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Wenn es darum geht, dass Störungen des Gemeinschaftseigentums unterlassen oder beseitigt werden.

Zieht die Wohnungseigentümergemeinschaft die Durchsetzung von Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüchen

  • wegen Störungen des Gemeinschaftseigentums
  • durch Mehrheitsbeschluss an sich,

so begründet sie damit ihre alleinige Zuständigkeit für die gerichtliche Geltendmachung,

  • mit der Folge, dass einzelne Wohnungseigentümer nicht (mehr) prozessführungsbefugt sind und von ihnen bereits erhobene Klagen unzulässig geworden sind.

Darauf hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in zwei Urteilen vom 05.12.2014 – V ZR 85/14 – und – V ZR 5/14 – hingewiesen.

In den den Entscheidungen zugrunde liegenden Fällen

  • hatte ein Wohnungseigentümer (im Folgenden Kläger genannt) von einer Wohnungseigentümerin (im Folgenden Beklagte genannt) verlangt, wegen der Lärmbelästigung und Verschmutzung von Treppenhaus und Fluren zu der es dadurch komme, es zu unterlassen, ihre Wohnung zur Ausübung der gewerbsmäßigen Prostitution zu nutzen und
  • nach Erhebung dieser Klage war von den Wohnungseigentümern in einer Eigentümerversammlung mehrheitlich beschlossen worden, dass dieser ihnen aus ihrem Eigentum zustehende Unterlassungsanspruch gemeinschaftlich durch den Verband geltend gemacht sowie die Verwaltung beauftragt werden soll, einen Rechtsanwalt mit der gerichtlichen Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs zu beauftragen.

Infolge dieser Beschlussfassung der Eigentümer, den Unterlassungsanspruch gemeinschaftlich durch den Verband geltend zu machen, ist, wie der V. Zivilsenat des BGH entschieden hat, der Kläger nicht (mehr) prozessführungsbefugt und seine bereits erhobene Klage unzulässig geworden.

Zwar kommen, wie der Senat ausgeführt hat, wegen der durch die Ausübung der Prostitution in dem Sondereigentum der Beklagten verursachten Störungen im Treppenhaus und den Fluren, individuelle Unterlassungsansprüche der anderen Wohnungseigentümer – also auch des Klägers – gegen die Beklagte in Betracht, die vor Gericht geltend gemacht werden können.
Denn jeder Wohnungseigentümer kann gemäß § 15 Abs. 3 des Gesetzes über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (WEG) einen Gebrauch

  • der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile und
  • des gemeinschaftlichen Eigentums

verlangen,

  • der dem Gesetz, den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit sich die Regelung hieraus nicht ergibt, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht.

Sofern der Gebrauch nicht den genannten Voraussetzungen entspricht, liegt hierin eine Eigentumsbeeinträchtigung, die Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist (vgl. BGH, Urteil vom 16.05.2014 – V ZR 131/13 –).

Hierfür reicht es – jedenfalls außerhalb des Bereichs der Sachmängelhaftung (dazu: BGH, Urteil vom 12.04.2007 – VII ZR 236/05 –) – schon aus, dass die Rechtsausübung durch den Verband förderlich ist (Senat, Urteile vom 17.12.2010 – V ZR 125/10 –; vom 08.02.2013 – V ZR 238/11 – und vom 14.02.2014 – V ZR 100/13 –).

  • Wenn eine Wohnungseigentümergemeinschaft danach nunmehr im eigenen Namen gegen den Beklagten vorgehen kann, ist der Kläger für eine Klage mit diesem Streitgegenstand nicht (mehr) prozessführungsbefugt und wird seine Klage dadurch unzulässig.

 

Cannabiskonsumenten, wann wird ihnen von der Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis entzogen?

Einem Autofahrer, der gelegentlich Cannabis konsumiert, kann

  • bei mangelnder Trennung zwischen dem gelegentlichen Cannabiskonsum und
  • dem Führen von Kraftfahrzeugen

die Fahrerlaubnis entzogen werden.

  • Mangelnde Trennung zwischen dem gelegentlichen Cannabiskonsum und dem Führen von Kraftfahrzeugen liegt regelmäßig bei einem Tetrahydrocannabinol-Wert (THC-Wert) ab 1,0 ng/ml im Blutserum vor.

Das hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße mit Beschluss vom 12.02.2015 – 3 L 110/15.NW – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte die Fahrerlaubnisbehörde dem Kläger, einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten,

  • nachdem bei ihm anlässlich einer Verkehrskontrolle wegen des Verdachts, dass er unter der Wirkung von Cannabis gefahren sei, eine Blutprobe entnommen und bei deren Untersuchung ein Wert von 1,2 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC), des psychoaktiven Wirkstoffs von Cannabis, im Blutserum festgestellt worden war,

die Fahrerlaubnis mit der Begründung entzogen,

  • dass er nicht in der Lage sei, zwischen gelegentlichem Cannabiskonsum und dem Führen von Kraftfahrzeugen zu trennen.

Seine Klage gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis hatte keinen Erfolg, weil gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) und § 46 Abs. 1 Satz 1 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) die Fahrerlaubnisbehörde dem Inhaber einer Fahrerlaubnis, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen hat und dies nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann gilt, wenn bei dem Inhaber der Fahrerlaubnis Erkrankungen oder Mängel nach der Anlage 4 zur FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.

Wie die 3. Kammer des VG Neustadt an der Weinstraße ausgeführt hat, gilt im Falle des Konsums von Betäubungsmitteln bei der Einnahme von Cannabis nach Nr. 9.2 der Anlage 4 zur FeV im Regelfall (vgl. Nummer 3 der Vorbemerkungen zu dieser Anlage) Folgendes:
Es ist zu differenzieren zwischen

  • regelmäßigem und
  • gelegentlichem

Cannabiskonsum.

  • Regelmäßiger d. h. täglicher oder nahezu täglicher Cannabiskonsum führt nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV zur Ungeeignetheit zum Führen eines Kraftfahrzeuges.
  • Gelegentlicher, d. h. mehr als nur einmaliger Cannabiskonsum genügt für sich genommen dagegen gemäß Nummer 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV noch nicht, um von fehlender Fahreignung auszugehen.
    Hinzutreten muss beispielsweise,

    • entweder ein Mischkonsum von Cannabis und Alkohol bzw. anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen oder
    • dass der Betroffene nicht zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeuges trennt und
    • der Schluss, dass ein gelegentlicher Cannabiskonsument nicht hinreichend zuverlässig zwischen einem seine Fahrtüchtigkeit beeinträchtigenden Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeugs trennen kann, ist gerechtfertigt, wenn er mit einer THC-Konzentration von mindestens 1,0 ng/ml im Blutserum, ab der ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Zustand vorliegt, ein Fahrzeug führt.

 

Die Einrichtung einer Betreuung mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge oder dem (isolierten) Aufgabenkreis der „Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern“.

Nach § 1896 Abs. 2 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) darf ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist.
Dieser Grundsatz verlangt für die Bestellung eines Betreuers die konkrete tatrichterliche Feststellung, dass sie – auch unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit – notwendig ist, weil der Betroffene auf entsprechende Hilfen angewiesen ist und weniger einschneidende Maßnahmen nicht in Betracht kommen.

  • Die Erforderlichkeit einer Betreuung darf sich dabei nicht allein aus der subjektiven Unfähigkeit des Betroffenen ergeben, seine Angelegenheiten selbst regeln zu können (Betreuungsbedürftigkeit).
  • Hinzutreten muss ein konkreter Bedarf für die Bestellung eines Betreuers.
  • Ob und für welche Aufgabenbereiche ein objektiver Betreuungsbedarf besteht, ist aufgrund der konkreten, gegenwärtigen Lebenssituation des Betroffenen zu beurteilen (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 06.07.2011 – XII ZB 80/11 –).

Auch im Bereich der Vermögenssorge kann die Erforderlichkeit der Betreuung nicht allein mit der subjektiven Unfähigkeit des Betreuten begründet werden, seine diesbezüglichen Angelegenheiten selbst zu regeln.

  • Vielmehr muss aufgrund konkreter tatrichterlicher Feststellungen die gegenwärtige Gefahr begründet sein, dass der Betreute einen Schaden erleidet, wenn man ihm die Erledigung seiner vermögensrechtlichen Angelegenheiten eigenverantwortlich selbst überließe.
  • Dabei ist das Vorliegen eines aktuellen Handlungsbedarfs zugunsten des Vermögens des Betreuten nicht zwingend erforderlich; es genügt, dass dieser Bedarf jederzeit auftreten kann und für diesen Fall die begründete Besorgnis besteht, dass ohne die Einrichtung einer Betreuung nicht das Notwendige veranlasst wird.
  • Demgegenüber lässt sich die Erforderlichkeit der Vermögensbetreuung nicht aus bloßen Zweckmäßigkeitserwägungen herleiten (BGH, Beschluss vom 30.05.2012 – XII ZB 59/12 –).

Danach ist bei einem vermögenslosen Betroffenen, der alte Darlehens- und Mietschulden hat, auf die er angesichts seiner geringen Altersrente keine Tilgungsleistungen erbringen kann, die Bestellung eines Betreuers mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge nur erforderlich,

  • wenn konkrete Tatsachen beispielsweise die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass dem Betroffenen ohne die Unterstützung des Betreuers
  • eine weitere Verschuldung oder infolge krankheitsbedingt unangepasster wirtschaftlicher Dispositionen eine Gefährdung seines elementaren Lebensbedarfs droht.

Auch bei der Einrichtung einer Betreuung mit den Aufgabenkreisen der „Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern“ sowie der „Vertretung in gerichtlichen Verfahren“ muss,

  • soweit mit der Bestimmung eines solchen Aufgabenkreises nicht lediglich eine an sich entbehrliche, aber nicht schädliche Klarstellung der sich aus § 1902 Abs. 1 BGB ergebenden Vertretungsberechtigung des Betreuers im Rahmen eines weiteren ihm übertragenen Aufgabenkreises – beispielsweise der Vermögenssorge – beabsichtigt ist,

regelmäßig ein konkreter Bezug

  • zu einer bestimmten Angelegenheit oder
  • einem bestimmten behördlichen oder gerichtlichen Verfahren

hergestellt werden,

  • für den die Notwendigkeit der Bestellung eines Betreuers besteht.

Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Betreute krankheitsbedingt dazu neigt, sich durch das Betreiben einer Vielzahl von sinnlosen Verfahren zu schädigen.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 21.01.2015 – XII ZB 324/14 – hingewiesen.

 

Wann muss in zeitlicher Hinsicht im Winter geräumt und gestreut werden?

Weil eine Mieterin (im Folgenden Klägerin genannt) gegen 9:40 Uhr auf dem eisglatten Zuweg vor dem Mehrparteienhaus, in dem sie eine Mietwohnung bewohnte, gestürzt war und sich dabei einen Oberschenkelhalsbruch zugezogen hatte, verurteilte der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm den Hauseigentümer (im Folgenden Beklagter genannt) mit Urteil vom 21.12.2012 – 9 U 38/12 – u. a. zur Zahlung von 7.000 Euro Schmerzensgeld.

Danach haftete der Beklagte wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, weil

  • am Unfalltag im Bereich der Unfallstelle eine allgemeine Glätte bestand, die über das Vorhandensein einzelner Glättestellen hinausging,
  • der Weg dort nicht derart bestreut war, dass er von den Verkehrsteilnehmern ohne Gefahr benutzt werden konnte, wenn auch diese die erforderliche Sorgfalt anwenden und
  • der Beklagte die ihm als Eigentümer des Hausgrundstücks obliegende Räum- und Streupflicht nicht wirksam auf einen Dritten übertragen hatte.

Eine Räum- und Streupflicht bestand auch in zeitlicher Hinsicht.

  • Deren Beginn und Ende bestimmen sich zum Einen nach dem Einsetzen bzw. dem Ende der Gefährdung durch allgemeine Glätte.
  • Zum Anderen kommt es auf die übliche Zeit des Verkehrs an.
  • Die Räum- und Streupflicht beginnt mit dem Einsetzen des Verkehrs, in der Regel genügt 7:00 Uhr, an Sonn- und Feiertagen 9:00 Uhr.
  • Sie endet um ca. 20:00 Uhr.

Der Beklagte hatte die ihn treffende Räum- und Streupflicht nicht wirksam übertragen.

  • Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) können Verkehrssicherungspflichten mit der Folge eigener Entlastung delegiert werden.
  • Die Verkehrssicherungspflichten des ursprünglich Verantwortlichen verkürzen sich dann auf Kontroll- und Überwachungspflichten.

Wer die Räum- und Streupflicht übernimmt, wird seinerseits deliktisch verantwortlich. Die deliktische Einstandspflicht des mit der Wahrnehmung der Verkehrssicherung Beauftragten besteht auch dann, wenn der Vertrag mit dem Primärverkehrssicherungspflichtigen nicht rechtswirksam zustande gekommen ist.
Entscheidend ist, dass der in die Verkehrssicherungspflicht Eintretende faktisch die Verkehrssicherung für den Gefahrenbereich übernimmt und im Hinblick hierauf Schutzvorkehrungen durch den primär Verkehrssicherungspflichtigen unterbleiben, weil sich dieser auf das Tätigwerden des Beauftragten verlässt.

  • Voraussetzung für die Delegation von Verkehrssicherungspflichten ist jedoch, dass die Übertragung klar und eindeutig vereinbart wird, so dass eine Ausschaltung von Gefahren zuverlässig sichergestellt ist.
  • Erst dann verengt sich die Verkehrssicherungspflicht des Eigentümers bzw. Vermieters als des ursprünglich allein Verantwortlichen auf eine Kontroll- und Überwachungspflicht, die sich darauf erstreckt, ob die vertraglich übernommenen Sicherungsmaßnahmen auch tatsächlich ausgeführt worden sind (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 22.01.2008 – VI ZR 126/07 –).

An einer solchen klaren Absprache, die eine Ausschaltung von Gefahren zuverlässig sicherstellte, fehlte es hier.
Abgesehen davon, hätte der Beklagte aber auch im Fall einer wirksamen Übertragung der Räum- und Streupflicht wegen Verletzung der bei ihm verbliebenen Überwachungspflicht gehaftet.

In dem seiner Entscheidung zugrunde liegendem Fall sah der 9. Zivilsenat des OLG Hamm aber auch ein Mitverschulden der Klägerin an dem Sturz nach § 254 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), das er mit einem Drittel bewertete, weil

  • die Klägerin schon vor ihrem Sturz festgestellt hatte, dass es im Bereich der Unfallstelle glatt war,
  • wenn ein Passant auf einem erkennbar nicht geräumten oder abgestumpften Weg zu Fall kommt, der Beweis des ersten Anscheins für mangelnde Aufmerksamkeit spricht und
  • die Klägerin den gegen sie sprechenden Anschein nicht erschüttern konnte.

 

Wer auf dem nassen Boden einer Skihütte mit Skischuhen stürzt muss möglicherweise seinen Schaden selbst tragen.

Wer auf dem nassen Boden einer Skihütte mit Skischuhen ausrutscht, stürzt und sich dabei verletzt kann vom Inhaber der Skihütte grundsätzlich keinen Schadensersatz nach § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und kein Schmerzensgeld aus § 253 Abs.2 BGB wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht verlangen.

Darauf hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 03.08.2012 – 9 U 45/12 – hingewiesen.

Danach muss man in einer Skihütte mit einem nassen und auch glatten Boden rechnen, sich darauf einstellen und besonders vorsichtig gehen, nachdem

  • es dort zu Nässe sowie Glätte durch von anderen Personen hineingetragenen und dann auftauenden Schnee kommen kann und
  • Skischuhe darüber hinaus die Gehsicherheit einschränken können.

 

Ob ein Urteil auf einer unzureichenden Unterrichtung des Angeklagten nach § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO beruht, wovon hängt das ab?

Die Pflicht des Vorsitzenden im Strafverfahren nach § 243 Abs. 4 Satz 2 Strafprozessordnung (StPO),

  • in der Hauptverhandlung den wesentlichen Inhalt von Gesprächen über eine Verständigung mitzuteilen,

dient in erster Linie dazu,

  • eine Kontrolle des Verständigungsgeschehens durch die Öffentlichkeit zu ermöglichen.

Im Verständigungsgesetz kam es dem Gesetzgeber maßgeblich darauf an, die Transparenz der strafgerichtlichen Hauptverhandlung und die Unterrichtung der Öffentlichkeit zu bewahren. Das Revisionsgericht verkennt daher Bedeutung und Tragweite des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG),

  • wenn es diesen Schutzgehalt des § 243 Abs. 4 StPO, der unabhängig vom Aussageverhalten des Angeklagten Geltung beansprucht, unberücksichtigt lässt und
  • das Beruhen des Strafurteils auf einem Verstoß gegen die Mitteilungspflicht alleine unter dem Gesichtspunkt einer Einwirkung auf das Aussageverhalten des Angeklagten prüft.

Darauf hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) mit Beschluss vom 15.01.2015 – 2 BvR 2055/14 – hingewiesen und die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) in einem Fall aufgehoben, in dem

  • von einem Angeklagten Revision gegen ein landgerichtliches Urteil eingelegt sowie gerügt worden war, dass die Mitteilung des Vorsitzenden der Strafkammer über eine nicht zustande gekommene Verständigung nicht den Anforderungen des § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO entsprochen habe,
  • der BGH die Revision mit der Begründung verworfen hatte, dass ein Beruhen des landgerichtlichen Urteils auf diesem Verfahrensfehler ausgeschlossen werden könne
  • und er die Möglichkeit eines Beruhens des landgerichtlichen Urteils (§ 337 Abs. 1 StPO) auf dem Verstoß gegen § 243 Abs. 4 StPO dabei allein unter dem Gesichtspunkt einer Einwirkung auf das Aussageverhalten des Angeklagten geprüft hatte, indem von ihm darauf abgestellt worden war, dass der Angeklagte nicht nur konstant von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht, sondern auf ausdrückliches Befragen deutlich gemacht hatte, dass bei ihm prinzipiell keine Verständigungsbereitschaft besteht.

 

Wenn auf einem Platz der rechtmäßig zum Dauerparken benutzt werden durfte, nach dem Abstellen eines Fahrzeugs Parkverbotsschilder aufgestellt werden.

Stellt ein Kraftfahrer sein Fahrzeug auf einem öffentlichen Platz ab, der zum unbegrenzten Parken benutzt werden durfte und

  • stellt die zuständige Behörde nachträglich Parkverbotsschilder auf,

hat der Kraftfahrer die Abschleppkosten zu zahlen,

  • wenn das Fahrzeug am vierten Tag nach Aufstellung der Verbotsschilder abgeschleppt wurde.

Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Neustadt a.d. Weinstraße mit Urteil vom 27.01.2015 – 5 K 444/14.NW – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall hatte

  • der Kläger sein Fahrzeug am Mittwoch, den 27. Februar 2013, um 7.00 Uhr auf einem öffentlichen Platz der zum unbegrenzten Parken benutzt werden durfte, abgestellt,
  • die beklagte Gemeinde nachfolgend, aber noch am selben Tag, wegen eines bevorstehenden Umzugs, auf der einzigen Zufahrt zu dem Platz die Verkehrszeichen 283 (absolutes Halteverbot) und 250 (Verbot der Einfahrt) sowie Zusatzzeichen „Sonntag, 3. März 2013 ab 7.00 Uhr“ aufgestellt und
  • das Auto des Klägers, nachdem dieser nicht informiert werden konnte, weil seine Nummer nicht im Telefonbuch eingetragen war, am Sonntag, den 3. März 2013, um 12.15 Uhr abschleppen lassen.

Die von der Beklagten mit Kostenbescheid für das Abschleppen geforderten 207 €, muss, wie das VG Neustadt a.d. Weinstraße entschieden hat, der Kläger zahlen, weil die Voraussetzungen der Kostenpflicht für eine Ersatzvornahme vorlagen.

Durch die Verbindung von Halteverbot und Einfahrtsverbot an der einzigen Zufahrt zu dem Platz war für jeden Verkehrsteilnehmer im Laufe des Mittwochs, den 27. Februar 2013, erkennbar geworden, dass der Platz nicht befahren und nicht als Parkplatz genutzt werden durfte.
Es reichte aus, die Verkehrszeichen an der einzigen Zufahrt anzubringen. Dies entspricht dem Interesse, die Anzahl der Verkehrszeichen zu verringern (vgl. VV zu §§ 39-43 StVO Ziff. 1 S. 2).
Denn jeder Verkehrsteilnehmer muss sich vor Ort informieren, ob es erlaubt ist zu parken.

  • Die Verkehrszeichen sind auch gegenüber dem Kläger bekannt gemacht worden, obgleich dieser nicht anwesend war.

Als Allgemeinverfügung i. S. d. § 35 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) sind sie gemäß § 41 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 43 Abs. 1 VwVfG gegenüber demjenigen, für den sie bestimmt sind, und der von ihnen betroffen ist, in dem Zeitpunkt wirksam geworden, in dem sie bekannt gegeben worden sind. Sie wirkten gegenüber jedem, auch dem Kläger, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrgenommen hat oder nicht.

  • Auch hat die Beklagte ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt.

Es war verhältnismäßig, das Fahrzeug abzuschleppen, nachdem die Beklagte den Halter nicht erreichen konnte und ein besonderes öffentliches Interesse daran bestand, den Platz für den Umzug als Festplatz zu nutzen.

  • Der Kostenbescheid war auch nicht unverhältnismäßig und den Kläger zu den Kosten heranzuziehen, auch nicht unangemessen.

Ein Ausnahme von der Kostentragungspflicht wird nach der Rechtsprechung insbesondere in den Fällen gemacht, in denen

  • ein Fahrzeugführer sein Fahrzeug rechtmäßig parkt,
  • nachträglich aber eine Situation entsteht, wonach er rechtswidrig parkt und
  • die Behörde die Änderung der Verkehrslage nicht früh genug ankündigt.

Dagegen gibt es keinen Vertrauensschutz dafür, dass ein zunächst rechtmäßiges Dauerparken an einer bestimmten Stelle unbegrenzt erlaubt bleibt.

  • Allerdings kann von einem Dauerparker nicht erwartet werden, dass er stündlich oder täglich sein Fahrzeug überwacht und prüft bzw. prüfen lässt, ob sich die Verkehrsregelungen geändert haben. Ansonsten bestünde kein Unterschied zwischen Kurzzeit- und Dauerparkplätzen.
  • Daher hat die Rechtsprechung in zahlreichen Fällen entschieden, dass die Kostenbelastung jedenfalls dann verhältnismäßig ist, wenn das Fahrzeug abgeschleppt wurde am vierten Tag nachdem die Verbotsschilder aufgestellt wurden.

Das Kostenrisiko trifft nach dieser Vorlaufzeit bei längerfristigem Parken denjenigen, der die Sachherrschaft über sein Fahrzeug hat und Vorsorge treffen kann, falls sich die Verkehrslage innerhalb dieses absehbaren Zeitraums ändert.
Kann oder will der Fahrzeughalter nicht kontrollieren, ob die Verkehrsverhältnisse sich geändert haben, so kann er sich nicht darauf berufen, dass sich die Verkehrsregelung geändert hat (vgl. SächsOVG, Urteil vom 23.03.2009 – 3 B 891/06 –).

Hier hatte die Beklagte die Verkehrsschilder am Mittwoch, den 27. Februar 2013, aufgestellt und das Fahrzeug erst nach Ablauf von drei vollen Tagen, am Sonntag, den 3. März 2013, abgeschleppt. 

 

Wenn auf einem im Rahmen einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme gefertigten Lichtbild auch der Beifahrer erkennbar ist.

Wird im Rahmen einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme ein Lichtbild gefertigt,

  • auf dem auch der Beifahrer erkennbar ist und
  • gelangt dieses Foto ohne Unkenntlichmachung des Beifahrers in die Gerichtsakte,

unterliegt es keinem Verwertungsverbot.

  • Vielmehr kann das Amtsgericht dann aus der Person des Beifahrers Schlüsse auf die Identität des Fahrzeugführers ziehen.

Das hat der Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg mit Beschluss vom 09.02.2015 – 2 Ss (OWi) 20/15 – entschieden.

Denn, werden Bildaufnahmen im Rahmen einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme von einem Fahrzeugführer und seinem Fahrzeug wegen eines bestehenden Verdachts eines bußgeldbewährten Verkehrsverstoßes gefertigt, ist die Anfertigung der Lichtbilder

so dass

  • das Lichtbild von dem Beifahrer in solchen Fällen zunächst aufgrund einer ausreichenden Rechtsgrundlage gefertigt worden ist.

Wird ein so gefertigtes Lichtbild ohne Unkenntlichmachung der Person des Beifahrers in die Akte der Verwaltungsbehörde und später des Gerichts übernommen, ist, wie der Senat ausgeführt hat, durch die Auswertung des Lichtbildes auch hinsichtlich der Person des Beifahrers das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen nicht in einem Maße berührt, dass insofern von einem Beweisverwertungsverbot ausgegangen werden müsste.

 

Wenn einem Arbeitgeber die Einwilligung zur Veröffentlichung von Videoaufnahmen erteilt wird.

Nach § 22 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (KunstUrhG) dürfen Bildnisse von Arbeitnehmern nur mit ihrer Einwilligung veröffentlicht werden.

  • Eine hierzu ohne Einschränkung erteilte Einwilligung des Arbeitnehmers erlischt nicht automatisch mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses.
  • Sie kann aber widerrufen werden, wenn dafür ein plausibler Grund angegeben wird.

Darauf hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) mit Urteil vom 19.02.2015 – 8 AZR 1011/13 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der Kläger

  • seinem beklagten Arbeitgeber schriftlich die Einwilligung zur Erstellung eines Werbevideos erteilt in dem er erkennbar abgebildet war und der auf der Internet-Homepage des Beklagten eingesehen werden konnte,
  • nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses seine Einwilligung widerrufen sowie den Beklagten aufgefordert das Video binnen 10 Tagen aus dem Netz zu nehmen und
  • als der Beklagte dem – (nur) unter Vorbehalt – folgte, Klage auf Unterlassung weiterer Veröffentlichung und Schmerzensgeld erhoben.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Wie der Achte Senat des BAG ausführte, hatte der Kläger, unterstellt die Abbildungen in dem Video bedurften seiner Einwilligung nach § 22 KunstUrhG, diese dem Beklagten erteilt. Auch das Erfordernis einer schriftlichen Einwilligung, das sich aus dem Recht des Arbeitnehmers auf informationelle Selbstbestimmung ergebe, sei im Falle des Klägers erfüllt gewesen.

  • Die ohne Einschränkungen gegebene schriftliche Zustimmung des Klägers sei aber nicht automatisch mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses erloschen.
  • Zwar sei ein späterer Widerruf grundsätzlich möglich, jedoch habe der Kläger für diese gegenläufige Ausübung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung keinen plausiblen Grund angegeben.

Daher könne der Kläger eine weitere Veröffentlichung nicht untersagen lassen und würde durch diese in seinem Persönlichkeitsrecht nicht verletzt.

Das hat die Pressestelle des Bundesarbeitsgerichts (BAG) am 19.02.2015 – 8/15 – mitgeteilt.

 

Wenn durch Blitzschlag Ausfall der Lüftungsanlage eines Schweinemaststalls unbemerkt bleibt und infolgedessen 452 Schwein verenden.

Der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg hat mit Urteil vom 17.12.2014 – 5 U 161/13 – einen Feuerversicherer zur Zahlung eines Schadenersatzes von mehr als 70.000 € wegen des Ausfalls einer Lüftungsanlage eines Schweinemaststalls verurteilt.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der Kläger, ein Landwirt, den Lüftungsausfall in einem seiner Schweinemastställe,

  • weil die elektrische Überwachungseinrichtung, die in derartigen Fällen einen Alarm auslösen soll, wegen eines durch einen Blitzschlag verursachten Defekts stumm geblieben war,

nicht sofort bemerkt, so dass 452 seiner Mastschweine im Wert von jeweils 155 €, insgesamt rund 70.000 €, verendet waren.

Die Klage des Landwirts gegen die Feuerversicherung auf Ersatz des ihm entstandenen Schadens hatte in zweiter Instanz Erfolg.

In erster Instanz war die Klage vom Landgericht (LG) mit der Begründung abgewiesen worden, der Ausfall der Lüftungsanlage beruhe nicht auf einem von der Feuerversicherung gedeckten Schadensfall, weil

  • zwar die Alarmanlage wegen eines zum versicherten Risiko der Feuerversicherung zählenden Blitzschlages ausgefallen sei,
  • der Tod der Schweine aber auf den Ausfall der Lüftungsanlage und nicht auf den Defekt der Alarmanlage zurückgehe.

Die Berufung des Landwirts gegen diese Entscheidung war erfolgreich.

Der 5. Zivilsenat des OLG folgte der Argumentation des LG nicht und gab der Klage des Landwirts statt.
Er sah in dem Ausfall der Alarmanlage die Ursache für den Tod der Schweine.

  • Erst durch den Ausfall der Alarmanlage habe der Ausfall der Lüftungsanlage unbemerkt bleiben können.
  • Da aber der Defekt an der Alarmanlage durch einen Blitzschlag eingetreten sei – dies bestätigte der gerichtliche Sachverständige – und Blitzschlag zum versicherten Risiko der Feuerversicherung zähle, müsse der Versicherer auch den Schaden ersetzen.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Oldenburg am 20.02.2015 mitgeteilt.