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Wenn polizeiliches Einsatzfahrzeug mit eingeschaltetem Blaulicht und Martinshorn unterwegs ist – Welche Pflichten haben die übrigen Verkehrsteilnehmer und welche hat der Fahrer des Einsatzfahrzeuges?

Nach § 38 Abs. 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) sind alle übrigen Verkehrsteilnehmer gegenüber einem polizeilichen Einsatzfahrzeug, das mit eingeschaltetem Blaulicht und Martinshorn fährt, verpflichtet, sofort freie Bahn zu schaffen, unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für die Verwendung von Blaulicht und Einsatzhorn tatsächlich gegeben sind.
Wer einem Einsatzfahrzeug freie Bahn zu schaffen hat, muss sich so verhalten, dass eine Behinderung des Einsatzfahrzeuges ausgeschlossen ist.

  • Dies gebietet es, rechts ranzufahren oder jedenfalls stehenzubleiben, bis beurteilt werden kann, woher das Einsatzfahrzeug kommt.
  • Auch muss ein am normalen Straßenverkehr teilnehmender Kraftfahrer grundsätzlich Vorsorge treffen, dass er die von einem herannahenden Einsatzfahrzeug abgegebenen besonderen Warnsignale rechtzeitig wahrnehmen kann. Ein derart wahrnehmungsbereiter und aufmerksamer Verkehrsteilnehmer kann insbesondere das eingeschaltete Einsatzhorn mit seinem durchdringenden, besonders auffälligen Ton in der Regel schon von weitem hören.

Ein polizeiliches Einsatzfahrzeug als nach § 35 Abs. 1 StVO privilegiertes Fahrzeug ist von der Einhaltung der StVO-Vorschriften befreit, soweit es zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist, es also sich um eine Einsatzfahrt beispielsweise aufgrund einer Straftat handelt.
Für die Beurteilung, ob es sich um eine Einsatzfahrt i.S.d. § 35 Abs.1 StVO handelt,

Auch bei eingeschaltetem Blaulicht und Martinshorn darf der Fahrer eines polizeilichen Einsatzfahrzeuges jedoch nur dann darauf vertrauen, dass die anderen Verkehrsteilnehmer der Verpflichtung des § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO nachkommen, sofort freie Bahn zu schaffen, wenn er nach den Umständen annehmen darf, dass sie alle anderen Verkehrsteilnehmer wahrgenommen und sich auf das Einsatzfahrzeug eingestellt haben (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 17.12.1974 – VI ZR 207/73 –). Dies folgt aus § 35 Abs. 8 StVO, wonach die Sonderrechte nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden dürfen.
Die dem Sonderrechtsfahrer obliegende Sorgfaltspflicht ist dabei umso größer, je mehr seine gegen die StVO verstoßende Fahrweise, die zu der zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe nicht außer Verhältnis stehen darf, die Unfallgefahr erhöht (vgl. Kammergericht (KG), Urteil vom 15.01.2007 – 12 U 145/05 –).
Insbesondere ist ein Polizeifahrzeug nach § 35 Abs. 1 StVO nicht in jedem Fall von dem Gebot, die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerorts einzuhalten, befreit. Vielmehr bedarf es einer Abwägung, inwieweit eine Verletzung von Verkehrsregeln zur Erfüllung der konkreten hoheitlichen Aufgabe geboten ist, also ob wegen einer konkreten Lebensgefahr bzw. einer Gefährdung erheblicher Sachwerte höchste Eile geboten oder ob dies angesichts der zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe nicht der Fall ist.

Darauf hat das Landgericht (LG) Düsseldorf mit Urteil vom 25.06.2014 – 2b O 165/13 – hingewiesen.

 

Wann kann ein in einer Unterbringungssache zum Verfahrenspfleger bestellter Rechtsanwalt nach den Vorschriften des RVG abrechnen?

In einer Unterbringungssache kann ein Rechtsanwalt, der zum Verfahrenspfleger bestellt worden ist, nur dann nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) abrechnen, wenn

  • die Erforderlichkeit anwaltsspezifischer Tätigkeiten im Bestellungsbeschluss festgestellt wurde oder
  • in dem konkreten Einzelfall die Wahrnehmung anwaltstypischer Aufgaben erforderlich war.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 23.07.2014 – XII ZB 111/14 – hingewiesen.

Danach ist, wenn das Amtsgericht bereits bei der Bestellung des Verfahrenspflegers die Feststellung getroffen hat, dass der Verfahrenspfleger eine anwaltsspezifische Tätigkeit ausübt, diese Feststellung für das Vergütungsfestsetzungsverfahren bindend (BGH, Beschlüsse vom 12.09.2012 – XII ZB 543/11 – und vom 17.11.2010 – XII ZB 244/10 –).
Eine Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine anwaltsspezifische Tätigkeit tatsächlich vorgelegen haben, findet in diesem Fall im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht mehr statt. Dies gebietet bereits der durch eine solche Feststellung begründete Vertrauensschutz, dem vor dem Hintergrund der grundrechtlich geschützten Freiheit der Berufsausübung des anwaltlichen Verfahrenspflegers auch deshalb besondere Bedeutung zukommt, weil er bei der Übernahme solcher Pflegschaften entsprechend zu disponieren hat.

Die Feststellung im Beschluss, dass die Verfahrenspflegschaft berufsmäßig ausgeübt wird,

  • schafft allerdings lediglich die Voraussetzung dafür, dass der Verfahrenspfleger – abweichend von dem Grundsatz der unentgeltlichen Führung von Pflegschaften (§ 1836 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) – überhaupt eine Vergütung für seine Tätigkeit nach dem Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (VBVG) verlangen kann,
  • beinhaltet aber jedenfalls dann nicht, dass die Verfahrenspflegschaft anwaltsspezifische Tätigkeiten erfordert, sofern nur die berufsmäßige Führung der Verfahrenspflegschaft festgestellt wird und nicht zusätzlich ausdrücklich auf die berufliche Qualifikation des Verfahrenspflegers „als Rechtsanwalt“ Bezug genommen wird wie in der Entscheidung des BGH vom 15.05.2013 – XII ZB 283/12 –).

Ist in dem Bestellungsbeschluss die Feststellung, die Verfahrenspflegschaft erfordere anwaltsspezifische Tätigkeiten, nicht getroffen worden, ist im Vergütungsfestsetzungsverfahren auf entsprechenden Antrag des Verfahrenspflegers anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob dieser im Rahmen seiner Bestellung solche Tätigkeiten zu erbringen hatte, für die ein juristischer Laie in gleicher Lage vernünftigerweise einen Rechtsanwalt zuziehen würde (BGH, Beschlüsse vom 27.06.2012 – XII ZB 685/11 – und vom 17.11.2010 – XII ZB 244/10 –).

Das ist der Fall,

  • wenn in dem konkreten Einzelfall die Wahrnehmung anwaltstypischer Aufgaben erforderlich war,

Ergibt diese vorzunehmende Prüfung dass in dem konkreten Einzelfall anwaltstypische Aufgaben nicht zu erbringen waren, kann der Rechtsanwalt seine Tätigkeit als „berufsmäßiger“ Verfahrenspfleger nur nach den Vorschriften des VBVG vergütet verlangen.

 

Wenn Fahrzeuge auf Parkplätzen miteinander kollidieren – Wer ist schuld?

Auf Parkplätzen ist wegen der als Folge von Ein- und Ausparkvorgängen oft unübersichtlichen Verkehrsverhältnisse generell von allen Benutzern eine erhöhte Aufmerksamkeit und Bereitschaft zur Rücksichtnahme zu fordern (Kammergericht (KG), Beschluss vom 12.10.2009 – 12 U 233/08 – ).
Die einen Parkplatz befahrenden Fahrzeugführer haben deshalb hohe Sorgfaltspflichten und sind sich zur gegenseitigen Rücksichtnahme gemäß § 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) verpflichtet (vgl. Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt, Urteil vom 09.06.2009 – 3 U 211/08 –).

Die Vorfahrtsregel des § 8 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) („rechts vor links“), die grundsätzlich auch auf Fahrbahnen von Parkplätzen gilt, soweit diese für die Allgemeinheit freigegeben sind, gilt nur für gleichartige Fahrspuren mit eindeutigem Straßencharakter sowie auch für sonstige baulich gleich gestaltete Fahrspuren. Entscheidend ist insoweit, ob auf dem Parkplatz als Straßen angelegte Zufahrten gleichberechtigt aufeinander treffen (KG, Beschluss vom 12.10.2009 – 12 U 233/08 –).

Für eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 10 StVO,

  • nach der diejenigen Verkehrsteilnehmer, die aus einem Grundstück, aus einer Fußgängerzone, aus einem verkehrsberuhigten Bereich auf die Straße oder von anderen Straßenteilen oder über einen abgesenkten Bordstein hinweg auf die Fahrbahn einfahren oder vom Fahrbahnrand anfahren wollen, sich dabei so zu verhalten haben, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist,

ist nur ausnahmsweise in solchen Fällen Raum, in denen verschiedene Bereiche des Parkplatzes sich im Verhältnis zueinander nach dem objektiven Erscheinungsbild als über- und untergeordnete Verkehrsflächen darstellen.

  • Verleiht die bauliche Gestaltung oder Markierung einer bestimmten Teilfläche – etwa einem Zu- und Abfahrtsweg – einen eindeutigen Straßencharakter, dann sind die angrenzenden Teilflächen – etwa die einzelnen Parkgassen – als (insoweit untergeordnete) „andere Straßenteile“ einzustufen (vgl. KG, Beschluss vom 12.10.2009 – 12 U 233/08 –).

 

Ein eindeutiger Straßencharakter einer nur als Zubringer zu den Parkgassen dienenden Teilfläche ist in Fällen bejaht worden, in denen die betreffende Fahrbahn

  • zum einen zweispurig mit Mittellinie gestaltet und
  • zum anderen seitlich durch bauliche Anlagen in Form von kleinen Hecken und Büschen bzw. von Straßenlaternen und Betonpflanzkübeln abgegrenzt war.

 

Demgegenüber spricht eine örtliche Situation,

  • bei der die Fahrbahnoberflächen sich nicht unterscheiden,
  • eine Mittelstreifenmarkierung des Zubringers fehlt und
  • keine deutlichen seitlichen Abgrenzungen vorhanden sind,

gegen die Annahme einer Über- und Unterordnung.

Auch reicht allein die ausgedehnte Überdachung eines Großparkplatzes für eine analoge Anwendung des § 10 StVO auf den Bereich der Einmündung einer Parkgasse in den umlaufenden Zu- und Abfahrtsweg jedenfalls dann nicht aus, wenn gerade die Parkgassen von der Überdachung ausgenommen sind.

Darauf hat der 14. Zivilsenat des OLG Nürnberg mit Urteil vom 28.07.2014 – 14 U 2515/13 – hingewiesen.

Da bei Parkplatzunfällen die Beurteilung der Schuldfrage mitunter schwierig ist, kann es empfehlenswert sein die Beratung eines Rechtsanwalts, insbesondere eines Anwalts der gleichzeitig die Qualifikation „Fachanwalt für Verkehrsrecht“ hat, in Anspruch zu nehmen.

 

Wenn nach § 467 HGB eingelagertes Gut beschädigt ist – Wann haftet der Lagerhalter?

Nach § 475 Satz 1 Handelsgesetzbuch (HGB) haftet ein Lagerhalter, der sich durch einen Lagervertrag gemäß § 467 HGB verpflichtet hat, das Gut zu lagern und aufzubewahren, für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Übernahme zur Lagerung bis zur Auslieferung entsteht, es sei denn, dass der Schaden durch die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht abgewendet werden konnte.

Die Haftung des Lagerhalters nach dieser Vorschrift setzt voraus, dass die Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Übernahme zur Lagerung bis zur Auslieferung, also in der Obhut des Lagerhalters, entstanden ist.

  • Der Einlagerer muss somit darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass das Gut unversehrt in die Verwahrung des Lagerhalters gelangt und beschädigt aus ihr herausgelangt ist.
  • Der Lagerhalter hat dagegen darzutun, wie der Schaden entstanden ist und dass er durch die gebotene Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 19.06.1986 – I ZR 15/84 –; Urteil vom 26.09.1991 – I ZR 143/89 –).

 

Darauf hat der I. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 19.03.2014 – I ZR 209/12 – hingewiesen.

 

Ein nach einem Verkehrsunfall einstandspflichtiger Schädiger kann einen Geschädigten der den Schaden an seinem Fahrzeug fiktiv abrechnet noch im Rechtsstreit auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer Referenzwerkstatt verweisen.

Darauf hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 15.07.2014 – VI ZR 313/13 – (nochmals) hingewiesen.

Danach darf ein Geschädigter, sofern die Voraussetzungen für eine fiktive Schadensberechnung vorliegen, dieser grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (BGH, Urteile vom 29.04.2003 – VI ZR 398/02 – Porsche-Urteil –; vom 20.10.2009 – VI ZR 53/09 – VW-Urteil –; vom 22.06.2010 – VI ZR 302/08 – Audi-Quattro-Urteil –; vom 22.06.2010 – VI ZR 337/09 – Mercedes-A 170-Urteil –).

  • Nach der Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des BGH besteht in der Regel
    • ein Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten
    • unabhängig davon, ob der Geschädigte den Wagen

 

Dieser Verweis auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit im Fall einer fiktiven Schadensabrechnung des Geschädigten kann noch im Rechtsstreit erfolgen,

Für den Geschädigten, der fiktiv abrechnet, ist es unerheblich, ob und wann der Schädiger oder sein Haftpflichtversicherer auf die alternative Reparaturmöglichkeit verweist.
Dem steht nicht entgegen, dass der Geschädigte nicht verpflichtet ist, zu den von ihm tatsächlich veranlassten oder auch nicht veranlassten Herstellungsmaßnahmen konkret vorzutragen. Entscheidend ist, dass in solchen Fällen der objektiv zur Herstellung erforderliche Betrag ohne Bezug zu tatsächlich getätigten Aufwendungen zu ermitteln ist.
Der Geschädigte disponiert dahin, dass er sich mit einer Abrechnung auf dieser objektiven Grundlage zufrieden gibt. Hinweise des Schädigers auf Referenzwerkstätten dienen hier nur dazu, der in dem vom Geschädigten vorgelegten Sachverständigengutachten vorgenommenen Abrechnung entgegenzutreten.
Im Hinblick darauf muss auch der Geschädigte, der den Fahrzeugschaden bereits behoben hat, ihn aber weiterhin fiktiv auf Gutachtenbasis abrechnet, mit der Möglichkeit rechnen, dass die Erforderlichkeit des vom Gutachter ermittelten Geldbetrages noch im Prozess von der Gegenseite bestritten wird und sich bei der Überzeugungsbildung des Gerichts, ob der verlangte Geldbetrag der erforderliche Geldbetrag im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist, ein geringerer zu ersetzender Betrag ergibt. 

 

Der Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a Nr. 1 StGB – Was setzt er voraus?

Das Gericht kann nach § 46a Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB) die Strafe

  • nach § 49 Abs. 1 StGB mildern oder,
  • wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen,

wenn ein Täter

  • in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich),
    • seine Tat ganz wiedergutgemacht hat oder
    • zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht hat oder
    • deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt hat.

Das Bemühen des Täters im Sinne dieser Vorschrift, die sich vor allem auf den Ausgleich von immateriellen Folgen einer Straftat bezieht, aber auch bei Vermögensdelikten in Betracht kommt, verlangt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer,

Voraussetzung eines solchen kommunikativen Prozesses ist, dass

An einem derartigen kommunikativen Prozess fehlt es, wenn beispielsweise nach einem versuchten Totschlag vom Täter seinem Opfer einmal vor sowie ein weiteres Mal in der Hauptverhandlung eine Ausgleichszahlung von 10.000 Euro angeboten worden ist, das Opfer dieses Angebot nicht angenommen, sich eine spätere Annahme aber vorbehalten hat und es zu weiteren unmittelbaren oder mittelbaren Kontakten zwischen Täter und Opfer nicht gekommen ist, weil in einem solchen Fall

  • sich das Opfer gerade nicht auf einen kommunikativen Prozess mit dem Täter eingelassen und
  • die angebotene Ausgleichszahlung auch nicht als friedensstiftende Leistung akzeptiert hat.
  • Der Vorbehalt die angebotenen 10.000 Euro zukünftig möglicherweise noch als friedensstiftend akzeptieren zu wollen, ändert daran nichts.

Darauf hat der 1. Strafsenat des BGH mit Beschluss vom 08.07.2014 – 1 StR 266/14 – hingewiesen.

 

Wenn unter Nutzung eines fremden eBay-Mitgliedskontos ein Gegenstand zum Verkauf angeboten wird – mit welcher Person kommt der Vertrag zustande?

Werden unter Nutzung eines fremden eBay-Mitgliedskontos auf den Abschluss eines Vertrages gerichtete Erklärungen abgegeben, liegt ein Handeln unter fremdem Namen vor, auf das die Regeln über die Stellvertretung sowie die Grundsätze der Anscheins- oder der Duldungsvollmacht entsprechend anzuwenden sind.

Darauf hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Celle mit Urteil vom 09.07.2014 – 4 U 24/14 – hingewiesen.

Danach erfolgt auch in den Fällen, in denen über eine Internetplattform Gegenstände an den Höchstbietenden zum Verkauf angeboten werden, der Abschluss eines Kaufvertrags regelmäßig nach den Bestimmungen der §§ 145 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
Mit welcher Person dabei ein Vertrag geschlossen wird, bestimmt sich nach der maßgeblichen Sicht der anderen Vertragspartei.
Bei einer Fallkonstellation des „Handels unter fremdem Namen“ ist es rechtlich nicht möglich, dass

  • sowohl der aktiv Handelnde
  • wie auch diejenige Person, unter deren Namen der Andere handelt,

gleichermaßen verpflichtet werden.
Vielmehr kommt nur in Betracht, dass

  • entweder der aktiv Handelnde oder
  • die Person, in deren Namen gehandelt wird,

verpflichtet werden (vgl. dazu Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 11.05.2011 – VIII ZR 289/09 – und vom 01.03.2013 – V ZR 92/12 –)

  • Hat – aus der maßgeblichen Sicht des Käufers – der aktiv Handelnde, der bei dem getätigten Geschäft ein fremdes eBay-Mitgliedskontos genutzt hat, im eigenen Namen gehandelt, ist er dem Käufer gegenüber selbst verpflichtet und nicht der Inhaber des verwendeten Mitgliedskontos.
    Das ist der Fall, wenn sich das getätigte Geschäft aus der insoweit maßgeblichen Sicht der anderen Vertragspartei als Eigengeschäft des Handelnden darstellt, bei diesem also keine Fehlvorstellung über die Identität des Handelnden hervorgerufen wird (vgl. BGH, Urteil vom 11.05.2011 – VIII ZR 289/09 –).
     
  • Hat dagegen der aktiv Handelnde, der bei dem getätigten Geschäft ein fremdes eBay-Mitgliedskontos genutzt hat – aus der maßgeblichen Sicht des Käufers – im Namen des Nutzerkonto-Inhabers gehandelt und ist dieses Handeln dem Nutzerkonto-Inhaber nach Vertretungsregeln zuzurechnen, ist dieser gegenüber dem Käufer verpflichtet worden.
    ​Eine rechtsgeschäftliche Erklärung, die unter solchen Voraussetzungen unter dem Namen eines anderen abgegeben worden ist, verpflichtet den Namensträger regelmäßig allerdings nur dann, 

    • wenn sie in Ausübung einer bestehenden Vertretungsmacht erfolgt,
    • vom Namensinhaber nachträglich genehmigt worden ist oder 
    • wenn die Grundsätze über die Anscheins- oder die Duldungsvollmacht eingreifen.  

       

  • Ist das Handeln unter Nutzung des fremden eBay-Mitgliedskontos dem Kontoinhaber nicht unter Vertretungsregeln zuzurechnen, kommt seine Inanspruchnahme nicht in Betracht. In dem Fall besteht dann aber eine Haftung nach § 179 Abs. 1 BGB desjenigen der ohne Vertretungsmacht unter fremden Namen gehandelt hat.

 

Bevor eine ärztliche Zwangsmaßnahme verlängert wird muss erst nochmals versucht worden sein den Betreuten von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen.

Auch vor jeder erneuten oder verlängerten ärztlichen Zwangsmaßnahme ist nochmals darauf hinzuwirken, dass der Betroffene seinen natürlichen Willen so ändert, dass dieser sich nicht (mehr) gegen die Maßnahme richtet.

Darauf hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Lübeck mit Beschluss vom 09.07.2014 – 7 T 398/14 – hingewiesen.

Nach § 1906 Abs. 3 a Satz 1 BGB bedarf die Einwilligung des Betreuers in eine ärztliche Maßnahme der Genehmigung des Betreuungsgerichts.
In eine ärztliche Zwangsmaßnahme, d. h. eine ärztliche Maßnahme im Rahmen einer zivilrechtlichen Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB die dem natürlichen Willen eines Betreuten widerspricht (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 04.06.2014 – XII ZB 121/14 –), darf ein Betreuer nach § 1906 Abs. 3 nur einwilligen, wenn

  1. der Betreute aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann,
  2. zuvor versucht wurde, den Betreuten von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen,
  3. die ärztliche Zwangsmaßnahme im Rahmen der Unterbringung nach § 1906 Absatz 1 BGB zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, um einen drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden abzuwenden,
  4. der erhebliche gesundheitliche Schaden durch keine andere dem Betreuten zumutbare Maßnahme abgewendet werden kann und
  5. der zu erwartende Nutzen der ärztlichen Zwangsmaßnahme die zu erwartenden Beeinträchtigungen deutlich überwiegt.

An den Überzeugungsversuch nach § 1906 Abs. 3 Nr. 2 BGB sind dabei nicht etwa dann geringere Anforderungen zu stellen, wenn bei dem Betroffenen bereits mehrfach Einwilligungen in ärztliche Zwangsmaßnahmen gerichtlich genehmigt worden sind. Denn gerade der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert, vor jeder erneuten oder verlängerten ärztlichen Zwangsmaßnahme nochmals darauf hinzuwirken, dass der Betroffene seinen natürlichen Willen so ändert, dass dieser sich nicht (mehr) gegen die Maßnahme richtet.

 

Wenn ein gemeinschaftliches Testament wegen Testierunfähigkeit eines Ehegatten unwirksam ist – Was ist die Folge?

Auch wechselbezügliche Verfügungen eines wegen Testierunfähigkeit eines Ehegatten unwirksamen gemeinschaftlichen Testaments können in ein Einzeltestament des anderen Ehegatten umgedeutet werden.

Darauf hat der 31. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) München mit Beschluss vom 23.07.2014 – 31 Wx 204/14 – hingewiesen.

Dass eine als gemeinschaftliches Testament (§ 2265 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) unwirksame letztwillige Verfügung im Wege der Umdeutung als einseitige letztwillige Verfügung aufrechterhalten werden kann gilt

  • nicht nur dann, wenn es an den formellen Voraussetzungen fehlt (wie etwa bei Nichtehegatten oder wegen des fehlenden Beitritts eines Ehegatten),
  • sondern auch, wenn wegen Testierunfähigkeit eines Ehegatten ein gemeinschaftliches Testament nicht wirksam errichtet wurde (vgl. OLG München, Beschluss vom 19.05.2010 – 31 WX 38/10 –).

 

Eine Umdeutung kann auch hinsichtlich solcher Verfügungen vorgenommen werden, die zu einer Verfügung des anderen Ehegatten wechselbezüglich im Sinne des § 2270 BGB sein können, wie die gegenseitige Erbeinsetzung der Ehegatten.
Maßgeblich ist auch hier, dass der Erblasser auch in Kenntnis der unwirksamen oder fehlenden entsprechenden Verfügung des anderen Testierenden seine eigene Verfügung zu dessen Gunsten treffen wollte (Bayerisches Oberstes Landesgericht (BayObLG), Beschluss vom 24.01.2003 – 1Z BR 14/02 –; OLG München, Beschluss vom 19.05.2010 – 31 Wx 38/10 –).
§ 2270 Abs. 1 BGB steht einer Umdeutung nicht entgegen. Danach hat bei wechselbezüglichen Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament die Nichtigkeit oder der Widerruf der einen Verfügung die Unwirksamkeit der anderen zur Folge.
Diese Vorschrift ist jedoch nicht zwingend; es steht den Testierenden frei, die an die Nichtigkeit einer wechselbezüglichen Verfügung geknüpfte Rechtsfolge abzumildern oder auszuschließen.
Ein solcher Wille kann auch durch Auslegung ermittelt werden (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 12.01.2011 – IV ZR 230/09 – Rn. 16 zum Fall des Widerrufs) und ergeben, dass der Erblasser seinen Ehegatten durch einseitige letztwillige Verfügung zum Alleinerben eingesetzt hätte, wenn er gewusst hätte, dass wegen dessen Testierunfähigkeit eine gemeinschaftliche letztwillige Verfügung mit einer gegenseitigen Erbeinsetzung nicht wirksam getroffen werden kann.

 

Wann ist eine begangene Tat durch Notwehr gerechtfertigt?

Voraussetzung ist, dass

  1. sich der Täter objektiv in einer Notwehrlage befindet, d. h. er einem gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff ausgesetzt ist,
  2. der Gegenangriff zumindest auch zu dem Zweck geführt wird, den vorangehenden Angriff von sich oder einem anderen abzuwehren und
  3. die Grenzen des Erforderlichen nicht überschritten sind. 

Gegenwärtig

  • ist ein Angriff bereits dann, wenn sich die durch das Verhalten des Angreifers begründete Gefahr so verdichtet hat, dass ein Hinausschieben der Abwehrhandlung unter den gegebenen Umständen
    • entweder deren Erfolg gefährden oder
    • den Verteidiger zusätzlicher nicht mehr hinnehmbarer Risiken aussetzen,

d.h., bei einem Zuwarten also die Gefahr bestehen würde,

Rechtswidrig

  • ist ein Angriff, wenn er in Widerspruch zur Rechtsordnung steht.

 

Da der Gegenangriff zumindest auch zu dem Zweck geführt werden muss, den vorangehenden Angriff von sich oder einem anderen abzuwehren, muss der Täter mit Verteidigungswillen handeln.

  • Wird von dem Angegriffenen in einer Notwehrlage ein Gegenangriff auf Rechtsgüter der Angreifer geführt (sog. Trutzwehr), kann darin nur dann eine Angriffsabwehr (Verteidigung) gesehen werden, wenn in diesem Vorgehen auch tatsächlich der Wille zum Ausdruck kommt, der drohenden Rechtsverletzung entgegenzutreten.
    Dass dem Angegriffenen die Notwehrlage bekannt ist, reicht dazu nicht aus.
    Vielmehr sind die subjektiven Voraussetzungen der Notwehr erst dann erfüllt, wenn der Gegenangriff zumindest auch zu dem Zweck geführt wird, den vorangehenden Angriff abzuwehren.
    Dabei ist ein Verteidigungswille auch dann noch als relevantes Handlungsmotiv anzuerkennen, wenn andere Beweggründe (Vergeltung für frühere Angriffe, Feindschaft etc.) hinzutreten. Erst wenn diese anderen Beweggründe so dominant sind, dass hinter ihnen der Wille das Recht zu wahren ganz in den Hintergrund tritt (Angriff lediglich zum Anlass genommen, gegen Angreifer Gewalt zu üben), kann von einem Abwehrverhalten keine Rede mehr sein (vgl. BGH, Urteil vom 25.04.2013 – 4 StR 551/12 –).

Die Grenzen des Erforderlichen dürfen nicht überschritten werden.