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Aus der (anfänglichen) Aussageverweigerung eines Angeklagten dürfen keine für ihn nachteiligen Schlüsse gezogen werden.

Da es einem Angeklagten frei steht, ob er sich zur Sache einlässt (§ 136 Abs. 1 Satz 2, § 243 Abs. 5 Satz 1 Strafprozessordnung (StPO)) wäre der unbefangene Gebrauch dieses Schweigerechts nicht gewährleistet, wenn ein Angeklagter die Prüfung und Bewertung der Gründe für sein Aussageverhalten befürchten müsste. Deshalb dürfen

  • weder aus der durchgehenden
  • noch aus der anfänglichen

Aussageverweigerung nachteilige Schlüsse gezogen werden.

Anders ist dies allerdings dann, wenn der Fall eines – der Würdigung grundsätzlich zugänglichen – teilweisen Schweigens des Angeklagten vorliegt.
Denn wenn ein Angeklagter

  • sich grundsätzlich zur Sache äußert und
  • nur zu bestimmten Punkten eines einheitlichen Geschehens keine Angaben macht,

kann dies sehr wohl zu seinem Nachteil berücksichtigt werden,

Darauf hat der 3. Strafsenat des BGH mit Beschluss vom 28.05.2014 – 3 StR 196/14 – hingewiesen.

 

Vorsorgevollmacht – Bleibt sie über den Tod des Vollmachtgebers hinaus wirksam oder erlischt sie mit dessen Tod?

Bei einer Vollmacht,

  • die zur Vermeidung einer gerichtlich angeordneten Betreuung erteilt worden ist (hier: Formular aus „Vorsorge für Unfall, Krankheit und Alter“) und in der vorgesehen ist, dass sie daher in Kraft bleibt, wenn der Vollmachtgeber nach der Errichtung geschäftsunfähig werden sollte,
  • in der aber ausdrücklich nichts dazu gesagt ist, ob sie mit dem Tod des Vollmachtgebers endet,

ist durch Auslegung des Auftragsverhältnisses (§ 662 BGB) zu ermitteln, was für den Fall des Todes des Vollmachtgebers gelten soll.

Je mehr der Auftragsgegenstand auf die Person und die persönlichen Verhältnisse – hingegen weniger auf das Vermögen – des Auftragsgebers zugeschnitten ist, desto eher ist anzunehmen, dass der Auftrag mit dem Tod des Auftraggebers erlöschen soll.
Bei einer Altersvorsorgevollmacht, die im Weg eines Auftragsverhältnisses dem Bevollmächtigten für den Fall der Betreuungsbedürftigkeit eine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht entsprechend dem Umfang der Vertretungsmacht eines Betreuers einräumen soll, geht die herrschende Meinung davon aus, dass sie mit dem Tod des Vollmachtgebers auch für den Bereich der Vermögensverwaltung erlischt.
Das gilt jedenfalls, sofern die Vollmacht keine Besonderheiten aufweist, die für die Fortgeltung einer individuellen, auf die besonderen persönlichen Verhältnisse ausgerichteten „Vorsorgevollmacht“ auch über den Tod hinaus sprechen (Oberlandesgericht (OLG) München, Beschluss vom 15.11.2011 – 34 Wx 388/11 –).

Darauf hat der 34. Zivilsenat des OLG München mit Beschluss vom 07.07.2014 – 34 Wx 265/14 – hingewiesen.

 

 

Anlageberatung durch Bank – Zur Aufklärungspflicht über den Empfang versteckter Innenprovisionen.

Eine beratende Bank hat Kunden aufgrund von Anlageberatungsverträgen ab dem 01.08.2014 (auch) über den Empfang versteckter Innenprovisionen von Seiten Dritter unabhängig von deren Höhe aufzuklären.
Soweit diese Aufklärung im Rahmen von Anlageberatungsverträgen vor dem 01.08.2014 unterblieben ist, handelte die beratende Bank ohne Verschulden.

Darauf hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 03.06.2014 – XI ZR 147/12 – hingewiesen.

  • Bereits entschieden hatte der XI. Zivilsenat des BGH, dass eine Bank aus dem Anlageberatungsvertrag verpflichtet ist, über die von ihr vereinnahmte Rückvergütung aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen ungefragt aufzuklären.

Aufklärungspflichtige Rückvergütungen in diesem Sinne sind regelmäßig umsatzabhängige Provisionen, die im Gegensatz zu versteckten Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie zum Beispiel Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsvergütungen gezahlt werden, deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt. Hierdurch kann beim Anleger zwar keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der Anlage entstehen, er kann jedoch das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage nicht erkennen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 09.03.2011 – XI ZR 191/10 – und BGH, Urteil vom 08.05.2012 – XI ZR 262/10 –).

Für Beratungsverträge ab dem 01.08.2014 wird der XI. Zivilsenat des BGH nunmehr davon ausgehen, dass die beratende Bank den Anleger stets auch über den Rückfluss versteckter Innenprovisionen Dritter aufklären muss.

Es kommt damit ab diesem Zeitpunkt künftig nicht mehr darauf an, ob die Provisionen offen ausgewiesen oder im Anlagebetrag versteckt sind. 

 

Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch Äußerungen in Presseveröffentlichungen?

Zu den Schutzgütern des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zählt die soziale Anerkennung des Einzelnen. Es umfasst den Schutz des Einzelnen vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf sein Bild in der Öffentlichkeit auszuwirken (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 25.10.2011 – VI ZR 332/09 –; BGH, Beschluss vom 16.10.2013 – XII ZB 176/12 –).

Ob eine in einer Presseveröffentlichung enthaltene Äußerung eine solche Eignung besitzt und demzufolge wegen eines Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) bestehen kann, hängt davon ab, welcher Aussagegehalt ihr zukommt.

  • Bei der mithin notwendigen Sinndeutung ist zu beachten, dass die Äußerung stets in dem Zusammenhang zu beurteilen ist, in dem sie gefallen ist.
  • Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (vgl. BGH, Urteile vom 22.09.2009 – VI ZR 19/08 – und vom 11.03.2008 – VI ZR 7/07 –).

 

Darauf hat der VI. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 27.05.2014 – VI ZR 153/13 – hingewiesen.

 

Zur Beachtung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ bei der Prüfung des Rücktritts vom Versuch.

Wenn von einem Angeklagten, nachdem er vergeblich versucht hatte, einen anderen unter Vorhalt einer Schreckschusspistole zur Herausgabe von Geld zu nötigen, auf ein Weiterhandeln verzichtet worden ist und Feststellungen dazu, ob die Waffe geladen oder ungeladen war, nicht (mehr) möglich sind, darf das Gericht bei der Prüfung der Frage, ob der Angeklagte nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Strafgesetzbuch (StGB) mit strafbefreiender Wirkung von diesem unbeendeten Versuch der schweren räuberischen Erpressung zurückgetreten ist,

  • nicht – vermeintlich zu Gunsten des Angeklagten – von einer ungeladenen Schreckschusspistole ausgehen und demzufolge deshalb einen den Rücktritt ausschließenden fehlgeschlagenen Versuch annehmen, weil
    • sich der Überfallene von der Bedrohung mit der Pistole weitgehend unbeeindruckt gezeigt hatte und
    • eine Intensivierung der Drohung mit der ungeladenen Waffe nicht möglich gewesen war,
       
  • vielmehr muss in einem solchen Fall bei der Frage des Rücktritts nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ davon ausgegangen werden, dass die Schreckschusswaffe geladen war, weil dem Angeklagten dann
    • unter Umständen die Herbeiführung des Erfolgseintritts – z.B. durch die intensivere Einschüchterung des Überfallenen mittels Schussabgabe – objektiv noch möglich gewesen wäre und
    • wenn der Angeklagte die Ausführung der Tat unter Verwendung einer geladenen Schreckschusswaffe auch subjektiv noch für möglich gehalten hätte, ein Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch der schweren räuberischen Erpressung zu bewerten wäre (Bundesgerichtshof (BGH), Beschlüss vom 02.11.2007 – 2 StR 336/07 –  und vom 26.09.2006 – 4 StR 347/06 –).

Darauf hat der 2. Strafsenat des BGH mit Beschluss vom 15.05.2014 – 2 StR 581/13 – hingewiesen und die Sache, weil das Landgericht verkannt hat, dass es bei der Frage des Rücktritts „in dubio pro reo“

  • nicht von einer ungeladenen,
  • sondern von einer geladenen

Schreckschusswaffe hätte ausgehen müssen, zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Sollte die (neue) Verhandlung ergeben, dass der Angeklagte die Ausführung der Tat auch mit einer geladenen Schreckschusswaffe nicht mehr für möglich gehalten haben sollte und deshalb auch bei Annahme dieser Fallgestaltung kein strafloser Rücktritt sondern ein strafbarer fehlgeschlagener Versuch vorliegt, muss bei der Strafzumessung zu Gunsten des Angeklagten dann wiederum davon ausgegangen werden, dass die Schreckschusswaffe ungeladen war.

 

Einstweilige Einstellung der aus einem vorläufig vollstreckbaren Räumungsurteil betriebenen Zwangsvollstreckung noch in der Revisionsinstanz? – Voraussetzungen?

Wird Revision gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird,

  • wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und
  • nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht

(§ 719 Abs. 2 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO)).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) kommt eine solche Einstellung dann nicht in Betracht, wenn der Schuldner es versäumt hat, im Berufungsrechtszug einen Vollstreckungsschutzantrag gemäß § 712 ZPO zu stellen, obwohl ihm ein solcher Antrag

  • möglich und
  • zumutbar

gewesen wäre.
Ein im Berufungsrechtszug gemäß §§ 719 Abs. 1 Satz 1, 707 ZPO gestellter Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gilt nur für diese Instanz („Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung für die Dauer des Berufungsverfahrens“) und wirkt nicht über den Erlass des Berufungsurteils hinaus, so dass er nicht den erforderlichen Sachantrag nach § 712 ZPO ersetzen kann, der dahin geht, dass das Berufungsgericht auch gegenüber seiner Entscheidung Vollstreckungsschutz gewähren soll (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 31.07.2013 – XII ZR 114/13 –).
An dieser Voraussetzung für die Einstellung der Zwangsvollstreckung durch das Revisionsgericht fehlt es, wenn der Schuldner

  • im Berufungsverfahren lediglich einen Antrag nach §§ 719, 707 ZPO, nicht aber einen solchen gemäß § 712 ZPO gestellt und
  • im Revisionsverfahren keine Umstände dargelegt hat, die das Erfordernis wegen Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit eines solchen Antrags ausnahmsweise entfallen lassen.

Dass der Schuldner seine Erfolgsaussichten im Berufungsverfahren unzutreffend eingeschätzt hat, rechtfertigt ein Absehen von einem Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO nicht (BGH, Beschlüsse vom 10.04.2003 – XII ZR 280/01 –; vom 23.10.2007 – XI ZR 449/06 – und vom 29.07.2004 – III ZR 263/04 –). Das gilt selbst dann, wenn die Auffassung zu den Erfolgsaussichten auf eine vorläufige Einschätzung des Berufungsgerichts gestützt ist.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 02.07.2014 – XII ZR 65/14 – hingewiesen.

 

Mischmietverhältnis – Welchen Vorschriften unterliegt es?

Hat beispielsweise der Vermieter eines mehrstöckigen Hauses dem Mieter im Mietvertrag gestattet die Räume im Erdgeschoß für eine gewerbliche Tätigkeit oder für freiberufliche Zwecke zu nutzen, liegt ein sogenanntes Mischmietverhältnis vor, also ein einheitliches Mietverhältnis über Wohn- und Geschäftsräume, dessen Beurteilung sich wegen der von den Parteien gewollten Einheitlichkeit

  • entweder nach den Bestimmungen der Wohnraummiete oder
  • nach den Vorschriften der Geschäftsraummiete

richtet.
Bei der rechtlichen Einordnung, welchen Vorschriften, also auch welchen Kündigungsvorschriften ein solches sogenanntes Mischmietverhältnis unterliegt, ist auf den überwiegenden Vertragszweck bei Vertragsabschluss abzustellen.
Lässt sich ein Überwiegen der gewerblichen Nutzung nicht feststellen, sind vorrangig die für die Wohnraummiete geltenden Vorschriften anzuwenden.

Das hat der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 09.07.2014 – VIII ZR 376/13 – entschieden.

Danach ist zunächst zu prüfen, ob ein Vertragszweck bei Vertragsabschluss überwogen hat. Bei dieser Prüfung sind alle auslegungsrelevanten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, wobei etwa

  • der Verwendung eines auf eine der beiden Nutzungsarten zugeschnittenen Vertragsformulars,
  • dem Verhältnis der für die jeweilige Nutzungsart vorgesehen Flächen und
  • der Verteilung der Gesamtmiete auf die einzelnen Nutzungsanteile

Indizwirkung zukommen kann.

Kein sachgerechtes Kriterium für die Bestimmung des überwiegenden Nutzungszwecks stellt für sich allein der Umstand dar, dass der Mieter durch die freiberufliche oder gewerbliche Nutzung eines Teils der angemieteten Räume seinen Lebensunterhalt verdienen will.
Es besteht nämlich kein allgemeiner Erfahrungssatz dahin, dass bei einem Mischmietverhältnis die Schaffung einer Erwerbsgrundlage Vorrang vor der Wohnnutzung hat. Dass das Wohnen als wesentlicher Aspekt des täglichen Lebens generell hinter der Erwerbstätigkeit des Mieters zurücktreten soll, lässt sich weder mit der Bedeutung der Wohnung als – grundrechtlich geschütztem – Ort der Verwirklichung privater Lebensvorstellungen, noch mit dem Stellenwert, dem das Wohnen in der heutigen Gesellschaft zukommt, in Einklang bringen.

Lässt sich ein Überwiegen der gewerblichen Nutzung nicht feststellen, sind deshalb vorrangig die für die Wohnraummiete geltenden Vorschriften anzuwenden, weil andernfalls die zum Schutz des Wohnraummieters bestehenden zwingenden Sonderregelungen unterlaufen würden.

In dem seiner Entscheidung zugrunde liegenden Fall ging der VIII. Zivilsenat des BGH unter anderem wegen

  • des auf die Wohnraummiete zugeschnittenen Mietvertragsformulars,
  • der für Gewerberaummietverhältnisse untypischen unbestimmten Vertragslaufzeit sowie wegen der Vereinbarung einer einheitlichen Miete ohne Umsatzsteuerausweis

von einem Wohnraummietverhältnis aus.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 09.07.2014 – Nr. 109/2014 – mitgeteilt.

 

„Wetten aufs Wetter“ als Werbeaktion muss kein öffentliches Glücksspiel sein.

Bei der von einem Möbel- und Einrichtungshaus geplanten Werbeaktion „Sie bekommen den Kaufpreis zurück, wenn es am … regnet“, bei der jeder Kunde, der innerhalb eines vorab festgelegten Zeitraums Waren für mindestens 100 € erwirbt, den Kaufpreis zurückerstattet erhalten soll, wenn

  • an einem vorbestimmten Stichtag zwischen 12.00 und 13.00 Uhr am Flughafen Stuttgart mindestens eine Niederschlagsmenge von 3 l/qm fällt und
  • sich die Kunden bei dem Möbelhaus melden und ihre Einkäufe während des Aktionszeitraums nachweisen,

handelt es sich um kein Glücksspiel im Sinne von § 3 Abs. 1 des Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV).

Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) mit Urteil vom 09.07.2014 – 8 C 7.13 – entschieden.

Danach entrichten die Kunden ihr Entgelt nämlich nicht für den Erwerb einer Gewinnchance, sondern als Kaufpreis für die zu erwerbende Ware. Sie wollen ein Möbelstück oder einen anderen Kaufgegenstand zu einem marktgerechten Preis erwerben und haben die Möglichkeit, Preisvergleiche bei Konkurrenten anzustellen. Unabhängig von der Gewinnaktion können die Kunden ohne Verlustrisiko die gekaufte Ware behalten. Die Verkaufspreise werden während des Aktionszeitraums nicht erhöht, so dass von den Kunden auch kein „verdecktes“ Entgelt für den Erwerb einer Gewinnchance verlangt wird.

Das hat die Pressestelle des Bundesverwaltungsgerichts am 09.07.2014 – Nr. 47/2014 – mitgeteilt.

 

Zu früh eingebrachtes Langzeitprovisorium – Grober zahnärztlicher Behandlungsfehler?

Eine zahnärztliche Behandlung, die nach einer Therapie mittels Protrusionsschienen provisorischen Zahnersatz verfrüht eingliedert, kann grob behandlungsfehlerhaft sein.

Das hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 06.06.2014 – 26 U 14/13 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte sich die seinerzeit 37 Jahre alte Klägerin 2003 wegen Zahn- und Kopfschmerzen in die Behandlung des beklagten Zahnarztes begeben. Dieser versorgte sie, um eine Kieferfehlstellung zu korrigieren, im Juli 2003 mit einer Protrusionsschiene.
Nachdem die Beschwerden der Klägerin zunächst nicht nachließen, entfernte der Beklagte im Oktober 2003 die bei der Klägerin vorhandenen Amalganfüllungen und schliff die Zähne für den geplanten Einsatz von Interimszahnersatz ab.
Ende Oktober 2003 setze er die Interimsbrücken ein.
In der Folgezeit verstärkten sich die Zahnschmerzen der Klägerin. Sie erlitt eine Knochenentzündung im Oberkiefer, die im November 2003 stationär behandelt werden musste.
Erst nach dem Entfernen der Provisorien des Beklagten verbesserte sich der Gesundheitszustand der Klägerin, bei zwischenzeitlich allerdings chronisch gewordenen Schmerzen.

Mit der Begründung, dem Beklagten sei als Behandlungsfehler anzulasten, dass er verfrüht von der Protrusionsschienentherapie auf die Eingliederung von provisorischem Zahnersatz übergegangen sei, verlangte die Klägerin von ihm Schadensersatz, u.a. ein Schmerzensgeld.

Das Schadensersatzbegehren war erfolgreich.

Wegen des Vorliegens von Behandlungsfehlern hat der 26. Zivilsenat des OLG Hamm gemäß den §§ 611, 280, 249 ff., 253 Abs.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) u. a. ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 € zugesprochen.

Der Senat lastete dem Beklagten als groben Behandlungsfehler an, dass er die provisorische prothetische Versorgung in Angriff genommen hatte, obwohl die Position des Unterkiefers durch die Schienentherapie noch nicht hinreichend gesichert war.
Die mit einer Schienentherapie erreichte Position sei, nachdem die Verschiebung der Kieferposition auch aufgrund der muskulären Beteiligung ein dynamischer Prozess ist, erst dann als gesichert anzusehen, wenn der Patient mit ihr ein halbes Jahr beschwerdefrei gelebt habe. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall gewesen, sie habe noch Anfang September 2003 über Beschwerden geklagt.

Das Vorgehen des Beklagten bewertete der Senat als einen groben Behandlungsfehler, also um einen eindeutigen Verstoß gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse, der aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (vgl. etwa Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 03.07.2001 – VI ZR 418/99 ).
Insbesondere berücksichtigte der Senat dabei, dass die zu fordernde Zeit der Beschwerdefreiheit so deutlich unterschritten worden war, dass sich das Scheitern der Bemühungen geradezu aufdrängen musste.

Aufgrund dessen haftet der Beklagte für die bei der Klägerin eingetretenen Primärschäden einschließlich der Folgeerscheinungen, die Ausdruck dieser Primärschäden sind.
Den Gegenbeweis mangelnder Kausalität hatte der Beklagte nicht führen können.

 

Vertrag über Lieferung und Installation von Software – Zur Darlegung von Mängeln des Werks.

Ein Vertrag zwischen einem EDV- Handels- und Softwareentwicklungsunternehmen, welches sich auf den Einbau und die kundenspezifische Anpassung eines Warenwirtschaftssystems spezialisiert hat und einem Besteller, ist als Werkvertrag einzuordnen, wenn Gegenstand des Vertrages die Anpassung der Software des Unternehmens an die Bedürfnisse des Bestellers ist und die Schaffung von Schnittstellen zu dessen Online-Shops. Denn das EDV- Handels- und Softwareentwicklungsunternehmen schuldet damit die Herbeiführung eines vertraglich vereinbarten Erfolgs als Ergebnis einer individuellen Tätigkeit für den Besteller (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 25.03. 2010 – VII ZR 224/08 –).

Streiten die Parteien in einem solchen Fall darüber, ob das EDV- Handels- und Softwareentwicklungsunternehmen seinen Pflichten vollständig nachgekommen ist, insbesondere die Schnittstellen zu den Online-Portalen funktionieren, genügt der Besteller seiner Darlegungslast,

  • wenn er Mangelerscheinungen, die er der fehlerhaften Leistung des Unternehmens zuordnet, genau bezeichnet.
  • Zu den Ursachen der Mangelerscheinung muss der Besteller nicht vortragen.
  • Ob die Ursachen der Mangelerscheinung tatsächlich in einer vertragswidrigen Beschaffenheit der Leistung des Unternehmers zu suchen sind, ist Gegenstand des Beweises und nicht des Sachvortrags (BGH, Urteil vom 17.01.2002 – VII ZR 488/00 –).

Darauf hat der VII. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 05.06.2014 – VII ZR 276/13 – hingewiesen.