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Flugverspätung und Annullierung.

Grundsätzlich Anspruch auf den in Art. 7 der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004 – FluggastrechteVO) vorgesehenen Ausgleichsanspruch haben nicht nur wie in Art. 5 der FluggastrechteVO bestimmt, die Fluggäste annullierter Flüge, sondern auch die Fluggäste verspäteter Flüge, wenn sie infolge der Verspätung ihr Endziel erst drei Stunden nach der vorgesehenen Ankunftszeit oder noch später erreichen (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 07.05.2013 – X ZR 127/11 – ).

Nicht verpflichtet zur Leistung einer Ausgleichszahlung ist die betreffende Fluggesellschaft

  • nach Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO, wenn sie nachweisen kann, dass die Annullierung oder Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären oder
  • nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Nrn. ii und iii FluggastrechteVO, wenn der betroffene Fluggast unter dort genannten Voraussetzungen ein Angebot zur anderweitigen Beförderung erhält, das es ihm ermöglicht, innerhalb einer bestimmten Zeitspanne abzufliegen und das Endziel zu erreichen,

wobei diese beiden Ausschlusstatbestände selbständig nebeneinander stehen.

Damit,

  • welche Umstände wann als außergewöhnlich im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der FluggastrechteVO qualifiziert werden können und
  • welche Maßnahmen im Fall eines Fluglotsenstreiks einem Luftverkehrsunternehmen zuzumuten sind, um zu vermeiden, dass außergewöhnliche Umstände zu einer erheblichen Verspätung eines Fluges führen oder Anlass zu seiner Annullierung geben,

hat sich der X. Zivilsenat des BGH im Urteil vom 12.06.2014 – X ZR 121/13 – auseinandergesetzt.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall hatten die Kläger bei der beklagten Fluggesellschaft für den 28.06.2011 einen Flug von Stuttgart nach Palma de Mallorca gebucht, der gegenüber der geplanten Ankunftszeit mit einer Verspätung von etwa drei Stunden und vierzig Minuten ankam, wobei ursächlich hierfür ein Generalstreik war, der am 28.06.2011 stattfand, weil der Streik, an dem auch die Fluglotsen teilnahmen, zu einer zeitweisen Sperrung des griechischen Luftraums führte, der die dem von den Klägern gebuchten Flug am selben Tag vorangegangenen Flüge des eingesetzten Flugzeugs von München nach Korfu und von Korfu nach Stuttgart betraf.

Da nach der Entscheidung des BGH die Verspätung hier durch von der Fluggesellschaft nicht zu vermeidende außergewöhnliche Umstände im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der FluggastrechteVO verursacht worden war, wurde die Klage auf Leistung einer Ausgleichszahlung abgewiesen.

 

Trunkenheitsfahrt mit fahrlässiger Tötung?

Wie würden Sie entscheiden?

Ein 25-jähriger Autofahrer fährt frühmorgens mit seinem Pkw auf einer Landstraße, obwohl er, was er hätte erkennen können, absolut fahruntüchtig ist. Er will zu seiner 30 km entfernten Wohnung. Seine Blutalkoholkonzentration beträgt zum Fahrtzeitpunkt mindestens 2,0 Promille und maximal 2,69 Promille. Aufgrund der Alkoholisierung ist seine Schuldfähigkeit zwar nicht aufgehoben, aber nicht ausschließbar erheblich im Sinne des § 21 Strafgesetzbuch (StGB) vermindert. Einem Zeugen fällt er durch seine aggressive Fahrweise auf.
Vor dem Autofahrer, in gleicher Richtung, fährt ein 48-jähriger Fahrradfahrer mit eingeschalteter Rückleuchte, der für den Autofahrer auf eine Entfernung von 200 – 300 Metern gut sichtbar ist.
Infolge der Alkoholsierung nimmt der Autofahrer den Radfahrer nicht oder nicht richtig wahr, weicht ihm, obwohl dies möglich gewesen wäre, nicht aus und kollidiert mit einer Geschwindigkeit von mindestens 98 km/h mit dem Radfahrer, der dabei tödlich verletzt wird.

Zu welcher Strafe würden Sie den Autofahrer in einem solchen Fall verurteilen, wenn

  • er sozial integriert sowie strafrechtlich und verkehrsrechtlich zuvor noch nicht in Erscheinung getreten ist,
  • er weitgehend geständig ist,
  • er sein Fehlverhalten bereut,
  • er der Familie des Getöteten, der verheiratet und Vater von drei Kindern war, eine Beileidskarte hat zukommen lassen,
  • er bei dem Unfall verletzt worden ist,
  • ihn die Folgen seiner Tat psychisch stark beeinträchtigt haben und er deshalb etwa drei Wochen stationär und im Anschluss ambulant behandelt worden ist.

Dazu noch folgende Informationen für Sie:

  • Fährlässige Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 3 Nr. 2 StGB kann mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe, fahrlässige Tötung nach § 222 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden.
  • Bei verminderter Schuldfähigkeit nach § 21 StGB kann das Höchstmaß der Freiheitsstrafe für die fahrlässige Tötung nach § 222 StGB von fünf Jahren auf drei Jahre und neun Monate gemildert werden (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB).
  • Wird ein Angeklagter zu einer Freiheitsstrafe verurteilt setzt das Gericht die Vollstreckung zur Bewährung aus, bei einer Verurteilung
    • zu einer Freiheitsstrafe von weniger als 6 Monaten, wenn bei dem Angeklagten die Sozialprognose nach § 56 Abs. 1 StGB günstig ist;
    • von mindestens 6 Monaten, aber nicht mehr als 1 Jahr Freiheitsstrafe, wenn bei dem Angeklagten die Sozialprognose günstig ist (§ 56 Abs. 1 StGB) und die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung nicht gebietet (§ 56 Abs. 3 StGB);
    • von mehr als 1 Jahr, aber nicht mehr als 2 Jahren Freiheitsstrafe, wenn bei dem Angeklagten die Sozialprognose günstig ist (§ 56 Abs. 1 StGB), nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen (§ 56 Abs. 2 StGB) und die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung nicht gebietet (§ 56 Abs. 3 StGB).

In dem obigen Fall verurteilte das Landgericht Bielefeld den Autofahrer

Die Revision des Autofahrers gegen dieses Urteil verwarf der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 26.08.2014 – 3 RVs 55/14 – als unbegründet, wobei der Senat insbesondere auch die Wertung des Landgerichts für zutreffend erachtete, dass hier im Hinblick

  • auf die herausragend schweren Folgen für den Getöteten und seine nahen Angehörigen (Frau und drei Kinder),
  • die das Maß der absoluten Fahruntüchtigkeit weit übersteigende Alkoholisierung des Angeklagten sowie
  • die festgestellte aggressive Fahrweise in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Tat

trotz der zahlreichen mildernden Gesichtspunkte besondere Umstände gemäß § 56 Abs. 2 StGB nicht bestehen, vielmehr die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Freiheitsstrafe gemäß § 56 Abs. 3 StGB gebietet.

 

Arbeitsunfall eines Mitarbeiters.

Ein Arbeitgeber haftet gegenüber der Berufsgenossenschaft nicht bei jeder ihm vorzuwerfenden Verletzung der Unfallverhütungsvorschriften auf dem Bau.

Das hat der 11. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG) mit Urteil vom 06.03.2014 – 11 U 74/13 – entschieden.

Verunfallt ein Arbeitnehmer auf dem Bau aufgrund einer seinem Arbeitgeber vorzuwerfenden Verletzung der Unfallverhütungsvorschriften, kann die als gesetzlicher Unfallversicherer für die Folgen des Arbeitsunfalls aufkommende Berufsgenossenschaft Bauwirtschaft vom Arbeitgeber Erstattung der Kosten nur dann verlangen, wenn der Arbeitgeber den Versicherungsfall

  • vorsätzlich oder
  • grob fahrlässig

herbeigeführt hat (§ 110 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII)).

  • Dabei ist nicht jeder Verstoß gegen die einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften schon als ein grob fahrlässiges Verhalten zu werten.

Wegen ihrer an die Berufsgenossenschaft gezahlten Beiträge sollen die Unternehmer grundsätzlich von einer Haftung freigestellt sein. Sie sollen im Wege des Rückgriffs von der Berufsgenossenschaft für die ihr infolge des Arbeitsunfalls entstanden Aufwendungen nur dann in Anspruch genommen werden können, wenn eine besonders krasse und subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegt und ein subjektives Fehlverhalten in einem solchen Ausmaß kann dem Arbeitgeber nicht bei jedem Verstoß gegen die einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften vorgeworfen werden.

Das hat die Pressestelle des Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgerichts am 04.09.2014 – 11/2014 – mitgeteilt.

 

Zahnarzt muss über alternative Behandlungsmethoden aufklären.

Eine kostenintensive Zahnbehandlung (Implantatbehandlung mit Knochenaufbau durch Eigenknochenzüchtung) muss nicht bezahlt werden, wenn sich der Patient

  • im Falle seiner ordnungsgemäßen Aufklärung über andere Behandlungsmöglichkeiten (Knochenaufbau durch Verwendung von Knochenersatzmittel oder Knochenentnahme aus dem Beckenkamm)
  • gegen die kostenintensive Behandlung ausgesprochen hätte.

Das hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 12.08.2014 – 26 U 35/13 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall waren von einem Kieferchirurg, der bei einem Patienten eine Implantatbehandlung mit Knochenaufbau durchführte, wobei der Aufbau des Ober- und Unterknochens durch gezüchtetes Knochenmaterial (Eigenknochenzüchtung) erfolgen sollte, bisher angefallene Behandlungskosten in Höhe von ca. 42.000 Euro in Rechnung gestellt worden, wovon insgesamt 15.000 Euro auf die Kosten für die Eigenknochenzüchtung entfielen.
Der beklagte Patient trug u. a. vor, dass er über alternative Behandlungsmethoden nicht ausreichend aufgeklärt worden sei und er im Falle ordnungsgemäßer Aufklärung die Behandlung nicht hätte durchführen lassen. 

Der 26. Zivilsenat des OLG Hamm hat die Klage des Kieferchirurgen nach Anhörung eines Sachverständigen mit der Begründung abgewiesen, dass

  • bei dem Beklagten neben der Eigenknochenzüchtung die Verwendung von Knochenersatzmittel und die Knochenentnahme aus dem Beckenkamm als weitere Behandlungsmöglichkeiten in Betracht gekommen wären,
  • der Beklagte von dem Kläger im Rahmen der Patientenaufklärung nur auf die Knochenentnahme als alternative Behandlungsmöglichkeit hingewiesen worden war,
  • der Kläger dabei die Risiken der Eigenknochenzüchtung verharmlost sowie demgegenüber die Risiken der Knochenentnahme übertrieben dargestellt hatte, obwohl bei dem Beklagten aus beiden Beckenkämmen genügend Knochenmaterial hätte entnommen werden können und
  • der Beklagte diese nicht ausreichende Aufklärung über alternative Behandlungsmethoden dem Vergütungsanspruch des Klägers entgegenhalten könne, weil davon auszugehen sei, dass der Beklagte im Falle ordnungsgemäßer Aufklärung die Behandlung durch den Zahnarzt nicht hätte vornehmen lassen, so dass die dem geltend gemachten Honoraranspruch zugrunde liegenden zahnärztlichen Leistungen auch nicht angefallen wären.
     

 

Zur Verjährungshemmung durch Verhandlungen.

Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gemäß § 203 Satz 1 BGB gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Zu dem Zeitraum in dem die Verjährungsfrist gehemmt ist, der Hemmungszeit, zählen dabei auch die Tage in deren Verlauf der Hemmungsgrund entsteht und wegfällt (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 05.08.2014 – XI ZR 172/13 –).

Bei dem Verhandeln handelt es sich – anders als beim Verzicht auf die Einrede der Verjährung – nicht um eine Verfügung des Schuldners über die Einrede. Vielmehr tritt die Hemmung der Verjährung bei Verhandlungen von Gesetzes wegen ein.
Die Regelung des § 203 BGB verfolgt den Zweck, Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Verhandlungen zwischen Gläubiger und Schuldner sollen nicht unter den Druck einer ablaufenden Verjährungsfrist gestellt werden. Zugleich soll dem verhandlungsbereiten Schuldner die Einrede der Verjährung vorbehalten bleiben, während der Gläubiger von der Verwirklichung anderer verjährungshemmender oder -unterbrechender Tatbestände, insbesondere von der Einleitung gerichtlicher Verfahren, abgehalten werden soll (vgl. BGH, Urteil vom 14.07.2009 – XI ZR 18/08 –). Eine sofortige Rechtsverfolgung würde die schwebenden Verhandlungen gefährden.

In persönlicher Hinsicht beschränkt sich auch die Hemmung gemäß § 203 BGB auf die Personen, in deren Verhältnis der Hemmungsgrund besteht. Sie wirkt insbesondere nicht zulasten anderer Gesamtschuldner oder zugunsten anderer Gesamtgläubiger, § 425 Abs. 2, § 429 Abs. 3 Satz 1 BGB.
Zugunsten oder zulasten des Rechtsnachfolgers wirkt nur die bei seinem Rechtsvorgänger schon verstrichene Hemmung; ob die Hemmung bei ihm andauert, hängt hingegen davon ab, ob der Hemmungsgrund in seiner Person fortbesteht (vgl. BGH, Urteil vom 17.06.2008 – VI ZR 197/07 –). Dies ergibt sich auch aus dem Wortlaut des § 203 Satz 1 BGB, wonach Verhandlungen „zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger“ schweben müssen.

Verhandlungen im Sinne des § 203 Satz 1 BGB können im Ausgangspunkt nur der Gläubiger und der Schuldner selbst führen. Verhandlungen durch Dritte setzen voraus, dass diese Verhandlungsvollmacht für Gläubiger bzw. Schuldner haben (vgl. BGH, Urteil vom 13.03.2008 – I ZR 116/06 –).
Die Verhandlungen eines Vertreters ohne Vertretungsmacht können auch nicht mit verjährungsrechtlicher Rückwirkung genehmigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 11.12.2003 – IX ZR 109/00 –).

Darauf hat der VI. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 01.07.2014 – VI ZR 391/13 – hingewiesen.

 

Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit nach der Zivilprozessordnung.

Nach § 42 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) findet die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen.
Dies ist dann der Fall, wenn aus der Sicht einer Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (st.Rspr.; vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Beschlüsse vom 10.06.2013 – AnwZ (Brfg) 24/12 – und vom 15.03.2012 – V ZB 102/11 –).

  • Nicht erforderlich ist dagegen, dass tatsächlich eine Befangenheit vorliegt.
  • Vielmehr genügt es, dass die aufgezeigten Umstände geeignet sind, der Partei Anlass zu begründeten Zweifeln zu geben; denn die Vorschriften über die Befangenheit von Richtern bezwecken, bereits den bösen Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit und Objektivität zu vermeiden (BGH, Beschluss vom 20.08.2014 – AnwZ 3/13 –).

Da das Ablehnungsverfahren allein dazu dient, einen am Verfahren Beteiligten vor der Mitwirkung eines Richters zu bewahren, an dessen Unparteilichkeit Zweifel begründet sind und weder dazu bestimmt, noch dazu geeignet ist, die Richtigkeit und Zweckmäßigkeit des Verfahrens eines Richters zu kontrollieren, rechtfertigen Verfahrensverstöße oder sonstige vermeintliche oder tatsächlich rechtsfehlerhafte Entscheidung für sich genommen die Besorgnis der Befangenheit ebenfalls nicht.
Deshalb werden im Ablehnungsverfahren auch weder das verfahrensmäßige Vorgehen des erkennenden Richters noch dessen Rechtsauffassung und daraus resultierende Entscheidungen überprüft. Insoweit stehen den Beteiligten die allgemeinen Rechtsbehelfe – auch zur Überprüfung von Verfahrensfehlern – zur Verfügung.
Verfahrenshandlungen oder Rechtsfehler eines Richters können – ausnahmsweise –  nur dann eine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn Gründe dargetan sind, die dafür sprechen, dass die Fehlerhaftigkeit entweder auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem Ablehnenden oder auf Willkür beruht, wobei sich für eine betroffene Partei allerdings lediglich bei ohne weiteres erkennbaren und gravierenden Verfahrensfehlern oder einer Häufung von Rechtsverstößen der Eindruck einer auf Voreingenommenheit beruhender Benachteiligung aufdrängen und von einer auf Willkür beruhenden Verfahrenshandlung nur dann gesprochen werden kann, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken schlechterdings nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist.

Beachtet werden muss,

  • dass gemäß § 44 Abs. 2 ZPO die das Misstrauen in die Unparteilichkeit rechtfertigenden Umstände im Ablehnungsgesuch substantiiert darzulegen und glaubhaft zu machen sind sowie,
  • dass nach § 43 ZPO eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen kann, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat.

 

Entschädigung bei Flugverspätungen.

Anspruch auf den in Art. 7 der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004 – FluggastrechteVO) vorgesehenen Ausgleichsanspruch haben – sofern nicht der Ausschlusstatbestand nach Art. 5 Abs. 3 der FluggastrechteVO vorliegt – nicht nur wie in Art. 5 der FluggastrechteVO bestimmt, die Fluggäste annullierter Flüge, sondern auch die Fluggäste verspäteter Flüge, wenn sie infolge der Verspätung ihr Endziel erst drei Stunden nach der vorgesehenen Ankunftszeit oder noch später erreichen (Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 07.05.2013 – X ZR 127/11 – und vom 12.06.2014 – X ZR 121/13 –).

Dabei steht der Begriff der „Ankunftszeit“, der in den Art. 2, 5 und 7 der FluggastrechteVO verwendet wird, um das Ausmaß der Fluggästen entstandenen Verspätung zu bestimmen, für den Zeitpunkt

  • zu dem mindestens eine der Flugzeugtüren geöffnet wird,
  • sofern den Fluggästen in diesem Moment das Verlassen des Flugzeugs gestattet ist.

Das hat die Neunte Kammer des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) mit Urteil vom 04.09.2014 – C-452/13 – auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Landesgerichts Salzburg (Österreich) entschieden.

In dem vor dem Landgericht Salzburg anhängigem Fall, in dem ein Fluggast bei der Fluggesellschaft Germanwings einen Flug von Salzburg (Österreich) nach Köln/Bonn gebucht und wegen einer gegenüber der panmäßigen Ankunftszeit verspäteten Ankunftszeit von über drei Stunden gemäß den Art. 5 und 7 der FluggastrechteVO eine Ausgleichszahlung in Höhe von 250 Euro von Germanwings verlangt hatte, betrug die Verspätung gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit

  • als die Räder des Flugzeugs die Landebahn des Flughafens Köln/Bonn berührten 2:58 Stunden und
  • als das Flugzeug seine Parkposition erreicht hatte, 3:03 Stunden. Kurz danach wurden dann die Flugzeugtüren geöffnet.

Damit liegt nach der Entscheidung des EuGH hier eine Ankunftsverspätung von mehr als drei Stunden vor, die grundsätzlich einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a, Art. 5 Abs. 1 Buchst. c FluggastrechteVO begründet.

 

Erhebliche Steuerschulden können Passentziehung rechtfertigen.

Einem Steuerpflichtigen mit erheblichen Steuerschulden kann der Reisepass entzogen werden, um zu verhindern, dass er sich seinen finanziellen Verpflichtungen entzieht.

Das hat die 23. Kammer des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin mit Beschluss vom 27.08.2014 – VG 23 L 410.14 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall war dem Betroffenen, der beim Land Baden-Württemberg fällige Steuerschulden in Höhe von mindestens 531.981,13 Euro und der sich in der Vergangenheit z.T. ohne seiner Meldepflicht nachzukommen an verschiedenen Wohnorten in Deutschland aufgehalten hatte, vom Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) der Reisepass entzogen worden.

Die 23. Kammer des VG Berlin erachtete das für rechtmäßig, lehnte den gegen die Passentziehung gerichteten Eilantrag des Betroffenen ab und begründete ihre Entscheidung damit, dass

  • nach § 8 Passgesetz i. V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 4 ein Reisepass entzogen werden kann, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründeten, dass der Passinhaber sich seinen steuerlichen Verpflichtungen entziehen will und
  • schon die objektiv erheblichen Steuerschulden die der Betroffene habe und für sich genommen darauf schließen lassen, dass er einen Steuerfluchtwillen habe.

Ungeachtet dessen spreche für den Steuerfluchtwillen des Betroffenen im konkreten Fall zusätzlich auch, dass

  • er zu keinem Zeitpunkt Bemühungen unternommen habe, seine seit Jahren bestehenden Verpflichtungen zu begleichen, und
  • er zudem wiederholt seine Meldepflichten verletzt habe.

Das hat die Pressestelle des Verwaltungsgerichts Berlin am 03.09.2014 – Nr. 39/2014 – mitgeteilt.

 

Geringe Farbabweichung bei Neuwagenkauf ein Sachmangel?

Beim Kauf eines Neuwagen stellen auch geringe Abweichungen von der im Kaufvertrag vereinbarten Fahrzeugfarbe eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) und deshalb einen Sachmangel dar.

Darauf hat das Landgericht (LG) Ansbach als Berufungsgericht mit Beschluss vom 09.07.2014 – 1 S 66/14 – hingewiesen und das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts (AG) Weißenburg in Bayern vom 12.12.2013 bestätigt.

In dem den Entscheidungen zugrunde liegendem Fall, in dem der Kläger einen Seat Altea in der Farbe „Track-Grau Metallic“ bestellt und ein Fahrzeug in der Farbe „Pirineos Grau“ erhalten hatte, wurden ihm, da das Fahrzeug nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufwies, die geltend gemachten 3.250,00 Euro für die Umlackierung des Fahrzeugs zugesprochen.

Die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der gewerblichen Autohändlerin enthaltenen und dem Kaufvertrag zugrunde liegenden Klauseln,

  • „dass Abweichungen im Farbton vorbehalten bleiben, wenn die Änderung nicht erheblich und für den Käufer zumutbar sind“ und
  • „dass Modelländerungen sowie Ausstattungsänderungen durch den Hersteller zu Lasten des Käufers gehen“

erachteten die Gerichte für unwirksam, weil für den Käufer nicht erkennbar sei, von welchen Kriterien die Erheblichkeit der Änderung und deren Zumutbarkeit für ihn abhänge.
Auch sei die vorgenommene Leistungsänderung im konkreten Fall dem Käufer nicht zumutbar, da es sich bei einem Neuwagenkauf um ein wirtschaftlich bedeutendes Geschäft handele, bei dem der Käufer üblicherweise eine bestimmte, individualisierte Farbwahl getroffen habe und nur deswegen bereit sei, den vereinbarten Kaufpreis zu bezahlen. Demgegenüber habe es die Verkäuferin in der Hand, noch vor Abschluss des Kaufvertrags die Verfügbarkeit des konkret bestellten Fahrzeugs zu prüfen und sich vor einer etwaigen vom Hersteller vorgenommenen Farbänderung zu schützen.

Das hat der Pressesprecher des Landgerichts Ansbach am 02.09.2014 – 9/14 – mitgeteilt.

 

Bewährung bei Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als 1 Jahr, aber nicht mehr als 2 Jahren?

Wird ein Angeklagter zu einer Freiheitsstrafe verurteilt setzt das Gericht die Vollstreckung zur Bewährung aus, bei einer Verurteilung

  • zu einer Freiheitsstrafe von weniger als 6 Monaten, wenn bei dem Angeklagten die Sozialprognose nach § 56 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) günstig ist;
  • von mindestens 6 Monaten, aber nicht mehr als 1 Jahr Freiheitsstrafe, wenn bei dem Angeklagten die Sozialprognose günstig ist (§ 56 Abs. 1 StGB) und die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung nicht gebietet (§ 56 Abs. 3 StGB);
  • von mehr als 1 Jahr, aber nicht mehr als 2 Jahren Freiheitsstrafe, wenn bei dem Angeklagten die Sozialprognose günstig ist (§ 56 Abs. 1 StGB), nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen (§ 56 Abs. 2 StGB) und die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung nicht gebietet (§ 56 Abs. 3 StGB).

Begründet ein Tatgericht die Ablehnung der Aussetzung einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren (lediglich) damit, dass eine Strafaussetzung „im Hinblick darauf, dass der Angeklagte die Tat während einer laufenden Bewährung – und dies nicht aus einer Notlage heraus – begangen hat, nicht in Betracht komme“, genügt eine solche Begründung den rechtlichen Anforderungen nicht und ist demzufolge rechtsfehlerhaft.

Bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als 1 Jahr, aber nicht mehr als 2 Jahren, bei der nach § 56 Abs. 2 StGB

  • bei Vorliegen einer günstigen Sozialprognose nach § 56 Abs. 1 StGB und
  • besonderer, in der Tat oder der Persönlichkeit des Angeklagten liegender Umstände

die Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen ist, sind die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 StGB stets vorrangig zu prüfen.
Dies gilt schon deshalb, weil zu den nach § 56 Abs. 2 StGB zu berücksichtigenden Faktoren nicht allein, aber auch solche gehören, die schon für die Prognose nach § 56 Abs. 1 StGB von Belang sind (st. Rspr.; vgl. nur Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 28.08.2012 – 3 StR 305/12 –).

Lässt sich in einem solchen Fall den Gründen eines Urteils schon nicht entnehmen, ob das Tatgericht eine Strafaussetzung zur Bewährung

  • mangels günstiger Sozialprognose nach § 56 Abs. 1 StGB oder aber
  • wegen Fehlens besonderer Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB

abgelehnt hat, vermag das Revisionsgericht nicht zu beurteilen, ob das Tatgericht die geforderte Prüfungsreihenfolge eingehalten und unter Zugrundelegung des jeweils richtigen Maßstabes entschieden hat.

Auf einem derartigen Rechtsfehler kann das Urteil auch beruhen, weil der Umstand, dass ein Angeklagter die abgeurteilte Tat wenige Tage vor Ablauf der Bewährungszeit, die eine nicht einschlägige Straftat betraf, begangen hat, einer günstigen Sozialprognose nicht ohne Weiteres entgegen steht.
Die Tatbegehung während des Laufs einer Bewährungszeit schließt die erneute Strafaussetzung zur Bewährung nicht grundsätzlich aus (BGH, Urteil vom 10.11.2004 – 1 StR 339/04 –).
Vielmehr ist bei der zu treffenden Prognoseentscheidung eine Gesamtwürdigung vorzunehmen, bei der namentlich die Persönlichkeit des Täters, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen sind, die von der Strafaussetzung für ihn zu erwarten sind (§ 56 Abs. 1 Satz 2 StGB; vgl. BGH, Beschluss vom 15.05.2001 – 4 StR 306/00 –).
Ob das Tatgericht nach der gebotenen Gesamtwürdigung aller wesentlichen negativen sowie positiven Prognosekriterien eine günstige Sozialprognose verneint hat, muss dem Urteil entnommen werden können.

Das hat der 3. Strafsenat des BGH mit Beschluss vom 10.07.2014 – 3 StR 232/14 – entschieden.