.
Vorliegend erwecke die Beklagte bei ihren Kunden aus der Wirtschaft aber den Eindruck einer umfassenden Verwertung der verschiedensten Variablen über das bewertete Unternehmen.
Genauer betrachtet stütze sie die schlechte Bewertung der Klägerin jedoch einzig und allein darauf, dass es sich bei der Klägerin nicht um eine Kapitalgesellschaft, sondern einen eingetragenen Einzelkaufmann handele.
Das reiche nicht aus, da die Verwertung dieses Einzelfaktors dem Maßstab einer komplexen, auf statistischen und wissenschaftlichen Algorithmen beruhenden Bewertung nicht genüge.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 13.04.2015 mitgeteilt.

 

Wie viele Bewerbungen pro Woche sind einem Arbeitslosen zumutbar?

Die in einer Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) geregelte Pflicht zur Vornahme von zwei Bewerbungen pro Woche sind

  • einem Arbeitslosen grundsätzlich zumutbar und

eine Minderung des Arbeitslosengeldes II wegen eines Verstoßes gegen eine solche Eingliederungsvereinbarung (Sanktion) ist nur dann nicht rechtmäßig,

  • wenn der Arbeitslose nachweisen kann, dass er seiner Pflicht nicht nachkommen konnte, weil nicht genug Stellenangebote vorhanden waren.

Das hat das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 16.12.2014 – L 3 AS 505/13 – in einem Fall entschieden, in dem das Jobcenter (§ 6d SGB II) das Arbeitslosengeld II bei einem Arbeitslosen um 30% des ihm ansonsten zu gewährenden Regelbedarfs gemindert hatte,

  • nachdem dieser sich in einer Eingliederungsvereinbarung zu mindestens zwei Bewerbungsbemühungen pro Woche verpflichtet hatte, davon mindestens eine Bewerbung auf ein konkretes Stellenangebot,
  • aber von ihm nicht genügend Bewerbungen durchgeführt worden waren (vgl. §§ 31 Abs. 1 Nr. 1, 31a Abs. 1 Satz 1 SGB II).

Das hat die Pressestelle des Landessozialgericht Rheinland-Pfalz am 15.04.2015 – 7/2015 – mitgeteilt.

 

Wie ist das mit der Maut nach dem derzeit geltenden Bundesfernstraßenmautgesetz?

Eine solofahrende Sattelzugmaschine unterfällt nicht der Mautpflicht nach dem (derzeit geltenden) Gesetz über die Erhebung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung von Bundesautobahnen und Bundesstraßen (Bundesfernstraßenmautgesetz – BFStrMG).

Das hat die 14. Kammer des Verwaltungsgerichts (VG) Köln mit Urteil vom 14.04.2015 – 14 K 3417/11 – in einem Fall entschieden,

  • in dem die österreichische Klägerin, die regelmäßig entgeltliche Überführungen von fabrikneuen, noch niemals zuvor regulär zugelassenen Sattelzugmaschinen auf eigenen Achsen durchgeführt hatte,
  • infolge einer Kontrolle nachträglich durch das Bundesamt für Güterverkehr zur Zahlung von LKW-Maut herangezogen worden war.

Nach der Entscheidung der 14. Kammer des VG Köln war diese Mauterhebung rechtswidrig, weil nach (dem derzeit geltenden) § 1 Abs. 1 BFStrMG

  • Maut nur zu entrichten ist für die Benutzung der Bundesautobahnen und der Bundesstraßen oder Abschnitten der Bundesstraßen
  • mit Kraftfahrzeugen oder Fahrzeugkombinationen,
    • die ausschließlich für den Güterkraftverkehr bestimmt sind oder eingesetzt werden und
    • deren zulässiges Gesamtgewicht mindestens 12 Tonnen beträgt

und bei solofahrenden Sattelzugmaschinen aufgrund des technischen Aufbaus sowie der konkreten Konstruktion, nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Sattelzugmaschine nicht auch anderen Zwecken als dem Gütertransport offen steht.

Das hat die Pressestelle des Verwaltungsgerichts Köln am 14.04.2015 mitgeteilt.