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Verbot einer gesichtsverhüllenden Verschleierung im Unterricht ist zulässig.

Das Verbot, während des Unterrichts an einer Schule einen gesichtsverhüllenden Schleier zu tragen, begrenzt das Recht einer Schülerin auf freie Religionsausübung nicht in unzulässiger Weise.

Das hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 22.04.2014 – 7 CS 13.2592 – entschieden

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war die Antragstellerin, eine Schülerin muslimischen Glaubens, mit Beginn des Schuljahres 2013/2014 in die Vorklasse der staatlichen Berufsoberschule aufgenommen worden.
Ihre Aufnahme wurde widerrufen, nachdem sie sich geweigert hatte, ohne eine gesichtsverhüllende Verschleierung durch das Tragen eines Niqabs am Unterricht teilzunehmen.

Das Verlangen, dass die Antragstellerin während der Teilnahme am Unterricht auf das Tragen eines gesichtsverhüllenden Schleiers verzichtet, ist nach Auffassung des BayVGH mit dem Grundrecht auf Glaubensfreiheit vereinbar, weil der beabsichtigten Ausübung der Glaubensfreiheit durch Tragen des Niqabs während des Unterrichts Rechtsgüter von Verfassungsrang entgegenstehen.
Zwar werde die Glaubensfreiheit vorbehaltlos gewährt, jedoch werde sie beschränkt durch das staatliche Bestimmungsrecht im Schulwesen, dem ebenfalls Verfassungsrang zukomme.
Die im Grundgesetz geschützte Freiheit, die Lebensführung an der Glaubensüberzeugung auszurichten, könne insoweit beschränkt werden, als religiös bedingte Verhaltensweisen die Durchführung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags in einer Weise behinderten, dass ihm der Staat nicht mehr oder nur unzureichend nachkommen könne.
In zulässiger Weise sei der Grundsatz offener Kommunikation der Unterrichtsgestaltung im Gegensatz zum einseitigen, monologen Vortrag der Lehrkraft zu Grunde gelegt worden. Die offene Kommunikation im Unterricht beruhe nicht nur auf dem gesprochenen Wort, sondern sei auch auf nonverbale Elemente, wie Mimik, Gestik und die übrige sog. Körpersprache angewiesen, die zum großen Teil unbewusst ausgedrückt und wahrgenommen werde. Fehlten diese Kommunikationselemente, sei die offene Kommunikation als schulisches Funktionserfordernis gestört. Bei gesichtsverhüllender Verschleierung einer Schülerin werde eine nonverbale Kommunikation im Wesentlichen unterbunden.

Das hat die Pressestelle des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs am 25.04.2014 mitgeteilt.

 

Bei mangelhafter Ausführung eines Tattoos kann der Tätowierer ohne Berechtigung zur Nachbesserung schadensersatzpflichtig sein.

Ein mangelhaft ausgeführtes Tattoo kann den Tätowierer zum Schadensersatz und zur Zahlung von Schmerzensgeld verpflichten, ohne dass er zur Nachbesserung berechtigt ist.

Hierauf hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 05.03.2014 – 12 U 151/13 – unter Bezugnahme auf eine zutreffende erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts (LG) hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte die Klägerin den beklagten Inhaber eines Tattoostudios mit dem Erstellen eines Tattoos beauftragt.
Nach einem Entwurf tätowierte der Beklagte daraufhin auf dem rechten Schulterblatt der Klägerin eine farbige Blüte nebst Ranken. Dabei brachte er die Farbe in zu tiefe Hautschichten ein. Die Tätowierung entsprach nicht mehr dem Entwurf, es kam zu Verkantungen, unregelmäßig dick ausgeführten Linien und Farbverläufen.

Die Klägerin verlangte deswegen ein Schmerzensgeld und lehnte es ab, die Tätowierung durch den Beklagten nachbessern zu lassen.

Die von der Klägerin auf Schadensersatz, u.a. ein Schmerzensgeld, gerichtete Klage hatte Erfolg.
Nach dem vom 12. Zivilsenat des OLG Hamm erteilten Hinweis hat der Beklagte seine Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zurückgenommen.
Er schuldet der Klägerin damit das vom LG ausgeurteilte Schmerzensgeld i.H.v. 750 EUR sowie Ersatz der weiterer Schäden, die der Klägerin aus der Beseitigung des Tattoos entstehen können.

Der ausgeurteilte Schmerzensgeldanspruch ergebe sich aus § 253 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ).
Das Stechen einer Tätowierung stelle tatbestandlich eine Körperverletzung dar, die im vorliegenden Fall nicht durch eine Einwilligung der Klägerin gerechtfertigt sei.
Die Klägerin sei lediglich mit einem technisch und gestalterisch mangelfreien Tattoo einverstanden gewesen, welches der zuvor gebilligten Skizze entsprochen habe. Ein solches habe der Beklagte nicht ausgeführt.

Die von der Klägerin beabsichtigte Entfernung des Tattoos im Wege einer Laserbehandlung werde Kosten verursachen, deren Höhe derzeit noch nicht absehbar seien. Dass der Beklagte verpflichtet sei auch diese Kosten zu tragen, ergebe sich aus §§ 634 Nr. 4, 280 BGB.
Auf eine Nachbesserung durch den Beklagten, der angeboten habe, die beanstandeten Stellen durch eine von ihm beauftragte Laserbehandlung entfernen zu lassen und dann selbst neu zu tätowieren, müsse sich die Klägerin im vorliegenden Fall nicht einlassen, weil ihr dies nicht zuzumuten sei, § 636 BGB.
Unzumutbar sei eine Nacherfüllung dann, wenn aus der maßgeblichen objektiven Sicht des Auftraggebers das Vertrauen in die ordnungsgemäße Durchführung der Mängelbeseitigung nachhaltig erschüttert ist. Dies sei hier angesichts des Gewichts der festgestellten Mängel zu bejahen. Sowohl im Hinblick auf die schon unter fachlichen Gesichtspunkten verfehlte Arbeitsweise (Stechen in zu tiefe Hautschichten) als auch unter Berücksichtigung der gestalterischen Mängel sei es objektiv einsichtig und nachvollziehbar, dass die Klägerin das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Beklagten verloren habe.
Da es um Arbeiten gehe, deren Duldung für sie mit körperlichen Schmerzen verbunden sei und deren Schlechterfüllung gesundheitliche Beeinträchtigungen nach sich ziehen könne, komme dem Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Auftragnehmers eine besondere Bedeutung zu.
Die Folgen eines erfolglosen Nachbesserungsversuches, die bei anderen Werken in der Regel überschaubar seien, könnten hier gravierend sein. Verständliche Bedenken gegen die Leistungsfähigkeit des Auftragnehmers seien daher bei Tätowierungsarbeiten eher als bei anderen Werken geeignet, die Nachbesserungsverweigerung zu rechtfertigen.

 

Wer wird Erbe wenn der durch ein gemeinschaftliches Ehegattentestament zum Alleinerben bestimmte überlebende Ehegatte die Erbschaft ausschlägt?

Setzen Ehegatten sich in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als Erben sowie jeweils einseitig mit ihnen verwandte Personen gemeinsam als Erben des Letztversterbenden ein und schlägt der überlebende Ehegatte nach dem Tode des Erstversterbenden die Erbschaft aus, kann die Schlusserbeinsetzung regelmäßig nicht als Ersatzerbeinsetzung auf den Nachlass des Erstversterbenden ausgelegt werden; für seinen Nachlass tritt dann gesetzliche Erbfolge ein.

Das hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 14.03.2014 – 15 W 136/13 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte

  • der verstorbene Erblasser gemeinsam mit seiner zweiten Frau ein Ehegattentestament errichtet,
  • sich darin gegenseitig zu alleinigen Erben eingesetzt und
  • als Schlusserben des Letztversterbenden zu gleichen Teilen die Beteiligte zu 1, die Tochter des Erblassers aus erster Ehe sowie den Beteiligten zu 2, den Neffen der zweiten Ehefrau des Erblassers bestimmt.

Nach dem Tode des Erblassers wurde von der zweiten Ehefrau des Erblassers die Erbschaft aus allen gesetzlichen und testamentarischen Berufungsgründen ausgeschlagen.

Daraufhin hatte die Beteiligte zu 1 einen sie als Alleinerbin ausweisenden Erbschein beantragt.

Dem Antrag war der Beteiligte zu 2 mit der Begründung entgegengetreten, er sei aufgrund des gemeinschaftliches Ehegattentestament Testaments hälftiger Miterbe geworden.

Der 15. Zivilsenat des OLG Hamm hat der Beteiligten zu 1 Recht gegeben.

Als einziger Abkömmling des Erblassers sei die Beteiligte zu 1 dessen Alleinerbin geworden (§§ 1922, 1924 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB )).

Dem gesetzlichen Erbrecht der Beteiligten zu 1) steht auch keine letztwillige Verfügung des Erblassers entgegen.

Die in dem formwirksam errichteten Ehegattentestament von dem Erblasser zur Alleinerbin berufene Ehefrau hat die ihr zugedachte Erbschaft wirksam ausgeschlagen.
Die in dem Ehegattentestament weiter ausdrücklich geregelte Konstellation, dass die Beteiligten zu 1) und 2) zu gleichen Teilen Schlusserben nach dem Letztversterbenden werden, ist vorliegend nicht gegeben, da der Erblasser der Ehegatte ist, der als erster verstorben ist.
Die Beteiligten zu 1) und 2) sind in dem Ehegattentestament auch nicht zu Ersatzerben für den Fall berufen, dass der überlebende Ehegatte die ihm zufallende Erbschaft ausschlägt. Eine ausdrückliche Berufung der Beteiligten zu 1) und 2) zu Ersatzerben enthält die letztwillige Verfügung nicht.
Dass die Beteiligten zu 1) und 2) als Ersatzerben für den Fall der Ausschlagung durch den überlebenden Ehegatten berufen sein sollen, kann der letztwilligen Verfügung auch nicht im Wege der Auslegung entnommen werden.
Sinn und Zweck eines Ehegattentestaments mit Einsetzung des überlebenden Ehegatten als Alleinerben und weiteren Personen als Schlusserben ist es, dass das gemeinsam erwirtschaftete Vermögen der Ehegatten zunächst dem überlebenden Ehegatten ohne jede Einschränkung zukommen zu lassen, um das gemeinsame Vermögen nach dem Tode des Letztversterbenden den Schlusserben zukommen zu lassen.
Dem liegt regelmäßig die Erwartung zugrunde, dass der überlebende Ehegatte das ihm Zugewandte auch annimmt.
Diesen Zweck hat die Ehefrau des Erblassers im vorliegenden Fall unterlaufen, indem sie das ihr Zugewandte gerade ausgeschlagen hat, um die Verfügungsbefugnis über ihr eigenes Vermögen zurückzuerlangen (§ 2271 Abs. 2 BGB).
Dass der Erblasser für diese Konstellation den Willen haben soll, die als Schlusserben für das gemeinsame Vermögen ausgewählten Personen als (Ersatz-)Erben für sein Vermögen zu bestimmen, kann regelmäßig nicht angenommen werden.
Denn mit der Ausschlagung der überlebenden Ehefrau verliert die Beteiligte zu 1) die mit erbrechtlicher Bindungswirkung ausgestattete Aussicht, nach deren Tod zur Schlusserbin berufen zu sein.
Darin liegt ein Unterschied mit tragender Bedeutung gegenüber der Fallgestaltung, in der die Ehegatten ihre Regelung in einem Erbvertrag getroffen haben, deren vertragliche Bindungswirkung durch eine Ausschlagung des überlebenden Ehegatten nicht berührt wird.
Es spricht deshalb nichts dafür, dass der Erblasser auch für den Fall des Erlöschens der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments das gesetzliche Erbrecht seiner Tochter in der Weise hat beschränken wollen, dass sie aus seinem eigenen Nachlass wertmäßig nur den Pflichtteil erhält, während sie von der Schlusserbfolge insgesamt ausgeschlossen wird. 

 

Betriebsrat hat keinen Anspruch auf Bildung eines Arbeitsschutzausschusses.

§ 11 Satz 1 des Gesetzes über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Arbeitssicherheitsgesetz – ASiG) verpflichtet den Arbeitgeber in Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten einen Arbeitsschutzausschuss zu bilden.
Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, kann sich der Betriebsrat nach § 89 Abs. 1 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) an die zuständige Arbeitsschutzbehörde wenden. Diese hat die Errichtung eines Arbeitsschutzausschusses nach § 12 ASiG anzuordnen und kann im Weigerungsfall eine Geldbuße verhängen (§ 20 ASiG).
Dem Betriebsrat steht kein Initiativrecht zur Bildung eines Arbeitsschutzausschusses zu.

Darauf hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Beschluss vom 15.04.2014 – 1 ABR 82/12 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war die Arbeitgeberin ein Einzelhandelsunternehmen mit Sitz in Norddeutschland und Filialen im gesamten Bundesgebiet. Bei ihr war auf Unternehmensebene ein Arbeitsschutzausschuss errichtet, in den vom Gesamtbetriebsrat Mitglieder entsandt werden.
Die Filiale in Baden Württemberg galt wegen ihrer räumlichen Entfernung vom Hauptbetrieb als selbständiger Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes.
Der dort bestehende Betriebsrat hielt die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Arbeitsschutzausschusses für unzureichend und verlangte von der Arbeitgeberin die Bildung eines solchen für die Filiale.

Die Vorinstanzen haben den Antrag des Betriebsrats abgewiesen.

Dessen Rechtsbeschwerde blieb vor dem Ersten Senat des BAG ohne Erfolg.

Ob die Arbeitgeberin ihrer Verpflichtung aus dem Arbeitssicherheitsgesetz dadurch genügt, dass sie im Hauptbetrieb unter Beteiligung des Gesamtbetriebsrats einen Arbeitsschutzausschuss errichtet hat, bedurfte keiner Entscheidung.
Denn § 11 ASiG regelt zugunsten des Betriebsrats keinen Anspruch auf Errichtung eines Arbeitsschutzausschusses. Vielmehr handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers. Hierbei steht ihm kein Handlungsspielraum zu. Das schließt nach dem Eingangshalbsatz des § 87 Abs. 1 BetrVG auch ein Mitbestimmungsrecht in Angelegenheiten des Arbeits- und Gesundheitsschutzes aus.

Darauf hat die Pressestelle des Bundesarbeitsgerichts am 15.04.2014 – Nr. 17/14 – hingewiesen.

 

Was das „Aushandeln“ von Vertragsbedingungen voraussetzt.

Nach § 305 Abs. 1 Satz 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) liegen Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind.
Ein Aushandeln erfordert mehr als Verhandeln. Von einem Aushandeln in diesem Sinne kann nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen gesetzesfremden Kerngehalt, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen.
Er muss sich also deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 22.11.2012 – VII ZR 222/12 –).

Die entsprechenden Umstände hat der Verwender darzulegen (BGH, Urteil vom 03.04.1998 – V ZR 6/97 –).
Dieser Darlegungslast kommt der Verwender nur dann nach, wenn seinem Vortrag entnommen werden kann, ob und inwieweit er zu Änderungen bereit gewesen wäre.
Ein allgemeiner Hinweis, alle Vertragsbedingungen hätten zur Disposition gestanden, enthält nicht die notwendige Konkretisierung hinsichtlich der Kerngehalte der einzelnen Klauseln.

Der Verwender vorformulierter Klauseln kann sich zur Darlegung eines Aushandelns nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB auch nicht ausschließlich auf eine individualrechtliche Vereinbarung berufen, nach der über die Klauseln „ernsthaft und ausgiebig verhandelt wurde“.
Könnte der Verwender allein durch eine solche Klausel die Darlegung eines Aushandelns stützen, bestünde die Gefahr der Manipulation und der Umgehung des Schutzes der §§ 305 ff. BGB.

Da die §§ 305 ff. BGB selbst im unternehmerischen Rechtsverkehr nicht der Disposition der Vertragsparteien unterliegen, sondern zwingendes Recht sind, können die Vertragsparteien die Geltung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unabhängig von den Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB auch nicht individualrechtlich ausschließen.
Zwingendes, der Vertragsfreiheit Grenzen ziehendes Recht ist anzunehmen, wenn Sinn und Zweck des Gesetzes einer privatautonomen Gestaltung entgegenstehen. Der Zweck der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen nach §§ 305 ff. BGB besteht darin, zum Ausgleich ungleicher Verhandlungspositionen und damit zur Sicherung der Vertragsfreiheit Schutz und Abwehr gegen die Inanspruchnahme einseitiger Gestaltungsmacht durch den Verwender zu gewährleisten (BGH, Urteil vom 10.10.2013 – VII ZR 19/12 –).
Deshalb findet eine Inhaltskontrolle vertraglicher Vereinbarungen nicht statt, wenn die Vertragsbedingungen im Einzelnen ausgehandelt worden sind (§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB). In diesem Fall befinden sich die Vertragsparteien in einer gleichberechtigten Verhandlungsposition, die es ihnen gestattet, eigene Interessen einzubringen und frei zu verhandeln.
Mit diesem Schutzzweck ist es nicht zu vereinbaren, wenn die Vertragsparteien unabhängig von den Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB die Geltung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen individualrechtlich ausschließen.
Dadurch wird die Prüfung verhindert, ob eine gleichberechtigte Verhandlungsposition bestanden hat. Diese kann nicht allein aus dem Umstand abgeleitet werden, dass individualrechtlich die Geltung der §§ 305 ff. BGB ausgeschlossen wurde.
Eine solche Vereinbarung kann vielmehr auf der wirtschaftlichen Überlegenheit einer Vertragspartei beruhen, die unter Umgehung der gesetzlichen Bestimmungen zur Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen ihre Gestaltungsmacht einseitig verwirklicht. Dem will das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen entgegenwirken, indem es nur unter den Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB von einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB absieht.

Darauf hat der VII. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 20.03.2014 – VII ZR 248/13 – hingewiesen.

 

Betriebsrentenanpassung – Auswirkungen der Finanzkrise.

Nach § 16 Abs. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden; dabei sind insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen.
Danach ist der Arbeitgeber zur Anpassung nicht verpflichtet, wenn er annehmen darf, dass es ihm mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht möglich sein wird, den Teuerungsausgleich aus den Unternehmenserträgen in der Zeit bis zum nächsten Anpassungsstichtag aufzubringen.

Darauf hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 15.04.2014 – 3 AZR 51/12 – hingewiesen und eine auf Zahlung einer höheren Betriebsrente gerichtete Klage eines Versorgungsempfängers mit der Begründung abgewiesen, die Entscheidung des Arbeitgebers, die Betriebsrente zum 01.01.2010 nicht anzupassen, habe billigem Ermessen i.S.v. § 16 Abs. 1 BetrAVG entsprochen.
In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall, in dem die Betriebsrente des Versorgungsempfängers zuletzt zum 01.01.2007 an den Kaufkraftverlust angepasst worden war, hatte der Arbeitgeber in den Jahren 2008 und 2009 – auch aufgrund der Finanzkrise – Verluste erwirtschaftet und war deshalb gezwungen, Mittel aus dem Finanzmarktstabilisierungsfonds in Anspruch zu nehmen.
Vor diesem Hintergrund war die Prognose des Arbeitgebers gerechtfertigt, dass sich die Folgen der Finanzkrise auch in der Zeit nach dem Anpassungsstichtag 01.01.2010 in einem einer Betriebsrentenanpassung entgegenstehendem Umfang auf seine wirtschaftliche Lage auswirken würden.

Das hat die Pressestelle des Bundesarbeitsgerichts am 15.04.2014 – Nr. 18/14 – mitgeteilt.

 

Zu den Sorgfaltspflichten eines Lkw-Fahrers beim Rechtsabbiegen in Kreuzungsbereichen mit Fußgänger- und Radfahrerfurten.

Nach § 9 Abs. 3 Satz 1 Straßenverkehrsordnung (StVO) muss, wer abbiegen will, entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen, Schienenfahrzeuge, Fahrräder mit Hilfsmotor und Fahrräder auch dann, wenn sie auf oder neben der Fahrbahn in der gleichen Richtung fahren.
Hierbei handelt es sich um einen uneingeschränkten Vorrang.
Eine besondere Gefahrenlage besteht in diesen Situationen dann, wenn es sich bei dem Rechtsabbieger um einen Lkw handelt, dessen Fahrer nur eingeschränkte Sicht nach hinten und nach rechts hat und der den Straßenbereich, in den er einfahren will, namentlich den Geh- und Radwegbereich vor einer Fußgänger- und Radfahrerfurt und dort befindliche Verkehrsteilnehmer (woher auch immer sie gekommen sein mögen), nur unzureichend wahrnehmen kann.
In diesen Situationen darf ein Lkw-Fahrer, um eine derartige besondere Gefahrenlagen zu beseitigen oder doch zumindest die Gefährdung auf ein erträgliches Maß zu reduzieren, während des Abbiegevorgangs allenfalls mit Schrittgeschwindigkeit fahren. Ansonsten handelt er sorgfaltswidrig.

Nicht dagegen gefordert werden kann von einem nach rechts abbiegenden Lkw-Fahrer, sich in solchen Situationen jeweils in kurzen Teilstücken vorzutasten und erst nach wiederholtem Anhalten und Blicken in den rechten Seitenspiegel weiter einzubiegen. Dadurch würden die Anforderungen an sorgfaltsgemäßes Verhalten überspannt.

Darauf hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm vom 09.09.2013 – 3 Ws 134/13 – hingewiesen.

 

Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung trotz neuer Bewährungsstrafe?

Werden neue während der in einer Sache laufenden Bewährungszeit begangene Straftaten mit einer im Wege der §§ 407, 408a Strafprozessordnung (StPO) durch Strafbefehl verhängten Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird, geahndet, so hindert dies einen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung in der ersten Sache nicht.

Darauf hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 06.02.2014 – 1 Ws 36/14 – hingewiesen.

Nach § 56 f Abs. 1 Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB) wird die Strafaussetzung widerrufen, wenn die verurteilte Person in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat. Reicht es aus, weitere Auflagen oder Weisungen zu erteilen, insbesondere die verurteilte Person einer Bewährungshelferin oder einem Bewährungshelfer zu unterstellen, oder die Bewährungs- oder Unterstellungszeit zu verlängern, wird von dem Widerruf abgesehen (§ 56 f Abs. 2 StGB).

Grundsätzlich ist es zwar naheliegend, sich bei der Stellung der Legalprognose der sachnäheren Einschätzung des Tatrichters anzuschließen. Dies gilt jedoch nicht, wenn die neue Entscheidung nicht nachvollziehbar oder nur formelhaft begründet worden ist (vgl. u.a. OLG Hamm, Beschluss vom 03.02.2009 – 2 Ws 15/09 =).

Vgl. hierzu im Übrigen auch Bernd Rösch, „Das Urteil in Straf- und Bußgeldsachen“, 2. Aufl., S. 436 ff.

 

Kindesunterhaltsansprüche – Wenn den Eltern die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, welcher Elternteil kann ein minderjähriges Kind bei der Geltendmachung seiner Unterhaltsansprüche vertreten?

Nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann bei gemeinsamer elterlicher Sorge derjenige Elternteil, in dessen „Obhut“ sich das Kind befindet, dieses bei der Geltendmachung seiner Unterhaltsansprüche gesetzlich vertreten. Der dem Jugendhilferecht entlehnte (vgl. auch § 42 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII)) Begriff der Obhut knüpft an die tatsächlichen Betreuungsverhältnisse an.
Ein Kind befindet sich in der Obhut desjenigen Elternteils, bei dem der Schwerpunkt der tatsächlichen Fürsorge und Betreuung liegt, der mithin die elementaren Lebensbedürfnisse des Kindes nach Pflege, Verköstigung, Kleidung, ordnender Gestaltung des Tagesablaufs und ständig abrufbereiter emotionaler Zuwendung vorrangig befriedigt oder sicherstellt.

Leben Eltern in verschiedenen Wohnungen und regeln sie den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes dergestalt, dass es vorwiegend in der Wohnung eines Elternteils lebt und dies durch regelmäßige Besuche in der Wohnung des anderen Elternteils unterbrochen wird (Eingliederungs- oder Residenzmodell), so ist die Obhut im Sinne des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB dem erstgenannten Elternteil zuzuordnen (Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 21.12.2005 – XII ZR 126/03 – und vom 28.02.2007 – XII ZR 161/04 –).
Nur wenn die Eltern ihr Kind in der Weise betreuen, dass es in etwa gleich langen Phasen abwechselnd jeweils bei dem einen und dem anderen Elternteil lebt (Wechselmodell), lässt sich ein Schwerpunkt der Betreuung nicht ermitteln. Das hat zur Folge, dass kein Elternteil die Obhut im Sinne von § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB innehat.
Dann muss der Elternteil, der den anderen für barunterhaltspflichtig hält, entweder die Bestellung eines Pflegers für das Kind herbeiführen, der dieses bei der Geltendmachung seines Unterhaltsanspruchs vertritt, oder der Elternteil muss beim Familiengericht beantragen, ihm gemäß § 1628 BGB die Entscheidung zur Geltendmachung von Kindesunterhalt allein zu übertragen (BGH, Urteil vom 21.12.2005 – XII ZR 126/03 –).
Für die Beurteilung der Frage, ob ein Kind räumlich getrennt lebender Eltern im Residenzmodell oder im Wechselmodell betreut wird, kommt im Rahmen des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB dem zeitlichen Einsatz der Eltern bei der Betreuung des Kindes eine besondere Bedeutung zu.
Anknüpfend an den Normzweck der Vorschrift, die Einleitung von Sorgerechtsverfahren nur mit dem Ziel einer späteren Austragung von Unterhaltskonflikten möglichst zu vermeiden, wird ein Elternteil bereits dann als Träger der Obhut im Sinne von §1629 Abs.2 Satz 2 BGB angesehen werden können, wenn bei diesem Elternteil ein eindeutig feststellbares, aber nicht notwendigerweise großes Übergewicht bei der tatsächlichen Fürsorge für das Kind vorliegt.

Sind die Eltern eines minderjährigen Kindes miteinander verheiratet, kann gemäß § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB, solange die Eltern getrennt leben oder eine Ehesache zwischen ihnen anhängig ist, ein Elternteil Ansprüche auf Kindesunterhalt gegen den anderen Elternteil nur in eigenem Namen geltend machen.
Diese Vorschrift will zum einen in der Ehesache und im Verfahren auf Kindesunterhalt Beteiligtenidentität bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Scheidung gewährleisten und zum anderen Konfliktsituationen für das Kind während der Trennungszeit und während des Scheidungsverfahrens verhindern (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11.05.2005 – XII ZB 242/03 – und vom 19.06.2013 – XII ZB 39/11 –).
Hat in einem derartigen Fall ein Elternteil, beispielsweise die Kindesmutter, das Verfahren als Verfahrensstandschafterin eingeleitet und wird während des erstinstanzlichen Verfahrens die Scheidung der Eltern rechtskräftig, ändert das an der Verfahrensführungsbefugnis der Kindesmutter noch nichts.
Der BGH hat bereits entschieden, dass es einerseits dem Rechtsgedanken des § 265 Abs. 2 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) und andererseits unabweisbaren praktischen Bedürfnissen entspricht, dass ein Unterhaltsverfahren, welches berechtigterweise in Verfahrensstandschaft eingeleitet wurde, in dieser Form – auch durch die Rechtsmittelinstanzen hindurch – bis zum Abschluss gebracht werden kann, wenn die elterliche Sorge für das minderjährige Kind bis dahin keinem anderen übertragen worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19.06.2013 – XII ZB 39/11 –).

Darauf hat der XII. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 12.03.2014 – XII ZB 234/13 – hingewiesen.

 

Zur Auslegung von allgemeinen Versicherungsbedingungen

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss.
Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an (BGH, Urteil vom 23.06.1993 – IV ZR 135/92 –).
Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind aus sich heraus zu interpretieren. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH, Urteil vom 25.07.2012 – IV ZR 201/10 –).

War beispielsweise

  • ein selbständiger Handwerksmeister beauftragt für eine im Keller eines Gebäudes befindliche Maschine eine Podestfläche und einen Pumpensumpf, in den ständig Wasser einläuft, abzudichten sowie einzufliesen und bildete sich, weil sich die von ihm eingebaute Abdichtung des Pumpensumpfes gelöst hatte, unterhalb des Einlaufrohres eine Leckage, aus der ständig Wasser austrat und den gesamten Keller durchnässte

und

  • wird der Versicherungsfall in den der Betriebshaftpflichtversicherung des Handwerkmeisters zugrunde liegenden Bedingungen (im Folgenden: AHB) wie folgt beschrieben,
    „Versicherungsschutz besteht im Rahmen des versicherten Risikos für den Fall, dass der Versicherungsnehmer wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadenereignisses (Versicherungsfall), das einen Personen-, Sach- oder sich daraus ergebenden Vermögensschaden zur Folge hatte, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. 
    Schadenereignis ist das Ereignis, als dessen Folge die Schädigung des Dritten unmittelbar entstanden ist.
    Auf den Zeitpunkt der Schadenverursachung, die zum Schadenereignis geführt hat, kommt es nicht an.“

ergibt die den obigen Vorgaben folgende Auslegung dieser AHB,

  • dass als das maßgebliche Schadensereignis erst der Austritt des Wassers anzusehen ist.

Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird Satz 3 der obigen AHB zunächst entnehmen, dass es nicht auf den Zeitpunkt der Schadenverursachung ankommt, da diese erst noch zum Schadenereignis führen muss.
Der Zeitpunkt der Ausführung der Fliesen- und Abdichtungsarbeiten scheidet damit aus.

Umgekehrt wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer aufgrund der Regelung des Satz 2 der AHB erkennen, dass das Schadenereignis zeitlich noch vor dem Zeitpunkt der Schädigung des Dritten liegen muss, da die Schädigung als Folge des Schadenereignisses bezeichnet ist.
Dabei muss der zeitliche Abstand allerdings nicht groß sein, da die Schädigung des Dritten „unmittelbar“ aus dem Schadenereignis entstanden sein soll.
Danach kommt auch die Abnahme der fehlerhaften Arbeit als maßgebliches Ereignis nicht in Betracht; sie führt die Schädigung nicht unmittelbar herbei.

Als mögliche Anknüpfungspunkte verbleiben damit nur die Inbetriebnahme des Pumpensumpfes und der tatsächlich stattfindende Wasseraustritt.

Die letzte Tatsache, die den Schaden an den Sachen des Auftraggebers ausgelöst hat, ist jedoch erst der Austritt des Wassers selbst.
Erst für diesen Umstand wird der Handwerksmeister von seinem Auftraggeber haftbar gemacht. Schadenereignis kann aber nur ein solches Ereignis sein, das zur Auslösung des gegen den Versicherungsnehmer gerichteten Haftpflichtanspruchs geeignet ist (BGH, Urteil vom 11.12.2002 – IV ZR 226/01 –).
Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird die Klausel daher aufgrund des in ihr verwendeten Begriffs der Unmittelbarkeit so verstehen, dass ihm gerade für den Eintritt dieser Tatsache Haftpflichtversicherungsschutz gewährt werden soll.

Was nach den AHB als das für einen Versicherungsfall maßgebliche Schadensereignis anzusehen ist, kann u. a. von Bedeutung sein für die Frage, ob das maßgebliche Schadensereignis (schon oder noch) in den versicherten Zeitraum fällt.
Wären

  • die Abdichtungsarbeiten im obigen Beispielsfall beispielsweise im Juli 2013 ausgeführt worden,
  • Versicherungsbeginn der 03.09.2013 gewesen und
  • der Wasseraustritt erstmals am 07.11.2013 bemerkt worden,

würde damit das Schadensereignis innerhalb der versicherten Zeit liegen.
Zwar ist es unklar, wann genau die Undichtigkeit nach der Inbetriebnahme der Anlage eintrat und der Wasseraustritt begonnen hat, bevor das Wasser schließlich in die Räume des Geschädigten lief und dort am 07.11.2013 entdeckt wurde. Es ist aber klar, dass aus dem Leck des Pumpensumpfes bis zur Entdeckung der Feuchtigkeitsschäden ständig Wasser ausgelaufen ist, so dass der Versicherungsfall jedenfalls auch in der versicherten Zeit angedauert hat.

Sind nach den AHB in dem obigen Beispielsfall von der Versicherung ausgeschlossen,

  • „Haftpflichtansprüche aus Sachschäden, welche entstehen durch 
    (1) Abwässer, soweit es sich nicht um häusliche Abwässer handelt,
    …“

kann diese Bestimmung aus der maßgeblichen Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers nicht einschränkend dahin ausgelegt werden, dass sie nur dann Anwendung findet, wenn der Versicherungsnehmer selbst die Abwässer abgeleitet oder wenigstens ihre Ableitung veranlasst hat.
Einen Anhaltspunkt für eine derartige Einschränkung bietet der Wortlaut der Regelung nicht. Aber auch aus ihrem Zweck kann sie nicht entnommen werden. Der Grund für den Ausschluss liegt in der besonderen Abwassergefahr aufgrund der unübersehbaren Veränderungen der Beschaffenheit, denen Gebrauchswasser nach seiner Nutzung unterliegen kann. Es vermag Krankheitskeime, Fäulnisstoffe oder chemische Zusätze in sich aufzunehmen, die ihm aggressive, gefährliche Eigenschaften verleihen, mit denen in der Natur vorkommendes Wasser regelmäßig nicht behaftet ist. Für diese typischen, unüberschaubaren Gefahren der Abwässer, die Anlass zu ihrer tunlichst gesicherten Ableitung geben, will auch der Haftpflichtversicherer nicht einstehen (BGH, Urteil vom 13.12.1972 – IV ZR 154/71 –).
Der Ausschlussgrund ist damit objektiver Natur und unabhängig davon, auf wessen Handeln die Ableitung dieser Abwässer zurückgeht.
Da auch der durchschnittliche Versicherungsnehmer die potentiell erhöhte Gefährlichkeit von Abwasser als Grund für den Ausschluss erkennen wird, wird er den Begriff der häuslichen Abwässer, die vom Anwendungsbereich der Klausel ausgenommen sind, als Abgrenzung zu gewerblichen oder betrieblichen Abwässern verstehen, denen eine derartige Gefährlichkeit regelmäßig in nochmals erhöhtem Maße anhaftet.

Darauf hat der IV. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 26.03.2014 – IV ZR 422/12 – hingewiesen.