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Der geburtsleitende Arzt, welche Aufklärungspflichten hat er in einer Entbindungssituation?

Bestehen

  • deutliche Anzeichen dafür,

dass sich der Zustand der Schwangeren bzw. der Geburtsvorgang so entwickeln können, dass

  • die Schnittentbindung (Kaiserschnitt)

zu einer echten Alternative zur

  • vaginalen Entbindung

wird, muss der Arzt die Schwangere über

  • die unterschiedlichen Risiken und
  • Vorteile der verschiedenen Entbindungsmethoden

aufklären.

Darauf hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 28.10.2014 – VI ZR 125/13 – hingewiesen.

Wie der Senat ausgeführt hat, ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH eine Aufklärung über eine alternative Behandlungsmöglichkeit erforderlich, wenn für eine medizinisch

  • sinnvolle und
  • indizierte

Therapie mehrere gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen,

Gemäß diesem allgemeinen Grundsatz braucht der geburtsleitende Arzt

  • in einer normalen Entbindungssituation, in der die Schnittentbindung medizinisch nicht indiziert und deshalb keine echte Alternative zur vaginalen Geburt ist,
  • ohne besondere Veranlassung

die Möglichkeit einer Schnittentbindung nicht zur Sprache zu bringen.

Anders liegt es aber, wenn für den Fall, dass die Geburt vaginal erfolgt,

  • für das Kind ernstzunehmende Gefahren drohen, daher im Interesse des Kindes gewichtige Gründe für eine Schnittentbindung sprechen und
  • diese unter Berücksichtigung auch der Konstitution und der Befindlichkeit der Mutter in der konkreten Situation eine medizinisch verantwortbare Alternative darstellt.

In einer solchen Lage darf sich der Arzt nicht eigenmächtig für eine vaginale Geburt entscheiden.
Vielmehr muss er die Mutter

  • über die für sie und
  • das Kind

bestehenden Risiken sowie

  • über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Entbindungsmethoden

aufklären und

Gleiches gilt,

  • wenn aufgrund konkreter Umstände die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass im weiteren Verlauf eine Konstellation eintritt,
  • die als relative Indikation für eine Schnittentbindung zu werten ist.

Eine – vorgezogene – Aufklärung über die unterschiedlichen Risiken und Vorteile der verschiedenen Entbindungsmethoden ist deshalb bereits dann erforderlich, wenn

  • deutliche Anzeichen dafür bestehen,
  • dass sich der Zustand der Schwangeren bzw. der Geburtsvorgang so entwickeln können, dass die Schnittentbindung zu einer echten Alternative zur vaginalen Entbindung wird (vgl. BGH, Urteil vom 17.05.2011 – VI ZR 69/10 –).

Denn nur dann wird das Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren, die die natürliche Sachwalterin der Belange auch des Kindes ist, gewahrt.
Bei der Wahl zwischen vaginaler Entbindung und Schnittentbindung handelt es sich für die davon betroffene Frau um eine grundlegende Entscheidung, bei der sie entweder ihrem eigenen Leben oder dem Leben und der Gesundheit ihres Kindes Priorität einräumt. Das Recht jeder Frau, selbst darüber bestimmen zu dürfen, muss möglichst umfassend gewährleistet werden.

Besteht

  • die ernsthafte Möglichkeit,

dass die Schnittentbindung im weiteren Verlauf als relativ indiziert anzusehen sein wird, und klärt der Arzt die Schwangere in Hinblick darauf

  • über die verschiedenen Entbindungsmethoden und
  • die mit ihnen im konkreten Fall verbundenen Risiken

auf, so muss er die Schwangere grundsätzlich nicht nochmals über die Möglichkeit der Schnittentbindung unterrichten, wenn

  • die ernsthaft für möglich gehaltene Entwicklung eingetreten und
  • die Schnittentbindung zur gleichwertigen Behandlungsalternative geworden ist.

Der Arzt braucht die erfolgte Aufklärung in einem solchen Fall nicht zu wiederholen. Denn er hat der Schwangeren bereits die zur eigenverantwortlichen Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts erforderliche Entscheidungsgrundlage vermittelt (informed consent) und damit seine Verpflichtung zur Aufklärung erfüllt.

Etwas anderes gilt nur dann,

  • wenn sich nachträglich – sei es aufgrund einer Veränderung der Situation, sei es aufgrund neuer Erkenntnisse –

Umstände ergeben,

  • die zu einer entscheidenden Veränderung der Einschätzung der mit den verschiedenen Entbindungsmethoden verbundenen Risiken und Vorteile führen und
  • die unterschiedlichen Entbindungsmethoden deshalb in neuem Licht erscheinen lassen.

In einem solchen Fall hat der Arzt die Schwangere zur Wahrung ihres Selbstbestimmungsrechts und ihres Rechts auf körperliche Unversehrtheit

  • über das veränderte Nutzen-Risiko-Verhältnis – beispielsweise über nachträglich eingetretene oder erkannte Risiken der von ihr gewählten Entbindungsmethode – zu informieren und
  • ihr eine erneute Abwägung der für und gegen die jeweilige Behandlungsalternativen sprechenden Gründe zu ermöglichen.

Denn nur dann wird ihre Entscheidung von einer ausreichenden Grundlage getragen (vgl. BGH, Urteile vom 25.03.2003 – VI ZR 131/02 – und vom 14.09.2004 – VI ZR 186/03 –).
Eine solche Fallgestaltung kann beispielsweise dann gegeben sein, wenn sich das bereits aus anderen Gründen gesteigerte Risiko, das Kind könnte bei einer vaginalen Entbindung wegen der mechanischen Widerstände in dem natürlichen Geburtsweg geschädigt werden, durch eine Lageänderung des Kindes (z.B. in die Steißlage) nachträglich erhöht.

 

Kein Neubeginn der Verjährung durch Anerkenntnis nach Ablauf der Verjährungsfrist.

Ein Neubeginn der Verjährung durch ein Anerkenntnis des Schuldners ist nicht mehr möglich, wenn die Verjährungsfrist bereits abgelaufen ist.
Zwar kann ein Schuldner

  • nach Ablauf der Verjährungsfrist

darauf verzichten die Einrede der Verjährung zu erheben.
Ein solcher Verzicht ist nach ständiger Rechtsprechung jedoch nur wirksam, wenn der Schuldner bei Abgabe seiner Erklärung

  • wusste oder
  • zumindest für möglich hielt,

dass die Verjährungsfrist schon abgelaufen und die Verjährung deshalb bereits eingetreten war.

Darauf hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (BGH) mit Urteil vom 11.11.2014 – XI ZR 265/13 – hingewiesen.

 

Amtsgericht München entscheidet Streit über die Zuchttauglichkeit eines Boxerrüden.

Das Amtsgericht (AG) München hat mit Urteil vom 19.03.2014 – 132 C 14358/12 – entschieden, dass bei einem Boxerrüden der Eintrag in der Ahnentafel über die Nichtzulassung zur Zucht wegen Einhodigkeit zurückgenommen werden muss.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall war von dem beklagten Boxer Hunde-Club anlässlich einer Körung,

  • aufgrund der Feststellung der Körmeisterin, dass bei dem sechs Jahre alten Boxerrüden des Klägers ein Hoden nicht vollständig im Hodensack liege,

die Disqualifikation ausgesprochen und trotz des dagegen vom Kläger erhobenen Einspruchs beim Verein, in die Ahnentafel des Boxerrüden eingetragen worden,

  • dass der Boxerrüde ein Zuchtverbot wegen Einhodigkeit erhält, weil die Hoden nicht dem Standard entsprechend fest im Hodensack liegen.

Die darauf hin von dem Kläger gegen den Boxer Hunde-Club erhobene Klage auf Aufhebung des Zuchtverbots wegen Einhodigkeit und Rücknahme der Disqualifikation in der Körung hatte überwiegend Erfolg.

Das AG München entschied, dass der Eintrag in der Ahnentafel widerrufen werden muss, nachdem die unter Zuziehung eines Sachverständigen durchgeführte Beweisaufnahme ergeben hatte,

  • dass die Lageveränderung des Hoden bei dem Boxerrüden erfolgt war, durch eine kurzzeitige Kontraktion des Cremastermuskels aufgrund von Stress oder Angst bei der Untersuchung und
  • ein sogenannter Hodenabstieg (Kryptorchismus) nicht vorliegt.

Denn, da kein Hodenmangel vorlag, war somit auch ein Zuchtausschluss gemäß Ziffer 3 c) der Zuchtordnung zur Verhinderung der Weitervererbung von Hodenmängeln nicht angezeigt und die Disqualifikation des Boxerrüden bei der Körung demzufolge unzutreffend. 

Den Antrag des Klägers auf Rücknahme der ausgesprochenen Disqualifikation wies das AG mit der Begründung ab, dass das Rechtschutzbedürfnis des Klägers mit der Korrektur der Ahnentafel erfüllt sei und die Disqualifikation keine eigenständige Funktion habe.

Das hat die Pressestelle des Amtsgerichts München am 13.02.2015 – Nr. 08/15 – mitgeteilt.

 

Einsicht in das Grundbuch.

Die Einsicht in das beim Amtsgericht (Grundbuchamt) geführte Grundbuch ist jedem gestattet,

  • der ein berechtigtes Interesse

darlegt (§ 12 Abs. 1 Satz 1 Grundbuchordnung (GBO)).
In diesem Rahmen umfasst das Einsichtsrecht

Berechtigtes Interesse ist auch ein solches wirtschaftlicher Art.
Anerkannt ist, dass der Gläubiger, der die Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz seines Schuldners beabsichtigt, zur Einsichtnahme berechtigt ist.
Erst recht gilt dies für Bauhandwerker, die nach § 648 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für ihre Forderungen (vgl. hierzu auch Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 06.03.2014 – VII ZR 349/12 –) vom Besteller eine Sicherungshypothek verlangen können. Sie können

  • zur Vorbereitung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Eintragung einer Vormerkung zur Bewilligung einer Bauhandwerkersicherungshypothek
  • beim Grundbuchamt um einen vollständigen – also auch die Belastungen erkennen lassenden – beglaubigten Grundbuchauszug für das Grundstück des Bestellers nachsuchen (vgl. BGH, Urteil vom 18.12.2014 – VII ZR 139/13 – dazu, wann dem Bauhandwerker ausnahmsweise gegen einen Dritten, der das Grundstück vom Besteller erwirbt, ein Anspruch auf Bewilligung der Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek zusteht).

Darauf hat der 34. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) München mit Beschluss vom 09.02.2015 – 34 Wx 43/15 – hingewiesen.

Zuständig für die Gestattung der Einsicht in das Grundbuch ist der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (§ 12c Abs. 1 Nr. 1 GBO), während der Rechtspfleger erst zu entscheiden hat, wenn die Abänderung der Entscheidung des Urkundsbeamten verlangt wird (§ 12c Abs. 4 GBO).

 

Verdachtskündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses nach der Probezeit.

Der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Auszubildenden kann einen wichtigen Grund zur Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 Berufsbildungsgesetz (BBiG) darstellen, wenn der Verdacht

  • auch bei Berücksichtigung der Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses

dem Ausbildenden die Fortsetzung der Ausbildung objektiv unzumutbar macht.

Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 12.02.2015 – 6 AZR 845/13 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall war das Berufsausbildungsverhältnis des Klägers, der seit 01.08.2010 eine Berufsausbildung zum Bankkaufmann absolvierte,

  • wegen des durch die Offenbarung von Täterwissen begründeten Verdachts der Entwendung von 500,00 Euro gekündigt worden,

nachdem er,

  • das sich in den Nachttresor-Kassetten befindliche Geld gezählt hatte,
  • später ein Kassenfehlbestand von 500,00 Euro festgestellt worden war und
  • der Beklagte in einem Personalgespräch von sich aus die Höhe dieses Fehlbetrags genannt hatte, obwohl er nur auf eine unbezifferte Kassendifferenz angesprochen worden war.

Die Einwendungen, die vom Kläger gegen diese Kündigung vorgebracht worden waren, nämlich,

  • dass seiner Ansicht nach, ein Berufsausbildungsverhältnis nicht durch eine Verdachtskündigung beendet werden könne,
  • es u.a. an einer ordnungsgemäßen Anhörung fehle, weil ihm vor dem fraglichen Gespräch nicht mitgeteilt worden sei, dass er mit einer Kassendifferenz konfrontiert werden solle,
  • man ihn auf die Möglichkeit der Einschaltung einer Vertrauensperson nicht hingewiesen und
  • die Beklagte zudem Pflichten aus dem Bundesdatenschutzgesetz verletzt habe,

hatten keinen Erfolg.
Vielmehr war die Verdachtskündigung nach der Entscheidung des BAG wirksam und hat das Ausbildungsverhältnis beendet.
Wie das BAG ausführte, bedurfte es weder einer vorherigen Bekanntgabe des Gesprächsthemas, noch eines Hinweises bzgl. der möglichen Kontaktierung einer Vertrauensperson und stand auch Datenschutzrecht der Beweiserhebung und -verwertung nicht entgegen.

Das hat die Pressestelle des Bundesarbeitsgerichts am 12.02.2015 – Nr. 6/15 – mitgeteilt.

 

Wenn in Medien über ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren berichtet wird.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) darf eine Tatsachenbehauptung,

  • deren Wahrheitsgehalt ungeklärt ist und
  • die eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit betrifft,

demjenigen, der sie aufstellt oder verbreitet, solange nicht untersagt werden,

Eine Berufung hierauf setzt allerdings voraus, dass der auf Unterlassung in Anspruch Genommene vor Aufstellung oder Verbreitung der Behauptung hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt hat.

  • Die Pflichten zur sorgfältigen Recherche über den Wahrheitsgehalt richten sich dabei nach den Aufklärungsmöglichkeiten.
  • Sie sind für die Medien grundsätzlich strenger als für Privatleute.

An die Wahrheitspflicht dürfen aber im Interesse der Meinungsfreiheit keine Anforderungen gestellt werden, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen und so den freien Kommunikationsprozess einschnüren. Andererseits ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Wahrheitspflicht Ausdruck der Schutzpflicht ist, die aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgt.

  • Je schwerwiegender die Äußerung das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt, umso höhere Anforderungen sind deshalb an die Erfüllung der Sorgfaltspflichten zu stellen.

Allerdings ist auch das Interesse der Öffentlichkeit an derartigen Äußerungen zu berücksichtigen.

  • Erforderlich ist jedenfalls ein Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst „Öffentlichkeitswert“ verleihen.
  • Die Darstellung darf keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten; sie darf also nicht durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt.
  • Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen.
  • Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist.

Darauf,

  • dass nach diesen Grundsätzen zu beurteilen ist, ob sich eine beanstandete Berichterstattung im Rahmen der zulässigen Verdachtsberichterstattung hält,

hat der unter anderem für Presserecht zuständige 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe in drei Urteilen vom 02.02.2015 – 6 U 130/14, 6 U 131/14 sowie 6 U 132/14 – hingewiesen.
In den den Entscheidungen zugrunde liegenden Fällen hatte ein Zahnarzt,

  • nachdem in verschiedenen Medien, unter Angabe bestimmter Einzelheiten, die seine Identifizierung ermöglichten, berichtet worden war, er stehe aufgrund einer Vielzahl von Anzeigen im Verdacht, Patienten aus Gewinnstreben gesunde Zähne gezogen und durch Implantate ersetzt zu haben,

sich erfolglos gegen eine weitere derartige Berichterstattung gewandt.

 

Wann ist der Versuch einer Straftat fehlgeschlagen?

Fehlgeschlagen ist ein Versuch (erst), wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs

  • mit den bereits eingesetzten oder
  • anderen naheliegenden Mitteln

objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter

  • dies erkennt oder
  • wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält.

Maßgeblich dafür ist

Davon, dass ein fehlgeschlagener Versuch vorliegt, darf das Tatgericht nur ausgehen, wenn die getroffenen Feststellungen einen solchen Fehlschlag belegen.

Darauf hat der 4. Strafsenat des BGH mit Beschluss vom 15.01.2015 – 4 StR 560/14 – hingewiesen.

 

Das Sparbuch.

Das Sparbuch ist ein sogenanntes hinkendes Inhaberpapier im Sinne von § 808 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Dieses verkörpert zwar ein Leistungsversprechen an einen individualisierbaren Gläubiger. Der Schuldner (also die Bank bzw. Sparkasse) ist jedoch bei Vorlage der Urkunde (also des Sparbuches) nicht zur Leistung verpflichtet, sondern nur hierzu berechtigt (§ 808 Abs. 2 S. 1 BGB). Die Gläubigerstellung (also wem das Guthaben auf dem Sparbuch zusteht) ergibt sich aus den allgemeinen schuldrechtlichen Regeln außerhalb der Urkunde.

Ist ein Sparbuch abhanden gekommen, so kann es gemäß § 808 Abs. 2 S. 2 BGB im Wege des Aufgebotsverfahrens durch das Gericht für kraftlos erklärt werden.
Für dieses Aufgebotsverfahren gelten grundsätzlich die §§ 466 bis 483 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG), auch wenn die Sonderregelung für hinkende Inhaberpapiere in § 483 S. 1 FamFG nur auf einen Teil der Vorschriften der §§ 466 bis 483 FamFG verweist.
Insbesondere richtet sich die Antragsberechtigung nach § 467 FamFG.

  • Dabei gilt nicht die spezielle Regelung des § 467 Abs. 1 FamFG, wonach bei Inhaberpapieren nur der bisherige Inhaber, d. h. die im Papier namentlich benannte Person das Aufgebot beantragen kann.
  • Vielmehr gilt für hinkende Inhaberpapiere § 467 Abs. 2 FamFG.

Danach ist berechtigt das Aufgebotsverfahren zu beantragen,

  • wer das Recht aus der Urkunde geltend machen kann,
  • also wer nach materiellem Recht Gläubiger ist.

Zweck des in § 808 Abs. 2 S. 2 BGB vorgesehenen Aufgebotsverfahrens ist es nämlich nicht, die förmliche Legitimation des bisherigen Inhabers wiederherzustellen, sondern die Vorlegung der Urkunde zu ersetzen, dem materiell Berechtigten also die Geltendmachung des Rechts trotz Verlustes der Urkunde zu ermöglichen.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe mit Beschluss vom 09.02.2015 – 14 Wx 60/14 – hingewiesen.

 

Berechnung des Urlaubs bei Wechsel in eine Teilzeittätigkeit mit weniger Wochenarbeitstagen.

Kann ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer

  • vor seinem Wechsel in eine Teilzeittätigkeit mit weniger Wochenarbeitstagen
  • Urlaub nicht nehmen,

darf nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH)

  • die Zahl der Tage des bezahlten Jahresurlaubs wegen des Übergangs in eine Teilzeitbeschäftigung nicht verhältnismäßig gekürzt werden.

Das Argument, der erworbene Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub werde bei einer solchen Kürzung nicht vermindert, weil er – in Urlaubswochen ausgedrückt – unverändert bleibe, hat der EuGH unter Hinweis auf das Verbot der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter ausdrücklich verworfen. Aufgrund dieser Rechtsprechung des EuGH konnte an der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) nicht festgehalten werden, nach der die Urlaubstage grundsätzlich umzurechnen waren, wenn sich die Anzahl der mit Arbeitspflicht belegten Tage verringerte.

Darauf hat der Neunte Senat des BAG mit Urteil vom 10.02.2015 – 9 AZR 53/14 (F) – in einem Fall hingewiesen, in dem ein Arbeitnehmer, auf dessen Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) Anwendung fand,

  • ab dem 15.07.2010 in eine Teilzeittätigkeit gewechselt,
  • von da an nicht mehr an fünf, sondern nur noch an vier Tagen in der Woche gearbeitet sowie
  • während seiner Vollzeittätigkeit im Jahr 2010 keinen Urlaub hatte

und

  • vom Arbeitgeber die Ansicht vertreten worden war, dem Arbeitnehmer stünden angesichts des tariflichen Anspruchs von 30 Urlaubstagen bei einer Fünftagewoche nach seinem Wechsel in die Teilzeittätigkeit im Jahr 2010 nur die 24 von ihr gewährten Urlaubstage zu (30 Urlaubstage geteilt durch fünf mal vier)

während

  • der Arbeitnehmer die Ansicht vertreten hatte, eine verhältnismäßige Kürzung seines Urlaubsanspruchs sei für die Monate Januar bis Juni 2010 nicht zulässig, sodass er im Jahr 2010 Anspruch auf 27 Urlaubstage habe (für das erste Halbjahr die Hälfte von 30 Urlaubstagen, mithin 15 Urlaubstage, zuzüglich der von ihm für das zweite Halbjahr verlangten zwölf Urlaubstage).

Der Neunte Senat des BAG gab dem Arbeitnehmer Recht.
Zwar regele, wie der Senat ausführte, § 26 Abs. 1 TVöD u.a., dass sich der für die Fünftagewoche festgelegte Erholungsurlaub nach einer Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf weniger als fünf Tage in der Woche vermindere.
Die Tarifnorm sei jedoch wegen Verstoßes gegen das Verbot der Diskriminierung von Teilzeitkräften unwirksam, soweit sie die Zahl der während der Vollzeittätigkeit erworbenen Urlaubstage mindert.

Das hat die Pressestelle des Bundesarbeitsgerichts am 10.02.2015 – Nr. 3/15 – mitgeteilt.

 

Urlaubsgewährung für den Fall der Unwirksamkeit der fristlosen und der Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung?

Kündigt ein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis

  • fristlos sowie
  • hilfsweise ordentlich unter Wahrung der Kündigungsfrist

und

  • erklärt er im Kündigungsschreiben, dass der Arbeitnehmer für den Fall der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung unter Anrechnung der Urlaubsansprüche von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt wird,

wird der Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlten Erholungsurlaub, mangels einer vorbehaltlosen Zusage von Urlaubsentgelt, nicht erfüllt, wenn die außerordentliche Kündigung unwirksam ist.
Nach § 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) setzt die Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub nämlich

  • neben der Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung
  • auch die Zahlung der Vergütung voraus.

Demzufolge gewährt ein Arbeitgeber durch die Freistellungserklärung in einem Kündigungsschreiben nur dann wirksam Urlaub, wenn er dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung

  • vor Antritt des Urlaubs
  • zahlt oder vorbehaltlos zusagt.

Darauf hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Urteil vom 10.02.2015 – 9 AZR 455/13 – in einem Fall hingewiesen, in dem ein Arbeitnehmer,

  • dem mit Schreiben vom 19.05.2011 außerordentlich mit sofortiger Wirkung und hilfsweise fristgemäß zum 31.12.2011 gekündigt und
  • dem in dem Kündigungsschreiben mitgeteilt worden war,
    • „im Falle der Wirksamkeit der hilfsweise fristgemäßen Kündigung werden Sie mit sofortiger Wirkung unter Anrechnung sämtlicher Urlaubs- und Überstundenansprüche unwiderruflich von der Erbringung Ihrer Arbeitsleistung freigestellt,“

die Abgeltung von 15,5 Urlaubstagen verlangt hatte.

Das hat die Pressestelle des Bundesarbeitsgerichts am 10.02.2015 – Nr. 2/15 – mitgeteilt.