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Wann verstößt ein Wohn- oder Geschäftsraumvermieter gegen das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot?

Das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot schützt Mieter vor der Umlegung überhöhter oder nicht erforderlicher Nebenkosten.
Es bezeichnet die auf Treu und Glauben beruhende vertragliche Nebenpflicht des Vermieters, den Mieter nur mit Nebenkosten zu belasten, die erforderlich und angemessen sind (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 28.11.2007 – VIII ZR 243/06 –). Nur solche Kosten darf der Vermieter in Ansatz bringen.

Veranlasst der Vermieter den Anfall überhöhter Kosten, so verletzt er die aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot folgende vertragliche Nebenpflicht und ist insoweit zur Freihaltung des Mieters verpflichtet (BGH, Urteile vom 04.05.2011 – XII ZR 112/09 – vom 03.08.2011 – XII ZR 205/09 – und vom 28.11.2007 – VIII ZR 243/06 –).

  • Den Vermieter trifft dementsprechend die Darlegungs- und Beweislast lediglich dafür, dass die umgelegten Kosten angefallen und von der vertraglichen Vereinbarung abgedeckt sind.
  • Demgegenüber folgt aus der Einordnung des Wirtschaftlichkeitsgebots als vertragliche Nebenpflicht, deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB auslöst, dass die Darlegungs- und Beweislast insoweit den Mieter trifft (BGH, Urteil vom 06.07.2011 – VIII ZR 340/10 –).

Grundsätzlich trägt der Vermieter insoweit auch keine sekundäre Darlegungslast, die ihn zur näheren Darlegung der für die Wirtschaftlichkeit erheblichen Tatsachen, etwa eines Preisvergleichs, verpflichten würde (BGH, Urteil vom 06.07.2011 – VIII ZR 340/10 –).
Die Beurteilung der Angemessenheit von Nebenkosten, von denen sich der Mieter durch Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen Kenntnis verschaffen kann, ist dem Mieter ebenso möglich wie dem Vermieter. Für eine sekundäre Darlegungslast des Vermieters fehlt somit die Rechtfertigung.

Die Würdigung des Vorbringens zur fehlenden Angemessenheit oder Erforderlichkeit der abgerechneten Kosten liegt vornehmlich in der Verantwortung des Tatrichters.

  • Dabei dürfen einerseits die Anforderungen an die dem Mieter obliegende Darlegung der Umstände, die für einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot sprechen, nicht überspannt werden. Insbesondere dürfen die Anforderungen an die Darlegung nicht so weit gehen, dass sie das Gericht von der Richtigkeit der behaupteten Tatsache bereits überzeugen müssen.
  • Auf der anderen Seite genügt es für die Darlegung einer Nebenpflichtverletzung des Vermieters noch nicht, wenn der Mieter die Angemessenheit und Üblichkeit der Kosten nur bestreitet oder lediglich pauschal behauptet, dass die betreffenden Leistungen zu überhöhten Preisen beschafft worden seien.
  • Vielmehr ist von ihm die Darlegung zu erwarten, dass gleichwertige Leistungen nach den örtlichen Gegebenheiten zu einem deutlich geringeren Preis zu beschaffen gewesen wären. Nur dann kann dem Vermieter, dem bei der Auswahl seiner Vertragspartner ein Ermessensspielraum zuzugestehen ist, eine Pflichtverletzung vorgeworfen werden.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 17.12.2014 – XII ZR 170/13 – hingewiesen.

 

Keine Abstandsermittlung mit Hilfe der Fahrbahnmarkierung.

Auf Autobahnbahnen sind nach einer Richtlinie für Straßenmarkierungen unterbrochene Striche einer einseitigen Fahrstreifenbegrenzung je 6 m lang und die Zwischenräume je 12 m.

  • Davon, dass dem durchschnittlichen Kraftfahrer dies bekannt ist oder bekannt sein muss, kann jedoch nicht ausgegangen werden.
  • Deshalb muss ein Fahrzeugführer mit Hilfe dieser Fahrbahnmarkierungen auch seinen Abstand nicht ermitteln können.

Das hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg mit Beschluss vom 05.01.2015 – 2 Ss(Owi) 322/14 – entschieden und auf die Rechtsbeschwerde eines Lkw-Fahrers das Urteil eines Amtsgerichts (AG) aufgehoben,

  • dem das AG vorgeworfen hatte, auf der Autobahn mit einem Lastwagen mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 t, bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von mehr als 50 km/h, den erforderlichen Mindestabstand von 50 m nicht eingehalten zu haben, was er mit Hilfe der Fahrbahnmarkierung hätte erkennen können und
  • gegen den deswegen nach §§ 4 Abs. 3, 49 Abs. 1 Nr. 4 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) eine Geldbuße von 80 € verhängt worden war.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Oldenburg am 22.01.2015 mitgeteilt.

Aber Achtung:
Das OLG verwies die Sache zur erneuten Verhandlung an das AG zurück, weil der Senat es als möglich ansah, dass das AG im weiteren Verfahren erneut zu einer Verurteilung kommen kann. 

 

Wenn in einem Parkhaus zwei rückwärts fahrende Fahrzeuge kollidieren.

Kommt es in einer Tiefgarage zu einer Kollision zwischen zwei zum Zeitpunkt der Anpralls jeweils mit geringer Geschwindigkeit rückwärts fahrenden Fahrzeugen, weil

  • eine Pkw-Fahrerin mit ihrem Fahrzeug aus ihrer schräg zur Durchfahrt zwischen den Parkreihen angeordneten Parkbucht rückwärts herausfährt,
  • während ein Pkw-Fahrer gleichzeitig mit seinem Fahrzeug auf dieser Durchfahrt ein Stück geradeaus rückwärts fährt, um anschließend in eine vor seinem Fahrzeug gelegene Parkbucht besser vorwärts einparken zu können,

soll den Pkw-Fahrer bei Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge gemäß § 17 Straßenverkehrsgesetz (StVG) an der Entstehung dieses Unfall ein überwiegendes Verschulden treffen.

Das hat das Landgericht (LG) Heidelberg mit Urteil vom 13.01.2015 – 2 S 8/14 – entschieden und den Pkw-Fahrer (im Folgenden Beklagter genannt) verurteilt, der Pkw-Fahrerin (im Folgenden Klägerin genannt) 2/3 ihres Schadens zu ersetzen.

Bei der Entscheidung ist das LG Heidelberg davon ausgegangen, dass sowohl die Klägerin als auch der Beklagte gegen die beim Rückwärtsfahren geltende erhöhte Sorgfaltspflicht verstoßen haben, weil

  • nach einhelliger Auffassung auch Parkhäuser und der Allgemeinheit zur Verfügung gestellte Tiefgaragen unabhängig von einer entsprechenden Widmung – jedenfalls während der Betriebszeit – dem öffentlichen Verkehrsraum zuzurechnen sind, so dass die Verhaltensvorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) anwendbar sind und
  • es insoweit dahinstehen kann, ob die Bestimmung des § 9 Abs. 5 StVO, wonach ein Fahrzeugführer sich beim Rückwärtsfahren so verhalten muss, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist, auf einem Parkplatz, der allein dem ruhenden und nicht dem fließenden Verkehr dient,
  • nachdem jedenfalls den rückwärts Fahrenden auch auf Parkplätzen eine vergleichsweise höhere Sorgfaltspflicht trifft,
  • es anerkannt, dass bei einer Kollision während des Zurücksetzens der Anschein für ein Verschulden des Rückwärtsfahrenden spricht,
  • dies auch gilt, wenn sich der Unfall auf einem Parkplatz ereignet hat und

der für die beiderseitigen Sorgfaltsverstöße sprechende Anscheinsbeweis von keiner der Parteien erschüttert worden war.

Dass der Beklagte im obigen Fall auf dem Durchfahrtsweg, auf dem mit weißer Farbe ein lediglich in einer Richtung weisender Pfeil angebracht war, rückwärts entgegen der Pfeilrichtung gefahren war, diesem Umstand maß das LG weder zu Gunsten der Klägerin, noch zu Lasten des Beklagen Bedeutung zu, weil

  • in Tiefgaragen, erst recht bei schräg ausgerichteten Parkbuchten, immer rangiert sowie insbesondere beim Ausparken zwangsläufig auch auf dem Durchfahrtsweg zumindest ein kurzes Stück rückwärts gefahren werden muss,
  • die Klägerin deshalb nicht darauf vertrauen durfte, dass keine Fahrzeuge entgegen der Pfeilrichtung fahren würden und
  • ein Pkw-Fahrer wie der Beklagte, der entgegen der Pfeilrichtung keine größere Wegstrecke rückwärts fährt als zum Rangieren beim Ein- oder Ausparken erforderlich ist, dem Gebot, den Durchfahrtsweg bei der Suche nach einem Parkplatz lediglich in Pfeilrichtung zu befahren nicht zuwider handelt.

Maßgebend für das LG den Sorgfaltsverstoß des Beklagten schwerer wiegend zu werten als das Verschulden der Klägerin war vielmehr, dass seiner Ansicht nach das Fahrverhalten des Beklagten mehr Risiken barg als dasjenige der Klägerin und ihn aus diesem Grund eine nochmals erhöhte Sorgfaltspflicht traf.
Das LG begründete dies und dass eine hälftige Haftung den gegebenen Umständen nicht gerecht werden würde, damit,

  • dass der Beklagte beim Rückwärtsfahren auf dem Durchfahrtsweg in gleicher Weise mit entgegenkommenden wie mit aus den Parklücken rückwärts ausparkenden Fahrzeugen rechnen musste, er bei aufmerksamem Blick durch die Heckscheibe und die hinteren Seitenfenster aus den Parklücken rückwärts ausparkende Fahrzeuge auch erkennen konnte und er besonders in Rechnung stellen hätte müssen, dass die rückwärts ausparkenden Fahrzeugführer in erster Linie auf den ihnen auf dem Durchfahrtsweg entgegenkommenden Verkehr achten würden und sein Fahrzeug aus diesem Grund nicht bemerken könnten,

während

  • die Klägerin zwar nicht darauf vertrauen durfte, dass auf dem Durchfahrtsweg keine Fahrzeuge rückwärts entgegen der Pfeilrichtung fahren würden und sie sich daher ebenso wie der Beklagte nach allen Seiten hätte vergewissern müssen,
  • sie aufgrund der schräg zur Durchfahrt verlaufenden Anordnung ihres Parkplatzes beim Blick nach hinten durch die Heckscheibe aber nur den Durchfahrtsweg in die dem Fahrzeug des Beklagten abgewandte Richtung und die hinter ihr geparkten Fahrzeuge sehen konnte, um das Fahrzeug des Beklagten wahrzunehmen, sie ihren Blick von der Fahrtrichtung hätte abwenden müssen und sie zudem davon ausgehen musste, dass wesentlich mehr Fahrzeuge den Durchfahrtsweg vorwärts in Pfeilrichtung befahren würden als rückwärts entgegen der Pfeilrichtung.

 

Die vom Käufer zu zahlende Nutzungsentschädigung bei Rückabwicklung eines Gebrauchtwagenkaufs.

Die bei Rückabwicklung eines Gebrauchtwagenkaufs für jeden gefahrenen Kilometer vom Käufer für die Nutzung des Fahrzeugs zu zahlende Entschädigung ist in der Weise zu ermitteln, dass

  • der vereinbarte (Brutto-)Kaufpreis
  • durch die voraussichtliche Restlaufleistung des Fahrzeugs (im Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs an den Käufer)

geteilt wird.

  • Als Restlaufzeit sind dabei die km anzusetzen, die sich ergeben, wenn von der Gesamtfahrleistung eines entsprechenden Neufahrzeugs die bis zur Übergabe an den Käufer gefahrenen km abgezogen werden.

Ermittlungsbeispiel:

Beträgt die (voraussichtliche) Gesamtfahrleistung eines entsprechenden Neufahrzeugs 250.000 km und ist das Fahrzeug dem Käufer mit einem Kilometerstand (d. h. mit bereits gefahren) 15.000 km übergeben worden,

  • sind als Restlaufzeit 235.000 km anzusetzen (= 250.000 km abzüglich 15.000 km).

Waren als (Brutto-)Kaufpreis für den Gebrauchtwagen 53.740 € vereinbart, ist dieser Betrag durch 235.000 (das ist vorliegend die Restlaufleistung) zu dividieren,

  • so dass sich für den Beispielsfall eine Entschädigung von 0,2287 € je km ergibt.

Ist der Käufer mit dem Fahrzeug bis zur Rückgabe 135.000 km gefahren, bedeutet das, dass er

  • als Entschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs 30.874 € (= 135.000 multipliziert mit 0,2287 €) zahlen muss.

Darauf hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 09.12.2014 – VIII ZR 196/14 – hingewiesen.

 

Wenn ein Vermieter das gesetzliche Vorkaufsrecht eines Mieters nach § 577 BGB vereitelt.

Wird an einer Mietwohnung nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet und ist der Mieter deshalb nach § 577 Abs. 1 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zum Vorkauf berechtigt, kann dem vorkaufsberechtigten Mieter,   

  • wenn er infolge einer Verletzung der den Vermieter treffenden Mitteilungspflichten aus § 577 Abs. 1 Satz 3, § 469 Abs. 1 Satz 1BGB, § 577 Abs. 2 BGB vom Inhalt des Kaufvertrags und seinem Vorkaufsrecht erst nach Übereignung der Wohnung an einen Dritten Kenntnis erlangt und
  • aus diesen Gründen von der Ausübung des Vorkaufsrechts absieht,

Anspruch auf Ersatz

  • der Differenz
    • zwischen dem Verkehrswert der Wohnung und
    • dem mit dem Dritten vereinbarten Kaufpreis – abzüglich ersparter Kosten –

als Erfüllungsschaden zustehen.

Das hat der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 21.01.2015 – VIII ZR 51/14 – in einem Fall entschieden,

  • in dem die Mietwohnung der Klägerin nach Mietbeginn in eine Eigentumswohnung umgewandelt,
  • danach von der beklagten Vermieterin und Eigentümerin an einen Dritten veräußert worden war, ohne die Klägerin vom Kaufvertragsabschluss zu unterrichten oder auf ihr Vorkaufsrecht hinzuweisen und
  • die Klägerin geltend gemacht hatte, dass die Wohnung einen Verkehrswert von 266.250 aufweise, sie diese bei Ausübung des Vorkaufsrechts zu einem Kaufpreis von (nur) 186.571 € hätte erwerben und dadurch einen Gewinn von 79.679 € hätte erzielen können.

Nach der Entscheidung des BGH sollen die Mitteilung vom Eintritt des Vorkaufsfalls und die Belehrung über die Vorkaufsberechtigung den Mieter in die Lage versetzen, sein Vorkaufsrecht auszuüben und damit einen Anspruch auf Übereignung der Wohnung zu begründen. Erhält der Mieter diese Informationen erst zu einem Zeitpunkt, zu dem der Kaufvertrag mit dem Drittkäufer schon abgewickelt worden ist, steht zu vermuten, dass der Vermieter die nicht mehr in seinem Eigentum stehende Wohnung nicht an den Mieter übereignen kann.

  • In einem solchen Fall ist vom Mieter nicht zu verlangen, dass er zunächst das Vorkaufsrecht ausübt, um hierdurch einen Kaufvertrag mit dem Vermieter zustande zu bringen, den dieser von vornherein nicht erfüllen kann.
  • Vielmehr kann der Mieter dann unmittelbar Ersatz des Erfüllungsschadens – hier entgangener Gewinn – begehren, der ihm bei Ausübung des Vorkaufsrechts entstanden wäre.

Der Erstattungsfähigkeit eines solchen Schadens steht nach Ansicht des BGH auch nicht ein eingeschränkter Schutzzweck des Vorkaufsrechts nach § 577 BGB entgegen. Denn der Gesetzgeber verfolgte mit dieser Regelung

  • nicht nur die Absicht, den Mieter vor einer Verdrängung durch Drittkäufer zu schützen,
  • sondern wollte ihm auch die Möglichkeit eröffnen, die Wohnung zu einem Kaufpreis zu erwerben, den auch ein Dritter zu zahlen bereit ist, und ihn damit an den von diesem ausgehandelten günstigen Konditionen teilhaben lassen.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 21.01.2015 – Nr. 10/2015 – mitgeteilt.

 

Ein Pflichtteilsberechtigter, welche Auskünfte kann er vom Erben verlangen?

Nach § 2314 Abs. 1 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann ein Pflichtteilsberechtigter der nicht Erbe ist, vom Erben Auskunft über den Bestand des Nachlasses verlangen.
Der danach zur Auskunftserteilung verpflichtete Erbe hat dem Pflichtteilsberechtigten ein

  • (schriftliches) Bestands- oder Vermögensverzeichnis nach § 260 BGB,
  • welches grundsätzlich vollständig und einheitlich alle Aktiv- und Passivwerte des Nachlasses aufführen muss,

vorzulegen.

  • Der Pflichtteilsberechtigte hat daher nach ständiger Rechtsprechung Anspruch auf Auskunft über alle beim Erbfall tatsächlich vorhandenen
    • Nachlassgegenstände (reale Nachlassaktiva) und
    • Nachlassverbindlichkeiten (Passiva).
  • Über den tatsächlichen Bestand hinaus auf die Vermögensdispositionen, die der Erblasser zu Lebzeiten getroffen hat, erstreckt sich die Auskunftspflicht des Erben grundsätzlich nicht.
  • Eine Ausnahme gilt für den sogenannten fiktiven Nachlassbestand, also für
    • ausgleichungspflichtige Zuwendungen des Erblassers (§ 2316 BGB in Verbindung mit §§ 2050 ff. BGB) und
    • für ergänzungspflichtige Schenkungen i. S. v. § 2325 BGB, d. h. über unentgeltliche Zuwendungen, die der Erblasser innerhalb seiner letzten zehn Lebensjahre an Dritte gemacht hat.

Für den Auskunftsanspruch nach § 2325 BGB ist nicht Voraussetzung, dass das Vorliegen einer Schenkung feststeht und ob der Auskunftsberechtigte Anhaltspunkte für eine Schenkung nachweisen muss, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.

  • Jedenfalls bei ausreichenden Anhaltspunkten für möglicherweise pflichtteilsrelevante Vorgänge muss sich die Auskunft auf alle Umstände erstrecken, deren Kenntnis wesentlich ist für die Beurteilung, ob und in welcher Höhe ein Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend gemacht werden kann.

Grundsätzlich besteht im Rahmen des Auskunftsanspruchs gemäß § 2314 BGB keine allgemeine Pflicht

  • zur Rechenschaftslegung oder
  • gar zur Vorlage von Belegen;
  • vielmehr kann die Vorlage von Belegen nur ausnahmsweise dann verlangt werden, wenn es auf diese ankommt, um dem Pflichtteilsberechtigten die Schätzung des Wertes seines Anspruches zu ermöglichen, wie beispielsweise bei gemischten Schenkungen oder schwer einzuschätzenden Vermögensobjekten wie Unternehmens- oder Gesellschaftsbeteiligungen.

Ist eine vom Erben erteilte Auskunft nicht vollständig,

  • kann der Pflichtteilsberechtigte in der Regel nicht die Vervollständigung, beispielsweise die Ergänzung der bereits erteilten Auskunft über die Zusammensetzung des Hausrats der Immobilie des Erblassers,
  • sondern statt dessen nur, wie in dem Fall, dass Grund zu der Annahme besteht, dass das Bestandsverzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt aufgestellt worden ist, vom Erben die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung über die Richtigkeit und Vollständigkeit des Bestandsverzeichnisses verlangen (§ 260 Abs. 2 BGB).

Ausnahmen hiervon werden aber bejaht, wenn

Eine solche Unvollständigkeit liegt auch dann vor, wenn Angaben zu den wertbildenden Faktoren, wie Größe, Alter, Herkunft, Material, Motiv, von im Inventarverzeichnis aufgelisteten Teppichen und Bildern weitgehend fehlen. Ohne Kenntnis von solchen (weiteren) wertbildenden Faktoren ist eine genauere Einschätzung der Verkehrswerte nämlich nicht möglich.
Dass nach § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB ein Anspruch auf Wertermittlung in Betracht kommt, soweit für die Bewertung einzelner Nachlassgegenstände die Hilfe eines Sachverständigen erforderlich ist und deshalb in der Regel für eine Auskunft eine solche Bezeichnung des Nachlassgegenstandes genügt, mit deren Hilfe der Pflichtteilsberechtigte die Ermittlung des Wertes durch einen Sachverständigen beantragen kann (Brandenburgisches OLG, Urteil vom 07.01.2004 – 13 U 25/03 –), ändert an dem Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf Auskunft über die wertbildenden Merkmale von Nachlassgegenständen nichts, weil nur mit Hilfe dieses Wissens der Pflichtteilsberechtigte eine sachgerechte Entscheidung treffen kann, ob er den Erben zusätzlich auf Wertermittlung in Anspruch nehmen will.

Darauf hat das OLG Karlsruhe mit Urteil vom 09.12.2014 – 8 U 187/13 – hingewiesen.

 

Patient kann von Klinikträger nicht Auskunft über die Privatanschrift eines angestellten Arztes verlangen.

Ein Patient hat gegenüber Arzt und Krankenhaus

  • grundsätzlich auch außerhalb eines Rechtsstreits Anspruch auf Einsicht in die ihn betreffenden Krankenunterlagen, soweit sie Aufzeichnungen über objektive physische Befunde und Berichte über Behandlungsmaßnahmen (Medikation, Operation etc.) betreffen.
  • Auch ist der Träger der Einrichtung in der ein Patient behandelt wurde, grundsätzlich gehalten, dem Patienten den Namen des ihn behandelnden Arztes mitzuteilen.
  • Ihm die Privatanschrift des behandelnden Arztes mitzuteilen kann ein Patient von der Einrichtung in der er behandelt worden und der Arzt angestellt ist, dagegen nicht verlangen, wenn er diese zur Führung eines Zivilprozesses gegen den Arzt nicht benötigt, weil die Klage gegen den Arzt auf Schadensersatz diesem unter der Klinikanschrift zugestellt werden kann.  

Darauf hat der u.a. für die Fragen des Persönlichkeitsschutzes und der Arzthaftung zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 20.01.2015 – VI ZR 137/14 – hingewiesen.

Danach steht der Erteilung der Auskunft über die Privatanschrift auch die datenschutzrechtliche Vorschrift des § 32 Abs. 1 Satz 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) entgegen.
Diese Regelung gestattet dem Arbeitgeber die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Daten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses. Der Arbeitgeber ist aber grundsätzlich nicht berechtigt, personenbezogene Daten, die für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben worden sind, an Dritte weiterzuleiten. Da die Daten für die Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben worden sind, ist die Übermittlung an Dritte nach dem für den Datenschutz geltenden Zweckbindungsgebot grundsätzlich als zweckfremde Verwendung ausgeschlossen.
Eine Weiterleitung privater Kommunikationsdaten an Dritte bedarf vielmehr der Einwilligung des Betroffenen oder der besonderen Gestattung durch eine Rechtsvorschrift.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 20.01.2015 – Nr. 9/2015 – mitgeteilt.

 

Wenn ein unbekannter Dritter unberechtigt von außerhalb das WLAN-Netzwerk eines Internetanschlussinhabers nutzt.

Ist eine Urheberrechtsverletzung über den Internetanschluss eines Anschlussinhabers von einem unbekannten Dritten begangen worden, der sich unberechtigt Zugang zum WLAN-Netzwerk des Internetanschlussinhabers verschafft hat, kommt eine Störerhaftung des Internetanschlussinhabers analog § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dann in Betracht,

  • wenn sein Internetanschluss nicht ausreichend gegen unbefugte Zugriffe gesichert war,
  • was der, dessen Urheberrecht verletzt worden ist darlegen und beweisen muss, wenn er mit dieser Begründung den Internetanschlussinhaber in Anspruch nehmen will.

Da nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der Betrieb eines nicht ausreichend gesicherten WLANs einen Anknüpfungspunkt für eine Störerhaftung darstellt, obliegt einem Anschlussinhaber, der geltend macht, die Rechtsverletzung könne nicht von ihm, sondern nur von einem Dritten begangen worden sein, der seine WLAN-Verbindung von außerhalb genutzt habe, eine sekundäre Darlegungslast (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 12.05.2010 – I ZR 121/08 –).

Dieser Darlegungslast genügt der Anschlussinhaber, wenn er – soweit ihm dies (noch) möglich ist – vorträgt,

  • um was für einen Anschluss es sich handelt, insbesondere ob ein WLAN-Netzwerk installiert war,
  • wann der Anschluss eingerichtet,
  • welcher Routertyp verwendet wurde und mit was für einer Sicherung der Anschluss im Zeitpunkt der Rechtsverletzung gesichert war.

Ferner gehört dazu die genaue Angabe

  • der Verschlüsselungstechnik,
  • des konkret verwendeten Passworts und
  • Vortrag zu dessen Generierung, insbesondere dazu, ob es sich um ein individuell gewähltes Passwort handelt.

Trägt der Anschlussinhaber diese genannten Details vor, ist er damit seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen, mit der Folge, dass den Verletzten dann wieder die volle Beweislast dafür trifft, dass eine ungenügende Sicherung des Internetanschlusses gegen unbefugte Zugriffe vorgelegen hat.

Steht fest, dass ein Anschlussinhaber den werkseitig vergebenen WPAZ-Schlüssel nicht individuell verändert hat, kommt deswegen nach Ansicht des Amtsgerichts (AG) Hamburg nicht in jedem Fall eine Störerhaftung in Betracht.
Vielmehr begründet ein solches Unterlassen eine Störerhaftung nur dann, wenn

  • dem Anschlussinhaber bekannt war, dass die werkseitig vorgegebene Verschlüsselung nicht hinreichend sicher ist und diese mit überschaubarem Aufwand „geknackt“ und der Schutzmechanismus so überwunden werden kann oder
  • der ausgelieferte und angeschlossene Router mit einem werkseitig vorgegebenen Schlüssel ausgestattet war, der für eine Vielzahl von Geräten galt.

Hat es sich dagegen bei dem vom Werk vergebenen Authentifizierungsschlüssel um einen individuell vergebenen gehandelt, trägt der Anschlussinhaber das substantiiert vor und weist der Verletzte nicht nach, dass dies nicht zutrifft, scheidet eine Störerhaftung des Anschlussinhabers aus (vgl. Amtsgericht (AG) Frankfurt, Urteil vom 14.06.2013 – 30 C 3078/12 -).
Denn da ein werkseitig vergebenes, individuelles und daher nur dem Inhaber des WLAN-Routers bekanntes Kennwort mindestens ebenso sicher ist wie ein selbst gewähltes, in vielen Fällen sogar sicherer, kann die Rechtsprechung des BGH, dass der Inhaber eines WLAN-Anschlusses, der es unterlässt, die im Kaufzeitpunkt des WLAN-Routers marktüblichen Sicherungen ihrem Zweck entsprechend anzuwenden, als Störer auf Unterlassung und damit auch aus Ersatz der Abmahnkosten haftet, wenn Dritte diesen Anschluss missbräuchlich nutzen, nur in den Fällen Geltung beanspruchen, in denen ein Router ausgeliefert und angeschlossen worden ist, der mit einem werkseitig vorgegebenen Schlüssel ausgestattet ist, der für eine Vielzahl von Geräten gilt.

Das hat das AG Hamburg mit Urteil vom 09.01.2015 – 36a C 40/14 – entschieden.

 

Zur Anhörungspflicht eines Betroffenen vor der Bestellung eines Betreuers.

Vor der Bestellung eines Betreuers darf das Gericht unter den Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG), also dann, wenn der Betroffene im anberaumten Anhörungstermin ausbleibt, nur dann von der Anhörung des Betroffenen absehen, wenn

  • eine Vorführung des Betroffenen unverhältnismäßig ist und damit unzulässig wäre und
  • das Gericht zuvor sämtliche nicht mit Zwang verbundenen Versuche unternommen hat, um den Betroffenen zu befragen oder sich von ihm einen persönlichen Eindruck zu verschaffen.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 26.11.2014 – XII ZB 405/14 – hingewiesen.

Gemäß § 278 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG hat das Gericht den Betroffenen vor der (erstmaligen) Bestellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts

  • persönlich anzuhören und
  • sich einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen.

Zwar kann das Betreuungsgericht in bestimmten Fallkonstellationen das Verfahren nach § 34 Abs. 3 FamFG auch ohne persönliche Anhörung des Betroffenen beenden und wie der Senat bereits entschieden hat, ist die Anwendung dieser Vorschrift auch im Anwendungsbereich von § 278 FamFG nicht ausgeschlossen (BGH, Beschluss vom 02.07.2014 – XII ZB 120/14 –).
Da die Anhörung in Betreuungssachen

  • aber nicht nur der Gewährung rechtlichen Gehörs,
  • sondern auch der Sachverhaltsaufklärung dient,

darf das Betreuungsgericht nach § 34 Abs. 3 FamFG grundsätzlich nur verfahren, wenn und soweit

  • die gemäß § 278 Abs. 5 bis 7 FamFG zu Gebote stehende Vorführung des Betroffenen unverhältnismäßig ist und
  • zudem alle zwanglosen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, den Betroffenen anzuhören bzw. sich von ihm einen persönlichen Eindruck zu verschaffen.

 

Wann ist eine Äußerung als Wertung, wann als Tatsachenbehauptung einzustufen?

Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert.
Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 08.05.2007 – 1 BvR 193/05 –).

  • Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist.
  • Dies scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 22.02.2011 – VI ZR 120/10 –; vom 17.11.2009 – VI ZR 226/08 –; vom 24.01.2006 – XI ZR 384/03 –).

Sofern eine Äußerung,

  • in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind,

wird sie als Meinung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) geschützt.

Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als ausschlaggebend angesehen, so könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit wesentlich verkürzt werden.

Bei der Sinndeutung ist zu beachten, dass die Äußerung stets in dem Zusammenhang zu beurteilen ist, in dem sie gefallen ist.
Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (vgl. BGH, Urteile vom 16.11.2004 – VI ZR 298/03 –; vom 27.05.2014 – VI ZR 153/13 –; BVerfG, Beschluss vom 25.10.2012 – 1 BvR 901/11 –).

Darauf hat der VI. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 16.12.2014 – VI ZR 39/14 – hingewiesen.