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Nachzügler einer als Gruppenfahrt veranstalteten Fahrradtour müssen im Straßenverkehr selbst aufpassen.

Veranstaltet ein Verein für Vereinsmitglieder eine Fahrradtour, können sich daraus Sicherungspflichten der Organisatoren für die Teilnehmer ergeben, bei deren Verletzung eine Haftung des Vereins nach §§ 280, 278 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) oder §§ 823, 31, 831 BGB in Betracht kommt.
Eine schuldhafte Verletzung von Sicherungspflichten liegt nicht vor, wenn die Organisatoren durch Aufstellen von Warnposten ein gefahrloses Überqueren übergeordneter Straßen durch die Gruppe gewährleisten, eine vergleichbare Sicherung von einzeln fahrenden Nachzüglern aber nicht erneut vornehmen.
Für einzeln fahrende Nachzügler ist insoweit kein Vertrauen darauf gerechtfertigt, dass die im Hinblick auf das gruppenbedingt atypische Verhalten der geschlossenen Radfahrergruppe ergriffenen Vorkehrungen auch für sie aufrechterhalten oder erneut veranlasst werden.

Das hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 06.02.2014 – 6 U 80/13 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall nahm der Kläger an einer von Vereinsmitgliedern des beklagten Schützenverein für die Jungschützen des Vereins organisierten Fahrradtour teil. Die in einer Gruppe fahrenden 30 Teilnehmer wurden von Sicherungsposten begleitet, die größere, verkehrsträchtige Straßen absperrten und der Gruppe so ein gefahrloses Überqueren ermöglichten. Bedingt durch die Panne eines Teilnehmers löste sich der Kläger von der Gruppe, um dieser sodann einzeln fahrend zu folgen. Als er von einem Waldweg kommend eine übergeordnete Straße überquerte, kollidierte er mit einem bevorrechtigten Kraftfahrzeug, weil er dessen Vorfahrt nicht beachtete. Er erlitt schwere Kopfverletzungen und befindet sich seit dem Unfall in einem komatösen Zustand.
Mit der Begründung, der beklagte Verein habe seine Verkehrssicherungspflicht verletzt, weil ihm die Sicherungsposten das gefahrlose Überqueren der Straße nicht ermöglicht hätten, hat der Kläger – unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens seinerseits – Schadensersatz verlangt, u.a. ein Schmerzensgeld.
Er habe erwarten dürfen, dass zu überquerende Straßenkreuzungen stets in gleicher Weise gesichert gewesen seien wie in den ersten beiden Stunden des Fahrradausflugs. An der Unfallstelle habe eine besondere Gefahrensituation bestanden, zumal die Radfahrer auf der abschüssigen Strecke erhebliche Geschwindigkeiten erreicht hätten, die Querstraße ebenso wie das Verkehrsschild für Ortsunkundige wie ihn, den Kläger, nur schwer zu erkennen gewesen seien. Es habe daher Anlass bestanden, Sicherheit auch für Nachzügler zu gewährleisten, und zwar durch Sperrung der Vorfahrtstraße oder durch Warnposten auf dem Waldweg vor der Kreuzung.

Die Klage ist erfolglos geblieben.

Nach der Entscheidung des 6. Zivilsenats des OLG Hamm steht dem Kläger gegen den Beklagten ein Schadensersatzanspruch weder wegen der Verletzung von Pflichten aus dem durch die Vereinsmitgliedschaft des Klägers begründeten rechtlichen Sonderverhältnis zwischen den Parteien gemäß §§ 280, 278 BGB zu, noch nach Deliktsrecht gem. §§ 831, 823, 31 BGB. Denn es konnte nicht festgestellt werden, dass der Unfall des Klägers auf einer dem Beklagten zuzurechnenden Pflichtverletzung beruht.

Weder der Vorstand noch die Organisatoren waren verpflichtet, wegen einer übermäßigen Straßennutzung i. S. d. § 29 Abs. 2 Straßenverkehrsordnung (StVO) besonders erhöhte Vorsicht walten zu lassen oder gar eine behördliche Erlaubnis einzuholen. Denn bei den Jungschützen, die den Radausflug unternahmen, handelte es sich um lediglich ca. 30 Personen.
Nach der Verwaltungsvorschrift zu § 29 StVO sind Radtouren erst dann erlaubnispflichtig, wenn daran mehr als 100 Personen teilnehmen oder mit erheblichen Verkehrsbeeinträchtigungen zu rechnen ist, wofür hier keine Anhaltspunkte bestanden.

Auch im Hinblick auf § 27 StVO lässt sich kein haftungsbegründendes Verhalten des Vereinsvorstandes oder der Organisatoren erkennen.
Zwar dürfen mehr als 15 Radfahrer einen Verband im Sinne dieser Vorschrift bilden und gemäß § 27 Abs. 5 StVO hat, wer einen solchen Verband führt, für die Befolgung einschlägiger Vorschriften zu sorgen.
Zum Vorteil des Klägers lässt sich daraus aber schon aus dem Grunde nichts herleiten, weil er unmittelbar vor dem Unfallgeschehen nicht als Teil eines geschlossenen Verbandes sondern separat fuhr. Für die Einhaltung der Verkehrsvorschriften war er daher wie grundsätzlich jeder Fahrzeugführer allein verantwortlich.

Eine rechtswidrige unerlaubte Handlung der Organisatoren, für die der Beklagte gemäß § 831 BGB haftbar gemacht werden könnte, ergibt sich im vorliegenden Fall ferner nicht daraus, dass sie die Sperrung der bevorrechtigten Straße aufgehoben haben, nachdem ein Großteil der Teilnehmer, nämlich diejenigen, die nicht wegen der Fahrradpanne eines Teilnehmers zurückgeblieben waren, diese Straße überquert hatte.
Es mag zwar sein, dass der Unfall des Klägers vermieden worden wäre, wenn die bevorrechtigte Straße bei Annäherung des Klägers als dem ersten der Nachzügler erneut gesperrt worden wäre oder wenn einer der Organisatoren den Kläger vor der Straße angehalten hätte, bis sich alle Nachzügler gesammelt hatten, damit man die Straße als geschlossene Gruppe queren konnte.
Für die Annahme einer solchen Sicherungspflicht der Organisatoren mag auch sprechen, dass einerseits eine solche Maßnahme ohne großen Aufwand hätte ergriffen werden können, zumal zumindest einer der Organisatoren die Straße noch nicht überquert hatte, und dass andererseits die unvorsichtige Überquerung einer übergeordneten Straße mit erheblichen Gefahren verbunden war, ferner, dass das Gefälle auf dem Waldweg zu einer unbeschwerten zügigen Fahrt einlud und dass die in Sichtweite auf der anderen Seite der Straßen wartende Teilnehmergruppe die Aufmerksamkeit der Nachzügler auf sich gezogen haben mag.

Dennoch verneinte der Senat einen unfallursächlichen Pflichtenverstoß der Organisatoren. Denn jedem der Nachzügler musste sich aufdrängen, dass er sich durch das Zurückbleiben aus dem geschlossenen Verband gelöst hatte, in dem man zuvor die Radtour gemeinsam absolviert und Kreuzungen überquert hatte.
Für die Nachzügler ergab sich daraus eine veränderte Situation.
Das Vertrauen darauf, dadurch geschützt zu sein, dass Sicherungskräfte ihr besonderes Augenmerk darauf richten würden, gruppenbedingt atypisches Verhalten der Radfahrer und hierdurch bedingte spezielle Gefahren  durch besondere Vorkehrungen auszugleichen, war erkennbar nicht berechtigt.
Die Organisatoren durften daher darauf vertrauen, dass jedenfalls die nicht in einer geschlossenen Gruppe sondern einzeln fahrenden Nachzügler wie der Kläger selbst auf die Beachtung der Verkehrsregeln achten würden.

Etwas anderes gilt auch nicht wegen der konkreten Verhältnisse an der Unfallkreuzung. Denn um eine ungewöhnlich gefährliche Stelle handelte es sich nicht. Jedenfalls hat der dafür darlegungs- und beweispflichtige Kläger derartiges nicht nachzuweisen vermocht.

 

Zur Wiedereinsetzung nach Versäumung der Berufungshauptverhandlung wegen Erkrankung.

Hat ein vom Amtsgericht verurteilter Angeklagter gegen das Urteil Berufung eingelegt und ist bei Beginn einer Hauptverhandlung weder er noch in den Fällen, in denen dies zulässig ist, ein Vertreter von ihm erschienen und das Ausbleiben nicht genügend entschuldigt, so hat das Gericht nach § 329 Abs. 1 S. 1 Strafprozessordnung (StPO) die Berufung des Angeklagten ohne Verhandlung zur Sache zu verwerfen.
Gemäß Abs. 3 dieser Vorschrift kann der Angeklagte binnen einer Woche nach der Zustellung des Urteils die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter den in den §§ 44 und 45 StPO bezeichneten Voraussetzungen beanspruchen.

Ein solches Wiedereinsetzungsgesuch nach Versäumung der Hauptverhandlung ist gemäß §§ 329 Abs. 3, 45 Abs. 2 StPO nur zulässig, wenn der Antragsteller innerhalb der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 StPO die Umstände vorträgt, die dazu geführt haben, dass ihm eine Teilnahme an der Hauptverhandlung nicht zuzumuten war. Nach der Wochenfrist darf er sein Vorbringen allenfalls noch ergänzen.

Beruft sich der Antragsteller auf eine Erkrankung, ist innerhalb der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 StPO deren Art anzugeben sowie der Umfang der von ihr ausgehenden körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen darzulegen (Oberlandesgericht (OLG) Köln, Beschluss vom 10.12.2008 – 2 Ws 613/08 –).
Ein Attest, dem die Art der Erkrankung nicht zu entnehmen ist und in dem auch Angaben zu den Auswirkungen der Erkrankung fehlen, genügt ebenso wenig wie ein Attest das sich ohne weitere Ausführungen in der Feststellung der Verhandlungsunfähigkeit erschöpft, weil es sich dabei um einen Rechtsbegriff handelt und dann die Tatsachen fehlen, um diesen auszufüllen.

Liegt dem Tatgericht ein solches unzureichendes Attest allerdings bereits während der Hauptverhandlung vor, ist das Gericht wegen seiner Aufklärungspflicht von Amts wegen gehalten, im Wege des Freibeweises durch Rückfrage beim Arzt zu ermitteln, ob Tatsachen vorliegen, die die Verhandlungsunfähigkeit rechtfertigen (OLG Köln, Beschluss vom 08.12.2009 – 81 Ss 77/09 –).

Im Wiedereinsetzungsverfahren trifft das Gericht demgegenüber keine Aufklärungspflicht. Die Tatsachen sind vielmehr vom Antragsteller vorzutragen.

Darauf hat der 1. Strafsenat des OLG Braunschweig mit Beschluss vom 08.01.2014 – 1 Ws 380/13 – hingewiesen.

 

Betreuungsrecht – Zur nachträglichen Feststellung, dass der Betreuer die Betreuung berufsmäßig führt.

Die nachträgliche rückwirkende Feststellung, dass der Betreuer die Betreuung berufsmäßig führt, ist unzulässig und zwar auch dann, wenn bei der Bestellung des Betreuers die Feststellung versehentlich unterblieben ist.
Eine entsprechende mit Rückwirkung versehene Korrektur der Bestellungsentscheidung ist außer im Verfahren der Beschwerde gegen die Ausgangsentscheidung nur unter den Voraussetzungen der Beschlussberichtung nach § 42 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)) möglich.

Demgegenüber ist die nachträgliche Feststellung der Berufsmäßigkeit mit Wirkung für die Zukunft grundsätzlich zulässig. Sie kann ab dem Zeitpunkt des auf sie gerichteten Antrags (und nicht erst ab dem Zeitpunkt der Feststellung) erfolgen, wenn der Betreuer ab diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine berufsmäßige Führung der Betreuung erfüllt.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 08.01.2014 – XII ZB 354/13 – und Beschluss vom 29.01.2014 – XII ZB 372/13 – hingewiesen.

Darüber, ob ein Betreuer die Betreuung berufsmäßig führt, ist gemäß § 1908 i Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 1836 Abs. 1 S. 1 und 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) grundsätzlich bei dessen Bestellung zu befinden.
Denn das Verfahren über die Festsetzung der Vergütung (§ 168 FamFG) soll nicht mit einem Streit über die Berufsmäßigkeit der Betreuung belastet und die Klärung von Zweifelsfragen soll deshalb in das Bestellungsverfahren vorverlagert werden. Zugleich soll im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit für alle Beteiligten rechtzeitig feststehen, ob und welche Ansprüche dem Betreuer aus der Betreuung erwachsen und welche Lasten mit der Bestellung dieses Betreuers für den Betroffenen oder die Staatskasse verbunden sind.
Dem trägt § 286 Abs. 1 Nr. 4 FamFG Rechnung, der die Bezeichnung des Berufsbetreuers als solchen in der Beschlussformel anordnet. Damit wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass das Gericht die Feststellung der Berufsmäßigkeit – der für den Vergütungsanspruch des Berufsbetreuers konstitutive Wirkung zukommt – bereits bei der Bestellung trifft.

Die Entscheidung nach § 1896 BGB über die Anordnung der Betreuung geht mit der Bestellung des Betreuers einher. Mithin ist auch bereits in diesem Zeitpunkt über die Person des Betreuers zu befinden.

Gemäß § 1897 Abs. 6 S. 1 BGB soll ein Berufsbetreuer nur dann bestellt werden, wenn keine andere geeignete Person zur Verfügung steht, die zur ehrenamtlichen Führung der Betreuung bereit ist. Der Gesetzgeber hat hiermit eine Rangfolge bei der Betreuerauswahl vorgegeben, so dass die Entscheidung darüber, wer als Betreuer einzusetzen ist, maßgeblich auch davon beeinflusst wird, welche der in Frage kommenden Personen die Betreuung ehrenamtlich oder berufsmäßig führen würden.

Eine mit Rückwirkung erfolgende nachträgliche Änderung des dem Betreuer zuerkannten Status von ehrenamtlich in berufsmäßig hätte daher zur Folge, dass diejenigen Umstände, die der im Rahmen der ursprünglichen Entscheidung vorgenommenen Betreuerbestellung zugrunde lagen, im Nachhinein überholt wären.

Diese gesetzlichen Maßgaben stehen nach zutreffender Ansicht einer nachträglichen Feststellung der Berufsmäßigkeit mit Rückwirkung entgegen.
Denn andernfalls könnte entgegen dem Gesetzeswortlaut und der gesetzgeberischen Intention, durch die Bestellungsentscheidung auch hinsichtlich der Betreuervergütung Rechtssicherheit und -klarheit zu gewährleisten, ohne zeitliche Schranke in den vom Betreuungsgericht durch den Beschluss nach § 1896 BGB geschaffenen Regelungszusammenhang mit Wirkung für die Vergangenheit eingegriffen werden.
Hierfür besteht kein rechtlich anzuerkennendes Bedürfnis.
Der Betreuer, der sich gegen das Unterbleiben der konstitutiven Feststellung einer berufsmäßigen Führung der Betreuung wenden will, kann insoweit die befristete Beschwerde gemäß §§ 58 ff. FamFG gegen die Entscheidung einlegen. Diese ermöglicht eine Überprüfung im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem ursprünglichen Beschluss und eine Rückwirkung auf den Bestellungszeitpunkt.

Demgegenüber ist die nachträgliche Feststellung der Berufsmäßigkeit mit Wirkung für die Zukunft grundsätzlich zulässig.
Das Betreuungsgericht hat – auch unabhängig von dem in der Bschlussformel gemäß § 286 Abs. 3 FamFG anzugebenden Überprüfungszeitpunkt – während laufender Betreuung sowohl die Erforderlichkeit der Betreuungsanordnung insgesamt und ihres Umfangs (vgl. § 1908 d BGB ) als auch die Betreuerauswahl (vgl. § 1908 b Abs. 1 und 5 BGB ) einer Überprüfung zu unterziehen, wenn Umstände bekannt werden, die eine solche Überprüfung erfordern.
Dies gilt gemäß § 1908 b Abs. 1 Satz 3 BGB auch mit Blick darauf, dass anstelle eines Berufsbetreuers ein ehrenamtlicher Betreuer zur Verfügung steht.
Insoweit trifft den berufsmäßigen Betreuer gegenüber dem Betreuungsgericht gemäß § 1897 Abs. 6 S. 2 BGB ebenso eine Informationspflicht wie gemäß § 1901 Abs. 5 BGB hinsichtlich Umständen, die eine Aufhebung oder Änderung der Betreuung erfordern können.

Das Gesetz geht mithin davon aus, dass die ursprüngliche Entscheidung auch hinsichtlich der Betreuerauswahl jedenfalls bei veränderten Umständen mit Wirkung für die Zukunft durch das Betreuungsgericht abgeändert werden kann.
Nicht anders liegt es bei einer Änderung der die Berufsmäßigkeit der Betreuungsführung betreffenden tatsächlichen oder rechtlichen Beurteilung durch das Betreuungsgericht.

Der Antrag eines bislang auf ehrenamtlicher Basis tätigen Betreuers, die Berufsmäßigkeit der Betreuungsführung für die Zukunft festzustellen, gibt dem Betreuungsgericht in zweierlei Hinsicht Veranlassung, seine Entscheidung zur Person des Betreuers zu überprüfen:

  • Zum einen hat es die Beurteilung zur Frage der Berufsmäßigkeit zu hinterfragen.
  • Zum anderen muss es für den Fall, dass es die Berufsmäßigkeit bejaht, eine neue Auswahlentscheidung zur Person des Betreuers treffen, in die dann auch die Rangfolgebestimmung des § 1908 b Abs. 1 S. 3 BGB einzufließen hat.

 

Mithin handelt es sich bei der nachträglichen Feststellung der Berufsmäßigkeit mit Wirkung für die Zukunft nicht lediglich um eine „Umwandlung“ in eine berufsmäßige Betreuung, sondern vielmehr um eine neue Auswahlentscheidung, der §§ 1836 Abs. 1 S. 2 BGB, 286 Abs. 1 Nr. 4 FamFG nicht entgegenstehen.

 

Grundstücksverkäufer kann Käufer ermächtigen schon vor der Eigentumsumschreibung im Grundbuch im eigenen Namen Rechtshandlungen gegenüber dem Mieter vorzunehmen.

Der Käufer einer vermieteten Wohnung kann vom Verkäufer ermächtigt werden, schon vor der Eigentumsumschreibung im Grundbuch und des damit verbundenen Eintritts des Käufers in die Vermieterstellung (§ 566 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB )) im eigenen Namen Rechtshandlungen gegenüber dem Mieter vorzunehmen, ohne dass es einer Offenlegung der Ermächtigung bedarf.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 19.03.2014 – VIII ZR 203/13 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall hatte die Klägerin von der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: B.) eine Wohnung gemietet, die mit notariellem Vertrag vom 16.03.2006 mit wirtschaftlicher Wirkung zum 01.01.2006 („Eintrittsstichtag“) an die Beklagte veräußert wurde.

§ 3 Ziffer 3 des notariellen Vertrags bestimmte, dass die Beklagte zu diesem Zeitpunkt mit allen Rechten und Pflichten in den Mietvertrag eintritt.
Ferner war vorgesehen, dass die Beklagte bevollmächtigt ist, ab sofort bis zum Eigentumsvollzug im Grundbuch gegenüber dem Mieter sämtliche mietrechtlichen Erklärungen abzugeben und gegebenenfalls im eigenen Namen entsprechende Prozesse zu führen.

Bis zur Eigentumsumschreibung im Grundbuch am 04.05.2010 waren von der Beklagten die fälligen Mieten eingezogen, Betriebskostenabrechnungen erteilt und mehrere Mieterhöhungsverlangen an die Klägerin gerichtet worden, denen diese jeweils zugestimmt hatte.

Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin Rückzahlung der ab März 2007 bis 04.05.2010 an die Beklagte erbrachten Zahlungen in Höhe von insgesamt 28.948,19 €. Sie meinte, die Beklagte habe ihre Vermieterstellung in diesem Zeitraum nur „vorgespiegelt“, weil die Eigentumsumschreibung im Grundbuch erst am 04.05.2010 erfolgt sei.

Mit Vereinbarung vom 24.07.2012 trat die B sämtliche Forderungen aus dem Mietverhältnis mit der Klägerin nochmals „vorsorglich“ an die Beklagte ab.

Das Amtsgericht (AG) wies die Klage ab und das Landgericht (LG) die Berufung der Klägerin zurück.

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision, mit der die Klägerin ihr Klagebegehren weiterverfolgte, blieb erfolglos.

Der u.a. für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass der Klägerin der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch nicht zusteht, weil die Beklagte die Forderungen aus dem Mietverhältnis mit Recht eingezogen hat, wie sich jedenfalls aus der in der Vereinbarung vom 24.07.2012 liegenden Genehmigung ergibt.

Auch die von der Beklagten – gestützt auf § 3 Ziffer 3 des notariellen Vertrags – im eigenen Namen gestellten Mieterhöhungsverlangen seien wirksam gewesen.
Denn der Käufer einer vermieteten Wohnung könne vom Verkäufer ermächtigt werden, schon vor der Eigentumsumschreibung im Grundbuch und des damit verbundenen Eintritts des Käufers in die Vermieterstellung (§ 566 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB )) im eigenen Namen Rechtshandlungen gegenüber dem Mieter vorzunehmen, ohne dass es einer Offenlegung der Ermächtigung bedürfe.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshof (BGH) am 19.03.2014 – Nr. 50/2014 – mitgeteilt.

 

Sturz im Altenheim – Zur Frage der Beweislast bzw. Beweislastumkehr.

Erleidet eine sturzgefährdete Heimbewohnerin bei einem begleiteten Toilettengang einen Oberschenkelhalsbruch, ist der Heimträger nicht zum Schadensersatz verpflichtet, wenn die Möglichkeit besteht, dass der Sturz die Folge eines Spontananbruchs des Oberschenkelhalsknochens war.

Das hat der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 27.01.2014 – 17 U 35/13 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall lebte die im Jahre 1918 geborene Heimbewohnerin seit 2001 in einem Altenheim des beklagten Heimträgers.
Weil die Bewohnerin sturzgefährdet war, wurde sie im Juli 2007 bei einem Toilettengang von einer Pflegekraft des Beklagten begleitet. Die Heimbewohnerin kam zu Fall und erlitt einen Oberschenkelhalsbruch, der operativ behandelt werden musste. Sie verstarb im Jahre 2009.

Vom Heimträger verlangt die gesetzliche Krankenversicherung der Heimbewohnerin (Klägerin) im Wege Schadensersatzes aus übergegangenem Recht der Bewohnerin die entstandenen Behandlungskosten in Höhe von ca. 7000 Euro.

Das Klagebegehren ist erfolglos geblieben, weil die Klägerin den ihr obliegenden Beweis dafür nicht zu führen vermochte, dass die Versicherungsnehmerin aufgrund eines eigenen Verschuldens des beklagten Heimträgers oder durch ein pflichtwidriges Verhalten der Pflegekraft, das sich der Beklagte gemäß § 278 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) oder über § 831 BGB zurechnen lassen müsste, zu Schaden gekommen ist.
Es stand nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit fest, dass der Oberschenkelhalsbruch, deren Heilbehandlungskosten die Klägerin mit vorliegender Klage erstattet verlangt, dadurch verursacht worden ist, dass der Beklagte seine gegenüber der Versicherungsnehmerin bestehenden Obhutspflichten verletzt hatte.

Nach allgemeinen Beweislastregeln obliegt die Beweislast dafür, dass der Schaden, für den Ersatz verlangt wird, kausal auf einem pflichtwidrigen Verhalten des Beklagten beruht, der Klägerin als Anspruchsstellerin.

Eine Beweislastumkehr zu Lasten des Beklagten kam im gegebenen Fall nicht in Betracht.

Zwar hat sich der vorliegende Schadensfall durchaus im Rahmen einer Situation ereignet, die dem Bereich des so genannten „voll beherrschbaren Risikos“ zuzuordnen ist und bei der nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung Beweiserleichterungen für den Geschädigten greifen können.
Denn anders als der normale alltägliche Gefahrenbereich im Heim, der grundsätzlich in die Risikosphäre des Bewohners fällt und bei dem dieser im Schadensfall für die Pflichtverletzung und deren Kausalität darlegungs- und beweisbelastet ist, greift in einer konkreten Gefahrensituation, die gesteigerte (erfolgsbezogene) Obhutspflichten bezüglich des Heimbewohners auslöst und deren Beherrschung gerade einer speziell dafür eingesetzten Pflegekraft anvertraut ist, eine Beweislastumkehr analog § 280 Abs. 1 S. 2 n.F. (§ 282 BGB a.F.) ein, so dass sich der Heimträger entlasten muss.

Der vorliegende Fall eines begleitenden Toilettengangs einer unbestritten sturzgefährdeten Heimbewohnerin stellt sich als konkrete, auf den besonderen Schutz dieser Heimbewohnerin angelegte Pflegemaßnahme zweifellos als eine dem voll beherrschbaren Gefahren- und Verantwortungsbereichs zuzuordnende Situation dar.

Allerdings konnte im konkreten Fall nicht festgestellt werden, dass sich in der Verletzung, für die die Klägerin hier Heilbehandlungskosten verlangt, tatsächlich auch ein Risiko verwirklicht hat, dass der Beklagte aufgrund seiner vertraglichen Verpflichtung vollständig zu beherrschen hatte.
Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, dessen Ergebnis von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen wurde, verblieb die Möglichkeit, dass der Sturz der Versicherungsnehmerin nur Folge eines Spontanbruches des Oberschenkelhalsknochens gewesen ist, nicht aber seine Ursache.
Der Sachverständige hatte in seinem Gutachten ausgeführt, dass sowohl für einen sturzausgelösten Oberschenkelhalsbruch als auch für eine durch eine Osteoporose beförderte Spontanfraktur verschiedene Indizien sprächen und die Ursache der Verletzung letztlich aus ärztlicher Sicht nicht geklärt werden könnte. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Fraktur nicht auf dem Sturzereignis beruhe, sondern eine Spontanfraktur gewesen sei, bewertete der Sachverständige dabei mit mindestens ca. 5-20 %.

Kann auf der Grundlage eines solchen Gutachtenergebnisses nicht sicher festgestellt werden, dass die Verletzung kausal durch den Sturz verursacht worden ist, fehlt es aber an der für die oben dargestellte Beweislastumkehr erforderlichen Voraussetzung, dass sich in dem Schaden ein Risiko verwirklicht hat, das durch den Betrieb des Seniorenheims gesetzt und durch sachgerechte Organisation und Koordination des Behandlungsgeschehens objektiv voll hätte beherrscht werden müssen. Denn nur in diesem Fall ist es gerechtfertigt, dem Heimträger in Abweichung von der allgemeinen Beweislast den Nachweis dafür aufzubürden, dass das Schadensereignis, das zu verhindern grundsätzlich in seine vertraglich übernommene Verpflichtung fiel, nicht auf seine schuldhafte Pflichtverletzung zurückzuführen ist.

Da bei einer bis zu 20%igen Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Spontanbruchs die Möglichkeit verblieb, dass die Verletzung auf einer Vorschädigung der Verletzten beruhte, die ihre Ursache nicht im vertraglich übernommenen Risikobereich der Heimleitung hat, konnten der Klägerin Beweiserleichterungen nicht zugutekommen.

 

Zur Abwehr der Kindeswohlgefährdung durch Anordnung des Verbleibens bei der Pflegefamilie.

Lebt ein Kind in einer Pflegefamilie und verlangen die Eltern die Rückführung des Kindes, muss der Erlass einer Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) als im Verhältnis zu einem Sorgerechtsentzug milderes Mittel erwogen werden.
Ergibt sich die Gefährdung des Kindeswohls allein daraus, dass das Kind zur Unzeit aus der Pflegefamilie herausgenommen und zu den leiblichen Eltern zurückgeführt werden soll, liegt in der Regel noch kein hinreichender Grund vor, den Eltern das Sorgerecht ganz oder teilweise zu entziehen.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 22.01.2014 – XII ZB 68/11 – hingewiesen.

Nach § 1666 Abs. 1 BGB hat das Familiengericht, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl eines Kindes gefährdet wird und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
Als derartige Maßnahme kommt auch die Entziehung einzelner Teile des Personensorgerechts, insbesondere des Aufenthaltsbestimmungsrechts, in Betracht.
Bei der Auslegung und Anwendung des § 1666 BGB ist der besondere Schutz zu beachten, unter dem die Familie nach Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Grundgesetz (GG) steht. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung. Die Erziehung des Kindes ist damit primär in die Verantwortung der Eltern gelegt, wobei dieses „natürliche Recht“ den Eltern nicht vom Staat verliehen worden ist, sondern von diesem als vorgegebenes Recht anerkannt wird. Die Eltern können grundsätzlich frei von staatlichen Einflüssen und Eingriffen nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden, wie sie die Pflege und Erziehung ihrer Kinder gestalten und damit ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen. In der Beziehung zum Kind muss aber das Kindeswohl die oberste Richtschnur der elterlichen Pflege und Erziehung sein (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschlüsse vom 17.02.1982 – 1 BvR 188/80 – und vom 11.11.1988 – 1 BvR 585/88 –).

Soweit den Eltern das Sorgerecht für ihr Kind entzogen und damit zugleich die Aufrechterhaltung der Trennung des Kindes von ihnen gesichert wird, darf dies nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen (BGH, Beschluss vom 26.09.2007 – XII ZB 229/06 –). Dieser gebietet, dass Art und Ausmaß des staatlichen Eingriffs sich nach dem Grund des Versagens der Eltern und danach bestimmen müssen, was im Interesse des Kindes geboten ist.

Die anzuordnende Maßnahme muss zur Abwehr der Kindeswohlgefährdung

  • effektiv geeignet,
  • erforderlich und
  • auch im engeren Sinne verhältnismäßig

sein.

Die Erforderlichkeit beinhaltet dabei das Gebot, aus den zur Erreichung des Zweckes gleich gut geeigneten Mitteln das mildeste, die geschützte Rechtsposition am wenigsten beeinträchtigende Mittel zu wählen (BVerfG, Beschluss vom 28.02.2012 – 1 BvR 3116/11 –). Der Staat muss daher vorrangig versuchen, durch helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der leiblichen Eltern gerichtete Maßnahmen sein Ziel zu erreichen.

Mit § 1666 Abs. 1 in Verbindung mit § 1666 a BGB hat der Gesetzgeber eine Regelung geschaffen, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für besonders einschneidende Eingriffe in das Elternrecht, nämlich die Trennung des Kindes von den Eltern und den Entzug der Personensorge, verdeutlicht.

Lebt ein Kind in einer Pflegefamilie und verlangen die leiblichen Eltern dessen Rückführung, muss auch der Erlass einer Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB als im Verhältnis zu einem Sorgerechtsentzug milderes Mittel erwogen werden.
Nach dieser Vorschrift kann das Familiengericht anordnen, dass das bereits seit längerer Zeit in Familienpflege lebende Kind bei der Pflegeperson verbleibt, wenn und solange das Kindeswohl durch die Wegnahme von der Pflegeperson gefährdet wäre.
§ 1632 Abs. 4 BGB geht davon aus, dass zwischen dem Kind und den Pflegeeltern als Folge eines länger dauernden Pflegeverhältnisses eine gewachsene Bindung entstanden sein kann, die nicht zum Schaden des Kindes zerstört werden soll (vgl. BGH, Beschluss vom 26.09.2007 – XII ZB 229/06 –).
Eine Verbleibensanordnung kann deshalb immer dann ergehen, wenn das Kindeswohl dadurch gefährdet ist, dass die Eltern eine Rückführung zu sich planen und durch eine damit verbundene Zerstörung der Bindung an die Pflegeeltern eine schwere und nachhaltige Schädigung des körperlichen oder seelischen Wohlbefindens des Kindes zu erwarten ist.
Auch wenn allgemein davon auszugehen ist, dass mit der Herausnahme aus der gewohnten Umgebung ein Zukunftsrisiko für ein Kind verbunden sein kann, darf dies nicht dazu führen, dass die Zusammenführung von Kind und Eltern grundsätzlich ausgeschlossen ist, wenn das Kind seine „sozialen Eltern“ gefunden hat. Aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG folgt, dass ein Pflegeverhältnis nicht in der Weise verfestigt werden darf, dass die leiblichen Eltern mit der Wegnahme in nahezu jedem Fall den dauernden Verbleib des Kindes in der Pflegefamilie befürchten müssen. Schon die Wendung in § 1632 Abs. 4 BGB „wenn und solange“ fordert flexible Lösungen, die im Wege eines gleitenden Übergangs auf ein Zueinanderfinden von Kind und leiblichen Eltern nach einer Umstellungsphase gerichtet sind.
Hierbei ist auch in den Blick zu nehmen, ob die ursprüngliche Trennung des Kindes von seinen leiblichen Eltern auf einer missbräuchlichen Ausübung der elterlichen Sorge oder einem unverschuldeten Versagen der Eltern beruhte.
Wenn die Voraussetzungen des § 1666 Abs. 1 BGB bei der Wegnahme des Kindes nicht vorlagen, wird verstärkt nach Möglichkeiten gesucht werden müssen, um die behutsame Rückführung des Kindes erreichen zu können.
Ergibt sich die Gefährdung des Kindeswohls allein daraus, dass das Kind zur Unzeit aus der Pflegefamilie herausgenommen und zu den leiblichen Eltern zurückgeführt werden soll, liegt in der Regel noch kein hinreichender Grund vor, den Eltern das Sorgerecht ganz oder teilweise zu entziehen. Vielmehr reicht dann in der Regel die Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB zur Abwehr der Kindeswohlgefährdung aus.

Bei der Prüfung, ob der Schutz des Kindeswohls durch den Erlass einer Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB erreicht werden kann werden nicht nur die unmittelbaren Auswirkungen einer Trennung des Kindes von seinen Pflegeeltern einzubeziehen sein, sondern auch die langfristigen Auswirkungen einer dauerhaften Trennung des Kindes von seinen leiblichen Eltern (so bereits BGH, Beschluss vom 26.09.2007 – XII ZB 229/06 –).
Demgegenüber geht mit dem teilweisen Sorgerechtsentzug die Gefahr einer weiteren Entfremdung des Kindes von seinen Eltern einher. Die Gefährdung der familiären Beziehung des Kindes zu seinen leiblichen Eltern bedeutet aber zugleich eine Trennung des Kindes von seinen Wurzeln.
Deshalb muss auch geprüft werden, ob und wie eine weitere Annäherung der leiblichen Eltern und des Kindes und die damit einhergehende Lockerung des Verhältnisses zu den Pflegeeltern erfolgen können, wobei die Belastungen des Kindes soweit als möglich vermindert werden sollten.

Falls eine Verbleibensanordnung erlassen werden sollte, ist künftig zu prüfen, ob sich die Eltern konstruktiv verhalten oder mit Störungen des Pflegeverhältnisses zu rechnen ist. Nur in dem zuletzt genannten Fall könnte es dann notwendig werden, über die Verbleibensanordnung hinaus zur Abwehr von Kindeswohlgefährdungen weitere Teilbereiche der elterlichen Sorge nach § 1666 Abs. 1 BGB zu entziehen.

 

Zum Anscheinsbeweis bei einem Auffahrunfall.

Bei einem typischen Auffahrunfall haftet der Auffahrende grundsätzlich allein und in voller Höhe.
Im Allgemeinen spricht der Beweis des ersten Anscheins gegen denjenigen, der auf ein vor ihm (vorwärts) fahrendes oder stehendes Fahrzeug fährt, weil der Auffahrende in diesen Fällen entweder zu schnell, mit unzureichendem Sicherheitsabstand oder unaufmerksam gefahren ist (§ 1 Abs. 2 Straßenverkehrsordnung (StVO)).

Der Auffahrende kann den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis erschüttern oder ausräumen, wenn er Umstände darlegt und beweist (nicht etwa nur behauptet), die die ernsthafte Möglichkeit eines anderen atypischen Geschehensablaufs ergeben.

Erschüttert bzw. ausgeräumt ist der Anscheinsbeweis etwa dann, wenn der Auffahrende nachweist, dass der Vorausfahrende unter Verstoß gegen § 4 Abs. 1 S. 2 StVO ohne zwingenden Grund plötzlich stark gebremst hat.
Jedenfalls mit einem „ruckartigen“ Stehenbleiben muss der Hintermann nicht ohne weiteres rechnen, etwa einem Abwürgen des Motors mit sofortigem Stillstand des Fahrzeugs (Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf, Urteil vom 10.11.2003 – I-1 U 28/02 –). Es fehlt dann der gegen den Auffahrenden sprechende und den Anscheinsbeweis begründende typische Geschehensablauf (OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.03.2004 – 1 U 97/03 –).

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) München mit Urteil vom 14.02.2014 – 10 U 3074/13 – hingewiesen.

Zum Nichtanwendbarkeit des Anscheinsbeweis bei Auffahrunfällen auf der Autobahn wenn feststeht, dass vor dem Unfall ein Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs stattgefunden hat, der Sachverhalt aber im übrigen nicht aufklärbar ist, vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 13.12.2011 – VI ZR 177/10 –.

 

Wohnungseigentumsgesetz (WEG) – Welche Ansprüche kann der einzelne Wohnungseigentümer geltend machen und welche stehen den Wohnungseigentümern nur gemeinschaftlich zu?

Nimmt ein Wohnungseigentümer eigenmächtig eine das gemeinschaftliche Eigentum betreffende bauliche Maßnahme nach § 22 Abs. 1 WEG vor (beispielsweise eine Terrassenüberdachung), kann ein einzelner anderer Wohnungseigentümer, dem keine Duldungspflicht nach § 1004 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) trifft, von diesem die Beseitigung gemäß § 1004 Abs. 1 BGB verlangen und diesen Anspruch, ohne Vorbefassung der Eigentümerversammlung, gerichtlich geltend machen.
Auch wenn sich ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB auf die Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums bezieht, kommt eine gemeinschaftliche Rechtsverfolgung nur dann in Betracht, wenn die Gemeinschaft die Rechtsausübung durch Vereinbarung oder Mehrheitsbeschluss an sich gezogen hat. Denn insoweit besteht lediglich eine gekorene Ausübungsbefugnis des Verbandes im Sinne von § 10 Abs. 6 S. 3 HS 2 WEG (st. Rspr.; näher BGH, Urteil vom 17.12.2010 – V ZR 125/10 –).

Dagegen sind Schadensersatzansprüche, die auf die Verletzung des Gemeinschaftseigentums gestützt werden und Ansprüche die die Beseitigung von Beschädigungen des gemeinschaftlichen Eigentums zum Inhalt haben, im Interesse einer geordneten Verwaltung des Gemeinschaftseigentums einheitlich geltend zu machen.
Es besteht – anders als bei Ansprüchen gemäß § 1004 BGB – eine geborene Ausübungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft im Sinne von § 10 Abs. 6 S. 3 HS 1 WEG (BGH, Urteil vom 17.12.2010 – V ZR 125/10 –).
Dies gilt auch für einen auf § 823 Abs. 1 i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB gestützten Wiederherstellungsanspruch. Richtig ist zwar, dass dieser in Konkurrenz zu dem Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB treten kann. Aber schon weil die Wahl zwischen Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB ) und Geldersatz (§ 249 Abs. 2 BGB ) gemeinschaftlich getroffen werden muss, sind Schadensersatzansprüche insgesamt als gemeinschaftsbezogene Rechte im Sinne von § 10 Abs. 6 S. 3 HS 1 WEG anzusehen.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 07.02.2014 – V ZR 25/13 – hingewiesen.

 

Zum Anscheinsbeweis wenn es beim Rückwärtsausparken zum Unfall kommt.

Beim Rückwärtsausparken hat der betreffende Verkehrsteilnehmer nach § 10 S. 1 Straßenverkehrsordnung (StVO – Anfahren vom Straßenrand) und § 9 Abs. 5 StVO (Rückwärtsfahren) jede Gefährdung des fließenden Verkehrs auszuschließen.
Kommt es zu einem Unfall mit dem bevorrechtigten fließenden Verkehr, spricht der Anscheinsbeweis für das Alleinverschulden des rückwärts Ausparkenden.

Will der rückwärts Ausparkende der Alleinhaftung wenigstens teilweise entgehen, muss er den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis erschüttern, indem er vorträgt und beweist, dass er

  • entweder bereits solange auf dem bevorrechtigten Fahrbahnteil stand, dass sich der fließende Verkehr auf ihn einstellen konnte und musste oder
  • dass er sich so weit von der Stelle des Losfahrens entfernt und sich in seinem Fahrverhalten (Einordnen, Geschwindigkeit) so dem Verkehrsfluss angepasst hatte, dass die Tatsache seines Anfahrens unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr für den weiteren Geschehensablauf ursächlich sein kann.

Erschüttert ist der Anscheinsbeweis, wenn die ernsthafte (reale) Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsgemäßen Geschehensablaufs besteht.
Die Tatsachen, aus denen diese ernsthafte Möglichkeit hergeleitet wird, müssen unstreitig oder (voll) bewiesen sein. Zweifel gehen zu Lasten dessen, gegen den der Anscheinsbeweis streitet.
Bei erfolgreicher Erschütterung besteht wieder die beweisrechtliche Normallage.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) München mit Urteil vom 14.02.2014 – 10 U 2815/13 – hingewiesen.

 

Voraussetzungen der Verwirkung eines Rechts – Zeit- und Umstandsmoment.

Eine Verwirkung kommt nur in Betracht, wenn sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 23.01.2014 – VII ZR 177/13 – hingewiesen.

Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein Recht verwirkt, wenn

  • seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und
  • besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment).

Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde.

Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 29.01.2013 – EnZR 16/12 –).
Allein der Ablauf einer gewissen Zeit nach Entstehung des Anspruchs vermag das notwendige Umstandsmoment nicht zu begründen (vgl. BGH, Urteil vom 14.01.2010 – VII ZR 213/07 –).

Unterliegt ein Rückforderungsanspruch der (kurzen) regelmäßigen Verjährung von drei Jahren (§§ 195, 199 BGB ), kann eine weitere Abkürzung dieser Verjährungsfrist durch Verwirkung nur unter ganz besonderen Umständen angenommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 29.01.2013 – EnZR 16/12 –; Urteil vom 11.10.2012 – VII ZR 10/11 –). Denn dem Gläubiger soll die Regelverjährung grundsätzlich ungekürzt erhalten bleiben, um ihm die Möglichkeit zur Prüfung und Überlegung zu geben, ob er einen Anspruch rechtlich geltend macht (vgl. BGH, Urteil vom 29.01.2013 – EnZR 16/12 –).

Vgl. hierzu auch den Blog „Verwirkung eines Rechts – Voraussetzungen hierfür“.