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Ein Erbverzicht kann auch für die Kinder des Verzichtenden Folgen haben.

Die Auslegung einer Erbverzichtserklärung kann ergeben, dass

  • sich der Verzicht nicht nur auf ein etwaiges gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht,
  • sondern auch auf eine Erbeinsetzung

bezieht.

Nach § 2352 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in der ab dem 01.01.2010 geltenden Fassung erstreckt sich der Zuwendungsverzicht

  • auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden,
  • wenn die Parteien des Verzichtsvertrages nichts anderes bestimmen.

Verzichtet ein Miterbe auf seine verbindlich gewordene Erbeinsetzung in einem gemeinschaftlichen Testament mit Pflichtteilsstrafklausel, kann sich die Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments auf den zugewandten und den durch Zuwendungsverzicht angewachsenen Erbteil erstrecken, so dass der überlebende Ehegatte über den Erbteil des Verzichtenden nicht anderweitig, z. B. zugunsten eines Kindes des Verzichtenden verfügen kann.

Darauf hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 28.01.2015 – 15 W 503/14 – hingewiesen und in einer Nachlasssache,

  • in der Eheleute V und M ein gemeinschaftliches Testament mit Pflichtteilsstrafklausel errichtet, den Überlebenden zum befreiten Vorerben und zwei ihrer drei Kinder, K1 und K2, zu gleichen Teilen als Nacherben eingesetzt hatten,
  • nach dem Tod von V, K1 auf sein Nacherbenrecht sowie sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht durch notariellen Vertrag (§ 2348 BGB) verzichtet hatte und
  • von M, nach dem Tod von K1, in einem handschriftlichen Testament K2 und die Tochter T des verstorbenen K1 als Erben bestimmt worden waren,

festgestellt,

  • dass K2 nach dem Tod von M deren Alleinerbe geworden ist.

Danach ist die Erbeinsetzung des K1 dadurch weggefallen, dass dieser auf sein testamentarisches sowie sein gesetzliches Erbrecht verzichtet hat.

  • Die Tochter T des K1 ist nicht testamentarisch als Ersatzerbin berufen.
  • Denn der Erbverzicht erstreckt sich auch auf die Abkömmlinge des K1.

Die Vorschrift des § 2352 BGB in ihrer seit 01.01.2010 geltenden neuen Fassung (Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts) verweist in ihrem Satz 3 auch auf § 2349 BGB, ordnet also dessen entsprechende Anwendung an.
§ 2349 BGB lautet:
„Verzichtet ein Abkömmling oder ein Seitenverwandter des Erblassers auf das gesetzliche Erbrecht, so erstreckt sich die Wirkung des Verzichts auf seine Abkömmlinge, sofern nicht ein anderes bestimmt ist“.
Nach der neuen, ab 01.01.2010 geltenden Fassung des § 2352 BGB gilt (abweichend von der alten Rechtslage) mithin, dass sich ein Zuwendungsverzicht

  • grundsätzlich auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden erstreckt,
  • es sei denn, es ist von den Vertragsparteien des Verzichtsvertrages etwas anderes bestimmt.

Die neue Fassung gilt für alle Erbfälle ab 01.01.2010 (Art. 229 § 23 Abs. 4 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB)).

  • Da hier die Vertragsparteien nichts anderes bestimmt hatten, führte der Wegfall der testamentarischen Erbeinsetzung des K1 mit Erstreckung auf seine Abkömmlinge dazu, dass dieser Erbteil dem K2 gemäß § 2094 Abs. 1 BGB angewachsen ist.

Für einen von den Ehegatten V und M etwa gewollten Ausschluss der Anwachsung (§ 2094 Abs. 3 BGB), der hier nur durch Eintritt der gesetzlichen Erbfolge hinsichtlich dieses Erbteils denkbar wäre, ergaben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte.

  • Die Erblasserin M war nach dem Tod ihres Ehemannes V durch die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments gehindert, durch eine einseitige letztwillige Verfügung die Rechtsstellung des K2 als Alleinerbe zu beeinträchtigen (§§ 2271 Abs. 2 S. 1, 2289 Abs. 1 S. 2 BGB).
  • Diese Bindungswirkung erstreckt sich auf den Erbanteil des K2 insgesamt einschließlich des ihm durch den Zuwendungsverzicht angewachsenen Erbanteils, der ursprünglich K1 zugedacht war.
  • Diese Bindungswirkung setzt voraus, dass die Einsetzung des K2 als Schlusserbe im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit zu der Einsetzung der Erblasserin M als Vorerbin ihres erstverstorbenen Ehemannes V steht (§ 2270 BGB).

Die Testamentsauslegung führt hier zu dem Ergebnis, dass diese Wechselbezüglichkeit zu bejahen ist.

  • Die Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeinsetzung des K2 ergibt sich im Ausgangspunkt bereits aus der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB.

Nach § 2270 Abs. 2 BGB ist anzunehmen, dass V seine Ehefrau M nur deshalb zur Vorerbin eingesetzt und damit seine Kinder enterbt hat, weil die Ehefrau/ Erblasserin ihrerseits zwei der gemeinsamen Kinder zu ihren Erben berufen hat.
Nach dem Willen der testierenden Ehegatten erstreckt sich diese gegenseitige Abhängigkeit der Verfügungen nicht nur auf den dem K2 ursprünglich zugedachten, sondern auch auf den ihm infolge des Zuwendungsverzichtes zugewachsenen Erbanteil. Die Wechselbezüglichkeit bezieht sich auf die Schlusserbeinsetzung des K2 so wie sie in dem gemeinschaftlichen Testament von V und M verfügt worden ist und damit unter Einschluss der bereits dargestellten Anwachsungswirkung, die sich aus dem inneren Gefüge des Testaments insgesamt ergibt.
Für den Fall, dass – wie auch hier – ein Ehegattentestament eine Pflichtteilsstrafklausel enthält und einer von mehreren Abkömmlingen durch ein Pflichtteilsverlangen die auflösende Bedingung seiner Schlusserbeinsetzung herbeiführt, ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die auf diese Weise begründete Anwachsungswirkung bei den Erbanteilen der übrigen Abkömmlinge an der Bindungswirkung für den überlebende Ehegatten teilnimmt (Bayerisches Oberstes Landesgericht (BayObLG), Beschluss vom 20.01.2004 – 1Z BR 134/02 –).

 

Wenn im Teilungsvertrag einer Wohnungseigentümergemeinschaft eine Einheit als „Laden“ beschrieben ist.

Sind in der Teilungserklärung bei einer Wohnungseigentumsanlage, bestehend aus 46 Einheiten,

  • im Erdgeschoss eine ausgewiesen als „Laden“
  • und die übrigen als „Wohnungen“,

darf die als „Laden“ beschriebene Einheit

  • nicht als Gaststätte und auch nicht als Pizzabäcker/Dönerladen mit Ausschank genutzt werden.

Das hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 26.06.2014 – 483 C 2983/14 WEG – entschieden und dem Eigentümer einer als „Laden“ beschriebenen Einheit, der die dazugehörenden Räume an einen Pizzabäcker/Dönerladen als „L-s Essecke“ mit Ausschanknutzung vermietet hatte, auf die Klage der übrigen Eigentümer hin, unter Androhung von Ordnungsgeld verurteilt, die Nutzung seines Ladens als Gaststätte zu unterlassen. 

Danach ist eine solche Nutzung nicht von der Zweckbestimmung „Laden“ gedeckt.
Denn, wie das AG ausgeführt hat, sei unter „Laden“ grundsätzlich nur ein Geschäftsraum zu verstehen, bei dem der Charakter einer Verkaufsstätte im Vordergrund stehe, wo sich also Personal aufhält, während der Öffnungszeiten Kunden ein- und ausgehen und gelegentlich Waren angeliefert werden.
Eine andere Nutzung der Räume der Beklagten sei nur dann zulässig und durch die übrigen Eigentümer hinzunehmen, wenn eine solche Nutzung abstrakt nicht stärker beeinträchtigt als eine Ladennutzung.
Auf die Frage, wie viele Personen nun tatsächlich über den Tag verteilt die Einheit der Beklagten nutzen, also auf die Frage der Auslastung der Essecke, und ob es konkrete Geruchs- oder Lärmbeeinträchtigungen gibt, komme es nicht an.
Ebenso sei unerheblich, ob eine gaststättenrechtliche Konzession notwendig sei oder nicht. Denn die Einhaltung behördlicher Vorschriften besage noch nicht, dass im Verhältnis der Eigentümer untereinander die konkrete Nutzung der Geschäftsräume zulässig sei. Der Charakter des Hauses sei überwiegend als Wohnhaus zu bewerten. Jede andere Nutzung des Ladens dürfe mit diesem Charakter nicht in Konflikt stehen.
Mit der Zweckbestimmung „Laden“ – so das Gericht weiter – sei der Betrieb eines Bistros, einer Pizza-Imbissstube oder eines Restaurants grundsätzlich nicht zu vereinbaren. Denn es gehe nicht nur um den Verkauf von Lebensmitteln im Laden und den Verzehr dort und vor dem Laden.
Vor allem die Essensgerüche überschreiten das, was die übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft bei einer Nutzung als Laden hinnehmen müssten. Die konkrete gastronomische Nutzung führe zu einer längeren Verweildauer der Besucher in und vor dem Laden der Beklagten und zu vermehrten Geräusch- und Geruchsbelästigungen auch dadurch, dass vor der Tür Raucher stehen oder sitzen, die vor dem Laden an den aufgestellten Tischen länger verbleiben können.
Die typischer Weise mit einem Schnellimbiss verbundenen Störungen seien demzufolge im Ergebnis größer sind als bei einer Ladennutzung. Davon sei schon aufgrund der verlängerten Öffnungszeiten in den Abend- und Nachtstunden bei einem Imbiss gegenüber einem Laden und den zusätzlich auftretenden Gerüchen bei der Zubereitung der Speisen auszugehen, da mit einer Nutzung als Laden typischerweise verbundenen Beeinträchtigungen nur während der üblichen Ladungsöffnungszeiten hingenommen werden müssten.

Das hat die Pressestelle des Amtsgerichts München am 10.04.2015 – 18/15 – mitgeteilt.

 

Kein Reisemangel bei Lärmbelästigungen durch Schiffstheater bei einer Kreuzfahrt.

Wer auf einem großen Kreuzfahrtschiff eine Reise bucht, muss, wenn sich seine Kabine über dem Theater des Schiffes befindet, mit Lärmbelästigungen durch dort stattfindende Shows und Veranstaltungen rechnen. Solche Lärmbelästigungen stellen keinen Reisemangel im Sinne des § 651 c Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dar, sofern das Maß des Hinnehmbaren nicht überschritten wird.
Überschritten wird das Maß des Hinnehmbaren erst dann, wenn die Lärmbelästigungen erst weit nach Mitternacht enden.

Das hat das Amtsgericht (AG) Wiesbaden mit Urteil vom 26.03.2015 – 92 C 4334/14 – entschieden und zur Begründung ausgeführt, dass ein großes Kreuzfahrtschiff kein Ort der Ruhe ist, sondern sich immer durch ein lebendiges Bordleben auszeichnet.
Es ergibt sich aus der Natur der Sache, dass, wenn eine große Anzahl von Menschen auf einem relativ abgegrenzten Raum untergebracht sind, dies immer zu einer gewissen Unruhe führt.
Darüber hinaus ist das schlichte Fahren auf dem Meer prinzipiell ereignisarm. Es liegt auf der Hand, dass in einer solchen Situation die Erwartungshaltung der Mitreisenden dahin geht, durch kurzweilige Veranstaltungen unterhalten zu werden.
Die hiermit verbundenen Lärmbelästigungen, zu denen auch Musik und Showveranstaltungen mit den damit verbundenen Begleitgeräuschen zählen, sind für große Kreuzfahrtschiffe üblich und stellen keine Reisemängel dar, wenn das Maß des Hinnehmbaren nicht überschritten wird.
Das Maß des Hinnehmbaren wird erst dann überschritten, wenn die Lärmbelästigungen erst weit nach Mitternacht enden. 

 

Wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten wurde.

Die Annahme vorsätzlichen Handelns bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung bedarf auch dann nachvollziehbarer Darlegungen im Urteil, wenn der Betroffene den Streckenabschnitt, an dem die Geschwindigkeitsmessung stattfand, häufig befährt und die dortige Geschwindigkeitsbegrenzung kennt.

Darauf hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts (OLG) Bamberg mit Beschluss vom 24.03.2015 – 3 Ss OWi 294/15 – hingewiesen und in einem Fall,

dieses Urteil auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen dahingehend abgeändert,

  • dass der Betroffene der fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 27 km/h schuldig ist.

Der 3. Senat für Bußgeldsachen des OLG Bamberg beanstandete, dass vom AG die Annahme, der Betroffene habe sich über die auf dem befahrenen Streckenabschnitt angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 km/h „bewusst hinweggesetzt“,

  • allein mit der Einlassung des Betroffenen begründet worden war, „die Strecke, an der gemessen wurde, häufig zu befahren“ und die Geschwindigkeitsbegrenzung zu kennen, weshalb er „auf seine Geschwindigkeit geachtet“ und sein Fahrzeug habe „ausrollen“ bzw. „auslaufen lassen“ und
  • das AG sich damit nicht in der gebotenen Weise mit den alle Vorsatzformen charakterisierenden immanenten kognitiven und hier vor allem voluntativen Vorsatzelementen auseinander gesetzt hatte.

Denn aufgrund welcher Umstände oder Indizien der Betroffene die ihm angelastete Überschreitung der ihm

  • zwar bekannten Geschwindigkeitsbeschränkung
  • auch tatsächlich positiv erkannt bzw. sich über sie „bewusst hinweg“ gesetzt oder die Überschreitung auch nur billigend in Kauf genommen hat,

war den Feststellungen des Amtsgerichts nicht zu entnehmen (zu den Darstellungs- und Begründungsanforderungen bei Annahme vorsätzlicher Begehungsweise vgl. OLG Bamberg, Beschlüsse vom 19.06.2013 – 3 Ss OWi 474/12 – und vom 26.04.2013 – 2 Ss OWi 349/13 –; OLG Celle, Beschluss vom 28.10.2013 – 322 SsRs 280/13 –; OLG Brandenburg, Beschluss vom 17.06.2014 – 53 Ss-OWi 230/14 –).

 

Wenn das Auto in der Autowaschanlage beschädigt worden sein soll.

Durch die Benutzung einer Autowaschanlage mit Einwilligung des Betreibers kommt zwischen diesem und dem Benutzer der Waschanlage ein Werkvertrag gemäß § 631 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zustande.

Aufgrund dieses Werkvertrages hat der Inhaber der Waschanlage zu gewährleisten, dass die Fahrzeuge durch den Reinigungsvorgang nicht beschädigt werden.

  • Die Waschanlage muss so konstruiert sein, dass zum Straßenverkehr zugelassene Fahrzeuge gewaschen werden, ohne Schaden zu nehmen.

Die Darlegungs- und Beweislast für eine objektive Pflichtwidrigkeit, die schuldhaft zu einem Schaden führt, obliegt grundsätzlich dem Geschädigten, hier also dem Eigentümer des beschädigten Fahrzeugs.

  • Dabei ist es in solchen Fallkonstellationen, in denen der Geschädigte überhaupt keinen Einblick in den Waschvorgang und Geschehensablauf hat, ausreichend, wenn der Geschädigte nachweist, dass das Fahrzeug während des Waschvorgangs beschädigt wurde.
  • Ist dieser Beweis geführt, so obliegt es dem Betreiber der Waschanlage, den vollen Nachweis dafür zu führen, dass für den während des Waschvorgangs entstandenen Schadens keine schuldhafte Pflichtverletzung ursächlich war (§ 280 BGB).

Darauf hat das Amtsgericht (AG) Dieburg mit Urteil vom 25.03.2015 – 20 C 74/14 – hingewiesen.

 

Konsularische Hilfe im Ausland.

Konsularische Hilfe durch die deutschen Auslandsvertretungen

  • steht nur Deutschen zu und
  • setzt zudem eine besondere Notlage voraus.

Darauf hat die 34. Kammer des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin in zwei Urteilen vom 25.03.2015 – VG 34 K 268.14 und VG 34 K 275.14 – hingewiesen.

Wie die Kammer ausführte, sieht das Gesetz über die Konsularbeamten, ihre Aufgaben und Befugnisse (Konsulargesetz) eine erforderliche Hilfeleistung durch Konsularbeamte im Ausland nur für diejenigen Deutschen vor, die im jeweiligen Konsularbezirk hilfsbedürftig sind.
Anwendungsfälle der konsularischen Hilfe sind danach

  • plötzlich und unerwartet eintretende vorübergehende Notfälle,
  • die durch eine einmalige konsularische Hilfe behoben werden können.

Die Hilfeleistung umfasst

  • aber keine allgemeinen Unterstützungsmaßnahmen im Ausland,
  • sondern beschränkt sich auf eine punktuelle Hilfe in einer unmittelbaren Notlage.

Das hat die Pressestelle des Verwaltungsgerichts Berlin am 08.04.2015 – Nr. 13/2015 – mitgeteilt.

 

Wichtig für alle Bayerischen Beamten, insbesondere alle Bayerischen Polizeibeamten.

Bayerische Beamte, insbesondere Polizeibeamte, hatte in der Vergangenheit oft ein Problem. Wurden sie im Dienst durch einen tätlichen rechtswidrigen Angriff eines Dritten verletzt, konnten sie diesen

  • zwar auf Schmerzensgeld verklagen,
  • aber mit dem rechtskräftigen Urteil, das ihnen einen Anspruch auf Schmerzensgeld zuerkannte,

mitunter deshalb nichts anfangen, weil der Dritte

  • entweder zahlungsunfähig oder
  • zwischenzeitlich unbekannten Aufenthalts war uns sie den zuerkannten Anspruch nicht vollstrecken konnten.

Sie hatten somit nicht selten zwar einen Titel, bekamen aber kein Geld.

Seit 01.01.2015 ist das anders.

Seit diesem Tag gilt Art. 97 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) und danach können Bayerische Beamte in solchen Fällen,

  • wenn keine einmalige Unfallentschädigung nach Art. 62 Bayerisches Beamtenversorgungsgesetz (BayBeamtVG) oder Unfallausgleich nach Art. 52 BayBeamtVG gezahlt wurde,
  • der rechtskräftig festgestellte oder durch Vergleich zuerkannte Schmerzensgeldanspruch gegen den Dritten mindestens 500 € beträgt und
  • die Vollstreckung gegen den Dritten erfolglos war,
  • binnen zwei Jahren nach Rechtskraft des Urteils
  • schriftlich unter Nachweis der Vollstreckungsversuche

beantragen,

  • dass der Freistaat die Erfüllung des Schmerzensgeldanspruchs übernimmt.

Übernimmt der Freistaat die Erfüllung, geht der Anspruch des Beamten gegen den Dritten auf den Freistaat über.

Art. 97 BayBG (Erfüllungsübernahme bei Schmerzensgeldansprüchen), in der Fassung vom 17.12.2014 (gültig ab 01.01.2015) lautet wie folgt:

„(1) Hat der Beamte oder die Beamtin wegen eines tätlichen rechtswidrigen Angriffs, den er oder sie in Ausübung des Dienstes oder außerhalb des Dienstes wegen der Eigenschaft als Beamter oder Beamtin erleidet, einen rechtskräftig festgestellten Anspruch auf Schmerzensgeld gegen einen Dritten, kann der Dienstherr auf Antrag die Erfüllung dieses Anspruchs bis zur Höhe des festgestellten Schmerzensgeldbetrags übernehmen, soweit dies zur Vermeidung einer unbilligen Härte notwendig ist. Der rechtskräftigen Feststellung steht ein Vergleich nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) gleich, sobald er unwiderruflich und der Höhe nach angemessen ist.

(2) Eine unbillige Härte liegt insbesondere vor, wenn die Vollstreckung über einen Betrag von mindestens 500 € erfolglos geblieben ist. Der Dienstherr kann die Erfüllungsübernahme verweigern, wenn auf Grund desselben Sachverhalts eine einmalige Unfallentschädigung (Art. 62 BayBeamtVG) oder Unfallausgleich (Art. 52 BayBeamtVG) gezahlt wird.

(3) Die Übernahme der Erfüllung ist innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach Rechtskraft des Urteils schriftlich unter Nachweis der Vollstreckungsversuche zu beantragen. Die Entscheidung trifft die oberste Dienstbehörde, bei Staatsbeamten die Pensionsbehörde (Art. 9 Abs. 2 BayBeamtVG). Soweit der Dienstherr die Erfüllung übernommen hat, gehen Ansprüche gegen Dritte auf ihn über. Der Übergang der Ansprüche kann nicht zum Nachteil des oder der Geschädigten geltend gemacht werden.“

 

Was prüfen Gerichte bei einer Eigenbedarfskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB?

Kündigt ein Vermieter dem Mieter einer Wohnung wegen Eigenbedarfs nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dürfen die Gerichte den Eigennutzungswunsch des Vermieters daraufhin nachprüfen,

  • ob dieser Wunsch ernsthaft verfolgt wird,
  • ob er von vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen getragen ist oder
  • ob er missbräuchlich ist, etwa weil der geltend gemachte Wohnbedarf weit überhöht ist,
  • die Wohnung die Nutzungswünsche des Vermieters überhaupt nicht erfüllen kann oder
  • der Wohnbedarf in einer anderen (frei gewordenen) Wohnung des Vermieters ohne wesentliche Abstriche befriedigt werden kann.

Ferner wird der Mieter über die sogenannte Sozialklausel des § 574 BGB geschützt, indem

  • er Härtegründe anbringen kann und
  • Anspruch darauf hat, dass die Gerichte seinen gegen den Eigennutzungswunsch und den geltend gemachten Wohnbedarf vorgebrachten Einwänden in einer Weise nachgehen, die der Bedeutung und Tragweite seines Bestandsinteresses gerecht wird.

Bei der Prüfung, ob mit dem Erlangungswunsch

  • ein weit überhöhter und
  • damit rechtsmissbräuchlicher Wohnbedarf geltend gemacht wird,

haben die Gerichte, die Entscheidung des Vermieters welchen Wohnbedarf er für sich oder seine Angehörigen als angemessen ansieht grundsätzlich zu respektieren.
Sie sind daher nicht berechtigt, ihre Vorstellungen von angemessenem Wohnen verbindlich an die Stelle der Lebensplanung des Vermieters (oder seiner Angehörigen) zu setzen.

Der vom Vermieter geltend gemachte Wohnbedarf ist

  • nicht auf Angemessenheit,
  • sondern nur auf Rechtsmissbrauch zu überprüfen und

rechtsmissbräuchlich ist

  • nicht schon der überhöhte,
  • sondern erst der weit überhöhte Wohnbedarf,

wobei die Wertung, ob der geltend gemachte Wohnbedarf weit überhöht ist,

  • die Gerichte unter Abwägung der beiderseitigen Interessen anhand objektiver Kriterien unter konkreter Würdigung der Einzelfallumstände zu treffen haben und
  • sich keine Richtwerte (etwa Wohnfläche) aufstellen lassen, ab welcher Grenze bei einem Alleinstehenden von einem weit überhöhten Wohnbedarf auszugehen ist.

Denn die Beurteilung, ob ein geltend gemachter Wohnbedarf weit überhöht ist hängt

  • nicht allein von der in Anspruch genommenen Wohnfläche oder der Anzahl der Räume ab,
  • sondern von einer umfassenden Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls.

Macht sich ein Vermieter den (ernsthaften) Wunsch eines alleinstehenden volljährigen Familienangehörigen zu eigen,

  • einen eigenen Hausstand zu gründen und mit einem (langjährigen) Freund eine Wohngemeinschaft (keine Lebensgemeinschaft) zu bilden und
  • bemisst er auf dieser Grundlage den aus seiner Sicht angemessenen Wohnbedarf,

ist diese Entscheidung

  • von den Gerichten grundsätzlich anzuerkennen.

Das hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 04.03.2015 – VIII ZR 166/14 – entschieden und in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall,

  • in dem dem Mieter einer mindestens 125 qm und höchstens 136 qm großen Vierzimmerwohnung vom Vermieter wegen Eigenbedarfs mit der Begründung gekündigt worden war,
  • sein Sohn, ein alleinstehender 22-jähriger Student, wolle einen eigenen Hausstand gründen und die Wohnung zusammen mit einem langjährigen Freund beziehen,

das Berufungsgericht darauf hingewiesen,

  • dass bei der Beurteilung der Frage, ob der Vermieter mit seinem Überlassungswunsch einen weit überhöhten Wohnbedarf geltend macht, von einer Belegung der mindestens 125 qm und höchstens 136 qm großen Vierzimmerwohnung mit zwei Personen auszugehen ist.

 

Anspruch auf Entgeltfortzahlung auch während ambulanter Kur?

Arbeitnehmer haben Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) wie im Krankheitsfall, wenn sie nicht arbeiten können, 
•    weil sie sich in einer Maßnahme der medizinischen Vor- oder Nachsorge befinden. 
Voraussetzung ist jedoch, 
•    dass ein Träger der Sozialversicherung, zum Beispiel die Krankenkasse, die Maßnahme bewilligt hat und 
•    dass diese medizinisch notwendig ist.

Bloße Erholungskuren, die lediglich der Vorbeugung gegen allgemeine Verschleißerscheinungen oder der Verbesserung des Allgemeinbefindens dienten, lösen einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem EntgFG nicht aus. 

Das hat das Landesarbeitsgericht (LArbG) Hannover mit Urteil vom 27.03.2015 – 10 Sa 1005/14 – entschieden und die Anspruchsvoraussetzungen des EntgFG in einem Fall, in dem 
•    sich eine beim Land Niedersachsen als Köchin Angestellte einer dreiwöchigen ambulanten Vorsorgekur auf der Insel Langeoog unterzogen und 
•    auf Lohnfortzahlung geklagt hatte, 

deshalb als nicht gegeben angesehen, weil 

  • weder aus dem Schreiben der Krankenkasse, noch aus den von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen hervorging,
  • dass die Kurmaßnahme dazu diente, eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen oder eine sonst drohende Krankheit zu verhüten oder deren Verschlimmerung zu vermeiden.

Das  
•    und dass wegen der grundsätzlicher Bedeutung der zu entscheidenden Rechtsfragen die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen wurde, 
hat die Pressestelle des LAG Niedersachsen am 31.03.2015 mitgeteilt.

 

Weder Schmerzensgeld noch Schadensersatz nach Sturz im Treppenhaus.

Wer in einem erkennbar frisch geputzten Treppenhaus ausrutscht, weil er sich nicht am Geländer festhält, ist selbst schuld und bekommt weder Schmerzensgeld noch Schadensersatz.

Das hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 12.09.2013 – 454 C 13676/11 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war die Klägerin im Treppenhaus des Anwesens, in dem sie eine Wohnung gemietet hatte, gestürzt, weil der Boden des Treppenhauses kurz zuvor gereinigt worden und deshalb rutschig war.

Ihre Klage gegen den Vermieter auf Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen der durch den Sturz erlittenen Verletzungen wies das AG München ab, wobei es von einem 100 prozentigen Mitverschulden der Klägerin an dem Unfall ausging.

Das AG lastete der Klägerin an, bei der Benutzung des Treppenhauses die Sorgfalt außer Acht gelassen zu haben, die nach Lage der Sache erforderlich erschien, um sich selbst vor Schaden zu bewahren.
Sie habe sich beim Betreten des Treppenhauses offenbar nicht ausreichend am Treppengeländer festgehalten, obwohl die Gefahr des Ausrutschens offensichtlich bestand.
Nach Auffassung des AG wog die Mitschuld der Klägerin hierbei so stark, dass eine Ersatzpflicht des Vermieters vollständig entfiel.
Nach Aussage aller Zeugen war das Treppenhaus zum Zeitpunkt des Sturzes nämlich sehr nass und dies auch deutlich erkennbar gewesen. Es seien großflächige, sehr nasse Stellen in dem gut beleuchteten Hausflur zu sehen gewesen. Auch sei es nicht zum ersten Mal so nass gewesen und ferner habe das damals benutzte Reinigungsmittel sehr stark gerochen, so dass jeder Bewohner schon durch den Geruch ausreichend gewarnt gewesen sei.
Aufgrund der Zeugenaussagen ging das Gericht davon aus, dass die Klägerin sowohl aufgrund des Geruchs im Treppenhaus, als auch aufgrund der offenbar eindeutigen Wahrnehmbarkeit der Nässe auf dem Boden hätte erkennen müssen, dass Rutschgefahr bestand. Sie hätte sich deshalb am vorhandenen Handlauf festhalten müssen.

Das hat die Pressestelle des Amtsgerichts München am 27.03.2015 mitgeteilt.