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Werkvertrag – Zur konkludenten Abnahme.

Eine konkludente Abnahme (§ 640 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB )) kommt in Betracht, wenn das Werk nach den Vorstellungen des Auftraggebers im Wesentlichen mangelfrei fertiggestellt ist und der Auftragnehmer das Verhalten des Auftraggebers als Billigung seiner erbrachten Leistung als im Wesentlichen vertragsgerecht verstehen darf.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 20.02.2014 – VII ZR 26/12 – hingewiesen.

Eine Abnahme kann nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent, d.h. durch schlüssiges Verhalten des Auftraggebers, erklärt werden.
Konkludent handelt der Auftraggeber, wenn er dem Auftragnehmer gegenüber ohne ausdrückliche Erklärung erkennen lässt, dass er dessen Werk als im Wesentlichen vertragsgerecht billigt.
Erforderlich ist ein tatsächliches Verhalten des Auftraggebers, das geeignet ist, seinen Abnahmewillen dem Auftragnehmer gegenüber eindeutig und schlüssig zum Ausdruck zu bringen. Ob eine konkludente Abnahme vorliegt, beurteilt sich grundsätzlich nach den Umständen des Einzelfalls (BGH, Urteile vom 26.09.2013 – VII ZR 220/12 – und vom 25.02.2010 – VII ZR 64/09 –).

Im Regelfall kann eine konkludente Abnahme nur angenommen werden, wenn alle vertraglich geschuldeten Leistungen erbracht sind (BGH, Urteil vom 20.10.2005 – VII ZR 155/04 –).
Die Vollendung des Werks ist jedoch nicht ausnahmslos Voraussetzung für eine konkludente Abnahme, da es stets maßgeblich darauf ankommt, ob nach den gesamten Umständen das Verhalten des Auftraggebers vom Auftragnehmer dahin verstanden werden kann, er billige die erbrachte Leistung als im Wesentlichen vertragsgerecht.
Das kann auch dann der Fall sein, wenn die Leistung Mängel hat oder noch nicht vollständig fertig gestellt ist (vgl. BGH, Urteil vom 18.02.2003 – X ZR 245/00 –).
So hat der Bundesgerichtshof erst kürzlich entschieden, dass eine noch ausstehende Restleistung der Annahme einer konkludenten Abnahme des Architektenwerks dann nicht entgegensteht, wenn der Besteller bereit ist, das Werk auch ohne diese Restleistungen als im Wesentlichen vertragsgerecht zu akzeptieren (vgl. BGH, Urteil vom 26.09.2013 – VII ZR 220/12 –).
Eine konkludente Abnahme kommt dementsprechend in Betracht, wenn das Werk jedenfalls nach den Vorstellungen des Auftraggebers im Wesentlichen mangelfrei fertiggestellt ist und der Auftragnehmer das Verhalten des Auftraggebers als Billigung seiner erbrachten Leistung als im Wesentlichen vertragsgerecht verstehen darf.

 

Rotlichtverstoß – Zu den Anforderungen an die Urteilsgründe.

Eine Verurteilung wegen eines „einfachen“ Rotlichtverstoßes (§§ 37 Abs. 2, 49 Abs. 3 Nr. 2 Straßenverkehrsordnung (StVO)) kann nur dann erfolgen, wenn es dem Betroffenen möglich war, mit einer Bremsung seinen Pkw noch vor der Haltelinie zum Stehen zu bringen.
Grundsätzlich sind daher nähere Ausführungen

  • zur Dauer der Gelbphase,
  • zur zulässigen Höchstgeschwindigkeit,
  • zur Geschwindigkeit des Betroffenen im Zeitpunkt des Umschaltens der Lichtzeichenanlage von Grün auf Gelb und
  • zur Entfernung des Betroffenen von der Lichtzeichenanlage bei Umschalten von Gelb- auf Rotlicht

erforderlich.
Denn nur bei Kenntnis dieser Umstände lässt sich in der Regel entscheiden, ob der Betroffene bei zulässiger Geschwindigkeit und mittlerer Bremsverzögerung in der Lage gewesen wäre, dem vor dem Gelblicht ausgehenden Haltegebot zu folgen, was Voraussetzung für den Vorwurf ist, das Rotlicht schuldhaft missachtet zu haben (vgl. Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Beschluss vom 02.11.2010 – 4 RBs 374/10 –; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28.11.2008 – 3 Ss 220/08 –).

Handelt es sich um einen Rotlichtverstoß innerhalb geschlossener Ortschaften sind Ausführungen zur Dauer der Gelbphase, der zulässigen und vom Betroffenen eingehaltenen Geschwindigkeit sowie seines Abstands zur Ampel jedoch regelmäßig entbehrlich, weil grundsätzlich von einer gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h und von einer Gelbphase von 3 Sekunden ausgegangen werden kann, was eine gefahrlose Bremsung vor der Ampel ermöglicht, bevor diese von Gelb auf Rot umschaltet (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 02.11.2010 – 4 RBs 374/10 –).
Würde der Betroffene schneller als die zulässigen Höchstgeschwindigkeit fahren und deshalb nicht mehr rechtzeitig vor der Kreuzung anhalten können, so würde bereits die Geschwindigkeitsüberschreitung die Vorwerfbarkeit des Rotlichtverstoßes begründen (OLG Bremen a.a.O.).

Darauf und dass

  • auch ein „einfacher“ Rotlichtverstoß aufgrund der Vorahndungslage eines Betroffenen ohne weiteres die mit der Ahndung mit einem bußgeldrechtlichen Fahrverbot verbundene Wertung als beharrlicher Pflichtenverstoß gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 2. Alt. Straßenverkehrsgesetz (StVG) außerhalb eines Regelfalls im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) rechtfertigen,

hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des OLG Bamberg mit Beschluss vom 06.03.2014 – 3 Ss OWi 228/14 – hingewiesen.

 

Zur Kostenverteilung bei einem erfolgreichen Vaterschaftsfeststellungsverfahren.

Bei einem erfolgreichen Antrag auf Feststellung der Vaterschaft entspricht es nicht billigem Ermessen, dem Kindesvater allein aufgrund seines Unterliegens die gesamten Verfahrenskosten aufzuerlegen, wenn dieser berechtigte Zweifel an seiner Vaterschaft hatte, weil die Kindesmutter Mehrverkehr während der gesetzlichen Empfängniszeit eingeräumt hatte.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 19.02.2014 – XII ZB 15/13 – hingewiesen.

Die Kostenentscheidung in den in § 169 Nr. 1 bis 3 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) genannten Abstammungssachen, zu denen das Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft zählt (§ 169 Nr. 1 FamFG), richtet sich nach der allgemeinen Bestimmung in § 81 FamFG.
Die spezielle Kostenvorschrift des § 183 FamFG gilt nur, wenn ein Antrag auf Anfechtung der Vaterschaft (§ 169 Nr. 4 FamFG) Erfolg hat.
Nach der demnach maßgeblichen Vorschrift des § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG kann das Gericht die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen.

Die Frage, welche Kostenverteilung bei erfolgreichen Vaterschaftsfeststellungsverfahren billigem Ermessen entspricht, ist in der Rechtsprechung und im Schrifttum umstritten.

Der Senat hält es für verfehlt, bei der Ermessensausübung im Rahmen des § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis auszugehen. Die Vorschrift stellt es in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts, ob (für Familiensachen vgl. aber § 81 Abs. 1 Satz 3 FamFG) und in welchem Umfang eine Kostenentscheidung sachgerecht ist. Dabei räumt die Vorschrift dem Gericht, falls es eine Kostenentscheidung trifft, einen weiten Gestaltungsspielraum dahingehend ein, welchem Beteiligten welche Kosten des Verfahrens auferlegt werden.

Das Gericht kann beispielsweise die Kosten ganz oder teilweise zwischen den Beteiligten aufteilen, die Kosten gegeneinander aufheben oder die Kostenregelung getrennt in Bezug auf die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten vornehmen.
Die Vorschrift erlaubt es auch, nur bestimmte Kosten einem der Beteiligten aufzuerlegen oder von der Erhebung der Kosten ganz oder teilweise abzusehen (§ 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG).

Dieses weite Ermessen des Gerichts bei der Entscheidung über die Verfahrenskosten erfährt nur eine Beschränkung durch § 81 Abs. 2 FamFG, wonach in den dort genannten Fällen die Kosten des Verfahrens einem Beteiligten ganz oder teilweise auferlegt werden sollen.

Der Reformgesetzgeber wollte mit der Umgestaltung der Regelung zur Kostenentscheidung für Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit erreichen, dass das Gericht nicht nur – wie nach bisherigem Recht – die Erstattung der außergerichtlichen Kosten, sondern auch die Verteilung der Gerichtskosten nach billigem Ermessen vornehmen kann. Damit soll den Gerichten die Möglichkeit gegeben werden, im jeweiligen Einzelfall darüber zu entscheiden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine Kostenentscheidung sachgerecht ist. Die nach früherem Recht in § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG enthaltene Grundregel, dass in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat, wurde deshalb bewusst nicht in die Neuregelung übernommen.

Mit dieser im Hinblick auf die Ermöglichung einer für den jeweiligen Einzelfall sachgerechten Kostenentscheidung in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeräumten Gestaltungsfreiheit der Gerichte ist es nicht zu vereinbaren, die Kostenverteilung in Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft nach einem von dem konkreten Einzelfall unabhängigen Regel-Ausnahme-Verhältnis vorzunehmen. Das Gericht hat vielmehr in jedem konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung sämtlicher maßgeblichen Umstände die Kostenentscheidung zu treffen.

Ermessensfehlerhaft ist eine Kostenentscheidung, wenn das Tatgericht bei seiner Entscheidung, die Verfahrenskosten vollständig dem Antragsgegner aufzuerlegen, nicht alle für die Ermessensentscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte angemessen berücksichtigt, sondern allein auf den Erfolg des Feststellungsantrags abgestellt hat.

Das Maß des Obsiegens oder Unterliegens ist zwar ein Gesichtspunkt, der in die Ermessensentscheidung nach § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG eingestellt werden kann. Dies gilt aber vornehmlich für echte Streitverfahren, in denen sich die Beteiligten als Gegner gegenüberstehen und daher eine gewisse Ähnlichkeit zu einem Zivilprozess besteht.
Das Verfahren in Abstammungssachen ist jedoch nach der gesetzlichen Neuregelung in den §§ 169 ff. FamFG nicht mehr als streitiges Verfahren, das nach den Regelungen der Zivilprozessordnung geführt wird, sondern als ein einseitiges Antragsverfahren nach den Vorschriften der freiwilligen Gerichtsbarkeit ausgestaltet. Neben einer größeren Flexibilität des Verfahrens wollte der Gesetzgeber hierdurch erreichen, dass sich die Beteiligten in Abstammungssachen nicht als formelle Gegner gegenüberstehen.
Das Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft (§ 169 Nr. 1 FamFG) kann daher einem Streitverfahren nicht mehr uneingeschränkt gleichgestellt werden. Daraus folgt, dass für die im Rahmen eines erfolgreichen Verfahrens zur Vaterschaftsfeststellung zu treffende Entscheidung über die Verfahrenskosten nicht mehr allein das Obsiegen oder Unterliegen der Beteiligten maßgeblich sein kann, wenn weitere Umstände vorliegen, die für eine sachgerechte Kostenentscheidung von Bedeutung sein können.

Der Tatrichter darf deshalb, wenn die Kindesmutter bereits zu Beginn des Verfahrens einen Mehrverkehr während der gesetzlichen Empfängniszeit eingeräumt hat, der Antragsgegner jedenfalls deshalb vor Kenntnis vom Ergebnis des Abstammungsgutachtens nicht sicher sein konnte, ob er der Vater der Antragstellerin ist und es ihm aus diesem Grund auch nicht zuzumuten war, das Verfahren durch eine urkundliche Anerkennung seiner Vaterschaft nach §§ 1594 Abs. 1, 1597 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) zu vermeiden, dies bei seiner Ermessensentscheidung nicht unberücksichtigt lassen. Denn die Frage, inwiefern ein Beteiligter Anlass für die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens gegeben hat, ist ein Gesichtspunkt, der im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 81 Abs. 1 BGB von Bedeutung sein kann.

 

Beauftragter Handwerker hat die eigene Sicherheit bei der Ausführung seiner Arbeiten grundsätzlich selbst zu gewährleisten – Bauherr haftet nicht.

Ein privater Bauherr ist im Rahmen seiner bestehenden Verkehrssicherungspflicht nicht verpflichtet, den beauftragten Handwerker anzuweisen, für Dacharbeiten erforderliche Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen.
Er haftet deswegen nicht, wenn ein Handwerker vom Dach stürzt, weil er die gebotene Absicherung der beauftragten Dacharbeiten unterlassen hat.

Das hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 21.02.2014 – 11 W 15/14 – im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der in Anspruch genommene Bauherr den antragstellenden Elektriker beauftragt eine Photovoltaik-Anlage auf dem Flachdach seiner Halle zu montieren. In Randbereich der Eternit-Dachflächen befanden sich Lichtfelder aus transparentem Plastik.
Bei den Dacharbeiten, die der Antragsteller ohne Absicherung der Lichtfelder ausführte, trat er versehentlich auf ein Lichtfeld. Dieses brach und der Antragsteller stürzte auf den ca. 7 m darunter liegenden Hallenboden und verletzte sich schwer.
Vom Antragsgegner verlangt er mit der Begründung, dieser habe, weil er keine Anweisung zur ordnungsgemäßen Absicherung der Lichtfelder gegeben habe, die ihm als Bauherrn obliegenden Verkehrssicherungspflichten verletzt, unter Berücksichtigung eines überwiegenden Mitverschuldens, Schadensersatz, u.a. ein Schmerzensgeld in Höhe von 27.000 Euro.

Der 11. Zivilsenat des OLG Hamm hat die begehrte Prozesskostenhilfe versagt.

Danach kann der Antragsteller vom Antragsgegner keinen Schadensersatz verlangen.
Als privater Bauherr sei der Antragsgegner im Rahmen seiner bestehenden Verkehrssicherungspflicht nicht verpflichtet gewesen, den als Handwerker beauftragten Antragsteller anzuweisen, die für die Dacharbeiten erforderlichen Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen.
Die grundsätzlich bestehende Verkehrssicherungspflicht eines Bauherrn verkürze sich, soweit er Handwerker mit der Ausführung von Arbeiten beauftrage. Als Fachleute seien Handwerker mit den aus der Ausführung ihrer Arbeiten für sie selbst und für Dritte verbundenen Gefahren vertraut. Deswegen habe der Antragsgegner davon ausgehen dürfen, dass der Antragsteller die von den Lichtfeldern ausgehenden, sofort ersichtlichen Gefahren erkenne und sich auf sie einstelle. Die eigene Sicherheit bei der Ausführung der Arbeiten habe ein Handwerker grundsätzlich selbst zu gewährleisten.
Der Bauherr hafte im vorliegenden Fall auch nicht, weil er vor dem Unfall gesehen habe, dass der Antragsteller keine speziellen Sicherungsmittel auf das Dach mitgenommen habe. Er habe annehmen dürfen, dass sich der Handwerker auf andere Weise schütze, z.B. durch eine besonders vorsichtige Fortbewegung auf dem Dach. Er habe deswegen nicht eingreifen und den Handwerker zu den Unfallverhütungsvorschriften entsprechenden Sicherungsmaßnahmen veranlassen müssen. Für deren Einhaltung sei ein Bauherr gegenüber einem beauftragten Fachmann nicht verantwortlich.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 24.03.2014 mitgeteilt.

 

Kann Vermieter bei Beendigung des Mietverhältnisses anstelle von wirksam auf den Mieter übertragenen Schönheitsreparaturen einen Ausgleichsanspruch in Geld verlangen?

Allein die Absicht des Vermieters, nach Beendigung des Mietverhältnisses Umbaumaßnahmen in den Mieträumen durchzuführen, genügt nicht, um im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung an die Stelle der vertraglichen Verpflichtung des Mieters nach Beendigung des Mietverhältnisses Schönheitsreparaturen und Instandsetzungs- bzw. Instandhaltungsmaßnahmen durchzuführen, einen Ausgleichsanspruch in Geld treten zu lassen.
Ein solcher Ausgleichsanspruch setzt voraus, dass die Mieträume tatsächlich umgebaut werden.

Das hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 12.02.2014 – XII ZR 76/13 – entschieden

In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatten die Beklagten von den Klägern Geschäftsräume zum Betrieb eines medizinischen Therapiezentrums gemietet. Das Mietverhältnis endete aufgrund einer von den Beklagten erklärten Kündigung am 31.10.2009. Mit Schreiben vom 25.09.2009 war den Beklagten von den Klägern mitgeteilt worden, dass sie im Zuge der beabsichtigten Neuvermietung des Objekts umfangreiche Umbau- und Renovierungsarbeiten durchführen und sie deshalb von den Beklagten an Stelle der laut Mietvertrag geschuldeten Schönheitsreparaturen und Renovierungsarbeiten den hierfür noch zu ermittelnden Geldbetrag einfordern würden.
Am 16.11.2009 räumten die Beklagten die Mieträume, ohne Schönheitsreparaturen oder Renovierungsarbeiten erbracht zu haben. Zu einer Neuvermietung der Räumlichkeiten kam es in der Folgezeit nicht. Am 30.03.2011 veräußerten die Kläger das Mietobjekt, ohne zuvor Umbaumaßnahmen durchgeführt zu haben.

Die Klage, mit der die Kläger von den Beklagten Zahlung der in einem selbständigen Beweisverfahren ermittelten Renovierungskosten verlangten, hatte beim BGH keinen Erfolg.

Wie der BGH ausführte, kann nach der Rechtsprechung, auch des XII. Zivilsenats, sich im Wege der ergänzenden Auslegung des Mietvertrags ein Anspruch des Vermieters auf Geldersatz für vom Mieter geschuldete und nicht erbrachte Reparatur- und Instandsetzungsmaßnahmen ergeben, wenn dieser bei Auszug die ihm obliegenden Schönheitsreparaturen nicht ausführt, weil der Vermieter die Mieträume anschließend umbauen will und der Mietvertrag für diesen Fall keine ausdrückliche Regelung enthält (BGH, Urteile vom 05.06.2002 – XII ZR 220/99 – und vom 20.10.2004 – VIII ZR 378/03 –).
Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, dass der zum Umbau entschlossene Vermieter nicht mehr an einer Sachleistung des Mieters interessiert ist. Es wäre widersinnig, den Vermieter an dem Anspruch auf Erfüllung der von dem Mieter vertraglich übernommenen Verpflichtung zur Ausführung von Schönheitsreparaturen festzuhalten, obwohl bei Erfüllung dieser Pflicht das Geschaffene alsbald wieder zerstört würde.
Andererseits würde es jedoch regelmäßig in Widerspruch zu dem Inhalt des Mietvertrags stehen, den Mieter von seiner Verpflichtung zu befreien, ohne dass er hierfür einen Ausgleich entrichten müsste. Denn die im Vertrag übernommene Verpflichtung des Mieters zur Vornahme der Schönheitsreparaturen stellt sich im Regelfall als Teil des Entgelts dar, das er als Gegenleistung für die Leistung des Vermieters zu entrichten hat.

Enthält der Mietvertrag für den Fall des Umbaus des Mietobjekts keine ausdrückliche Vereinbarung, kann eine vorliegende Regelungslücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden.
Dabei entspricht es nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte dem mutmaßlichen Willen der Vertragsparteien, dem Vermieter anstelle des wirtschaftlich sinnlos gewordenen Anspruchs auf Durchführung von Schönheitsreparaturen einen entsprechenden Geldanspruch zu geben.

Diese Rechtsprechung des BGH ist jedoch auf Fälle, in denen der Vermieter entgegen einer im Zeitpunkt der Fälligkeit der Renovierungsarbeiten geäußerten Absicht von einem Umbau der Mietsache letztlich absieht, nicht übertragbar.
Voraussetzung einer ergänzenden Vertragsauslegung ist nämlich das Bestehen einer Regelungslücke, also einer planwidrigen Unvollständigkeit der Bestimmungen des Rechtsgeschäfts, die nicht durch die Heranziehung von Vorschriften des dispositiven Rechts sachgerecht geschlossen werden kann.
Allein der Umstand, dass ein Vertrag für eine bestimmte Fallgestaltung keine Regelung enthält, besagt aber nicht, dass es sich um eine planwidrige Unvollständigkeit handelt. Von einer planwidrigen Unvollständigkeit kann nur gesprochen werden, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung des Vertrags eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen wäre.
Die ergänzende Vertragsauslegung muss sich als zwingende selbstverständliche Folge aus dem Gesamtzusammenhang des Vereinbarten ergeben, so dass ohne die vorgenommene Ergänzung das Ergebnis in offenbarem Widerspruch mit dem nach dem Inhalt des Vertrags tatsächlich Vereinbarten stehen würde. Zudem darf die ergänzende Vertragsauslegung nicht zu einer wesentlichen Erweiterung des Vertragsinhaltes führen (BGH, Urteil vom 11.01.2012 – XII ZR 40/10 –).
Eine solche planwidrige Regelungslücke, die im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden kann, besteht nicht, wenn das Mietobjekt entgegen der Ankündigung des Vermieters tatsächlich nicht umgebaut wird.
Haben die Mietvertragsparteien keine ausdrückliche Vereinbarung über einen Ausgleichsanspruch des Vermieters getroffen, falls bei Beendigung des Mietverhältnisses die vom Mieter übernommenen Renovierungsarbeiten wegen eines Umbaus der Mietsache nicht ausgeführt werden, ist nach der Rechtsprechung des BGH die Annahme eines entsprechenden Ausgleichsanspruchs des Vermieters im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung deshalb gerechtfertigt, weil einerseits die vom Mieter geschuldeten Arbeiten wegen des Umbaus des Mietobjekts für den Vermieter bei objektiver Betrachtung wirtschaftlich wertlos wären und deshalb dem Mieter wegen des fehlenden Leistungsinteresse des Vermieters nicht mehr zugemutet werden können.
Andererseits wäre aber eine kompensationslose Befreiung des Mieters von dieser vertraglichen Verpflichtung unbillig, da die Übertragung der Schönheitsreparaturen auf ihn bei der Kalkulation der Miete berücksichtigt worden ist und daher einen Teil der vom Mieter für die Gebrauchsüberlassung zu erbringenden Gegenleistung darstellt.
Der entscheidende Gesichtspunkt für den Ausgleichsanspruch ist dabei nicht, dass der zum Umbau entschlossene Vermieter subjektiv kein Interesse mehr an der Erfüllung der vom Mieter übernommenen Renovierungspflicht hat, sondern dass der Mieter aufgrund des vom Vermieter veranlassten Umbaus des Mietobjekts von einer vertraglich übernommenen Verpflichtung befreit würde, die während der Mietzeit zu einer geringeren Miete geführt hat. In dieser besonderen Situation ist eine ergänzende Vertragsauslegung geboten, weil davon ausgegangen werden kann, dass die Vertragsparteien nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte vereinbart hätten, dem Vermieter anstelle des wirtschaftlich sinnlos gewordenen Anspruchs auf Durchführung von Renovierungsarbeiten einen entsprechenden Geldanspruch zu geben.
Eine hiermit vergleichbare Interessenlage besteht jedoch nicht, wenn der Vermieter zwar zunächst beabsichtigt, nach dem Auszug des Mieters die Mieträume umzubauen, in der Folgezeit ein Umbau aber tatsächlich nicht erfolgt. Er muss sich dann an den getroffenen vertraglichen Vereinbarungen festhalten lassen, die in diesem Fall nicht sinnlos geworden sind.

Wurden die Schönheitsreparaturen oder die Instandhaltungs- bzw. Instandsetzungsmaßnahmen wirksam auf den Mieter übertragen, kann der Vermieter aufgrund der im Mietvertrag getroffenen Vereinbarungen vom Mieter lediglich die Erfüllung dieser Verpflichtungen verlangen. Dieser Anspruch besteht auch nach der Beendigung des Mietverhältnisses und dem Auszug des Mieters fort.
Will der Vermieter an diesem primären Erfüllungsanspruch nicht festhalten und sich stattdessen einen auf Geldzahlung gerichteten Ersatzanspruch verschaffen, muss er diesen unter Einhaltung des Verfahrens nach § 281 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) begründen.

Der vertragliche Anspruch gegen den Mieter auf Erbringung der übernommenen Renovierungsarbeiten erlischt erst durch ein Schadensersatzverlangen nach § 281 Abs. 4 BGB. Da der Anspruch nach Beendigung des Mietverhältnisses und dem Auszug des Mieters bis zu diesem Verlangen fortbesteht, geht er gemäß § 566 Abs. 1 BGB auf den Erwerber des Mietobjekts über. Dieser kann vom Mieter Erfüllung verlangen oder, falls der Mieter nicht zur Vornahme der Renovierungsarbeiten bereit ist, die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch nach § 281 Abs. 1 BGB schaffen und die Erklärung nach § 281 Abs. 4 BGB abgeben.
Auf diese Weise ist gewährleistet, dass der Mieter auch bei einer Veräußerung des Mietobjekts nicht kompensationslos von der übernommenen Verpflichtung zur Vornahme von Renovierungsarbeiten befreit wird.
Demzufolge besteht auch kein Bedürfnis dafür, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung an die Stelle des vereinbarten Anspruchs auf Durchführung von Schönheitsreparaturen oder Instandhaltungs- bzw. Instandsetzungsarbeiten einen Ausgleichsanspruch des Vermieters treten zu lassen.

 

Zur Verwirkung des Unterhaltsanspruchs wegen Missbrauchsvorwürfen.

Langjährig wiederholt erhobene Missbrauchsvorwürfe, die ein jeder für sich objektiv geeignet sind, den Unterhaltspflichtigen in der Öffentlichkeit nachhaltig verächtlich zu machen und sein Leben gravierend zu beeinträchtigen bis hin zur Zerstörung seiner familiären, sozialen und wirtschaftlichen Existenz, können die vollständige Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nach § 1579 Nr. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) nach sich ziehen.

Das hat der 2. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 03.12.2013 – 2 UF 105/13 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall waren die Eheleute sind seit dem Jahre 2002 rechtskräftig geschieden. Aus der im Jahre 1980 geschlossenen Ehe sind 4 mittlerweile erwachsene Kinder hervorgegangen. Nach der Trennung der Eheleute im Jahre 1999 behauptete die Ehefrau im Rahmen der familiengerichtlichen Auseinandersetzung, der Ehemann habe die 1993 geborene gemeinsame Tochter sexuell missbraucht.
Daraufhin eingeholte Sachverständigengutachten kamen 2001 zu dem Ergebnis, dass es keine Anhaltspunkte für einen Missbrauch des Kindes durch den Vater gibt.
In Kenntnis dieses Ergebnisses erklärte die Ehefrau noch im Jahre 2001 gegenüber der Vermieterin des Ehemanns, der Ehemann sei ein „Kinderschänder“ und äußerte 2002 gegenüber seiner Lebensgefährtin, er habe pädophile Neigungen.
Einen Verdacht, der Ehemann habe die gemeinsame Tochter missbraucht, teilte sie 2002 zudem dem Jugendamt mit.
Wegen dieser Äußerungen verurteilte das Landgericht D. die Ehefrau im Jahre 2003 dazu, es zu unterlassen, gegenüber Dritten zu behaupten, der Ehemann sei ein Kinderschänder.
Den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs wiederholte die Ehefrau 2002 zudem gegenüber zwei ihrer Kinder und sodann 2005 im Rahmen einer zivilgerichtlichen Auseinandersetzung mit dem Ehemann und deutete den Vorwurf 2006 in einem an den Verfahrensbevollmächtigten des Ehemanns gerichteten Schreiben erneut an.

Im vorliegenden familiengerichtlichen Verfahren verlangte die Ehefrau nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich über 1.500 €.
Sie ist der Ansicht, ihr Anspruch sei nicht verwirkt. Ihre Verdachtsmomente für einen sexuellen Missbrauch habe sie äußern dürfen, wahrheitswidrig erhobene Missbrauchsvorwürfe könnten ihr auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht als Fehlverhalten vorgeworfen werden, weil sie seinerzeit an Depressionen gelitten habe.

Das Unterhaltsverlangen der Ehefrau ist erfolglos geblieben. Der 2. Senat für Familiensachen des OLG Hamm hat ihren Anspruch auf Nachscheidungsunterhalt als verwirkt angesehen.

Ein Unterhaltsanspruch ist gem. § 1579 BGB u.a. zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre, weil der Berechtigte sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Verpflichteten oder einen nahen Angehörigen des Verpflichteten schuldig gemacht hat (§ 1579 Nr. 3 BGB ), dem Berechtigten ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten gegen den Verpflichteten zur Last fällt (§ 1579 Nr. 7 BGB ) oder ein anderer Grund vorliegt, der ebenso schwer wiegt wie die in § 1579 Nr. 1 bis 7 BGB aufgeführten Gründe (§ 1579 Nr. 8 BGB ).

Ob die vorgenannten Verwirkungstatbestände vorliegend erfüllt sind, insbesondere ob ein hierfür notwendiges Verschulden der Antragsgegnerin vorlag, kann nach Überzeugung des Senats dahinstehen, da diese mögliche Unterhaltsansprüche jedenfalls nach § 1579 Nr. 8 BGB verwirkt hat.
Diese Vorschrift greift ein, wenn die sich aus der Unterhaltspflicht ergebenden Belastungen für den Verpflichteten die Grenze des Zumutbaren überschritten haben.
Sie erfasst

  • sowohl dem Bedürftigen vorwerfbares Verhalten (subjektiv)
  • als auch ihm nicht vorwerfbare Umstände und Entwicklungen der beiderseitigen Lebensverhältnisse (objektiv).

Die maßgeblichen Umstände müssen dazu führen, dass die Inanspruchnahme des Verpflichteten auf Unterhalt die Grenze des Zumutbaren in unerträglicher Weise übersteigt. Dies ist aufgrund einer alle Umstände des Einzelfalles umfassenden Abwägung und Würdigung der beiderseitigen Rechts- und Interessenlage zu beurteilen.
Auch die Gesamtheit aller Umstände kann zur Tatbestandsmäßigkeit von § 1579 Nr. 8 BGB führen.
Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1579 BGB trifft grds. den Unterhaltspflichtigen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 21.02.2011 – 2 UF 21/10 –).

Scheidet eine Anwendung des § 1579 Nr. 3 oder Nr. 7 BGB aus, weil nicht wenigstens verminderte Schuldfähigkeit gegeben ist, kann ein Härtegrund nach § 1579 Nr. 8 BGB anzunehmen sein, wenn sich die Unzumutbarkeit aus objektiven Umständen ergibt, etwa weil im Zustand der Schuldunfähigkeit mehrere Verwirkungstatbestände des § 1579 BGB über einen längeren Zeitraum und in besonders massiver Weise verwirklicht wurden.
Zu fordern ist aber in jedem Fall, dass das Gewicht der Verfehlungen dem der Härtegründe in § 1579 Nr. 1 – 7 BGB gleichsteht.

Entscheidend für die Annahme einer Verwirkung sind aus Sicht des 2. Senats für Familiensachen des OLG Hamm vorliegend die langjährig wiederholt erhobenen Missbrauchsvorwürfe, die ein jeder für sich objektiv geeignet waren, den Antragsteller in der Öffentlichkeit nachhaltig verächtlich zu machen und sein Leben gravierend zu beeinträchtigen bis hin zur Zerstörung seiner familiären, sozialen und wirtschaftlichen Existenz.

  • Das Verhalten der Antragsgegnerin im Hinblick auf die erhobenen Vorwürfe erfüllt objektiv den Tatbestand des § 1579 Nr. 3 BGB.

In Fällen wiederholter, schwerwiegender Beleidigungen und Verleumdungen kommt eine Verwirkung gem. § 1579 Nr. 3 BGB insbesondere dann in Betracht, wenn derartige Ehrverletzungen mit nachteiligen Auswirkungen auf die persönliche und berufliche Entfaltung sowie die Stellung des Unterhaltsverpflichteten in der Öffentlichkeit verbunden sind.
Unter solchen Umständen sind insbesondere Dauer und Intensität ihrer Begehung von Bedeutung. Wer wiederholt schwerwiegende, nicht haltbare Beschuldigungen wie die des sexuellen Missbrauchs erhebt, ohne dass sich dafür auch nur ansatzweise Anhaltspunkte ergeben, kann seinen Unterhaltsanspruch verwirken.
Denn sexuelle Gewalt gegen die eigenen minderjährigen Kinder ist ein Tatbestand, der nicht nur strafrechtlich sanktioniert wird, sondern auch durch eine ganz besondere gesellschaftliche Ächtung gekennzeichnet ist. Werden solche Vorwürfe bekannt, kann bereits dies zu einer familiären, sozialen und beruflichen Isolation des beschuldigten Elternteils führen. Schon aus diesem Grunde darf der Verdacht nicht leichtfertig und ohne gravierende Anhaltspunkte erhoben werden (OLG Schleswig, Urteil vom 21.12.2012 – 10 UF 81/12 –; OLG Frankfurt, Urteil vom 18.05.2005 – 6 UF 301/04 –).

Die vorliegenden Verhaltensweisen der Ehefrau, insbesondere die Äußerungen gegenüber unbeteiligten Dritten (Vermieterin, Lebensgefährtin, Kinder, Richterin der Zivilabteilung des Amtsgerichts D.) erfüllen spätestens nach Vorlage der Sachverständigengutachten objektiv die Straftatbestände der Verleumdung (§ 187 StGB ), zumindest aber der üblen Nachrede nach § 186 StGB. Angesichts der drohenden schweren Folgen für den Antragsteller ist nach dem Gesagten tatbestandlich vom Vorliegen eines schweren Vergehens gegen den Antragsteller auszugehen.

  • Daneben erfüllen derartige Äußerungen, sofern man sie objektiv nicht bereits unter § 1579 Nr. 3 BGB subsumiert, objektiv den Verwirkungstatbestand des § 1579 Nr. 7 BGB (vgl. auch OLG Celle, Urteil vom 14.02.2008 – 17 UF 128/07 –).

In unberechtigten Missbrauchsvorwürfen ist objektiv ein schwerwiegendes, eindeutig bei der Antragsgegnerin liegendes Fehlverhalten zu sehen.

  • Das Gewicht, die Anzahl und die Dauer des Begehungszeitraums der beschriebenen Verfehlungen der Antragsgegnerin haben nach Überzeugung des Senats ein Ausmaß erreicht, welches es dem Antragsteller unzumutbar macht, weiterhin nachehelichen Unterhalt für die Antragsgegnerin zu leisten. Selbst wenn die Antragsgegnerin, was sie im Übrigen bislang nicht hinreichend substantiiert bestritten hat, bei jeder einzelnen Verfehlung schuldunfähig gewesen sein sollte, wiegen die Beeinträchtigungen für den Antragsteller jedoch so schwer, dass der damit verbundene Härtegrad den in den § 1579 Nr. 1 – 7 BGB geregelten Fällen gleichsteht.

Durch den wiederholt und über mehrere Jahre ohne tatsächliche Anhaltspunkte auch gegenüber Dritten geäußerten Missbrauchsverdacht bestand für den Antragsteller die ernsthafte Gefahr einer nachhaltigen sozialen und wirtschaftlichen Schädigung, etwa durch Isolation von seinem familiären und sozialen Umfeld, aber auch am Arbeitsplatz. Bei derart schweren und nachhaltigen Beeinträchtigungen gebietet es auch die nacheheliche Solidarität nicht mehr, einem gegebenenfalls schuldlos handelnden Ehegatten Unterhalt zu gewähren.

  • Das beschriebene Verhalten der Antragsgegnerin war auch nicht durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt.

Hierauf kann sich der bedürftige Ehegatte spätestens dann nicht mehr berufen, wenn die Missbrauchsfrage durch Einholung eines Gutachtens geklärt ist, sich keine Verdachtsmomente ergeben haben und an dem Vorwurf nicht aus gewichtigen Gründen festgehalten wird (OLG München, Urteil vom 14.2.2006 – 4 UF 193/05 –).
Vorliegend hat sich aufgrund der eingeholten Gutachten kein Verdacht gegen den Antragsteller ergeben. Gleichwohl hat die Antragsgegnerin an ihren Vorwürfen festgehalten und damit auch gegenüber dem Jugendamt nicht mehr in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt.
Keinesfalls gerechtfertigt waren im Übrigen Äußerungen gegenüber unbeteiligten Dritten (Kinder der Beteiligten, Vermieterin des Antragstellers, dessen Lebensgefährtin, Gericht im Rahmen des zivilrechtlichen Verfahrens betreffend den Wohnwagen).

  • Kindeswohlbelange, die einer Verwirkung entgegenstehen könnten, bestehen nicht.

Soll nachehelicher Unterhalt versagt oder beschränkt werden, so ist neben dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz der Vorrang des Kindeswohls gegenüber den Interessen des Unterhaltspflichtigen zu wahren.
Die Formulierung „unter Wahrung der Belange … eines Kindes“ macht deutlich, dass die Kindeswohlbelange nicht nur zu berücksichtigen sind, sondern einen exponierten Stellenwert haben.
Vorliegend sind sämtliche Kinder der Beteiligten zwischenzeitlich volljährig, so dass ihre Belange keiner besonderen Berücksichtigung mehr bedürfen.

  • Eine Inanspruchnahme des Antragstellers auf nachehelichen Unterhalt durch die Antragsgegnerin ist auch grob unbillig.

Sind die Tatbestandsmerkmale der Härtegründe gem. § 1579 Nr. 1 – 8 BGB erfüllt, muss zusätzlich eine grobe Unbilligkeit als weitere Tatbestandsvoraussetzung vorliegen.
Grobe Unbilligkeit wird verstanden als dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechend (BGH, Urteil vom 31.03.1982 – IVb ZR 665/80 –).
An dieser Stelle ist im Rahmen der als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vorzunehmenden Abwägung insbesondere die Vielzahl und Schwere der erhobenen Missbrauchsvorwürfe der Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller zu berücksichtigen sein. Entsprechend den o.g. Erwägungen ist aber auch die Frage des Verschuldens der Antragsgegnerin von erheblicher Bedeutung. War die Schuldfähigkeit erheblich eingeschränkt oder sogar aufgehoben, steigen die Anforderungen an den Schweregrad der begangenen Verfehlungen.
Wie bereits dargelegt worden ist, hält der 2. Senat für Familiensachen des OLG Hamm die tatsächlichen oder auch nur potentiellen Beeinträchtigungen für den Antragsteller infolge der Schwere, der Vielzahl und Dauer der erhobenen Vorwürfe für derart gravierend, dass ihm nicht mehr zuzumuten ist, für die Antragsgegnerin im Wege des nachehelichen Unterhalts aufzukommen.
Auch im Rahmen der nachehelichen Solidarität war der Antragsteller daher nicht mehr gehalten, derartige Anschuldigungen und damit die Gefahr der Zerstörung seiner sozialen und wirtschaftlichen Existenz durch die möglicherweise schuldlos handelnde Antragsgegnerin hinzunehmen.

  • Der 2. Senats für Familiensachen des OLG Hamm ging aus den vorgenannten Gründen auch davon aus, dass der Antragsgegnerin ein Unterhaltsanspruch vollständig zu versagen ist.

§ 1579 BGB gibt die Möglichkeit, den Unterhaltsanspruch zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen. Die vollständige Versagung des Unterhaltsanspruchs ist auf die Ausnahmefälle beschränkt, bei denen jede Unterhaltsgewährung überhaupt mit dem Rechtsempfinden unvereinbar wäre.
Dies ist aufgrund der Schwere, der Vielzahl und der Dauer der erhobenen Vorwürfe der Fall.

 

UWG – Unzulässige Werbung für Medikament gegen Durchfall mit dem Slogan „Stoppt Durchfall“.

Die Werbung für ein Medikament gegen Durchfall mit der Anpreisung „L. stoppt Durchfall“ ist unzulässig, wenn das Medikament den Durchfall nicht binnen weniger Stunden beendet.

Das hat der für Wettbewerbssachen zuständige 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichtes (OLG) mit Urteil vom 30.01.2014 – 6 U 15/13 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war Beklagter ein Arzneimittelanbieter, der in Deutschland unter anderem das Präparat L. vertrieb und für das Medikament unter anderem mit den Angaben „L. stoppt Durchfall“ warb.
In seiner Werbung nahm er Bezug auf eine wissenschaftliche Studie, aus der hervorging, dass die Durchfalldauer sich bei einer Behandlung mit L. im Mittel um 1,3 Tage auf knapp zwei Tage verringerte im Vergleich zu einer Gruppe die Placebos erhalten hatte.

Der klagende Verein, der den Zweck hat, die lautere Werbung auf dem Gebiet des Gesundheitswesens zu wahren, mahnte den Beklagten wegen irreführender Werbung ab, weil nicht erwiesen sei, dass das Medikament den Durchfall stoppe, also der Erfolg schnell, sofort und eindeutig auftrete.

Der Beklagte wies die Abmahnung zurück. Aus seiner Sicht begründet der Werbeslogan bei dem Adressaten nur die Erwartung, dass der Durchfall binnen weniger Stunden „spürbar gelindert“ sei.

Daraufhin klagte der Verein auf Unterlassung der Werbung.

Nach der Entscheidung des 6. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen OLG ist die Werbeaussage „L. stoppt Durchfall“ vorliegend irreführend und stellt damit eine unzulässige geschäftliche Handlung nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) dar.
Der Slogan begründet in dem Adressaten die – unstreitig enttäuschte – Erwartung, dass der Durchfall binnen weniger Stunden (jedenfalls nicht erst nach 2 Tagen) vollständig beendet sei, das heißt, dass schon dann jegliche Symptome verschwunden seien.
Wenn der Durchfall binnen weniger Stunden nicht vollständig beendet, sondern nur spürbar gelindert ist, wird diese Erwartung nicht erfüllt.
Das Gericht folgte nicht der Argumentation des Beklagten, dass der Begriff „Stoppen“ lediglich den Beginn eines Vorgangs bezeichnet.
Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch „stoppt“ beispielsweise ein Auto nicht schon dann an einer Ampel, wenn es immer langsamer wird, während es an der Ampel vorbeifährt, sondern nur dann, wenn es schon an der Ampel wirklich stehen bleibt.

Das hat die Pressesprecherin des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichtes am 20.03.2014 – 6/2014 – mitgeteilt.

 

Betreuungsrecht – Zur betreuungsrechtlichen Genehmigung der Unterbringung zur Verhinderung einer Selbstschädigung.

Nach § 1906 Abs. 2 Satz 1 BGB bedarf die Unterbringung eines Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, grundsätzlich der Genehmigung durch das Betreuungsgericht.
Die Genehmigung kann nur erteilt oder aufrechterhalten werden, wenn und solange die Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB zulässig ist.
Nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist die Unterbringung unter anderem zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil aufgrund einer psychischen Erkrankung oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt.
Auch eine Unterbringung zur Verhinderung einer Selbstschädigung setzt voraus, dass der Betreute auf Grund seiner psychischen Krankheit oder seiner geistigen oder seelischen Behinderung seinen Willen nicht frei bestimmen kann (BGH, Beschlüsse vom 13.01.2010 – XII ZB 248/09 – und vom 17.08.2011 – XII ZB 241/11 –). Dieses Erfordernis lässt sich dem Gesetz zwar nicht unmittelbar entnehmen, ergibt sich aber aus der Erwägung, dass der Staat von Verfassungs wegen nicht das Recht hat, seine erwachsenen und zur freien Willensbestimmung fähigen Bürger zu erziehen, zu bessern oder daran zu hindern, sich selbst gesundheitlich zu schädigen.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 12.02.2014 – XII ZB 614/13 – hingewiesen.

 

Nachzügler einer als Gruppenfahrt veranstalteten Fahrradtour müssen im Straßenverkehr selbst aufpassen.

Veranstaltet ein Verein für Vereinsmitglieder eine Fahrradtour, können sich daraus Sicherungspflichten der Organisatoren für die Teilnehmer ergeben, bei deren Verletzung eine Haftung des Vereins nach §§ 280, 278 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) oder §§ 823, 31, 831 BGB in Betracht kommt.
Eine schuldhafte Verletzung von Sicherungspflichten liegt nicht vor, wenn die Organisatoren durch Aufstellen von Warnposten ein gefahrloses Überqueren übergeordneter Straßen durch die Gruppe gewährleisten, eine vergleichbare Sicherung von einzeln fahrenden Nachzüglern aber nicht erneut vornehmen.
Für einzeln fahrende Nachzügler ist insoweit kein Vertrauen darauf gerechtfertigt, dass die im Hinblick auf das gruppenbedingt atypische Verhalten der geschlossenen Radfahrergruppe ergriffenen Vorkehrungen auch für sie aufrechterhalten oder erneut veranlasst werden.

Das hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 06.02.2014 – 6 U 80/13 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall nahm der Kläger an einer von Vereinsmitgliedern des beklagten Schützenverein für die Jungschützen des Vereins organisierten Fahrradtour teil. Die in einer Gruppe fahrenden 30 Teilnehmer wurden von Sicherungsposten begleitet, die größere, verkehrsträchtige Straßen absperrten und der Gruppe so ein gefahrloses Überqueren ermöglichten. Bedingt durch die Panne eines Teilnehmers löste sich der Kläger von der Gruppe, um dieser sodann einzeln fahrend zu folgen. Als er von einem Waldweg kommend eine übergeordnete Straße überquerte, kollidierte er mit einem bevorrechtigten Kraftfahrzeug, weil er dessen Vorfahrt nicht beachtete. Er erlitt schwere Kopfverletzungen und befindet sich seit dem Unfall in einem komatösen Zustand.
Mit der Begründung, der beklagte Verein habe seine Verkehrssicherungspflicht verletzt, weil ihm die Sicherungsposten das gefahrlose Überqueren der Straße nicht ermöglicht hätten, hat der Kläger – unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens seinerseits – Schadensersatz verlangt, u.a. ein Schmerzensgeld.
Er habe erwarten dürfen, dass zu überquerende Straßenkreuzungen stets in gleicher Weise gesichert gewesen seien wie in den ersten beiden Stunden des Fahrradausflugs. An der Unfallstelle habe eine besondere Gefahrensituation bestanden, zumal die Radfahrer auf der abschüssigen Strecke erhebliche Geschwindigkeiten erreicht hätten, die Querstraße ebenso wie das Verkehrsschild für Ortsunkundige wie ihn, den Kläger, nur schwer zu erkennen gewesen seien. Es habe daher Anlass bestanden, Sicherheit auch für Nachzügler zu gewährleisten, und zwar durch Sperrung der Vorfahrtstraße oder durch Warnposten auf dem Waldweg vor der Kreuzung.

Die Klage ist erfolglos geblieben.

Nach der Entscheidung des 6. Zivilsenats des OLG Hamm steht dem Kläger gegen den Beklagten ein Schadensersatzanspruch weder wegen der Verletzung von Pflichten aus dem durch die Vereinsmitgliedschaft des Klägers begründeten rechtlichen Sonderverhältnis zwischen den Parteien gemäß §§ 280, 278 BGB zu, noch nach Deliktsrecht gem. §§ 831, 823, 31 BGB. Denn es konnte nicht festgestellt werden, dass der Unfall des Klägers auf einer dem Beklagten zuzurechnenden Pflichtverletzung beruht.

Weder der Vorstand noch die Organisatoren waren verpflichtet, wegen einer übermäßigen Straßennutzung i. S. d. § 29 Abs. 2 Straßenverkehrsordnung (StVO) besonders erhöhte Vorsicht walten zu lassen oder gar eine behördliche Erlaubnis einzuholen. Denn bei den Jungschützen, die den Radausflug unternahmen, handelte es sich um lediglich ca. 30 Personen.
Nach der Verwaltungsvorschrift zu § 29 StVO sind Radtouren erst dann erlaubnispflichtig, wenn daran mehr als 100 Personen teilnehmen oder mit erheblichen Verkehrsbeeinträchtigungen zu rechnen ist, wofür hier keine Anhaltspunkte bestanden.

Auch im Hinblick auf § 27 StVO lässt sich kein haftungsbegründendes Verhalten des Vereinsvorstandes oder der Organisatoren erkennen.
Zwar dürfen mehr als 15 Radfahrer einen Verband im Sinne dieser Vorschrift bilden und gemäß § 27 Abs. 5 StVO hat, wer einen solchen Verband führt, für die Befolgung einschlägiger Vorschriften zu sorgen.
Zum Vorteil des Klägers lässt sich daraus aber schon aus dem Grunde nichts herleiten, weil er unmittelbar vor dem Unfallgeschehen nicht als Teil eines geschlossenen Verbandes sondern separat fuhr. Für die Einhaltung der Verkehrsvorschriften war er daher wie grundsätzlich jeder Fahrzeugführer allein verantwortlich.

Eine rechtswidrige unerlaubte Handlung der Organisatoren, für die der Beklagte gemäß § 831 BGB haftbar gemacht werden könnte, ergibt sich im vorliegenden Fall ferner nicht daraus, dass sie die Sperrung der bevorrechtigten Straße aufgehoben haben, nachdem ein Großteil der Teilnehmer, nämlich diejenigen, die nicht wegen der Fahrradpanne eines Teilnehmers zurückgeblieben waren, diese Straße überquert hatte.
Es mag zwar sein, dass der Unfall des Klägers vermieden worden wäre, wenn die bevorrechtigte Straße bei Annäherung des Klägers als dem ersten der Nachzügler erneut gesperrt worden wäre oder wenn einer der Organisatoren den Kläger vor der Straße angehalten hätte, bis sich alle Nachzügler gesammelt hatten, damit man die Straße als geschlossene Gruppe queren konnte.
Für die Annahme einer solchen Sicherungspflicht der Organisatoren mag auch sprechen, dass einerseits eine solche Maßnahme ohne großen Aufwand hätte ergriffen werden können, zumal zumindest einer der Organisatoren die Straße noch nicht überquert hatte, und dass andererseits die unvorsichtige Überquerung einer übergeordneten Straße mit erheblichen Gefahren verbunden war, ferner, dass das Gefälle auf dem Waldweg zu einer unbeschwerten zügigen Fahrt einlud und dass die in Sichtweite auf der anderen Seite der Straßen wartende Teilnehmergruppe die Aufmerksamkeit der Nachzügler auf sich gezogen haben mag.

Dennoch verneinte der Senat einen unfallursächlichen Pflichtenverstoß der Organisatoren. Denn jedem der Nachzügler musste sich aufdrängen, dass er sich durch das Zurückbleiben aus dem geschlossenen Verband gelöst hatte, in dem man zuvor die Radtour gemeinsam absolviert und Kreuzungen überquert hatte.
Für die Nachzügler ergab sich daraus eine veränderte Situation.
Das Vertrauen darauf, dadurch geschützt zu sein, dass Sicherungskräfte ihr besonderes Augenmerk darauf richten würden, gruppenbedingt atypisches Verhalten der Radfahrer und hierdurch bedingte spezielle Gefahren  durch besondere Vorkehrungen auszugleichen, war erkennbar nicht berechtigt.
Die Organisatoren durften daher darauf vertrauen, dass jedenfalls die nicht in einer geschlossenen Gruppe sondern einzeln fahrenden Nachzügler wie der Kläger selbst auf die Beachtung der Verkehrsregeln achten würden.

Etwas anderes gilt auch nicht wegen der konkreten Verhältnisse an der Unfallkreuzung. Denn um eine ungewöhnlich gefährliche Stelle handelte es sich nicht. Jedenfalls hat der dafür darlegungs- und beweispflichtige Kläger derartiges nicht nachzuweisen vermocht.

 

Zur Wiedereinsetzung nach Versäumung der Berufungshauptverhandlung wegen Erkrankung.

Hat ein vom Amtsgericht verurteilter Angeklagter gegen das Urteil Berufung eingelegt und ist bei Beginn einer Hauptverhandlung weder er noch in den Fällen, in denen dies zulässig ist, ein Vertreter von ihm erschienen und das Ausbleiben nicht genügend entschuldigt, so hat das Gericht nach § 329 Abs. 1 S. 1 Strafprozessordnung (StPO) die Berufung des Angeklagten ohne Verhandlung zur Sache zu verwerfen.
Gemäß Abs. 3 dieser Vorschrift kann der Angeklagte binnen einer Woche nach der Zustellung des Urteils die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter den in den §§ 44 und 45 StPO bezeichneten Voraussetzungen beanspruchen.

Ein solches Wiedereinsetzungsgesuch nach Versäumung der Hauptverhandlung ist gemäß §§ 329 Abs. 3, 45 Abs. 2 StPO nur zulässig, wenn der Antragsteller innerhalb der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 StPO die Umstände vorträgt, die dazu geführt haben, dass ihm eine Teilnahme an der Hauptverhandlung nicht zuzumuten war. Nach der Wochenfrist darf er sein Vorbringen allenfalls noch ergänzen.

Beruft sich der Antragsteller auf eine Erkrankung, ist innerhalb der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 StPO deren Art anzugeben sowie der Umfang der von ihr ausgehenden körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen darzulegen (Oberlandesgericht (OLG) Köln, Beschluss vom 10.12.2008 – 2 Ws 613/08 –).
Ein Attest, dem die Art der Erkrankung nicht zu entnehmen ist und in dem auch Angaben zu den Auswirkungen der Erkrankung fehlen, genügt ebenso wenig wie ein Attest das sich ohne weitere Ausführungen in der Feststellung der Verhandlungsunfähigkeit erschöpft, weil es sich dabei um einen Rechtsbegriff handelt und dann die Tatsachen fehlen, um diesen auszufüllen.

Liegt dem Tatgericht ein solches unzureichendes Attest allerdings bereits während der Hauptverhandlung vor, ist das Gericht wegen seiner Aufklärungspflicht von Amts wegen gehalten, im Wege des Freibeweises durch Rückfrage beim Arzt zu ermitteln, ob Tatsachen vorliegen, die die Verhandlungsunfähigkeit rechtfertigen (OLG Köln, Beschluss vom 08.12.2009 – 81 Ss 77/09 –).

Im Wiedereinsetzungsverfahren trifft das Gericht demgegenüber keine Aufklärungspflicht. Die Tatsachen sind vielmehr vom Antragsteller vorzutragen.

Darauf hat der 1. Strafsenat des OLG Braunschweig mit Beschluss vom 08.01.2014 – 1 Ws 380/13 – hingewiesen.