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Wenn Fußball-Vertragsamateure sich während eines Spiels für ihren Verein verletzen.

Fußball-Vertragsamateure können als Beschäftigte anzusehen sein und daher Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung (Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VII) genießen.

Das hat das Sozialgericht (SG) Leipzig am 07.07.2014 – S 23 U 20/11 – in einem Fall entschieden, in dem ein Sportverein, für den der Kläger als Fußball-Vertragsamateur in der fünfthöchsten Spielklasse spielte,

  • sich gegenüber diesem vertraglich zur Zahlung einer „Aufwandsentschädigung“ in Höhe von 800,00 € monatlich sowie von Siegprämien nach Maßgabe einer Prämienvereinbarung verpflichtet hatte, wobei der Mindestbetrag der monatlichen Aufwandsentschädigung inklusive eventueller Siegprämien 1.100,00 € betragen sollte und
  • diese Aufwandsentschädigung von dem Verein anfangs regelmäßig, später aber nur noch unregelmäßig und zuletzt in dem Monat, in dem der Kläger sich während eines Fußballspiels für den Verein eine Verletzung des linken Sprunggelenks zugezogen hatte, nur noch in einer Höhe von 40,00 € geleistet worden war.

Das SG Leipzig entschied, dass hier,

  • entgegen der Auffassung der Berufsgenossenschaft, von der die Anerkennung eines Arbeitsunfalls mit der Begründung abgelehnt worden war, im Verletzungsmonat sei lediglich eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 40,00 € gezahlt worden, die nicht als Arbeitsentgelt begriffen werden könne,   

ein den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung begründendes Beschäftigungsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV)) vorliegt.

  • Danach ist ein für einen Sportverein tätiger Fußball-Vertragsamateur als Beschäftigter anzusehen, wenn er sich gegenüber seinem Sportverein zur Erbringung sportlicher Tätigkeiten nach Weisung des Vereins, typischerweise gegen Zahlung eines Arbeitsentgelts verpflichtet, weil dann eine hierfür erforderliche weisungsgebundene Eingliederung des Sportlers vorliegt.
  • Dagegen fehlt es an einer Beschäftigung, wenn zwischen Sportler und Sportverein lediglich mitgliedschaftsrechtliche Bindungen bestehen.

In dem vom SG Leipzig entschiedenen Fall hatte der Kläger durch Vorlage des Vertrages mit dem Verein nachgewiesen, dass er zum Zeitpunkt des Unfallereignisses gegen ein monatliches Entgelt von mindestens 1.100,00 € tätig gewesen ist.
Angesichts dessen sei es, wie das SG ausführte, fernliegend, die Sportausübung des Klägers als bloße Ertüchtigung im Rahmen eines sportlichen Hobbys anzusehen; vielmehr handele es sich eindeutig um eine Beschäftigung zumindest im Nebenerwerb.
Dass dieser Vertrag jedenfalls in der ersten Saisonhälfte auch „gelebt“ worden sei, es sich also nicht bloß um ein Scheingeschäft gehandelt habe, sei durch die Zahlungen des Vereins zu Beginn der Vertragslaufzeit nachgewiesen. Weshalb die Zahlungen anschließend unregelmäßig geworden seien sei ohne Belang.
Angesichts der Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses als Dauerschuldverhältnis sei es nämlich sachwidrig, alleine darauf abzustellen, dass im Monat des Unfallereignisses ein geringeres Entgelt zugeflossen sei.
Entscheidend sei, wozu sich die Beteiligten vertraglich verpflichtet hätten. 

Das hat die Pressestelle des Sozialgerichts Leipzig am 27.02.2015 mitgeteilt.

 

Gesetzlicher Mindestlohn.

Der Arbeitgeber darf ein zusätzliches Urlaubsgeld und eine jährliche Sonderzahlung nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechnen. Eine Änderungskündigung, mit der eine derartige Anrechnung erreicht werden sollte, ist unwirksam.

Das hat das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin mit Urteil vom 04.03.2015 – 54 Ca 14420/14 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der Arbeitgeber einer Arbeitnehmerin,

  • die bei ihm gegen eine Grundvergütung von 6,44 EUR je Stunde zuzüglich Leistungszulage und Schichtzuschlägen beschäftigt war und die ferner ein zusätzliches Urlaubsgeld sowie eine nach Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte Jahressonderzahlung erhielt,

gekündigt und ihr gleichzeitig angeboten, das Arbeitsverhältnis

  • mit einem Stundenlohn von 8,50 EUR bei Wegfall der Leistungszulage, des zusätzlichen Urlaubsgeldes und der Jahressonderzahlung

fortzusetzen.

Das ArbG Berlin erachte diese Änderungskündigung für unwirksam.

  • Danach solle, wie das ArbG ausführte, der gesetzliche Mindestlohn unmittelbar die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgelten.
  • Daher dürfe der Arbeitgeber Leistungen, die – wie das zusätzliche Urlaubsgeld und die Jahressonderzahlung – nicht diesem Zweck dienten, nicht auf den Mindestlohn anrechnen.

Eine Änderungskündigung, mit der diese unzulässige Anrechnung erreicht werden solle, sei unzulässig.

Das hat die Pressestelle des Arbeitsgerichts Berlin am 05.03.2015 – Nr. 5/15 – mitgeteilt.

 

Kein Schadensersatz nach Unfall beim Motocross-Training?

Der Betreiber einer Motocross-Anlage muss bei einem freien Training die Piste nicht mit Streckenposten sichern.

Das hat der 11. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG) mit Urteil vom 19.02.2015 – 11 U 91/14 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall war

  • der damals neun Jahre alte Kläger auf der vom beklagten Verein betriebenen Motocross-Bahn, während eines freien Kindertrainings, als das Gelände auch von Nichtvereinsmitgliedern gegen die Zahlung eines Entgelts benutzt werden konnte, mit seiner Kinder-Motocross-Maschine nach dem Überspringen einer Kuppe bei der Landung mit seiner Maschine gestürzt und
  • von dem nachfolgenden Fahrer, ebenfalls einem Kind, der die Unfallstelle nicht einsehen und deshalb nicht ausweichen konnte, überfahren und schwer an Kopf und Hals verletzt worden.

Die Klage des verletzten jungen Motocross-Sportlers gegen den beklagten Verein auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wies der 11. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen OLG ab.

Danach hatte der Betreiber der Motocross-Anlage hier keine ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt.
Der Betreiber einer Motocross-Anlage muss nämlich nicht allen denkbaren Gefahren vorzubeugen. Seine Verkehrssicherungspflicht erfordert lediglich den Schutz vor

  • den Gefahren, die über das übliche Risiko bei der Nutzung der Anlage hingehenden sowie
  • solchen Gefahren die vom Benutzer – oder bei Kindern von deren Eltern – nicht vorhersehbar und nicht ohne weiteres erkennbar sind.

Die Möglichkeit von Stürzen während einer Trainingsfahrt und von Kollisionen mit nachfolgenden Motocross-Fahrern liege, wie der Senat ausführte, grundsätzlich im Rahmen der von vornherein zu erwartenden Risiken der gemeinsamen Nutzung einer Motocross-Anlage.
Eine Motocross-Bahn sei eine unebene, nicht befestigte Strecke im Gelände, deren Beschaffenheit je nach Witterungsverhältnissen ganz andere Anforderungen an das fahrerische Können und die Beherrschung des Motorrades stelle als etwa die Teilnahme am Straßenverkehr. Bereits geringfügige Fahrfehler können zu Unfällen und Stürzen führen, durch die auch andere Fahrer gefährdet werden können.
Diese Umstände waren dem klagenden Kind und auch dessen Vater bekannt, da beide seit mehreren Jahren im Motocross-Sport aktiv waren.

  • Auch war der beklagte Verein nicht verpflichtet, die Kinder einzeln und zeitversetzt auf der Bahn fahren zu lassen.

Nach Ansicht des Senats würde eine solche Maßnahme den Charakter des Motocross-Fahrens einschneidend verändern. Den Teilnehmern gehe es auch im Rahmen eines Trainings nämlich gerade darum, sich mit anderen zu messen, andere zu überholen, mithin im Training eine Rennsituation zu simulieren und so das Fahren in Konkurrenz mit anderen auszuüben.

  • Zwar dürfe die Benutzung einer Motocross-Bahn nicht regellos oder vollständig unbewacht sein.
  • Doch reiche insoweit das Vorhandensein eines entsprechenden Reglements für die Anlage (Platzordnung) und vorliegend war die Einhaltung der notwendigen Ordnung auf der Motocross-Bahn durch die Anwesenheit eines Platzwartes sichergestellt.

Wie der vom Gericht bestellte Sachverständige ausführte ist es bei einem freien Training auch nicht verkehrsüblich, dass mehrere Streckenposten mögliche Gefahrenstellen einer Motocross-Piste überwachen. Das Reglement für Motocross des Deutschen Motorsportbundes, das ausdrücklich die Einrichtung einer ausreichenden Zahl von Flaggen- bzw. Streckenposten vorsieht, gilt lediglich für Wettbewerbsveranstaltungen.

Das hat die Pressestelle des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts am 04.03.2015 – 2/2015 – mitgeteilt.

 

Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr i.S.v. § 112a Abs. 1 Nr. 1 StPO.

Wiederholungsgefahr i.S.v. § 112a Abs. 1 Nr. 1 Strafprozessordnung (StPO) besteht, wenn

  • zum dringenden Tatverdacht einer der in dieser Vorschrift genannten Straftaten

bestimmte Tatsachen hinzutreten, welche die Gefahr begründen, dass

  • der Beschuldigte vor rechtskräftiger Aburteilung weitere erhebliche Taten gleicher Art begehen wird, und
  • die Haft zur Abwendung dieser Gefahr erforderlich ist.

Die wegen Wiederholungsgefahr angeordnete Untersuchungshaft stellt – anders als die in §112 StPO geregelte Untersuchungshaft –

  • kein Mittel der Verfahrenssicherung,
  • sondern eine vorbeugende Maßnahme der Sicherungshaft zum Schutze der Rechtsgemeinschaft vor weiteren erheblichen Straftaten dar;
    sie ist somit präventiv-polizeilicher Natur.

Aus verfassungsrechtlichen Gründen sind deshalb strenge Anforderungen an den Haftgrund der Wiederholungsgefahr zu stellen (Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 21.10.2008 – 1 Ws 459/08 –).
Die Wiederholungsgefahr im Sinne des § 112a Abs. 1 StPO muss dabei

  • aufgrund bestimmter Tatsachen festgestellt werden können,
  • die eine so starke innere Tatneigung des Beschuldigten erkennen lassen, dass die konkrete Gefahr besteht, er werde mit hoher Wahrscheinlichkeit gleichartige Taten wie die Anlasstat(en) bis zu dem rechtskräftigen Verfahrensabschluss begehen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.02.2010 – 2 Ws 35/10 –).

Insoweit sind auch Indiztatsachen zu würdigen, wie Vorstrafen des Beschuldigten und die zeitlichen Abstände zwischen ihnen, sowie Persönlichkeitsstruktur und Lebensumstände des Beschuldigten und unter Berücksichtigung dieses Maßstabs zu prüfen, ob in dem konkreten Fall die Annahme, der Beschuldigte werde vor einem rechtskräftigen Verfahrensabschluss mit hoher Wahrscheinlichkeit eine weitere Tat begehen, gerechtfertigt ist.

Darauf hat das Landgericht (LG) Freiburg (Breisgau) mit Beschluss vom 17.02.2015 – 6 Qs 1/15 – hingewiesen.

 

Das sogenannte „Augenblicksversagen“ im Straßenverkehr.

Der Ausdruck „Augenblicksversagen“ beschreibt nur den Umstand, dass der Handelnde für eine kurze Zeit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat.
Dieser Umstand

  • allein

ist kein ausreichender Grund, den Schuldvorwurf herabzustufen,

  • wenn die objektiven Merkmale einer groben Verletzung gegeben sind.

Eine Vielzahl der Fälle unbewusster Fahrlässigkeit, insbesondere bei Regelverstößen im Straßenverkehr, beruht gerade darauf, dass der Handelnde für eine kurze Zeit unaufmerksam ist und das an ihn gerichtete Ge- oder Verbot übersieht.
Vielmehr müssen weitere,

  • in der Person des Handelnden liegende besondere Umstände

hinzukommen,

  • die den Grund des momentanen Versagens erkennen und
  • in einem milderen Licht erscheinen lassen (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 08.07.1992 – IV ZR 223/91 –).

Ein „Augenblicksversagen“ (oder kurzzeitiges Fehlverhalten, das nicht vorkommen darf, aber erfahrungsgemäß auch dem sorgfältigen und pflichtbewussten Kraftfahrer unterläuft),

kann (muss aber nicht) vorgelegen haben, wenn der Betroffene

  • ein unübersichtliches Verkehrsgeschehen falsch gedeutet oder eine verwirrende Verkehrsregelung falsch verstanden hat,
  • auf eine besonders schwierige, insbesondere überraschend eingetretene Verkehrslage falsch reagiert oder
  • ein Verkehrszeichen schlicht übersehen hat und die sichtbaren äußeren Umstände auch nicht auf eine Beschränkung oder ein Ge- oder Verbot hingedeutet haben (wie etwa: Kreuzung auf Ampel oder Stoppschild, geschlossene Bebauung, Tunnel oder Baustelle auf Geschwindigkeitsbeschränkung).

Darauf hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf mit Beschluss vom 14.03.2014 – IV-1 RBs 183/13 – hingewiesen.

 

Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastung?

Scheidungskosten (Rechtsanwalts- und Gerichtskosten) im Streitjahr 2013 können nicht mehr als außergewöhnliche Belastungen steuerlich geltend gemacht werden.

Das hat das Niedersächsische Finanzgericht mit Urteil vom 18.02.2015 – 3 K 297/14 – entschieden.

Nach Ansicht des Gerichts können Aufwendungen für eine Scheidung nach den Verhältnissen der Gesamtbevölkerung unter Berücksichtigung der Rechtsprechungsentwicklung und der tatsächlichen Entwicklungen im Familienrecht nicht mehr gemäß § 33 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) als „außergewöhnlich“ eingeordnet werden.
Überdies hat das Gericht die Neufassung des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz so ausgelegt, dass der Gesetzgeber mit Wirkung ab dem Jahr 2013 die Abzugsfähigkeit der Scheidungskosten als Prozesskosten generell abgeschafft hat (so auch die rechtskräftige Entscheidung des Sächsischen Finanzgerichts vom 13.11.2014 – 2 K 1399/14 –).

Das Niedersächsische Finanzgericht ist mit dieser Entscheidung von der Rechtsprechung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 16.10.2014 – 4 K 1976/14 – und des Finanzgerichts Münster vom 21.11.2014 – 4 K 1829/14 E – abgewichen und hat die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen.

Das hat die Pressestelle des Niedersächsischen Finanzgerichts am 03.03.2015 mitgeteilt.

 

Wenn eine nach § 52 Abs. 1 StPO zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigte Person gegenüber Polizeibeamten Angaben gemacht hat.

§ 252 Strafprozessordnung (StPO) schließt es aus,

  • die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen zu verlesen,
  • der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht Gebrauch macht, das Zeugnis zu verweigern.

Über den Wortlaut hinaus enthält die Vorschrift nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH)

  • nicht nur ein Verlesungs-,
  • sondern auch ein Verwertungsverbot.

Dieses schließt auch jede andere Verwertung der bei einer früheren Vernehmung gemachten Aussage aus, wenn

  • ein Zeuge in der Hauptverhandlung nach § 52 StPO berechtigt das Zeugnis verweigert und
  • nicht ausdrücklich die Verwertung seiner früheren Bekundungen gestattet.
  • Auch die Vernehmung einer Vernehmungsperson über den Inhalt der früheren Vernehmung ist unzulässig.
  • Von diesem Verbot sind nur solche Bekundungen ausgenommen, die der Zeuge – nach Belehrung über sein Zeugnisverweigerungsrecht – vor einem Richter gemacht hat.
    Sie dürfen durch Vernehmung des Richters in die Hauptverhandlung eingeführt und bei der Urteilsfindung verwertet werden

(vgl. hierzu auch BGH, Beschlüsse vom 13.06.2012 – 2 StR 112/12 – vom 04.06.2014 – 2 StR 656/13 – und vom 10.02.2015 – 1 StR 20/15 –).

Dieses Verwertungsverbot gilt aber nur für frühere Äußerungen eines Zeugen im Rahmen einer Vernehmung.

Als „Vernehmung” in diesem Sinne ist dabei nicht nur eine förmlich durchgeführte Vernehmung anzusehen.
Der Begriff der Vernehmung ist vielmehr weit auszulegen und umfasst alle früheren Bekundungen auf Grund einer amtlichen Befragung, also auch Angaben bei einer informatorischen Befragung durch die Polizei.
Entscheidend ist, dass die Auskunftsperson von einem Staatsorgan in amtlicher Eigenschaft zu dem den Gegenstand des Strafverfahrens bildenden Sachverhalt gehört worden ist (so Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken, Beschluss vom 06.02.2008 – Ss 70/2007 –).

Von den Beschränkungen des § 252 StPO ausgenommen sind Äußerungen,

  • die ein zur Zeugnisverweigerung berechtigter Zeuge
  • unabhängig von einer Vernehmung gemacht hat.

Verwertbar und einer Beweiserhebung zugänglich sind daher Bekundungen

  • gegenüber Privatpersonen,
  • aber auch Erklärungen gegenüber Amtspersonen, die ein Zeuge von sich aus außerhalb einer Vernehmung,
    • etwa bei der Bitte um polizeiliche Hilfe,
    • bei einer nicht mit einer Vernehmung verbundenen Strafanzeige oder
    • sonst ungefragt, „spontan” und „aus freien Stücken” abgegeben hat.

Als spontane Bekundungen aus freien Stücken kommen demnach auch Mitteilungen im Rahmen von Notrufen in Betracht (OLG Hamm, Beschluss vom 24.05.2011 – 2 RVs 20/11 –).

In diesem Zusammenhang sind Fallkonstellationen problematisch, in denen Erklärungen eines Zeugen – durch Nachfragen des Polizeibeamten –

  • in eine förmliche Vernehmung übergehen oder
  • mit einer Vernehmung in engem sachlichem und zeitlichen Zusammenhang stehen.

Maßgeblich ist in diesen Konstellationen,

  • ab welchem Zeitpunkt eine informatorische Befragung oder die (bloße) Entgegennahme von spontanen Äußerungen einer Person
  • zu einer Vernehmung wird.

Die Tatsache, dass der Zeuge von sich aus Kontakt zu einer Behörde aufnimmt, reicht jedenfalls in den Fällen, in denen die staatliche Stelle von Amts wegen tätig werden muss, für sich allein nicht ohne Weiteres aus, die Verwertbarkeit der entsprechenden Angaben zu begründen. Denn die Eigeninitiative des Zeugen kann lediglich Anlass und Grund für die Verfahrenseinleitung mit anschließender Vernehmung sein, die dann dem Schutz des § 252 StPO unterliegt.

Bezüglich der Bestimmung des Zeitpunkts sind vielmehr objektive und subjektive Kriterien heranzuziehen.
Demnach muss

  • neben dem Moment, in welchem der Beamte subjektiv von einem Anfangsverdacht ausgeht,

auch berücksichtigt werden,

Würde man demgegenüber allein auf die Eigenschaft des Notrufs abstellen, bestünde die Gefahr, dass der Schutz der §§ 52, 252 StPO durch stetiges Nachfragen entwertet werden könnte.

Darauf hat das Landgericht (LG) Stuttgart mit Beschluss vom 20.10.2014 – 7 Qs 52/14 – hingewiesen.

 

Chiropraktische Tätigkeit fällt, auch wenn sie nur nebenbei ausgeübt wird, unter den Anwendungsbereich des Heilpraktikergesetzes.

Ein Reiki-Meister (im Folgenden Beklagter genannt) muss nach einem Urteil des Landgerichts (LG) Oldenburg einem Mann (im Folgenden Kläger genannt) Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 Euro sowie weiterer 3.600 Euro als Schadensersatz zahlen und ihm auch künftig eintretende Schäden zu ersetzen, weil

  • er (auch) eine Tätigkeit als Chiropraktiker ausgeübt hat, ohne im Besitz der dafür erforderlichen Genehmigung nach § 1 des Heilpraktikergesetzes zu sein

und bei einer solchen Behandlung des Klägers,

  • der wegen Kribbeln in der rechten Körperhälfte, Kopf- sowie Rückenschmerzen zu ihm gekommen war,

dessen Kopf ruckartig einmal nach links und einmal nach rechts bewegt und

  • dabei insgesamt fünf Schlaganfälle bei diesem ausgelöst hatte, mit der Folge, dass der Kläger lange stationär behandelt werden musste, für vier Jahre arbeitsunfähig erkrankt war, dauerhaft unter den Folgen der Schlaganfälle wird leiden müssen und bei ihm heute ein Grad der Behinderung von 50% vorliegt.

Die Berufung gegen dieses Urteil hat der Beklagte zurückgenommen, nachdem er vom 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg mit Beschluss vom 28.01.2015 – 5 U 71/13 – darauf hingewiesen worden war, dass seine Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat.

Wie der Senat ausführte, fällt eine chiropraktische Tätigkeit unter den Anwendungsbereich des Heilpraktikergesetzes und dafür muss, auch wenn die Tätigkeit nur nebenbei ausgeübt wird, eine Genehmigung nach diesem Gesetz eingeholt werden.
Zweck des Erlaubnisvorbehalts sei nämlich unter anderem, ein Minimum an Fachkunde sicherzustellen, um die Patienten davor zu schützen, dass der Heilende sie, z.B. weil er die Bedeutung seines Handelns verkennt, schädigt (vgl. 4.2 der Richtlinie zur Durchführung des Verfahrens zur Erteilung einer Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz vom 01.03.2007).
Gerade diese Gefahr, vor der das Heilpraktikergesetz schützen soll, hatte sich aus Sicht des Senats bei der Behandlung des Klägers durch den Beklagten verwirklicht.
Denn nach den überzeugenden Feststellungen des von dem in dieser Sache vom Gericht beauftragten Sachverständigen wurden die Infarkte des Klägers durch das Einrenken ausgelöst, da bei dem Manöver kleine Blutgerinnsel, sog. Thromben gelöst worden waren, die die Blutgefäße im Gehirn verstopft und so zu einer Sauerstoffunterversorgung geführt hatten.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Oldenburg am 02.03.2015 mitgeteilt.

 

Wenn die Begutachtung eines Verfahrensbeteiligten angeordnet ist.

Einem medizinisch oder psychologisch zu begutachtenden Beteiligten ist bei einem Untersuchungstermin bzw. Explorationsgespräch des Sachverständigen die Anwesenheit einer Begleitperson ohne Äußerungs- bzw. Beteiligungsrecht zu gestatten.  

Das hat der 14. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 03.02.2015 – 14 UF 135/14 – entschieden.

Ausschlaggebend für den Senat war bei dieser Entscheidung vor allem der Gesichtspunkt, dass ein medizinisch oder psychologisch zu begutachtender Beteiligter ansonsten keine Möglichkeit hätte, gegenüber abstrakt immer denkbaren Wahrnehmungsfehlern des Sachverständigen effektiven Rechtsschutz zu erlangen.

  • Behauptet er nach Vorliegen des Gutachtens, der dort wiedergegebene Hergang einer Untersuchung oder eines Explorationsgesprächs sei in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend, so wird sich der Sachverständige in der Regel darauf berufen, den Hergang nach seiner Überzeugung und Erinnerung richtig aufgezeichnet zu haben.
  • Wenn die Unrichtigkeit der Wiedergabe dann nicht ausnahmsweise durch objektive Anhaltspunkte gestützt wird, hat der Beteiligte keine Möglichkeit, sie zu belegen und sich damit erfolgreich gegen ein ihm nachteiliges Gutachtenergebnis zu wenden.

Die Hinzuziehung einer Begleitperson hingegen erlaubt es ihm in diesem Fall, mit Aussicht auf Erfolg einen Zeugenbeweis anzutreten.

  • Gegenüber diesem wesentlichen Verfahrensgesichtspunkt muss die Besorgnis einer etwaigen Beeinflussung des Untersuchungsganges – speziell im psychiatrischen und psychologischen Bereich – durch die bloße Anwesenheit der Begleitperson in einer angemessenen Hörweite hingenommen werden.

Falls der Sachverständige nach der Untersuchung zu der begründbaren Auffassung gelangen sollte, dass eine Beeinflussung erfolgt sei und das Untersuchungsergebnis deshalb eine geringere Aussagekraft habe als wenn es ohne Begleitperson gewonnen worden wäre, kann er dies in seinem Gutachten darlegen, ebenso wie er es tun müsste, wenn die Aussagekraft durch eine gänzliche Weigerung, sich begutachten zu lassen, oder durch sonstige fehlende Tatsachengrundlagen herabgesetzt wäre. Die Würdigung hätte dann letztlich das Gericht vorzunehmen.

  • Nicht zu gestatten ist hingegen einer mitgebrachten Begleitperson, sei es dem anwaltlichen Bevollmächtigten oder einem Privatgutachter, eine Beteiligung an dem Untersuchungsgespräch durch Fragen, Vorhalte oder sonstige Äußerungen.

Hierdurch wäre bei einer medizinischen oder psychologischen Untersuchung, anders als z. B. bei einem baurechtlichen Ortstermin, eine erhebliche Störung der Untersuchung und auch Beeinflussung ihres Ergebnisses zu befürchten, wohingegen die Rechte des zu Begutachtenden in diesem Punkt durch die Möglichkeit nachträglicher schriftlicher Stellungnahmen und/oder einer mündlichen Befragung des Sachverständigen im Gerichtstermin hinreichend gewahrt sind.

 

Die schriftliche Vorsorgevollmacht, die den Bevollmächtigten ermächtigt den Vollmachtgeber in vermögensrechtlichen Angelegenheiten zu vertreten.

Eine Vollmacht bezüglich der Vermögensangelegenheiten des Vollmachtgebers

  • berechtigt den Bevollmächtigten auch dann zu einer Verfügung über ein Bankkonto des Vollmachtgebers,
  • wenn für dieses keine gesonderte Bankvollmacht erteilt worden ist.

Macht eine Bank die Verfügung des Vorsorgegebebevollmächtigten über ein Bankkonto des Vollmachtgebers

  • trotz Vorliegens der Vorsorgevollmacht von unberechtigten Bedingungen abhängig,

so haftet sie dem Vollmachtgeber für den diesem hierdurch entstandenen Schaden aus §§ 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB),

  • also auch für die Aufwendungen, die durch die Einschaltung eines Rechtsanwalts entstehen, weil in einem solchen Fall der für die Vollmachtgeberin handelnde Bevollmächtige die Einschaltung eines Rechtsbeistandes für notwendig und erforderlich halten kann und darf.

Das hat die V. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Detmold mit Urteil vom 14.01.2015 – 10 S 110/14 – in einem Fall entschieden, in dem

  • die Vollmachtgeberin dem Bevollmächtigten wirksam eine Vorsorgevollmacht erteilt hatte, die den Bevollmächtigten dazu berechtigte, die Vollmachtgeberin in allen vermögensrechtlichen Angelegenheiten, soweit dies rechtlich möglich ist, zu vertreten,

und

  • von Mitarbeitern der Bank, bei der die Vollmachtgeberin ein Konto hatte, eine von dem Bevollmächtigten unter Vorlage der Vorsorgevollmacht erteilte Zahlungsanweisung nicht ausgeführt, sondern die Vorlage einer Bestellungsurkunde und eines Betreuerausweises verlangt worden war,
    • obwohl begründete Zweifel an der Wirksamkeit der Vorsorgevollmacht weder bestanden, noch geltend gemacht worden waren und
    • das Betreuungsgericht der Bank mitgeteilt hatte, dass es von einer wirksamen Vollmachterteilung ausgehe und eine Erweiterung der Betreuung um den Aufgabenkreis „Vermögenssorge“ deshalb nicht erforderlich sei.