Blog

Vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten bei der Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen nach der Fluggastrechteverordnung.

Mahnt ein Fluggast das Luftfahrtunternehmen wegen erheblicher Flugverspätung über einen Inkassodienstleister zur Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 a der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004 – FluggastrechteVO) an, so sind

  • die Kosten der nachfolgenden vorgerichtlichen Beauftragung eines Rechtsanwalts erstattungsfähig,
  • sofern lediglich diese als Rechtsverfolgungskosten geltend gemacht werden.

Darauf hat das Amtsgericht (AG) Bremen mit Urteil vom 27.11.2014 – 9 C 416/14 – hingewiesen und ein Flugunternehmen

  • zur Zahlung der Ausgleichsleistung von 250,00 € zuzüglich Zinsen von 5,00% über dem jeweiligen Basiszinssatz verurteilt
  • sowie dazu, den Kläger von Honoraransprüchen seiner Prozessbevollmächtigten für die vorgerichtliche Tätigkeit in Höhe von 70,20 € zzgl. 19% Mwst 13,34 €, insgesamt 83,54 € freizustellen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall stand dem Kläger gemäß Art. 7 Abs. 1 a FluggastrechteVO ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 250,00 € zu, weil der vom Kläger gebuchte Flug sein Ziel nicht planmäßig, sondern erst mit einer Verspätung um mehr als 3 Stunden erreicht hatte, eine solche Verspätung einer Flugannullierung gleichsteht und Entlastungsgründe im Sinne des Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO von der insofern darlegungsbelasteten beklagten Fluggesellschaft nicht vorgetragen worden waren.

Die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur vorgerichtlichen Geltendmachung des Ausgleichszahlungsanspuchs, stellte nach Auffassung des AG Bremen,

eine zweckdienliche Rechtsverfolgungsmaßnahme dar (ausführlich: AG Bremen, Urteil vom 12.06.2014 – 9 C 72/14 –).
Die diesbezüglichen Kosten hatte das beklagte Luftfahrtunternehmen durch seine Schlechtleistung zurechenbar veranlasst. Somit waren die Rechtsanwaltsgebühren als Schaden im Sinne der §§ 280 Abs. 1, 249, 257 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu bewerten.
Der auf Freistellung von den Gebühren gerichtete Schadensersatzanspruch (§ 257 S. 1 BGB) folgt unmittelbar aus § 280 Abs. 1 BGB; auf eine vorangehende Inverzugsetzung kam es nicht an (AG Bremen, Urteil vom 12.06.2014 – 9 C 72/14 –).
Im Übrigen war die beklagte Fluggesellschaft vorliegend vom Kläger gemahnt worden und befand sich im Zeitpunkt der Mandatierung – nach Ablauf der Prüfungsfrist – auch im Zahlungsverzug.

Die erstattungsfähigen Rechtsanwaltsgebühren waren vorliegend auf Basis eines Streitwerts von 250,00 € zu beziffern. Gemäß dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in der Fassung ab dem 01.08.2013 (§§ 2 II, 13, 33 RVG i.V.m. VV 2300, 7002) ist die vorgerichtliche Leistung des Klägervertreter mit einer 1,3 Geschäftsgebühr inkl. Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer in Höhe von 83,54 € zu vergüten.

Der Erstattungsanspruch entfiel, wie das AG Bremen ausführte, auch nicht unter dem Gesichtspunkt der gegebenenfalls im ausschließlichen Interesse der Klägervertreter erfolgten Gebührenmaximierung (§ 254 BGB bzw. fehlender Zurechnungszusammenhang).
Zwar ist anerkannt, dass der Gebührenerstattungsanspruch bei erkennbarer Zahlungsunwilligkeit des Schuldners im Einzelfall entfallen kann (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 26.02.2013 – XI ZR 345/10 –; OLG Hamm, Beschluss vom 31.10.2005 – 24 W 23/05 –).
Ein solcher Ausnahmefall war vorliegend jedoch nicht gegeben. Insbesondere war der Kläger aufgrund der Schadensminderungspflicht nicht gehalten, seinem Prozessbevollmächtigten sogleich einen unbedingten Klageauftrag zu erteilen (a.A. für vergleichbaren Sachverhalt: AG Simmern/Hunsrück, Urteil vom 24.02.2014 – 32 C 935/13 –; AG Eilenburg, Urteil vom 08.05.2014 – 2 C 315/14 –; AG Lübeck, Urteil vom 05.06.2014 – 31 C 929/14 –; AG Geldern, Urteil vom 07.06.2014 – 17 C 229/14 –; AG Memmingen, Urteil vom 16.06.2014 – 11 C 445/14 –). Denn der geltend gemachte Anspruch war von der Beklagten nicht kategorisch zurückgewiesen worden.
Der Kläger durfte daher erwarten, dass die erfolgreich auf dem europäischen Markt agierende Fluggesellschaft seinen evident berechtigten Anspruch zumindest nach Anwaltsschreiben prüfen und sodann Ausgleichszahlung leisten werde.
Ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten bestünde nur dann nicht, wenn die Fluggesellschaft – zulasten ihrer Außendarstellung – vor Beauftragung des Rechtsanwalts unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hätte, dass sie auch auf anwaltliche Mahnschreiben vorgerichtlich keine Zahlungen leisten werde. Eine solche ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung lag zum Zeitpunkt der Mandatierung aber nicht vor.

Auch wenn der Kläger hier vor der Beauftragung des Rechtsanwalts eine Inkassobüro eingeschaltet hatte sind die vorgerichtlichen Anwaltskosten erstattungsfähig. Denn ausgeschlossen ist nur eine doppelte Gebührenerstattung. Nicht erstattungsfähig sind im Zweifel dann die vorangehenden Inkassokosten, weil der Gläubiger sogleich einen Rechtsanwalt hätte beauftragen können.
Die Ansicht, die Fluggesellschaften mitunter vertreten, nämlich,

  • dass vorgerichtliche Anwaltskosten nicht nur ohne vorangehende Inverzugsetzung nicht erstattungserstattungsfähig sind,
  • sondern, wegen Verstoßes gegen die Schadensminderungsobliegenheit auch dann nicht, wenn der Fluggast vor der Mandatierung des Rechtsanwalts die Fluggesellschaft durch ein Inkassobüro hat mahnen lassen oder vor Einschaltung des Rechtsanwalts selbst ergebnislos gemahnt hat,

teilt das AG Bremen deshalb nicht, weil ein schlecht beförderter Fluggast danach niemals vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten geltend machen könnte. Gerade gegenüber Fluggesellschaften bedürfen die Fluggäste jedoch professioneller Unterstützung. 

 

Die Teilnahme an einer etwaigen sittenwidrigen Schädigung nach § 830 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 826 BGB.

Die Voraussetzungen einer Teilnahme an einer unerlaubten Handlung im Sinne des § 830 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) richten sich nach den für das Strafrecht entwickelten Grundsätzen.

  • Danach verlangt die Teilnahme
    • neben der Kenntnis der Tatumstände wenigstens in groben Zügen
    • den jeweiligen Willen der einzelnen Beteiligten, die Tat gemeinschaftlich mit anderen auszuführen oder sie als fremde Tat zu fördern;
  • objektiv muss eine Beteiligung an der Ausführung der Tat hinzukommen, die in irgendeiner Form deren Begehung fördert und für diese relevant ist.

Für den einzelnen Teilnehmer muss ein Verhalten festgestellt werden,

  • das den rechtswidrigen Eingriff in ein fremdes Rechtsgut unterstützt hat und
  • das von der Kenntnis der Tatumstände und dem auf die Rechtsgutsverletzung gerichteten Willen getragen war

(Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 13.07.2004 – VI ZR 136/03 – und vom 03.12.2013 – XI ZR 295/12 –).

Nach der Rechtsprechung des BGH zur Beihilfe

  • durch sogenannte neutrale bzw. berufstypische Handlungen

kann nicht jede Handlung, die sich im Ergebnis objektiv tatfördernd auswirkt, als (strafbare) Beihilfe gewertet werden.
Vielmehr bedarf es insbesondere in Fällen, die so genannte „neutrale“ Handlungen betreffen, einer wertenden Betrachtung im Einzelfall.

  • Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag in jedem Fall als strafbare Beihilfehandlung zu werten.

Denn unter diesen Voraussetzungen verliert sein Tun stets den „Alltagscharakter“; es ist als „Solidarisierung“ mit dem Täter zu deuten.

  • Falls der Handelnde nicht weiß, wie sein Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, sondern es lediglich für möglich hält, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ.

Dies bedeutet, dass auch neutrale Handlungen eine objektive Hilfeleistung darstellen können und die Qualifizierung neutraler Handlungen als Beihilfehandlungen ein Problem des subjektiven Tatbestandes ist (BGH, Urteil vom 12.10.2010 – XI ZR 394/08 –).

Darauf hat der VI. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 30.09.2014 – VI ZR 567/13 – hingewiesen.

 

Vereinbarung im Wohnraummietvertrag, dass der Vermieter den Umlageschlüssel für die Betriebskosten nach billigem Ermessen festlegen soll, ist zulässig und wirksam.

Es steht den Mietvertragsparteien im Wohnraummietrecht frei,

  • anstelle eines konkreten Umlageschlüssels
  • ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach billigem Ermessen des Vermieters

zu vereinbaren, da die Regelung in § 556a Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) abdingbar ist.

Das hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 05.11.2014 – VIII ZR 257/13 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war von den Parteien in dem von ihnen geschlossenen Wohnraumietvertrag vereinbart worden, dass

  • von dem Mieter, neben der Miete, gemäß § 6 des Mietvertrags monatlich eine Betriebskostenvorauszahlung zu leisten,
  • über die Betriebskosten seitens der Vermieterin jährlich abzurechnen ist und
  • der Vermieter mit der Abrechnung über die Betriebskosten der ersten Abrechnungsperiode gemäß § 6 Ziffer 6.3 des Mietvertrags den „Umlageschlüssel nach billigem Ermessen“ festlegen soll.

Der Vermieter hatte daraufhin in der Betriebskostenabrechnung hinsichtlich der Kostenpositionen Kaltwasser, Abwasser und Müll nach der jeweiligen Anzahl der Personen im Haushalt abgerechnet.

Dies ist nach der Entscheidung des VIII. Zivilsenats des BGH nicht zu beanstanden, weil die Parteien mit der Regelung in § 6 Ziffer 6.3 des Mietvertrags wirksam eine andere Regelung des Umlagemaßstabs im Sinne von § 556a Abs. 1 Satz 1 BGB getroffen haben, indem sie dem Vermieter ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach billigem Ermessen eingeräumt haben.
Danach stehen weder der Wortlaut noch der Gesetzeszweck von § 556a Abs. 1 Satz 1 BGB einer solchen Vereinbarung entgegen.
Dem Wortlaut von § 556a Abs. 1 Satz 1 BGB sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrecht durch die Parteien unzulässig ist. Auch § 556a Abs. 3 BGB begrenzt die Vertragsfreiheit der Mietvertragsparteien nur in Bezug auf die in § 556a Abs. 2 BGB formulierten Voraussetzungen der gesetzlich zugelassenen einseitigen Änderung des Abrechnungsmaßstabs durch den Vermieter.

  • Im Umkehrschluss ist § 556a Abs. 1 BGB in vollem Umfang abdingbar.
  • Daher steht es den Mietparteien auch frei, anstelle eines konkreten Umlageschlüssels ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zu vereinbaren.

Dem steht auch nicht das Anliegen des Gesetzgebers entgegen, Streitigkeiten in den Fällen zu verhindern, in denen die Parteien keinen Verteilungsmaßstab vereinbart haben. § 556a Abs. 1 BGB soll für diese Fälle anstatt des nach der vor dem 01.09.2001 geltenden Rechtslage lückenfüllend herangezogenen einseitigen Bestimmungsrechts des Vermieters einen konkreten Abrechnungsmaßstab bereitstellen.
Sofern die Parteien jedoch dem Vermieter durch eine entsprechende Vereinbarung das Recht vorbehalten, den Abrechnungsmaßstab einseitig nach billigem Ermessen zu bestimmen, nehmen sie das Risiko von Streitigkeiten über dessen Ausübung „sehenden Auges“ in Kauf. Dass der Gesetzgeber die Parteien vor solchen, auch in anderen Fällen mit einem vereinbarten einseitigen Leistungsbestimmungsrecht notwendig verbundenen Risiko bewahren wollte und hierzu die Vertragsfreiheit weiter einschränken wollte, als in § 566a Abs. 3 BGB zum Ausdruck gebracht worden ist, lässt sich der Gesetzesbegründung nicht entnehmen.

Auch ist, worauf der VIII. Zivilsenat des BGH hingewiesen hat, die Formularklausel in dem obigen Fall nicht wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 BGB unwirksam, denn eine unangemessene Benachteiligung des Mieters ist angesichts des Umstandes, dass die einseitige Festlegung entsprechend §§ 315, 316 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen hat, nicht gegeben. 

 

Warum ungenehmigte Auslandsfahrten mit einem Mietwagen teuer werden können.

Wer unberechtigt mit einem Mietfahrzeug ins Ausland fährt muss damit rechnen,

  • dass das Fahrzeug vom Vermieter wegen Diebstahlsverdachts stillgelegt wird und
  • er diesem die dadurch veranlassten Kosten erstatten muss.

Darauf hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 15.4.14 – 182 C 21134/13 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war der Kläger mit einem in München  gemieteten Porsche nach Italien gefahren, obwohl in dem Mietvertrag lediglich eine Auslandseinreise nach Österreich erlaubt war.
Als die beklagte Autovermieterin über die GPS-Überwachung bemerkte, dass sich das Fahrzeug in Mailand befindet und der Kläger telefonisch nicht erreichbar war, ging sie von einem Diebstahl aus, legte den PKW still und beauftragte einen Abschleppdienst damit, den Porsche mit einen Abschlepp-LKW zurück nach München zu transportieren.
Der Fahrer des Abschlepp-LKWs war schon fast in Mailand, als die Autovermieterin über das GPS nachfolgend feststellte, dass sich der Porsche bewegt, worauf sich ihr Ehemann, weil sie davon ausging, dass das Fahrzeug abtransportiert wird, auf den Weg nach Mailand machte. Als er bereits an der deutsch-österreichischen Grenze war, meldete sich der Kläger fernmündlich.

Nach der Rückgabe des Fahrzeugs durch den Kläger stritten die Parteien darüber, ob der Kläger seine Kaution in Höhe von 3363,80 Euro zurück verlangen oder die Autovermieterin mit den Kosten aufrechnen kann, die ihr durch die Beauftragung des Abschleppunternehmens sowie die Fahrt ihres Ehemann entstanden sind.

Das AG München gab der Autovermieterin im wesentlichen Recht und sprach dem Kläger von seiner Kaution lediglich noch 54,55 Euro zu.

Die Gründe hierfür waren, dass

  • der Kläger seine vertraglichen Pflichten verletzt hatte, indem er ohne Genehmigung mit dem Porsche nach Italien gefahren war,
  • die Autovermietung aufgrund der GPS Daten, der Unerreichbarkeit des Klägers sowie ihrer Erfahrung, dass in Italien, insbesondere in Mailand, viele Autos gestohlen würden und Autoschieber tätig seien, von einem Diebstahl ausgehen und das Auto stilllegen sowie ein Abschleppunternehmen mit einem Abschlepp-LKW nach Italien schicken durfte,
  • ein Abschlepp-LKW erforderlich war, da man auf diesen einen PKW auch ohne Schlüssel verladen konnte, bei einem kleineren Abschlepp-LKW die Räder des abgeschleppten Fahrzeugs nämlich noch rollen können müssen und die Autovermieterin nicht wusste, in welchem Zustand der Porsche angetroffen werden wird und
  • es nach Auffassung des AG München auch vertretbar war, den Ehemann der Autovermieterin zusätzlich auf den Weg nach Italien zu schicken, um vor Ort mit Hilfe des GPS das Fahrzeug aufzuspüren und anzuhalten, zumal im Hinblick auf den Wert des Mietfahrzeugs der betriebene Aufwand nicht unverhältnismäßig erschien, sich der Vorfall an einem Sonntag ereignet und die Beklagte nachvollziehbar dargelegt hatte, dass weder über die deutschen noch über die italienischen Behörden eine schnelle und effektive Hilfe zu erwarten war.

Das hat die Pressestelle des Amtsgerichts München am 28.11.2014 – 52/14 – mitgeteilt.

 

Stadt Stuttgart muss Mehrkosten für selbstbeschafften KITA-Platz erstatten.

Die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts (VG) Stuttgart hat mit Urteil vom 28.11.2014 – 3274/14 – entschieden, dass der Kläger, ein zweijähriges Kind, einen Anspruch gegen die Stadt Stuttgart hat

  • auf Erstattung der Mehrkosten für einen selbstbeschafften Betreuungsplatz in Höhe der Differenz der Kosten zwischen einem Platz in einer städtischen Kindertageseinrichtung und der Kosten für den Platz in der von ihm besuchten Kinderkrippe

und die Stadt demzufolge verpflichtet ist, dem Kläger,

  • nicht nur die bereits angefallenen Kosten in Höhe von insgesamt 5.620 EUR zuzüglich gestaffelter Zinsen zu erstatten,
  • sondern bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres auch die weiteren Kosten für seine Unterbringung in seiner privaten Kindergrippe in Stuttgart, soweit diese die Kosten überschreiten, die bei einer Unterbringung in einer städtischen Tageseinrichtung entstehen würden, solange dem Kläger kein zumutbarer Platz in einer städtischen Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege durch die Beklagte bereitgestellt wird.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatten die beide in Vollzeit berufstätigen Eltern und gesetzlichen Vertretern des zweijährigen Klägers für diesen im Mai 2012 Betreuungsbedarf für die Zeit von montags bis freitags jeweils von 9.00 – 17.30 Uhr bei der Stadt Stuttgart geltend gemacht und, nachdem sie sowohl von dort als auch von kirchlichen sowie private Träger, mit der Begründung, die Nachfrage sei größer als das zur Verfügung stehende Angebot, Absagen erhalten hatten, letztlich doch noch für den Kläger in einer privaten Kindertageseinrichtung einen Betreuungsplatz gefunden.

Die Verpflichtung der Stadt Stuttgart zur Tragung der Mehrkosten für den Betreuungsplatz des Klägers im Verhältnis zu einer städtischen Kindertageseinrichtung ergibt sich nach Auffassung der 7. Kammer des VG Stuttgart aus der entsprechenden Anwendung des §  36 a Abs. 3 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII).
Danach ist – zusammengefasst – der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zum Aufwendungsersatz verpflichtet, wenn – wie hier –

  • der Leistungsberechtigte ihn vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat,
  • die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistung vorlagen und
  • die Deckung des Bedarfs keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat.

Die Eltern des Klägers hatten ihren Betreuungsbedarf sowie den erforderlichen Betreuungsumfang rechtzeitig gegenüber der Beklagten geltend gemacht und die Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch lagen ebenfalls vor.

Gemäß § 24 Abs. 2 SGB VIII in der seit dem 01.08.2013 geltenden Fassung hat nämlich ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Gemäß § 24 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 24 Abs. 1 S. 3 SGB VIII richtet sich der Umfang der täglichen Förderung nach dem individuellen Bedarf.
Diese Vorschriften räumen dem berechtigten Kind einen gesetzlichen subjektiven Zugangsanspruch ein, der nach der Gesetzesbegründung der Erhöhung der Chancengleichheit der Kinder und der besseren Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit dient.

Dem Erstattungsanspruch nicht mit Erfolg entgegenhalten kann eine Stadt nach Ansicht der Kammer, dass in ihrem Zuständigkeitsbereich die zur Verfügung stehenden Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren trotz aller Maßnahmen und Anstrengungen, auch in finanzieller Hinsicht, nicht ausreichen, um den Platzbedarf decken zu können, und aufgrund des Fachkräftemangels auch nicht alle offenen Erzieher-/Erzieherinnenstellen besetzt werden können.
Diese Einwendungen seien politisch verständlich, im Hinblick auf den gesetzlich geregelten unbedingten Anspruch auf einen Betreuungsplatz rechtlich aber nicht relevant. Der Erstattungsanspruch gemäß § 36 a Abs. 3 SGB VIII sei, anders als ein Amtshaftungs- oder Schadensersatzanspruch, auch nicht verschuldensabhängig.

Dadurch, dass die Eltern des Klägers für ihn einen privaten Betreuungsplatz gefunden haben, sei der Kostenerstattungsanspruch aus § 36 a Abs. 3 SGB VIII nicht erloschen. Denn dieser setze gerade eine Selbstbeschaffung voraus.
Im Übrigen richte sich der Anspruch nach § 24 Abs. 2 SGB VIII gegen den Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Dieser sei aufgrund seiner aus § 79 Abs. 1 SGB VIII folgenden Gesamtverantwortung für die Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben sowie auch seiner Planungsverantwortung nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB VIII nicht nur institutionell, sondern auch im individuellen Einzelfall für die Hilfegestaltung zuständig und könne diese Aufgabe nicht auf die Eltern abwälzen.

Nachdem die Beklagte den berufstätigen Eltern den benötigten Betreuungsplatz nicht habe beschaffen und ihnen auch keinen Platz in Aussicht habe stellen können, duldete die Deckung des Bedarf auch keinen Aufschub.

Schließlich war für die Kammer nicht erkennbar, dass die Eltern des Klägers ihre Pflicht zum wirtschaftlichen Handeln verletzt und überzogene Kosten verursacht hatten.

Das hat die Pressestelle des Verwaltungsgerichts Stuttgart am 28.11.2014 mitgeteilt.

 

§ 940a Abs. 2 ZPO ist weder direkt noch analog auf Gewerberäume anwendbar, sondern ausschließlich auf Wohnraummietverhältnisse.

Der Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Räumung von vermietetem Gewerberaum durch einen Dritten, der im Besitz der Mietsache ist, kann nicht auf eine entsprechende Anwendung von § 940a Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) gestützt werden.

Das hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Celle mit Beschluss vom 24.11.2014 – 2 W 237/14 – entschieden.

Die Vorschrift des § 940 a Abs. 2 ZPO, nach der eine Räumung auch gegen einen Dritten angeordnet werden kann, der im Besitz der Mietsache ist, wenn

  • gegen den Mieter ein vollstreckbarer Räumungstitel vorliegt und
  • der Vermieter von dem Besitzerwerb des Dritten erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung Kenntnis erlangt hat,

ist angesichts der klaren Gesetzeslage ausschließlich auf Wohnraummietverhältnisse anwendbar ist (a.A. Landgericht (LG) Hamburg, Urteil vom 27.06.2013 – 334 O 104/13 –).

Wegen der Eindeutigkeit der gesetzlichen Regelung ist auch eine analoge Anwendung des § 940 a Abs. 2 ZPO außerhalb von Wohnraummietverhältnissen nicht möglich. Es fehlt nämlich bereits an der für einen Analogieschluss erforderlichen planwidrigen Regelungslücke.
Gegen eine Erstreckung des Anwendungsbereichs von § 940 a Abs. 2 ZPO auch auf sonstige Mieträume spricht bereits der klare Wortlaut der Norm, der ausdrücklich von der „Räumung von Wohnraum“ spricht. Auch die Gesetzessystematik spricht gegen die Anwendbarkeit der Norm auf sonstige Mieträume, da der Gesetzgeber die Vorschrift im Zuge des Mietrechtsänderungsgesetzes unter der amtlichen Überschrift „Räumung von Wohnraum“ angesiedelt hat.
Schließlich ergibt sich eindeutig aus den Gesetzgebungsmaterialien zum Mietrechtsänderungsgesetz 2013, dass der Gesetzgeber im Zuge der Reform auf die von ihm als abänderungbedürftig gewerteten Missstände allein bei der Wohnraummiete reagieren und eine vereinfachte Durchsetzung von Räumungstiteln gegen dem Vermieter bis dahin unbekannte mitbesitzende Untermieter, Familienmitglieder, Lebenspartner oder sonstige Personen schaffen wollte.
Obwohl im Gesetzgebungsverfahren entsprechende Regelungen auch für das Gewerberaummietrecht angeregt wurden und der Deutsche Mietgerichtstag e.V. in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Mietrechtsänderungsgesetzes ausdrücklich gefordert hatte, in einem  § 940 b ZPO die Anwendbarkeit zumindest des § 940 a Abs. 2 BGB auch für Gewerberaummietverträge anzuordnen, hat der Gesetzgeber diese ihm bekannten Anregungen nicht aufgegriffen und sich damit bewusst für eine Beschränkung der Vollstreckungserleichterungen auf das Wohnraummietrecht entschieden.
Daraus folgt aber zwingend, dass die Vorschrift mangels planwidriger Regelungslücke auch nicht analog oder im Sinne eines „Erst-Recht-Schlusses“ auf die Gewerberaummiete angewandt werden kann. Es liegt vielmehr nach dem Willen des Gesetzgebers eine eng auszulegende, auf den Wohnraum zugeschnittene Ausnahmevorschrift vor (vgl. Kammergericht (KG) Berlin, Beschluss vom 05.09.2013 – 8 W 64/13 –; LG Köln, Beschluss vom 12.06.2013 – 1 T 147/13 –).
Gegen eine analoge Anwendung des § 940 a Abs. 2 ZPO auf die Gewerberaummiete spricht außerdem, dass der Gesetzgeber auch für den Fall, dass einer Sicherungsanordnung gemäß § 283a ZPO keine Folge geleistet wird, nur die Räumung von Wohnraum im Wege einstweiliger Verfügung gemäß § 940 a Abs. 3 ZPO zugelassen hat, obgleich eine Sicherungsanordnung auch gegen einen Gewerberaummieter ergehen kann.

 

Entziehung der elterlichen Sorge setzt eingehende Feststellungen zur Kindeswohlgefährdung voraus.

Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Der Schutz des Elternrechts erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts, ohne die die Elternverantwortung nicht ausgeübt werden kann. Eine Trennung des Kindes von seinen Eltern gegen deren Willen stellt den stärksten Eingriff in das Elterngrundrecht dar. Art. 6 Abs. 3 GG erlaubt diesen Eingriff nur unter strengen Voraussetzungen.
Art. 6 Abs. 3 GG erlaubt es nur dann, ein Kind von seinen Eltern gegen deren Willen zu trennen, wenn die Eltern versagen oder wenn das Kind aus anderen Gründen zu verwahrlosen droht.
Dabei berechtigen nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern den Staat, auf der Grundlage seines ihm nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG zukommenden Wächteramts die Eltern von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen. Es gehört nicht zur Ausübung des Wächteramts, gegen den Willen der Eltern für eine bestmögliche Förderung der Fähigkeiten des Kindes zu sorgen. Um eine Trennung des Kindes von den Eltern zu rechtfertigen, muss das elterliche Fehlverhalten vielmehr ein solches Ausmaß erreichen, dass das Kind bei den Eltern in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet wäre.

Die Annahme einer nachhaltigen Gefährdung des Kindes setzt voraus, dass

  • bereits ein Schaden des Kindes eingetreten ist oder
  • sich eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt

(vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22.05.2014 – 1 BvR 2882/13 –; vom 07.04.2014 – 1 BvR 3121/13 –; vom 24.03.2014 – 1 BvR 160/14 –; Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 15.12.2004 – XII ZB 166/03 –).

Die Eltern können grundsätzlich frei von staatlichen Eingriffen nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden, wie sie die Pflege und Erziehung ihrer Kinder gestalten und damit ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen.
Die primäre Erziehungszuständigkeit beruht auf der Erwägung, dass die Interessen des Kindes in aller Regel am besten von seinen Eltern wahrgenommen werden und die spezifisch elterliche Zuwendung dem Wohl der Kinder grundsätzlich am besten dient. Daher müssen die Eltern ihre Erziehungsfähigkeit nicht positiv „unter Beweis stellen“; vielmehr setzt eine Trennung von Eltern und Kind umgekehrt voraus, dass ein das Kind gravierend schädigendes Erziehungsversagen mit hinreichender Gewissheit feststeht.
Außerdem folgt aus der primären Erziehungszuständigkeit der Eltern in der Sache, dass der Staat seine eigenen Vorstellungen von einer gelungenen Kindererziehung grundsätzlich nicht an die Stelle der elterlichen Vorstellungen setzen darf.
Daher kann es keine Kindeswohlgefährdung begründen, wenn die Haltung oder Lebensführung der Eltern von einem bestimmten, von Dritten für sinnvoll gehaltenen Lebensmodell abweicht und nicht die aus Sicht des Staates bestmögliche Entwicklung des Kindes unterstützt.

Für die Gerichte ergibt sich aus Art. 6 Abs. 2 und 3 GG das Gebot, die dem Kind drohenden Schäden ihrer Art, Schwere und Eintrittswahrscheinlichkeit nach konkret zu benennen und sie vor dem Hintergrund des grundrechtlichen Schutzes vor der Trennung des Kindes von seinen Eltern zu bewerten.
Dem werden die Gerichte regelmäßig dann nicht gerecht, wenn sie ihren Blick nur auf die Verhaltensweisen der Eltern lenken, ohne die sich daraus ergebenden schwerwiegenden Konsequenzen für die Kinder darzulegen (vgl. nur BVerfG, Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22.05.2014 – 1 BvR 3190/13 –; vom 07.04.2014 – 1 BvR 3121/13 –; vom 24.03.2014 – 1 BvR 160/14 –).

Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG erlaubt dem Staat nicht, gegen den Willen der Eltern für eine bestmögliche Förderung der Fähigkeiten des Kindes zu sorgen oder seine Vorstellungen von einer geeigneten Kindererziehung an die Stelle der elterlichen Vorstellungen zu setzen.
Die Eltern und deren sozio-ökonomische Verhältnisse gehören grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24.03.2014 – 1 BvR 160/14 –).
Zwar bedarf es danach etwa bei einer unzureichenden Grundversorgung der Kinder keiner ausführlichen Darlegung, dass Kinder derartige Lebensbedingungen nicht ertragen müssen.
Stützen Gerichte eine Trennung des Kindes von den Eltern jedoch auf Erziehungsdefizite und ungünstige Entwicklungsbedingungen, müssen sie besonders sorgfältig prüfen und begründen, weshalb die daraus resultierenden Risiken für die geistige und seelische Entwicklung des Kindes die Grenze des Hinnehmbaren überschreiten.

Wollen Gerichte ihre Annahme einer Kindeswohlgefahr auf ernsthaft gesundheitsgefährdendes Verhalten stützen, müssten sie dies konkret benennen. Vage Andeutungen, die wie hier eine Gefährdungssituation assoziativ in den Raum stellen, ohne den konkreten Sachverhalt zu beschreiben und auf sein tatsächliches Gefährdungspotenzial hin zu analysieren, genügen demgegenüber nicht.

Darauf hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) mit Beschluss vom 19.11.2014 – 1 BvR 1178/14 – hingewiesen.

 

Haftung des Mieters für Schäden bei Überschreitung des vertragsgemäßen Mietgebrauchs.

Verursacht der Mieter unter Überschreitung des vertragsgemäßen Mietgebrauchs (§ 538 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) Schäden an der Mietsache, steht dem Vermieter – neben dem auch möglichen deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch nach § 823 BGB – ein vertraglicher Anspruch auf Ersatz des Schadens nach § 280 Abs. 1 BGB zu.
Nimmt ein Vermieter den Mieter nach § 280 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz wegen Substanzschäden in Anspruch, trägt er nach allgemeinen Grundsätzen trägt er die Darlegungs- und Beweislast, dass der Schaden während der Mietzeit entstanden ist.
Daraus folgt, dass der Vermieter die anfängliche Mängelfreiheit zu Beginn des Mietverhältnisses darlegen und beweisen muss.
Gelingt der Nachweis, ist es nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB Sache des Mieters, sein fehlendes Vertretenmüssen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen.

Das hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Saarbrücken mit Urteil vom 21.11.2014 – 10 S 60/14 – entschieden.

 

Gezielte Verunsicherung des Verkäufers beim Autokauf zur Erreichung einer Kaufpreisreduzierung ist unzulässig.

Schließt ein Privatmann mit einem fachlich versierten Autoeinkäufer einen Vertrag über den Kauf eines Pkw und wirft der Autoeinkäufer dem Verkäufer bewusst wahrheitswidrig vor, dieser habe falsche Angaben zum Fahrzeugbaujahr gemacht, ist eine von dem unter Druck gesetzten Verkäufer akzeptierte Reduzierung des Kaufpreises ggf. unwirksam.
Die Drohung des Käufers mit  – für ihn erkennbar – nicht bestehen Schadenersatzansprüchen gegen den Verkäufer ist widerrechtlich.

Darauf hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz mit Urteil vom 16.10.2014 – 2 U 393/13 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der Kläger dem Beklagten, der in Autohaus betreibt, nach einem Angebot im Internet seinen Pkw Skoda Octavia, Baujahr 2008, für 8000 € verkauft und sich bei Übergabe des Fahrzeugs mit einer Reduzierung des Kaufpreises auf 5.000 € einverstanden erklärt, nachdem der Beklagte den Kläger mit dem bewusst falschen Hinweis, dieser hätte ein unrichtiges Fahrzeugbaujahr angegeben, unter Druck gesetzt und mit Schadensersatzansprüchen und einem langwierigen Rechtsstreit gedroht hatte. 

Mit seiner Klage machte der Kläger – gestützt auf eine Anfechtung der mit dem Beklagten im Zuge der Fahrzeugübergabe geschlossenen Abänderungsvereinbarung wegen arglistiger Täuschung sowie Drohung gemäß § 123 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 8.000 € geltend.

Der 2. Zivilsenat des OLG Koblenz erachte die Anfechtung für berechtigt und gab der Klage statt.
Die Reduzierung des Kaufpreises war nach der Überzeugung des Senats nur dadurch zu Stande gekommen, dass der Beklagte den Kläger mit Ausführungen zum Begriff des Baujahrs verwirrt und mit dem Hinweis auf ein angeblich falsch angegebenes Baujahr so unter Druck gesetzt hatte, dass sich dieser schließlich mit der deutlichen Absenkung einverstanden erklärte.
Dabei sei dem Käufer als Fachmann und erfahrenem Autoeinkäufer bewusst gewesen, dass das angegebene Baujahr im Angebot des Klägers zutreffend war. Erst durch die Drohung mit angeblichen Schadenersatzansprüchen sei der Käufer bewegt worden, der Kaufpreisreduzierung zuzustimmen. Eine derartige Drohung sei widerrechtlich.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Koblenz am 18.11.2014 mitgeteilt.

 

Mittelbereitstellung für mögliche Beschlussanfechtungsklagen im Gesamtwirtschaftsplan und in den Einzelwirtschaftsplänen?

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann, auf Grund ihrer sich aus § 10 Abs. 6 Satz 3 Fall 2 des Gesetzes über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (WEG) ergebenden Kompetenz,

  • jedenfalls dann mehrheitlich die Aufbringung von Vorschüssen beschließen, um den Verwalter in die Lage zu versetzen, einen Rechtsanwalt mit der Rechtsverteidigung der übrigen Wohnungseigentümer gegen Beschlussanfechtungsklagen zu beauftragen,
  • wenn solche Klagen allgemein zu erwarten sind.

Obwohl die Kosten einer Beschlussanfechtungsklage, wie sich aus § 16 Abs. 8 WEG im Umkehrschluss ergibt, von dem dort angesprochenen Sonderfall der Mehrkosten auf Grund einer Gebührenvereinbarung abgesehen, nicht zu den umlagefähigen Kosten der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nach § 16 Abs. 2 WEG gehören und auch nicht dadurch zu einer (geborenen) Gemeinschaftsangelegenheit wird, dass der Verwalter nach § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG befugt ist, die Rechtsverteidigung der übrigen Wohnungseigentümer zu organisieren und mit der Vertretung der verklagten Wohnungseigentümer einen Rechtsanwalt zu beauftragen,

  • können in diesem Fall Mittel nach § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WEG im Gesamtwirtschaftsplan und in den Einzelwirtschaftsplänen aller Wohnungseigentümer angesetzt werden.

Ein solcher Mittelansatz dient der Erfüllung einer Verpflichtung der Wohnungseigentümer, die gemeinschaftlich erfüllt werden kann.
Der entsprechende Mittelansatz soll den Verwalter nämlich in die Lage versetzen, die ihm als Vertreter der Wohnungseigentümer auf Grund von § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG kraft Gesetzes obliegende Aufgabe zu erfüllen, einen Rechtsanwalt mit der Verteidigung der übrigen Wohnungseigentümer gegen eine Beschlussanfechtungsklage zu beauftragen.
Der Rechtsanwalt ist nämlich nach Erteilung des Auftrags gemäß § 9 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) berechtigt, einen Vorschuss auf seine Gebühren und Auslagen zu verlangen. Diesen soll der Verwalter zahlen können. Die Bereitstellung solcher Mittel steht nicht im Belieben der verklagten Wohnungseigentümer. Vielmehr sind sie hierzu auf Grund des mit § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG begründeten gesetzlichen Geschäftsbesorgungsverhältnisses nach § 675 Abs. 1, § 669 BGB auf Anforderung des Verwalters verpflichtet.
Diese Vorschusspflicht kann jedenfalls dann gemeinschaftlich erfüllt werden, wenn noch kein konkretes Beschlussanfechtungsklageverfahren anhängig ist.

  • Dann nämlich kann jeder Wohnungseigentümer Beklagter einer Beschlussanfechtungsklage und damit vorschusspflichtig werden.
  • Den Verwalter für diesen Fall mit den erforderlichen Mitteln auszustatten,
    • sei es durch Bereitstellung spezieller Mittel,
    • sei es durch die Ermächtigung, zur Erfüllung seiner Aufgaben als Vertreter der Wohnungseigentümer

unter dem Vorbehalt einer Abrechnung unter Belastung nur der tatsächlich verklagten Wohnungseigentümer, ist jedenfalls dann eine Verpflichtung der Wohnungseigentümer, die gemeinschaftlich erfüllt werden kann.

Sind Beschlussanfechtungsklagen nicht abzusehen, können die Wohnungseigentümer demzufolge

  • den Verwalter durch Mehrheitsbeschluss ermächtigen, für Beschlussanfechtungsklagen Gemeinschaftsmittel einzusetzen.

Dass sich ein Beschlussanfechtungskläger bei der Inanspruchnahme der bereitgestellten Mittel durch den Verwalter jedenfalls vorübergehend an der Finanzierung seiner Prozessgegner beteiligt, steht einer solchen Mittelbereitstellung nicht entgegen, weil entnommene Vorschüsse, unabhängig davon, ob die Entnahme berechtigt war oder nicht, in die nächste Jahresrechnung einzustellen sind (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 15.03.2007 – V ZB 1/06 –). Sie dürfen in den Einzelabrechnungen dieser Jahresrechnung nur denjenigen Wohnungseigentümern angelastet werden, die tatsächlich vorschusspflichtig waren (Kammergericht (KG), Beschluss vom 09.11.2005 – 24 W 60/05 –; Landgericht (LG) Leipzig, Beschluss vom 15.01.2007 – 1 T 420/06 –; Amtsgericht (AG) Dortmund, Beschluss vom 28.01.2008 – 511 C 3/07 –).

Darauf hat der V. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 17.10.2014 – V ZR 26/14 – hingewiesen.