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Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz – In welchen Fällen findet er keine Anwendung?

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz findet keine Anwendung, wenn ein Arbeitgeber mit einer Gewerkschaft im Rahmen von Tarifverhandlungen vereinbart, für deren Mitglieder bestimmte Zusatzleistungen zu erbringen. Aufgrund der Angemessenheitsvermutung von Verträgen tariffähiger Vereinigungen findet eine Überprüfung anhand des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht statt.

Darauf hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) mit Urteil vom 21.05.2014 – 4 AZR 50/13, 4 AZR 120/13 ua. – hingewiesen

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fällen verlangten die Klägerinnen und Kläger, die nicht Mitglieder der IG Metall sind, von ihrem Arbeitgeber, der beklagten Adam Opel AG, eine „Erholungsbeihilfe“ i. H. v. 200,00 Euro.
Im Rahmen von Sanierungsvereinbarungen zwischen Opel und dem zuständigen Arbeitgeberverband einerseits sowie der Gewerkschaft IG Metall andererseits waren im Jahre 2010 u. a. eine Reihe von Vereinbarungen, darunter auch entgeltabsenkende Tarifverträge geschlossen worden. Die IG Metall hatte gegenüber Opel die Zustimmung hierzu von einer „Besserstellung“ ihrer Mitglieder abhängig gemacht. Zur Erfüllung dieser Bedingung trat Opel einem Verein bei, der satzungsgemäß „Erholungsbeihilfen“ an IG Metall-Mitglieder leistet. Nach der Beitrittsvereinbarung hatte Opel dem Verein einen Betrag von 8,5 Mio. Euro zu zahlen. Der Verein sicherte die Auszahlung von Erholungsbeihilfen an die bei Opel beschäftigten IG Metall-Mitglieder und die nach dem Einkommenssteuergesetz vorgesehene Pauschalversteuerung zu.
Anders als die IG Metall-Mitglieder erhielten die Klägerinnen und Kläger keine Erholungsbeihilfe. Für ihr Zahlungsbegehren haben sie sich auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz berufen.

Der Vierte Senat des BAG hat ebenso wie die Vorinstanz die Klagen abgewiesen, weil der Anwendungsbereich des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht eröffnet ist.
Die Beitrittsvereinbarung war Bestandteil des „Sanierungspakets“ der Tarifvertragsparteien. Solche Vereinbarungen sind nicht am arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu überprüfen.
Das gilt unabhängig davon, ob die Leistungen für die Gewerkschaftsmitglieder in einem Tarifvertrag oder einer sonstigen schuldrechtlichen Koalitionsvereinbarung geregelt worden sind.

Das hat die Pressestelle des Bundesarbeitsgerichts am 21.05.2014 – Nr. 24/14 – mitgeteilt.

 

OLG Karlsruhe untersagt (weitere) Presseveröffentlichung eines Lichtbildes, welches eine mit Bikini bekleidete Frau zufällig neben einem Prominenten zeigt.

In dem dem Urteil des Oberlandegerichts (OLG) Karlsruhe vom 14.05.2014 – 6 U 55/13 – zugrunde liegenden Fall war in einer Zeitung in der Rubrik „Sport“ von einem Raubüberfall auf einen bekannten Profifußballer berichtet worden.
Unter der Überschrift „A. am Ballermann ausgeraubt“ fand sich dabei der Text:
„Sonne, Strand, Strauchdiebe. Gestern sahen wir … Star A. in pikanter Frauen-Begleitung am Ballermann… Jetzt wurde er Opfer einer Straftat…“
Bebildert war der Bericht u. a. mit einer im Ausschnitt wiedergegebenen Fotografie, die den Fußballstar an einem öffentlichen Strand vor einer Abfalltonne zeigt.
Im Hintergrund ist im rechten Bildrand eine Frau zu sehen, die auf einer Strandliege liegt und mit einem lilafarbenen Bikini bekleidet ist.
Diese – die Klägerin – beantragte, die Verleger der Zeitung zu verurteilen, eine erneute Veröffentlichung des Bildes zu unterlassen und ihr eine angemessene Entschädigung zu bezahlen.

Das Landgericht (LG) wies die Klage ab.

Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zu dem unter anderem für das Presserecht zuständigen 6. Zivilsenat des OLG Karlsruhe hatte teilweise Erfolg.
Die beklagte Verlegerin ist verurteilt worden, die Veröffentlichung des Bildes zu unterlassen. Einen Anspruch auf Entschädigung hat der Senat verneint und die Klage insoweit abgewiesen.

Durch die Veröffentlichung des Fotos habe die Beklagte das Recht der Klägerin am eigenen Bild (§ 22 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie – KUG) verletzt und zugleich in das nach § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin eingegriffen.
Die Klägerin sei auf dem Foto identifizierbar abgebildet. Ohne ihre Einwilligung habe sie nicht zur Schau gestellt werden dürfen.
Eine Ausnahme von dem Einwilligungserfordernis bestehe bei Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Nr. 1 KUG), wobei die Verbreitung des Bildnisses allerdings unzulässig sei, wenn berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt würden.
Ein Ereignis von zeitgeschichtlicher Bedeutung betreffe die Berichterstattung hier nicht.
Maßgeblich sei, ob ein durch ein echtes Informationsbedürfnis gerechtfertigtes Interesse der Allgemeinheit an der bildlichen Darstellung gerade des Betroffenen bestehe.
Auch wenn man annehme, dass die Veröffentlichung einer Abbildung des Fußballprofis im Kontext des Berichts zulässig sei, sei damit noch nichts darüber gesagt, ob auch die Abbildung der Klägerin rechtmäßig sei.
Da sie in keinerlei Beziehung zu dem Fußballspieler gestanden habe, lasse sich das öffentliche Interesse hiermit nicht begründen. Die Aufnahme zeige die Abgebildeten am Strand, mithin in ihrem Alltagsleben bei Tätigkeiten, die grundsätzlich dem privaten Bereich zuzurechnen seien.
Ein allgemeines Interesse oder zeitgeschichtliches Ereignis ergebe sich auch nicht aus der dem Bild beigefügten Wortberichterstattung. Die Bildinschrift habe keinen Bezug zu der Klägerin.
Selbst wenn man davon ausginge, dass sich der Ausnahmetatbestand auch auf unbekannte Personen beziehe, die zufällig mit relativen und absoluten Personen der Zeitgeschichte abgebildet würden, wäre bei der erforderlichen Interessenabwägung dem Interesse der Klägerin am Recht am eigenen Bild gegenüber dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit der Vorrang einzuräumen.
Das Interesse der Leser an bloßer Unterhaltung habe gegenüber dem Schutz der Privatsphäre regelmäßig ein geringeres Gewicht. Das unterstellte Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der Nachricht, dass der im Vordergrund abgebildete Fußballprofi gestern noch am Strand gewesen sei, dort vorbildlich seinen Abfall entsorgt habe und jetzt Opfer einer Straftat geworden sei, sei nicht von einem solchen Gewicht, dass dahinter der Schutz der Persönlichkeit der Klägerin zurücktreten müsse.
Die Aufnahme zeige die Klägerin im Urlaub, der selbst bei Prominenten zum regelmäßig geschützten Kernbereich der Privatsphäre gehöre.
Es sei der Beklagten als Presseunternehmen ohne weiteres möglich gewesen, die Klägerin durch Verpixelung oder Augenbalken unkenntlich zu machen. Dabei falle auch ins Gewicht, dass die Klägerin durch die Abbildung in Badebekleidung den Blicken des Publikums – hier eines Millionenpublikums – in einer deutlich intensiveren Weise preisgegeben werde als in anderen Situationen. Darüber hinaus könnten Teile der Leserschaft die Veröffentlichung auch zum Anlass für Spekulationen darüber nehmen, ob es sich bei der Klägerin um die in dem Artikel genannte „pikante Frauenbegleitung“ handele.

Die Veröffentlichung sei auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Öffentlichkeit erschienen, verbreitet und öffentlich zur Schau gestellt werden dürften.
Hier gehe es aber nur um Abbildungen, bei denen die Örtlichkeit den Gehalt des Bildes präge.
Auch eine entsprechende Anwendung dieser Ausnahmevorschrift komme nicht in Betracht, denn damit würden Personen, die rein zufällig mit einer prominenten Person abgebildet würden, ohne diese zu begleiten, schlechter gestellt als Begleitpersonen von prominenten Personen, bei denen nach der Rechtsprechung eine alltägliche Begleitsituation nicht ohne weiteres die Veröffentlichung eines Begleiterfotos rechtfertige.

Die Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin rechtfertige jedoch nicht die Zahlung einer Geldentschädigung. Regelmäßig werde ein solcher Anspruch nur dann gewährt, wenn über die Persönlichkeit an ihrer Basis verfügt werde, also etwa bei schweren Eingriffen in die Intim- und Privatsphäre oder bei unwahren Behauptungen von besonderem Gewicht für die Persönlichkeit oder bei gewichtiger Diffamierung in der Öffentlichkeit.
Ein solch schwerwiegender Eingriff liege hier nicht vor.
Das Foto sei am Strand aufgenommen worden und die Klägerin situationsadäquat gekleidet.
Die Abbildung sei weder als anstößig noch als obszön zu beurteilen.

Der Senat hat die Revision zugelassen.

Das hat die Pressestelle des Oberlandegerichts Karlsruhe am 20.05.2014 mitgeteilt.

 

Sozialhilfeträger muss Schwerstbehindertem die Dauerassistenz für ein Leben in der eigenen Wohnung vorerst bezahlen.

Der 8. Senat des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG) hat im Februar 2014 in einem Eilverfahren entschieden, dass der Kommunale Sozialverband Sachsen (KSV) als überörtlicher Sozialhilfeträger einem Schwerstbehinderten eine Dauerassistenz bezahlen muss, die dieser für das Leben in einer eigenen Wohnung benötigt.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall leidet der 27 Jahre alte Beschwerdeführer seit seiner Geburt an einer Duchenne-Muskeldystrophie, einer schweren Muskelschwunderkrankung, die regelmäßig mit einer Lebenserwartung von unter 30 Jahren einhergeht. Körperbewegungen sind ihm mittlerweile nur noch mit dem Kopf und durch leichtes Anheben des gestreckten Fingers möglich. Er arbeitet nach abgeschlossener Ausbildung als Bürokaufmann in einer Werkstatt für behinderte Menschen und wohnte bis dato in einem Pflegeheim.

Bereits Ende 2012 begehrte er von dem für ihn zuständigen überörtlichen Sozialhilfeträger, dem KSV, Leistungen zur Unterstützung eines selbstbestimmten Wohnens in einer eigenen Wohnung.
Nachdem auch eine Gesamtplankonferenz aller Reha-Träger ein Jahr später zu keinem Ergebnis kam, beantragte der Beschwerdeführer im November 2013 beim Sozialgericht Dresden (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Das SG lehnte dies ab, weil kein Eilbedürfnis bestehe: der Beschwerdeführer sei im Pflegeheim ausreichend versorgt und gegen Gefahren geschützt.

Auf dessen Beschwerde hat das Sächsische Landessozialgericht im Einverständnis der Beteiligten durch Einzelrichter anders entschieden und den KSV verpflichtet, vorläufig längstens für ein Jahr, dem Beschwerdeführer eine Dauerassistenz zu bezahlen; diese kostet (abzüglich des von der Pflegeversicherung gezahlten Teils) ca. 10.000,00 € monatlich.

Das LSG hat die Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass § 13 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) den Vorrang ambulanter Leistungen vor stationären Leistungen im Heim vorsehe.
Ein Kostenvergleich mit der – hier deutlich preisgünstigeren – Unterbringung im Heim sei nach dem Gesetz nur zulässig, wenn eine Unterbringung dort auch unter Berücksichtigung persönlicher oder familiärer Gründe zumutbar sei.
Hier gäben persönliche Gründe den Ausschlag, da dem Beschwerdeführer erstmals eine eigenständige Lebensführung ohne den geordneten Tagesablauf einer stationären Einrichtung ermöglicht werden müsse.
Eine solche eigenständige Lebensgestaltung außerhalb eines eher auf ältere Menschen ausgerichteten Pflegeheims sei gerade für junge Menschen von hohem Gewicht.
Der selbstbestimmten Lebensführung als Kernbereich des Grundrechts auf Menschenwürde werde gerade im Sozialhilferecht überragender Rang eingeräumt. Durch die in § 13 SGB XII angelegte Systematik habe der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass bei solch überragenden Gründen auch beachtliche Mehrkosten in Kauf zu nehmen seien.

Gegen die Entscheidung des Sächsischen Landessozialgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist kein Rechtsmittel mehr möglich. Allerdings steht noch die Entscheidung im Hauptsacheverfahren aus, die wegen der dort unbeschränkten Ermittlungsmöglichkeiten und ggf. neuer Erkenntnisse auch anders ausfallen könnte.

Das hat die Pressestelle des Sächsischen Landessozialgerichts mitgeteilt.

 

Betreuungsverfahren – Wie ein Angehöriger aus dem privilegierten Personenkreis des § 303 Abs. 2 FamFG Beteiligter und damit auch beschwerdebefugt werden kann.

Eine Beteiligung i.S.v. § 303 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) kann auch konkludent erfolgen, etwa durch das Übersenden von Schriftstücken oder die Ladung zu Terminen.
Die Rechtskraft einer die Hinzuziehung ablehnenden Entscheidung nach § 7 Abs. 5 FamFG erstreckt sich allein darauf, dass der Antragsteller nicht zu beteiligen ist. Eine zuvor tatsächlich erfolgte Beteiligung und eine damit einhergehende Beschwerdebefugnis nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG lässt sie nicht entfallen.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 09.04.2014 – XII ZB 595/13 – hingewiesen.

Nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 274 Abs. 4 Nr. 1 FamFG steht in Verfahren über die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts sowie Umfang, Inhalt oder Bestand von derartigen Entscheidungen das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung im Interesse des Betroffenen

  • dessen Ehegatten oder Lebenspartner, wenn die Ehegatten oder Lebenspartner nicht dauernd getrennt leben, sowie
  • den Eltern,
  • Großeltern,
  • Pflegeeltern,
  • Abkömmlingen und
  • Geschwistern des Betroffenen zu,

wenn sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sind.

Für die Beschwerdebefugnis nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG kommt es – wie der XII. Zivilsenat des BGH ausgeführt hat – allein darauf an, dass der entsprechende Angehörige aus diesem privilegierten Personenkreis tatsächlich am Verfahren im ersten Rechtszug beteiligt worden ist.

Ist ein Angehöriger aus dem privilegierten Personenkreis des § 303 Abs. 2 FamFG nicht am erstinstanzlichen Verfahren beteiligt worden, wird ihm nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung in § 303 Abs. 2 FamFG die Beschwerdebefugnis unabhängig davon versagt, aus welchen Gründen eine Beteiligung am erstinstanzlichen Verfahren nicht erfolgte (BGH, Beschluss vom 30.03.2011 – XII ZB 692/10 –).
Dabei kann die Hinzuziehung eines Beteiligten auch konkludent erfolgen, etwa durch das Übersenden von Schriftstücken oder die Ladung zu Terminen.
Derartige Verfahrenshandlungen können bereits eine Beteiligung i. S. d. § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG begründen.

Die Nichterwähnung im Rubrum steht einer tatsächlichen Hinzuziehung zum Verfahren im Sinne des § 7 FamFG nicht entgegensteht (BGH, Beschluss vom 11.04.2012 – XII ZB 531/11 –).

Eine der tatsächlichen Beteiligung nachfolgende, im Zwischenverfahren nach § 7 Abs. 5 FamFG ergangene rechtskräftige Entscheidung, wonach der Antragsteller nicht nach § 7 FamFG zum Verfahren hinzuzuziehen ist, steht einer einmal erlangten Beschwerdebefugnis nicht entgegen.
Für Fälle, in denen ein Antragsteller bereits in erster Instanz beteiligt worden ist, ist dieses Zwischenverfahren nicht gedacht; insofern dürfte regelmäßig auch ein Rechtsschutzbedürfnis für einen entsprechenden Antrag fehlen.
Demgemäß erstreckt sich die Rechtskraft einer die Hinzuziehung ablehnenden Entscheidung allein darauf, dass der Antragsteller nicht zu beteiligen ist. Eine bereits tatsächlich erfolgte Beteiligung und eine damit einhergehende Beschwerdebefugnis nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG lässt sie indes nicht entfallen. 

 

Rückabwicklung eines Gebrauchtwagenkaufs – Zur Ermittlung des Nutzungswertersatzes auf der Grundlage des Bruttokaufpreises.

Bei der Rückabwicklung eines Gebrauchtwagenkaufs ist der Wertersatz nach § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB ) für herauszugebende Nutzungen auf der Grundlage des Bruttokaufpreises zu schätzen; der so ermittelte Nutzungswertersatz ist nicht um die Mehrwertsteuer zu erhöhen.

Darauf hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 09.04.2014 – VIII ZR 215/13 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der Kläger von der Beklagten einen Pkw zum Preis von 75.795 € brutto zuzüglich Überführungs- und Zulassungskosten gekauft und nachfolgend unter Berufung auf diverse Mängel des Fahrzeugs die Rückabwicklung des Vertrages verlangt, womit sich die Beklagte schließlich einverstanden erklärt hatte.
Ausgehend von dem – um die Zulassungs- und Überführungskosten – bereinigten Bruttokaufpreis in Höhe von 75.795 € errechnete sich nach der üblichen Formel (Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer : erwartete Gesamtfahrleistung) für die von dem Kläger mit dem Fahrzeug gefahrenen 24.356 Kilometer ein Nutzungswert von 7.384,25 €, der bei der Rückabwicklung des Kaufs vom zu erstattenden Bruttokaufpreis abzuziehen war.

Im Revisionsverfahren streitig war nur noch die Frage, ob zu dem auf der Grundlage des (bereinigten) Bruttokaufpreises von 75.795 € errechneten Nutzungswert in Höhe von 7.384,25 € die Mehrwertsteuer aus diesem Betrag in Höhe von 1.403,00 € noch hinzu kommt und damit ebenfalls noch von dem zu erstattenden Kaufpreis abzuziehen ist.

Der VIII. Zivilsenat des BGH hat es abgelehnt zu dem auf der Grundlage des Bruttokaufpreises ermittelten Nutzungswertersatz noch die Mehrwertsteuer hinzuzurechnen; diese ist vielmehr von dem auf diese Weise ermittelten Nutzungswertersatz bereits umfasst (ebenso OLG Brandenburg, Urteil vom 28.11.2007 – 4 U 68/07 –).

Zur Begründung hat der Senat

  • auf seine ständige Rechtsprechung zur Schätzung des Wertersatzes nach § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB für herauszugebende Nutzungen auf der Grundlage des Bruttokaufpreises bei der Rückabwicklung eines Gebrauchtwagenkaufs (vgl. BGH, Urteil vom 02.06.2004 – VIII ZR 329/03 –) verwiesen sowie darauf,
  • dass sich bereits aus dem Senatsurteil vom 26.06.1991 – VIII ZR 198/90 – und dem dort gebildeten Beispiel ergebe, dass zu dem auf der Grundlage des Bruttokaufpreises nach der üblichen Formel errechneten Wert der erlangten Gebrauchsvorteile die Mehrwertsteuer nicht (nochmals) hinzugeschlagen sei.

Würde nämlich der nach der Formel errechnete Nutzungswert um die Mehrwertsteuer erhöht, könnte der Verkäufer vom Käufer, wenn dieser die mögliche Nutzungszeit vollständig ausgeschöpft hätte, für die erlangten Gebrauchsvorteile einen höheren Betrag beanspruchen als den Bruttokaufpreis, den der Käufer seinerzeit gezahlt und der Verkäufer dem Käufer zu erstatten hat. Der Käufer hätte in diesem Fall als Nutzungswertersatz den vollen Bruttokaufpreis zuzüglich der Mehrwertsteuer aus diesem Betrag zu erstatten. Er würde damit im Zuge der Rückabwicklung, soweit es um den Wertersatz für die Gebrauchsvorteile geht, mit der Mehrwertsteuer doppelt belastet. Dass dies nicht richtig wäre, liegt auf der Hand. 

 

Verletzung der mit Verständigungsgesprächen einhergehenden Mitteilungspflichten – Wann liegt sie vor?

Nach § 243 Abs. 4 Satz 1 Strafprozessordnung (StPO) teilt der Vorsitzende nach Verlesung des Anklagesatzes mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c StPO) gewesen ist, und wenn ja, deren wesentlicher Inhalt.
Diese Mitteilungspflicht greift bei sämtlichen Vorgesprächen ein, die auf eine Verständigung abzielen (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 13.02.2014 – 1 StR 423/13 –).
Sie ist gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO weiter zu beachten, wenn Erörterungen erst nach Beginn der Hauptverhandlung stattgefunden haben.
Das Gesetz will erreichen, dass derartige Erörterungen stets in der Hauptverhandlung zur Sprache kommen und dies auch inhaltlich dokumentiert wird. Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung dürfen kein informelles und unkontrollierbares Verfahren eröffnen (vgl. BGH, Beschluss vom 03.12.2013 – 2 StR 410/13 –). Die Bestimmung des § 243 Abs. 4 StPO verlangt deshalb, dass in der Hauptverhandlung über den wesentlichen Inhalt erfolgter Erörterungen zu informieren ist.
Hierzu gehört auch dann, wenn keine Verständigung zustande gekommen ist,

Gemessen hieran ist der Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO dann nicht in hinreichendem Umfang entsprochen,

  • wenn der Vorsitzende zwar über die Tatsache informiert hat, dass außerhalb der Hauptverhandlung im Ergebnis erfolglose Verständigungsgespräche stattgefunden haben,
  • der Vorsitzende aber nicht mitteilt welcher Verfahrensbeteiligte jeweils welchen Verständigungsvorschlag gemacht hat.

Wird nämlich vom Vorsitzenden nicht mitgeteilt, von wem die ursprüngliche Initiative zu Verständigungsgesprächen ausgegangen ist und welchen Inhalt die erörterten Verständigungsvorschläge hatten, bleibt letztlich offen, aus welchen Gründen es nicht zu einer Verständigung gekommen ist.

Bei Verstößen gegen die Mitteilungspflichten aus § 243 Abs. 4 StPO ist regelmäßig davon auszugehen bzw. jedenfalls nicht auszuschließen, dass das Urteil auf dem Verstoß beruht; lediglich in Ausnahmefällen ist Abweichendes vertretbar (vgl. BGH, Urteil vom 13.02.2014 – 1 StR 423/13 –).
Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 19.03.2013 im Einzelnen dargelegt hat, hält der Gesetzgeber eine Verständigung nur bei Wahrung der umfassenden Transparenz- und Dokumentationspflichten für zulässig, weshalb das gesetzliche Regelungskonzept eine untrennbare Einheit aus Zulassung und Beschränkung von Verständigungen bei gleichzeitiger Einhegung durch die Mitteilungs-, Belehrungs- und Dokumentationspflichten darstellt (BVerfG, Urteil vom 19.03.2013 – 2 BvR 2628/10 –, – 2 BvR 2883/10 – und – 2 BvR 2155/11 –).
Die Mitteilung des Inhalts sämtlicher auf eine Verständigung abzielender Gespräche dient dabei nicht nur der notwendigen Information der Öffentlichkeit, sondern auch der des Angeklagten, der bei derartigen Gesprächen außerhalb der Hauptverhandlung in der Regel nicht anwesend ist. Für die Willensbildung im Rahmen einer Verständigung ist für den Angeklagten auch von Bedeutung, dass er durch das Gericht umfassend über sämtliche vor und außerhalb der Hauptverhandlung mit den übrigen Verfahrensbeteiligten geführten Verständigungsgespräche informiert wird (BGH, Urteil vom 13.02.2014 – 1 StR 423/13 –).

Auch wenn im Hauptverhandlungsprotokoll vermerkt ist, dass keine Verständigung stattgefunden habe, kann das Urteils auf dem Verstoß gegen die Mitteilungspflichten aus § 243 Abs. 4 StPO beruhen.
Denn auch im Falle einer im Ergebnis nicht zustande gekommenen Verständigung kann das Prozessverhalten eines Angeklagten durch die vorangegangenen Verständigungsgespräche beeinflusst worden sein.

Darauf hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 09.04.2014 – 1 StR 612/13 – hingewiesen.

 

Anforderung an die Begründung einer Eigenbedarfskündigung.

Die Anforderung an die Begründung einer Eigenbedarfskündigung sind gewahrt, wenn der Vermieter in dem Kündigungsschreiben mitteilt, er benötige Wohnung, um mit seiner Familie selbst dort einzuziehen, da man aus der bisherigen Wohnung ausziehen müsse.

Darauf hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Itzehoe mit Urteil vom 09.05.2014 – 9 S 43/13 – hingewiesen.

Nach § 573 Abs. 3 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) sind die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Dadurch soll der Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition erhalten und so in die Lage versetzt werden, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 06.07.2011 – VIII ZR 317/10 –; Urteil vom 17.03.2010 – VIII ZR 70/09 –).
Insbesondere soll er prüfen und beurteilen können, ob er dem Kündigungsbegehren Folge leisten oder sich dagegen zu Wehr setzen wird (Landgericht (LG) Berlin, Beschluss vom 09.01.2007 – 63 T 132/06 –).
Dieser gesetzgeberischen Intention wird ein Kündigungsschreiben gerecht, wenn darin der Kündigungsgrund so bezeichnet ist, dass er identifiziert und von anderen Kündigungsgründen unterschieden werden kann. Dabei genügt es, wenn der Vermieter die Kerntatsachen für den Kündigungsgrund in dem Schreiben mitteilt. Tatsachen, die nur der näheren Erläuterung, Ergänzung, Ausfüllung sowie dem Beweis des geltend gemachten Kündigungsgrundes dienen (sog. Ergänzungstatsachen), können gegebenenfalls erst in prozessualen Schriftsätzen nachgeschoben werden. Das gilt zumindest dann, wenn sie dem Mieter bereits bekannt sind (BGH, Urteil vom 27.06.2007 – VIII ZR 271/06 –; Urteil vom 12.05.2010 – VIII ZR 96/09 –).
Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs ist grundsätzlich die Angabe der Personen, für die die Wohnung benötigt wird und die Darlegung des Interesses, das diese Personen an der Erlangung der Wohnung haben, ausreichend.

Vergleiche hierzu auch die Entscheidung des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGH), der mit Urteil vom 30.04.2014 – VIII ZR 284/13 – entschieden hat, es genügt zur Begründung einer Eigenbedarfskündigung, die Eigenbedarfsperson identifizierbar zu benennen und das Interesse darzulegen, das diese an der Erlangung der Wohnung hat.

 

Über 580.000 Euro Schadensersatz nach grob fehlerhafter Hüftoperation einer an einer Gerinnungsstörung leidenden Patientin.

Es stellt einen sogenannten Befunderhebungsfehler dar, wenn vor einer Operation (Hüftimplantation) eine Blutgerinnungsstörung nicht abgeklärt wird, obwohl die anamnestischen Angaben und die pathologischen Blutwerte hierzu Veranlassung geben.
Wird eine Blutungsstörung präoperativ nicht behandelt, ist das ein grober Behandlungsfehler, weil dies aus objektiver Sicht nicht verständlich ist und einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf.
Zugunsten der Patientin greift dann eine Beweislastumkehr.
Der behandelnde Arzt trägt die Beweislast dafür, dass der Schaden auch bei einer zweckmäßigen Alternativbehandlung – präoperative Befunderhebung und Gerinnungstherapie – eingetreten wäre.

Das hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 21.03.2014 – 26 U 115/11 – entschieden und einer an einer Gerinnungsstörung leidenden Patientin, die ohne Behandlung ihrer Vorerkrankung an der Hüfte operiert wurde und bei der schwere Nachblutungen aufgetreten waren, über 580.000 Euro Schadensersatz zugesprochen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall machte die Klägerin als gesetzliche Krankenkasse ihres Mitglieds E, Schadensersatzansprüche aus übergegangenem Recht wegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers geltend.
Die Versicherte der Klägerin litt an einer Gerinnungsstörung (erworbene Faktor-VIII-Hemmkörper-Hämophilie) und der Autoimmunkrankheit „Systemischer Lupus-Eythematodes“ (SLE).
Der SLE war vor der streitgegenständlichen Behandlung bereits im September 2005 in einem anderen Krankenhaus behandelt worden.
Im November 2005 ließ die Versicherte im Krankenhaus der Beklagten eine Hüftgelenksoperation durchführen, bei der eine Endototalprothese implantiert wurde. Postoperativ kam es zu schweren Nachblutungen, da präoperativ von der Beklagten die Gerinnungsstörung weder diagnostiziert noch therapiert worden war.
Die Versicherte musste wegen der Nachblutungen mit zahlreichen kostenintensiven Behandlungen stationär und auch intensivmedizinisch versorgt werden.

Die Kosten dieser Behandlungen verlangte die Klägerin aus übergegangenem Recht vom beklagten Krankenhausträger als Schaden ersetzt.

Der 26. Zivilsenat des OLG Hamm hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz aus übergegangenem Recht in Höhe von 588.798,69 EUR nebst Zinsen sowie 5.907,16 EUR außergerichtliche Kosten der Rechtsverfolgung zu zahlen.

Danach haftet die Beklagte der Klägerin aus übergegangenem Recht auf Schadensersatz wegen eines Befunderhebungsfehlers.
Vor der durchgeführten Hüftgelenks-Operation war nämlich die bei der Versicherten der Klägerin bestehende Gerinnungsstörung fehlerhaft nicht diagnostiziert und behandelt worden, obwohl die anamnestischen Angaben und die pathologischen Blutwerte der Patientin hierzu Veranlassung gab.
Auch war davon auszugehen, dass der grobe Behandlungsfehler bei der Patientin zu den postoperativen Nachblutungen geführt hat.
Den für die Schadenskausalität erforderlichen vollen Beweis gem. § 286 Zivilprozessordnung (ZPO) konnte die Klägerin führen, weil zu ihren Gunsten eine Beweislastumkehr eingriff.
Bei dem Befunderhebungsfehler der Beklagten handelte es sich um einen groben Behandlungsfehler, der dazu führte, dass nicht die Klägerin den Kausalitätsnachweis erbringen musste, sondern die Beklagte hätte beweisen müssen, dass die aufgetretenen Nachblutungen nicht auf der unterlassenen Gerinnungstherapie beruhten.
Diesen Gegenbeweis konnte der beklagte Krankenhausträger nicht führen.
Damit, dass bei einem rechtmäßigen Verhalten der Schaden „möglicherweise“ gleichfalls entstanden wäre konnte sich die Beklagte nicht verteidigen.
Die Beklagte war nämlich, nachdem zugunsten der Klägerin aufgrund der Beweislastumkehr von einer Kausalität des Behandlungsfehlers auszugehen und damit die Haftung dem Grunde nach bewiesen war, darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten – d.h. bei ordnungsgemäßer präoperativer Befunderhebung und Durchführung der Gerinnungstherapie – in gleicher Weise entstanden wäre. Dafür gilt der Maßstab des § 286 ZPO, so dass Voraussetzung für die erfolgreiche Geltendmachung des rechtmäßigen Alternativverhaltens war, dass derselbe Erfolg effektiv herbeigeführt worden wäre; die bloße Möglichkeit, ihn rechtmäßig herbeiführen zu können, reicht nicht aus. Nur wenn das Auftreten von Nachblutungen in jedem Fall gewiss gewesen wäre, wäre der Beweis rechtmäßigen Alternativverhaltens geführt und hätte sich die Beklagte mit Erfolg darauf berufen können.
Zu ersetzen waren die Kosten für die Behandlung der Nachblutungen, u.a. durch eine in einem Universitätsklinikum durchgeführte intensivmedizinische Therapie mit Beatmung und eine kostenintensive Medikation mit Novoseven.
Lediglich die mit 30.000 Euro anzusetzenden Kosten einer Gerinnungstherapie hatte die Klägerin selbst zu tragen, weil die Therapie auch ohne Operation erforderlich gewesen wäre.

 

Einspruch gegen Bußgeldbescheid – Wann wird ein zulässiger Einspruch vom Amtsgericht ohne Verhandlung zur Sache verworfen?

Hat ein Betroffener gegen einen Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt und das Amtsgericht eine Hauptverhandlung anberaumt ist der Betroffene zum Erscheinen in der Hauptverhandlung verpflichtet (§ 73 Abs. 1 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG)).
Eine Vertretung des Betroffenen durch den Verteidiger ist nur unter den in § 73 Abs. 3 OWiG genannten Voraussetzungen zulässig, nämlich wenn das Gericht den Betroffenen zuvor von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden hat.
Entbunden von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung nach § 73 Abs. 2 OWiG wird ein Betroffener auf seinen Antrag, wenn er sich geäußert oder erklärt hat, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern werde, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist.

Kann auf die Anwesenheit eines Betroffenen zur Sachaufklärung nicht verzichtet werden und ist deshalb eine von ihm beantragte Entbindung vom persönlichen Erscheinen vom Amtsgericht abgelehnt worden, hat das Amtsgericht, wenn der Betroffene dennoch ohne Entschuldigung der Hauptverhandlung fernbleibt, seinen Einspruch nach § 74 Abs. 2 OWiG ohne Verhandlung zur Sache durch Urteil verwerfen und zwar auch dann, wenn für den Betroffenen ein Verteidiger erschienen ist.
Art. 6 Abs. 3 lit c der Europäischen Menschenrechtskonvention (MRK) hindert die Einspruchsverwerfung nicht, weil § 74 Abs. 2 OWiG nicht entgegen seinem eindeutigen Wortlaut ausgelegt werden kann (vgl. zur Regelung des § 329 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) nur: Oberlandesgericht (OLG) Celle, Beschluss vom 19.03.2013 – 32 Ss 29/13 –; OLG München, Beschluss vom 17.01.2013 – 4 StRR (A) 18/12 –).

Darauf hat der Bußgeldsenat des OLG Dresden mit Beschluss vom 07.03.2014 – 23 Ss 56/14 (Z) – hingewiesen.

 

Trittschallschutz im Wohnungseigentum bei Wechsel des Bodenbelags – Parkettboden statt Teppichboden?

Lässt der Erwerber einer Eigentumswohnung den bei Erwerb in seiner Wohnung vorhandenen Teppichboden entfernen und stattdessen Parkettboden einbauen, kann dann wegen des von dem Parkettboden stammenden Trittschalls der Eigentümer der im Stockwerk darunter gelegenen Wohnung gegen ihn einen Anspruch aus § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) i.V.m. § 14 Nr. 1, 15 Abs. 3 des Gesetzes über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (Wohnungseigentumsgesetz – WEG) haben, dass er den Parkettboden wieder entfernt und einen anderen Bodenbelag mit besserer Trittschalldämmung verlegt?

Das kommt darauf an.

Die Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander beurteilen sich allgemein auch im Hinblick auf den Schallschutz nach § 14 Nr. 1 WEG.
Nach dieser Vorschrift ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, von den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteile nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer ein über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehender Nachteil erwächst.

Wann im Hinblick auf den Trittschall in einer Wohnung einer WEG-Anlage ein solcher über das unvermeidliche Maß hinausgehender Nachteil im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG anzunehmen ist, bestimmt sich

  • vorrangig nach den Regelungen in der Teilungserklärung bzw.
  • später getroffenen Vereinbarungen der Wohnungseigentümer.

Ergeben sich aber aus der Teilungserklärung keine näheren Regelungen zum maßgeblichen Trittschallniveau bzw. zum Bodenbelag in den Appartements, in denen ein Wohnungserbbaurecht besteht und haben die Wohnungserbbauberechtigten auch später keine Vereinbarung im Hinblick auf den Trittschallschutz bzw. den für den Trittschall maßgeblichen Bodenbelag in den Wohnungen getroffen, ist für den im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander maßgeblichen Trittschallwert

In diesem Fall kommt es darauf an, ob, was durch eine Trittschallmessung festzustellen ist, die nach der DIN 4109 bei Errichtung des Gebäudes geltende dB-Trittschallgrenze durch den Parkettboden eingehalten wird.    

Ein höheres Trittschallniveau kann nur dann maßgebend sein,

  • sofern sich aus der Gemeinschaftsordnung Regelungen zum Schallschutz ergeben oder
  • die Wohnungseigentumsanlage aufgrund tatsächlicher Umstände wie beispielsweise der bei der Errichtung vorhandenen Ausstattung oder aber des Wohnumfelds ein besonderes Gepräge erhalten hat.

War die Wohnungseigentumsanlage ursprünglich durch ein höheres Trittschallniveau als den nach der DIN 4109 vorgegebenen Mindeststandard geprägt, kann es allerdings sein, dass dieses ursprünglich besondere Gepräge durch die bei Errichtung vorhandene Ausstattung der Wohnungseigentumsanlage nicht mehr fortbesteht, was insbesondere nach einem längeren Zeitablauf in Betracht kommen kann.

Auch ist das höhere Trittschallniveau aufgrund eines besonderen Gepräges einer Wohnungseigentumsanlage im Verhältnis zu Wohnungseigentümern, die später Eigentum erworben haben, nur dann maßgeblich wenn die zugrunde liegenden Umstände für diese beim Erwerb erkennbar waren.

Darauf hat die 11. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Itzehoe mit Urteil vom 18.03.2014 – 11 S 101/12 – hingewiesen.