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Ist ein Fahrlehrer, der als Beifahrer während einer Ausbildungsfahrt neben einem Fahrschüler sitzt, Fahrzeugführer?

Mit Beschluss vom 20.02.2014 – 3 SsRs 607/13; 3 SsRs 607/13 – AK 220/13 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe, Senat für Bußgeldsachen, dem Bundesgerichtshof (BGH) folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:

„Ist ein Fahrlehrer, der als Beifahrer während einer Ausbildungsfahrt neben einem Fahrschüler sitzt, dessen fortgeschrittener Ausbildungsstand zu einem Eingreifen in der konkreten Situation keinen Anlass gibt, Führer des Kraftfahrzeuges im Sinne des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO?“

Anlass für den Vorlagebeschluss war die Rechtsbeschwerde eines Betroffenen gegen ein Urteil eines Amtsgerichts, das den Betroffenen wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit der vorsätzlichen verbotswidrigen Benutzung eines Mobiltelefons „als Fahrzeugführer“ zu der Geldbuße von 40 Euro verurteilt hatte, weil der Betroffene, als er sich als Fahrlehrer und Beifahrer auf einer Ausbildungsfahrt mit einer im Rahmen von mindestens sechs absolvierten Fahrstunden schon erfahrenen und in der Ausbildung fortgeschrittenen, am Steuer sitzenden Fahrschülerin seines Fahrschulfahrzeuges (Pkw) befand, während der Fahrt – beim Einbiegen in eine Straße nach rechts – über sein an das rechte Ohr gehaltenes Mobiltelefon ohne Freisprecheinrichtung telefoniert hatte, wobei kein Anlass bestand, auf die bereits im Fahren geübte Fahrschülerin besondere Aufmerksamkeit zu verwenden.

An der Verwerfung der Rechtsbeschwerde sieht sich das OLG Karlsruhe gehindert durch die Entscheidung des 1. Bußgeldsenats des OLG Düsseldorf, der im Beschluss vom 04.07.2013 – IV-1 RBs 80/13 –, die Rechtsauffassung vertreten hat, dass der Fahrlehrer, der neben einer fortgeschrittenen Fahrschülerin sitzt und in der konkreten Situation nicht in das Fahrgeschehen eingreifen muss, nicht Führer des Kraftfahrzeuges im Sinne des § 23 Abs. 1a Satz 1 Straßenverkehrsordnung (StVO) sei.
Das OLG Karlsruhe kann aber auch nicht der Rechtsbeschwerde stattgeben und den Betroffenen aus rechtlichen Gründen freisprechen, weil es dann von der Entscheidung des 2. Senats für Bußgeldsachen des OLG Bamberg abweichen müsste, der mit Beschluss vom 24.03.2009 – 2 Ss OWi 127/09 – entschieden hat, dass der für die Verkehrsbeobachtung verantwortliche Fahrlehrer wegen seiner Pflicht, den Fahrschüler ständig zu beobachten, um notfalls sofort eingreifen zu können, Führer des Kraftfahrzeuges im Sinne des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO sei.

Das OLG Karlsruhe neigt dazu, sich der Auffassung des OLG Bamberg und nicht der Auffassung des OLG Düsseldorf anzuschließen (vgl. auch zu der ähnlichen Problematik bei § 24a Straßenverkehrsgesetz (StVG) bzw. § 316 Strafgesetzbuch (StGB ): OLG Dresden, Beschluss vom 19.12.2005 – 3 Ss 588/05 –), weil es für die Beschränkung des Anwendungsbereiches von § 2 Abs. 15 Satz 2 StVG „nur“ bzw. „vor allem“ auf die zivilrechtliche Gefährdungshaftung (§ 18 StVG) bzw. auf die Strafnorm des § 21 StVG es – soweit ersichtlich – keine greifbaren Anhaltspunkte gibt.
Im Übrigen steht der Auffassung, der Fahrzeuglehrer könne erst dann als Kraftfahrzeugführer angesehen werden, wenn er konkret in das Verkehrsgeschehen eingreife (beispielsweise durch Bremsen oder Steuern mittels des Lenkrads) die Erwägung entgegen, dass der (infolge Haltens eines Mobiltelefons) eingeschränkt eingriffsbereite Fahrlehrer oder der (etwa infolge Konsums alkoholischer Getränke) in seiner Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit beeinträchtigte Fahrlehrer die Situation, in der ein Eingreifen in das Verkehrsgeschehen geboten ist, möglicherweise nicht erkennt bzw. nicht auf sie reagiert und damit nicht Führer des Kraftfahrzeuges wird.
Die Rechtsprechung zum Führer und zum Führen eines Kraftfahrzeuges im Sinne der §§ 315c, 316 StGB steht zu der Auffassung des OLG Bamberg nicht zwingend in Widerspruch, weil § 2 Abs. 15 Satz 2 StVG für das Straßenverkehrsgesetz eine Sonderregelung trifft, die den Tatbestand des § 24 Abs. 1 StVG i. V. mit § 49 Abs. 1 Nr. 22, § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO miterfasst.
Auch vermag das Argument nicht zu überzeugen, dass die Bejahung der Vorlegungsfrage zu dem untragbaren Ergebnis führe, dass der Fahrschüler, der eigenhändig (unter Verstoß gegen das Verbot des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO) mobil telefoniert, nicht wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24 Abs. 1 StVG, § 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO verfolgt werden könnte, weil „ausschließlich“ der Fahrlehrer aufgrund gesetzlicher Fiktion als Führer des Kraftfahrzeugs anzusehen wäre.
Einerseits könnte es als sachgerecht angesehen werden, den Fahrschüler überhaupt nicht als Führer eines Kraftfahrzeuges im Sinne des Strafverkehrsgesetzes (und damit auch der Straßenverkehrsordnung) zu behandeln; diese Ansicht befände sich in Übereinstimmung mit der Auslegung der Kraftfahrzeugführereigenschaft zu der Strafnorm des § 21 StVG, weshalb eine entsprechende Auslegung im Rahmen der Bußgeldvorschriften (§ 24 StVG i.V.m. der StVO, § 24a StVG) an sich folgerichtig wäre.
Andererseits läge es aber auch nicht fern, – unbeschadet der Beschränkung der zivilrechtlichen Haftung auf den Fahrlehrer – sowohl den Fahrschüler als auch den Fahrlehrer während der Ausbildungsfahrt zumindest ordnungswidrigkeitsrechtlich im Sinne des StVG i.V.m. der StVO als Kraftfahrzeugführer zu qualifizieren.

 

Zum Betreuungsplatz in einer Kita.

Steht für ein Kind unter drei Jahren (U3) ein freier, bedarfsgerechter und wohnortnaher Betreuungsplatz nur noch bei einer Tagespflegeperson und nicht in einer von den Eltern gewünschten Kindertagesstätte zur Verfügung, erfüllt der Jugendhilfeträger den Rechtsanspruch auf U3-Betreuung mit dem Angebot dieses freien Platzes.
Ein Anspruch auf Kapazitätserweiterung besteht nicht.

Das hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg mit Beschluss vom 29.11.2013 – 12 S 2175/13 – entschieden.

Nach § 24 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) in der seit dem 01.08.2013 gültigen Fassung hat ein einjähriges Kind bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung

  • in einer Tageseinrichtung oder
  • in Kindertagespflege.

Das Gesetz geht damit von einer prinzipiellen Gleichrangigkeit der Betreuung in einer Kindertagesstätte und in der Tagespflege aus (Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.08.2013 – 12 B 793/13 –). Deshalb ist der genannte Förderungsanspruch erfüllt, wenn ein Platz in einer der beiden genannten Betreuungsformen zur Verfügung gestellt wird.
Der Senat vermag nicht den – vereinzelten – Literaturstimmen zu folgen, die annehmen, der Staat werde durch die neue Vorschrift gezwungen, die erforderlichen Plätze in den seitens der Eltern gemäß deren Wunsch- und Wahlrecht nach § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII bevorzugten Betreuungsformen zu schaffen. Denn diese ohne nähere Begründung aufgestellte Forderung findet im Gesetz keine Stütze und stünde in Widerspruch zu den im Zusammenhang mit den anderen kinder- und jugendrechtlichen Leistungsformen seit langem anerkannten Grundsätzen, wonach dieses Wunsch- und Wahlrecht keinen Anspruch auf die Schaffung neuer Dienste und Einrichtungen schafft, sondern sich nur auf das tatsächlich vorhandene Angebot, d. h. auf die tatsächlich zur Verfügung stehenden Plätze, beschränkt (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.08.2013 – 12 B 793/13 –).
Ebenso wenig besteht Anlass, dem Ansatz des Verwaltungsgerichts Köln (Beschluss vom 18.07.2013 – 19 L 877/13 -) zu folgen, wonach sich aus einer Äußerung der (damaligen) Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in der 2. Lesung des Kinderförderungsgesetzes ergebe, dass für die Wahl zwischen den für die frühkindliche Förderung in Betracht kommenden Betreuungsformen ausschließlich der Wille der Eltern maßgeblich sein solle. Denn zum einen kann – selbstverständlich – die Auffassung einer Ministerin nicht den Regelungswillen des Bundestages zum Ausdruck bringen oder verdeutlichen, zum anderen verbietet sich die Annahme, der Gesetzgeber habe über die ohnehin ambitionierten und kostenintensiven Ziele des neuen § 24 Abs. 2 SGB VIII hinaus die öffentlichen Träger der Jugendhilfe zu einer Verschaffung der Bereithaltung von Betreuungsplätzen in beiden darin aufgeführten Betreuungsformen und damit zu einer potenziellen Verdoppelung der Kosten verpflichten wollen.

 

Zur Unzulässigkeit der Unkündbarkeit einer zusammen mit einer Lebens- oder Rentenversicherung abgeschlossenen Kostenausgleichsvereinbarung (sog. Nettopolice).

Der für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Urteil vom 12.03.2014 – IV ZR 295/13 – entschieden, dass die vereinbarte Unkündbarkeit gesonderter Kostenausgleichsvereinbarungen zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer bei Abschluss eines Vertrages über eine fondsgebundene Renten- oder Lebensversicherung unzulässig ist.

In den der Entscheidung zugrunde liegenden Fällen hatte die Klägerin, ein in Liechtenstein ansässiger Lebensversicherer, in Deutschland wohnenden Kunden den Abschluss von (fondsgebundenen) Rentenversicherungen angeboten.
Die auf einem einheitlichen Formular aufgenommenen Anträge beinhalteten

  • zum einen den Versicherungsvertrag sowie
  • zum anderen eine sogenannte Kostenausgleichsvereinbarung.

In dieser Kostenausgleichsvereinbarung verpflichtete sich der Versicherungsnehmer, einen bestimmten Betrag für Abschluss- und Einrichtungskosten in 48 monatlichen Raten an den Versicherer zu zahlen.
Im Antrag ist bestimmt, dass die Auflösung des Versicherungsvertrages grundsätzlich nicht zur Beendigung der Kostenausgleichsvereinbarung führt und dass diese auch nicht kündbar ist.

Die beklagten Versicherungsnehmer kündigten den Versicherungsvertrag, stellten die Zahlung auf die Kostenausgleichsvereinbarung ein und widerriefen ihre Vertragserklärungen.

Mit Klage und Widerklage stritten die Parteien um die Zahlungsansprüche aus den Verträgen. Die Klägerin verlangte mit ihren Klagen die Zahlung restlicher Abschluss- und Einrichtungskosten gemäß der Kostenausgleichsvereinbarung.
Die Versicherungsnehmer begehrten im Wege der Widerklage die Rückzahlung der auf die Kostenausgleichsvereinbarung bereits geleisteten Beträge zuzüglich des Rückkaufswertes des Versicherungsvertrages.

Der BGH hat entschieden, dass dem Versicherer kein Zahlungsanspruch aus der jeweiligen Kostenausgleichsvereinbarung mehr zusteht, die Klagen des Versicherers also keinen Erfolg haben.

Danach ist zwar der Abschluss einer Kostenausgleichsvereinbarung, die rechtlich selbständig neben dem Versicherungsvertrag steht, nicht wegen Verstoßes gegen § 169 Abs. 3 Satz 1, § 169 Abs. 5 Satz 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) unwirksam und es liegt auch keine unzulässige Umgehung vor.

Die Versicherungsnehmer waren aber berechtigt, die Kostenausgleichsvereinbarung zu kündigen. Der vereinbarte Kündigungsausschluss der Kostenausgleichsvereinbarung ist unwirksam.
Eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB ), nach der die Kostenausgleichsvereinbarung unkündbar ist und der Versicherungsnehmer die Abschlusskosten unabhängig vom Fortbestand des Versicherungsvertrages zu zahlen hat, verstößt wegen unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ).
Während ein Abzug bei der Verrechnung der Abschlusskosten mit den Prämien allenfalls dazu führen kann, dass der Versicherungsnehmer keinen oder einen nur ganz geringfügigen Rückkaufswert erhält, aber in keinem Fall mit weiteren noch nicht getilgten Abschlusskosten belastet wird, kann die gesonderte Kostenausgleichsvereinbarung, wenn sie als unkündbar ausgestaltet wird, dazu führen, dass der Versicherungsnehmer mit Verbindlichkeiten belastet wird, die über dem Rückkaufswert liegen. Er erhält dann trotz Kündigung der Versicherung wirtschaftlich nicht nur keinen Rückkaufswert, sondern muss weitere Zahlungen an den Versicherer leisten.

Ob in den von den Versicherungsnehmern abgegebenen Erklärungen jeweils eine Kündigung der Kostenausgleichsvereinbarung zu sehen war, konnte im Ergebnis offen bleiben.
Dem Zahlungsanspruch der Klägerin steht jedenfalls der von den Beklagten erklärte Widerruf ihrer auf Abschluss des Versicherungsvertrages gerichteten Willenserklärungen entgegen. Die Beklagten konnten den Vertrag noch widerrufen, da die dreißigtägige Widerrufsfrist noch nicht zu laufen begonnen hatte.
Der Beginn der Widerrufsfrist setzt nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VVG eine deutlich gestaltete Belehrung über das Widerrufsrecht und die Rechtsfolgen des Widerrufs voraus. Dies hätte in der Widerrufsbelehrung zum Versicherungsvertrag einen Hinweis erfordert, dass im Falle eines Widerrufs auch der Vertrag über die Kostenausgleichsvereinbarung nicht zustande kommt. Daran fehlte es.
Da der wirksame Widerruf auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurückwirkt, waren die Widerklagen der Versicherungsnehmer erfolgreich.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 12.03.2014 – Nr. 48/2014 – mitgeteilt.

 

Versicherungsrecht – Hat ein Versicherungsnehme arglistig falsche Angaben gemacht kann er sich nicht auf fehlende Belehrung berufen.

Hat der Versicherungsnehmer oder der für ihn handelnde Makler arglistig falsche Angaben im Versicherungsantrag gemacht, ist der Versicherer, selbst wenn er über die möglichen Folgen von Falschangaben nicht ausreichend belehrt hat, zum Rücktritt vom Versicherungsvertrag berechtigt.

Das hat der für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 12.03.2014 – IV ZR 306/13 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall war vom Kläger, der zuvor mit einem Versicherungsvermittler einen Maklervertrag geschlossen hatte, bei dem beklagten Versicherer ein Antrag auf Abschluss einer Kranken- und Pflegeversicherung gestellt worden. Dort waren die Fragen nach Krankheiten und Beschwerden unvollständig und die nach psychotherapeutischen Behandlungen nicht beantwortet. In der Folge erhielt die Beklagte ein weiteres Antragsformular, in dem diese Fragen mit „nein“ beantwortet wurden. Die Beklagte stellte hierauf einen Versicherungsschein aus.
Nachfolgend erklärte sie den Rücktritt vom Vertrag, weil der Kläger ihr verschiedene erhebliche Erkrankungen verschwiegen hatte.
Später erklärte sie noch die Anfechtung ihrer Vertragserklärung wegen arglistiger Täuschung.

Die auf Feststellung gerichtete Klage, dass der Vertrag weder durch Rücktritt noch durch Anfechtung beendet ist, hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Beklagte wirksam vom Vertrag zurückgetreten.

Der BGH hat entschieden, dass der Versicherer zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt ist.

Der arglistig handelnde Versicherungsnehmer kann sich nicht mit Erfolg auf eine Verletzung der Pflicht des Versicherers, ihn über die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung zu belehren, berufen. Der Versicherer kann im Falle einer arglistigen Täuschung durch den Versicherungsnehmer mithin auch dann vom Vertrag zurücktreten, wenn er den Versicherungsnehmer im Antragsformular entgegen den Anforderungen des § 19 Abs. 5 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) nicht oder nicht ausreichend belehrt hat.
Entscheidend hierfür ist, dass die Belehrungspflichten zum Schutz des Versicherungsnehmers angeordnet sind, der arglistig handelnde Versicherungsnehmer aber nicht gleichermaßen schutzwürdig ist.
Der Versicherungsnehmer kann sich ferner auch nicht darauf berufen, er habe gegenüber dem von ihm eingeschalteten Versicherungsmakler wahrheitsgemäße Angaben gemacht. Vielmehr muss er sich nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats grundsätzlich das arglistige Verhalten des Maklers zurechnen lassen.
Einer der Ausnahmefälle, in denen eine derartige Zurechnung nicht in Betracht kommt, lag im Streitfall nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts nicht vor.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 12.03.2014 – Nr. 47/2014 – mitgeteilt.

 

Nachbarrecht – Überbau – Zu den Eigentumsverhältnissen an überbauten Gebäudeteilen.

Hat der Eigentümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes von seinem Grundstück aus über die Grenze auf das einem anderen gehörende Nachbargrundstück gebaut, sind die auf dem Nachbargrundstück stehenden Gebäudeteile Überbauten, für welche grundsätzlich die Vorschriften der §§ 912 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) gelten   

§ 912 BGB enthält allerdings keine Regelung über die Eigentumsverhältnisse an dem überbauten Gebäudeteil.
Wer dessen Eigentümer ist, ergibt sich nach dem Willen des Gesetzgebers jedoch als mittelbare Folge der Vorschrift.

Muss

  • der Grundstückseigentümer gemäß § 912 Abs. 1 BGB den Überbau des Nachbarn dulden,

unterliegt der hinübergebaute Gebäudeteil nicht der in § 94 Abs. 1, § 946 BGB enthaltenen Grundregel, dass der Duldungspflichtige Eigentümer ist; vielmehr tritt entsprechend § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB die Wirkung ein, dass der Gebäudeteil als Scheinbestandteil des überbauten Grundstücks gemäß § 93, § 94 Abs. 2 BGB wesentlicher Bestandteil des Grundstücks bleibt, von welchem aus übergebaut wurde (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 23.02.1990 – V ZR 231/88 –).
Dessen Eigentümer ist auch Eigentümer des überbauten Gebäudeteils.

Bei diesen Eigentumsverhältnissen bleibt es auch dann, wenn das überbaute Gebäude teilweise abgerissen worden ist und die Gebäudereste keine selbständige wirtschaftliche Bedeutung haben.
Bei einem entschuldigten Überbau entfällt in diesem Fall zwar die Duldungspflicht des § 912 Abs. 1 BGB, weil ein vor der Zerschlagung zu schützender wirtschaftlicher Wert nicht mehr vorhanden ist (vgl. BGH, Urteil vom 19.09.2008 – V ZR 152/07 –).
Eigentümer der Gebäudereste ist aber weiterhin der Eigentümer des Grundstücks, von dem aus überbaut worden ist.

Muss

  • der Grundstückseigentümer den Überbau von vornherein nicht dulden, weil die in § 912 Abs. 1 BGB genannten Voraussetzungen für die Duldungspflicht nicht vorliegen,

kommt die entsprechende Anwendung von § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht in Betracht.
Der übergebaute Gebäudeteil gilt vielmehr nach § 94 Abs. 1 BGB als wesentlicher Bestandteil des überbauten Grundstücks.
Eigentumsrechtlich wird er auf der Grundstücksgrenze lotrecht geteilt mit der Folge, dass jeder Teil dem Eigentümer der Grundstücksfläche gehört, auf der er steht (BGH, Urteil vom 28.01.2011 – V ZR 147/10 –).
Auch in diesem Fall darf der Nachbar aber sein Recht zum Abriss des auf seinem Grundstück stehenden Teils des Überbaus nicht schrankenlos ausüben (§ 903 S. 1 BGB ), sondern muss das sich aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ergebende Rücksichtnahmegebot beachten (vgl. BGH, Urteile vom 29.06.2012 – V ZR 97/11 –; vom 08.02.2013 – V ZR 56/12 – und vom 29.04.1977 – V ZR 71/75 –).

Ein besonderer Fall des Überbaus

  • ist die Giebelmauer, die auch Nachbarwand oder Kommunmauer genannt wird.

Das ist eine Mauer, welche von einem Grundstückseigentümer – nicht notwendig zur Hälfte –

  • auf seinem und
  • auf dem Nachbargrundstück errichtet wurde und
  • dazu bestimmt ist, von jedem der beiden Nachbarn in Richtung auf sein eigenes Grundstück benutzt zu werden (siehe nur BGH, Urteil vom 27.07.2012 – V ZR 2/12 –).

Diese Zweckbestimmung beruht auf der beiderseitigen Verabredung der Nachbarn oder wenigstens auf der einseitigen Erwartung des Erbauers, dass der Nachbar die Mauer für den Bau seines Hauses benutzen kann.
Mit dem Anbauen von dem überbauten Grundstück aus wird die Mauer eine gemeinschaftliche Grenzeinrichtung im Sinne von § 921 BGB. Es entsteht in Umwandlung einer eventuell bisher anderen Eigentumslage Miteigentum beider Grundstückseigentümer an der Mauer.
Das gilt sowohl im Fall des entschuldigten (nicht vorsätzlich oder grob fahrlässigen) Überbaus (BGH, Urteil vom 30.04.1958 – V ZR 178/56 –) als auch im Fall des unentschuldigten Überbaus (BGH, Urteil vom 02.02.1965 – V ZR 247/62 –).
Den Abriss der Mauer zu unterlassen, kann dann der eine Miteigentümer gemäß § 1004 Abs. 1 BGB von dem anderen verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 28.09.2007 – V ZR 276/06 –).

Zur rechtlichen Qualifizierung einer Mauerwand

  • als Nachbarwand oder
  • als entschuldigter bzw. unentschuldigter Überbau:

Hierfür kommt es zunächst darauf an, ob die Wand verabredungsgemäß oder wenigstens in der Erwartung des Erbauers über die Grenze gebaut wurde, dass der Nachbar den übergebauten Teil für die Errichtung eigener baulicher Anlagen benutzen kann.

Lässt sich eine solche Verabredung nicht feststellen, hatte jedoch der Erbauer diese Erwartung, hindert die fehlende Zustimmung des anderen Eigentümers oder seines Rechtsvorgängers zur Errichtung des Anbaus unter Überschreitung der Grundstücksgrenze nicht die rechtliche Einordnung der Wand als Nachbarwand.
Zwar ist die Zustimmung notwendig, weil es nicht der Willkür eines Grundstückseigentümers überlassen bleiben kann, ohne oder gegen den Willen seines Nachbarn eine Grenzeinrichtung zu schaffen, dafür dessen Grund und Boden in Anspruch zu nehmen und ihn auch noch mit Unterhaltungskosten zu belasten (§ 922 S. 2 BGB ); aber die Zustimmung kann auch nachträglich (Genehmigung) und konkludent erteilt werden (BGH, Urteil vom 15.10.1999 – V ZR 77/99 –).
Von einer solchen Zustimmung ist auszugehen, wenn der Nachbar die Wand bestimmungsgemäß nutzt und an sie anbaut.

Die Zweckbestimmung einer Nachbarwand, von jedem der beiden Nachbarn in Richtung auf sein eigenes Grundstück benutzt zu werden, muss nicht schon bei ihrer Errichtung vorliegen, sondern kann auch später durch Vereinbarung der Nachbarn getroffen werden.
Eine solche nach der Errichtung eines Anbaus getroffene Vereinbarung zwischen den benachbarten Grundstückseigentümern hat dieselben Rechtsfolgen wie in den Fällen, in denen die übergebaute Wand schon bei ihrer Errichtung als Nachbarwand gedacht war.

Dass eine Mauerwand nicht auf ihrer gesamten Länge, sondern nur teilweise auf das Nachbargrundstück übergebaut wurde, steht der Annahme, dass es sich um eine Nachbarwand handelt, nicht entgegen. Denn als Grenzeinrichtung im Sinne von § 921 BGB muss eine Wand nicht notwendigerweise in voller Länge von der Grenze durchschnitten werden. Auch der „scheinbare“, nur auf einem der benachbarten Grundstücke stehende Teil einer Grenzeinrichtung ist zusammen mit dem von der Grenze durchschnittenen Teil insgesamt eine Grenzeinrichtung (BGH, Urteil vom 15.10.1999 – V ZR 77/99 –).

Handelt es sich bei der Wand um keine Nachbarwand, gelten für die Eigentumsverhältnisse die allgemeinen Regeln über den Überbau. Entscheidend ist dann also, ob die Grenzüberschreitung entschuldigt oder unentschuldigt im Sinne von § 912 Abs. 1 BGB erfolgte.

Die Urteile des BGH vom 26.02.1964 – V ZR 59/61 – und vom 18.05.2001 – V ZR 119/00 –  behandeln – nicht den Anbau an eine Nachbarwand, sondern – den Anbau an eine ausschließlich auf dem Nachbargrundstück stehende Grenzwand (vgl. zu dieser BGH, Urteil vom 11.04.2008 – V ZR 158/07 –).

Darauf hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 17.01.2014 – V ZR 292/12 – hingewiesen.

 

Rechtlicher Vater schuldet Unterhalt, auch wenn er nicht der leibliche Vater ist.

Wer seine – durch eine bestehende Ehe – gesetzlich zugeordnete Vaterschaft nicht wirksam angefochten hat und deswegen rechtlicher Vater ist, schuldet dem Kind auch dann Unterhalt, wenn unstreitig ist, dass er nicht der leibliche Vater ist.

Das hat der 2. Senat für Familiensachen mit Beschluss vom 19.11.2013 – 2 WF 190/13 – im Rahmen eines Verfahrenskostenhilfeverfahrens entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall war der Antragsteller der rechtliche Vater des im Jahre 1996 geborenen Antragsgegners, weil er zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet war (§ 1592 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB )).
Nach Scheidung der Ehe mit dem Antragsteller heiratete die Mutter des Antragsgegners den biologischen Vater des Antragsgegners.
Die Vaterschaftsanfechtungsklage des Antragstellers (§ 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB ) blieb wegen Fristablaufs (vgl. § 1600 b BGB ) ohne Erfolg.

Der Antragsteller, der sich mit einer nach §§ 59 Abs. 1 Nr. 3, 60 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) errichteten Jugendamtsurkunde (vgl. hierzu Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 04.05.2011 − XII ZR 70/09 –) verpflichtet hatte, Kindesunterhalt an den Antragsgegner zu zahlen, hat u.a. mit der Begründung, seine Inanspruchnahme aus der Urkunde sei treuwidrig, weil der Antragsgegner seine Existenz ignoriere und nur den biologischen Vater als Vater akzeptiere, Verfahrenskostenhilfe für die Abänderung der urkundlich begründeten Unterhaltsverpflichtung beantragt.

Dieses Begehren des Antragstellers blieb erfolglos.

Der 2. Senat für Familiensachen des OLG Hamm hat festgestellt, dass der Antragsteller mit seinem Vorbringen, er sei nach Treu und Glauben nicht mehr zu Unterhaltszahlungen verpflichtet, weil er nicht der leibliche Vater des Antragsgegners sei, nicht gehört werden kann.
Aus § 1599 Abs. 1 BGB, der zwingendes Recht ist, folgt, dass Vaterschaftstatbestände mit Wirkung für und gegen alle gelten und man sich nur und erst dann auf die Vaterschaft eines anderen Mannes berufen kann, wenn die Tatbestände des § 1592 Nr. 1 und 2 BGB aufgrund einer wirksamen Anfechtung beseitigt sind.
Die gerichtliche Vaterschaftsanfechtung ist unverzichtbar, selbst wenn unter den Beteiligten kein Streit darüber besteht, wer der leibliche Vater des Kindes ist. Vor diesem Hintergrund kann auch der vom Antragsteller vorgebrachte Einwand der Treuwidrigkeit der Geltendmachung von Unterhalt nicht durchgreifen, da anderenfalls die eindeutige gesetzliche Wertung des § 1599 Abs. 1 BGB umgangen würde. § 1599 Abs. 1 BGB entfaltet eine Schutz- und Sperrwirkung zugunsten bestehender Vaterschaftstatbestände

Auch fehlte es nicht deshalb an der Bedürftigkeit des Antragsgegners, weil diesem sein leiblicher Vater Unterhaltsleistungen gewährt.
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass freiwillige Zuwendungen Dritter nur dem Zuwendungsempfänger allein zugutekommen, sich aber auf ein Unterhaltsrechtsverhältnis nicht auswirken sollen.
Anders ist dies nur dann, wenn sich dem Willen des Zuwendenden Abweichendes entnehmen lässt.
Leistungen eines Dritten an den Unterhaltsberechtigten, die an sich geeignet wären, dessen Unterhalt zu decken, führen im Verhältnis zum Unterhaltsverpflichteten nur dann zu einer Minderung seiner Bedürftigkeit, wenn der Dritte damit zugleich bezweckt, den Unterhaltsverpflichteten zu entlasten.
Geht sein Wille dagegen dahin, nur den Begünstigten selbst zu unterstützen, berührt dies dessen Bedürftigkeit im Verhältnis zum Unterhaltsverpflichteten im Allgemeinen nicht (BGH, Urteil vom 22.02.1995 – XII ZR 80/94 –).
Da nicht vorgetragen war, dass der leibliche Vater des Antragsgegners beabsichtigt hat, mit etwaigen Unterhaltsleistungen den Antragsteller zu entlasten, waren entsprechende Leistungen bei der Bemessung der Bedürftigkeit des Antragsgegners außer Betracht zu lassen.

 

Geständnis als Strafmilderungsgrund.

Das Geständnis eines Angeklagten ist ein bestimmender Strafzumessungsgrund gemäß § 267 Abs.3 S.1 Strafprozessordnung (StPO).
Ihm kann eine strafmildernde Bedeutung nur abgesprochen werden, wenn es ersichtlich nicht aus einem echten Reue- und Schuldgefühl heraus abgegeben worden ist, sondern auf „erdrückenden Beweisen“ beruht.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 28.01.2014 – 4 StR 502/13 – hingewiesen.

Bei der Bewertung zu Gunsten eines Angeklagten kann einem Geständnis allerdings unterschiedliches Gewicht zukommen, je nach dem wann und unter welchen Umständen es abgelegt worden ist.
Besonderes bzw. außerordentliches Gewicht hat ein Geständnis beispielsweise, wenn dem Angeklagten, ohne sein Geständnis die Tat teilweise oder ganz nicht hätte nachgewiesen werden können.

Vgl. hierzu auch Bernd Rösch, „Das Urteil in Straf- und Bußgeldsachen“, 2. Aufl., S. 287 f.

Maklerrecht – Wann mangels wirtschaftlicher Kongruenz zwischen dem abgeschlossenen und dem nachgewiesenen Kaufvertrag kein Maklerlohnanspruch bestehen kann.

Nach § 652 Abs. 1 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) steht dem Makler eine Vergütung nur zu, wenn der beabsichtigte Vertrag tatsächlich zustande kommt.
Führt die Tätigkeit des Maklers zum Abschluss eines Vertrags mit anderem Inhalt, so entsteht kein Anspruch auf Maklerlohn. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt aber dann in Betracht, wenn der Kunde mit dem tatsächlich abgeschlossenen Vertrag wirtschaftlich denselben Erfolg erzielt. Dabei sind stets die Besonderheiten des Einzelfalls maßgebend. Ob sie vorliegen, ist in erster Linie eine Frage tatrichterlicher Beurteilung.

Bei Beurteilung der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit des abgeschlossenen Vertrags im Verhältnis zu dem im Maklervertrag zugrunde gelegten, ist zu berücksichtigen, dass es bei Grundstücksgeschäften häufig vorkommt, dass Vertragsschließende ihre Vorstellungen nicht voll verwirklichen können, die sie bei Beginn der Vertragsverhandlungen und bei Beauftragung des Maklers gehabt haben; das erforderliche (gegenseitige) Nachgeben, um den Vertragsschluss herbeizuführen, kann sich dabei nicht nur auf die Höhe des Kaufpreises und die Nebenbestimmungen, sondern auch auf den Umfang der Sachleistung beziehen.
Soweit sich die Abweichungen im Rahmen dessen halten, womit der Maklerkunde bei der Beauftragung des Maklers gerechnet habe, können sie den Provisionsanspruch nicht ausschließen.

Entscheidend ist danach, ob sich unter Würdigung aller besonderen Umstände der abgeschlossene Vertrag als ein wirtschaftlich anderer darstellt, als der nach dem Maklervertrag nachzuweisende.
Dabei ist bei für den Maklerkunden günstigen Preisabweichungen besonders in den Blick zu nehmen,

  • ob diese sich noch in einem erwartbaren Rahmen bewegen, oder
  • ob letztlich die abweichende Preisgestaltung auf Umständen beruht, die die wirtschaftliche Identität des nachgewiesenen zum abgeschlossenen Geschäft in Frage stellen.

Da sich insbesondere bei Grundstücken, die längere Zeit angeboten werden, der Preis typischerweise nach unten bewegt, ist dabei kein allzu strenger Maßstab anzulegen.

 

Darauf

  • und dass in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Maklers enthaltene Regelungen, nach denen der Makler auch bei fehlender Kongruenz zwischen dem abgeschlossenen und dem nachgewiesenen Kaufvertrag ein Maklerlohnanspruch zustehen soll, nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist,

hat der III. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 06.02.2014 – III ZR 131/13 – hingewiesen.

 

Wohnungseigentumsgesetz (WEG) – Ein gegen die Gemeinschaft klagender Wohnungseigentümer ist nicht stimmberechtigt.

Ein Wohnungseigentümer unterliegt in entsprechender Anwendung von § 25 Abs. 5 Alt. 2 WEG einem Stimmverbot, wenn er einen Rechtsstreit gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft führt und verfahrensbezogene Maßnahmen Gegenstand der Beschlussfassung sind.

Das hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 06.12.2013 – V ZR 85/13 – entschieden.

Nach § 25 Abs. 5 WEG ist ein Wohnungseigentümer u.a. dann nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlussfassung die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits der anderen Wohnungseigentümer gegen ihn betrifft.
Die Vorschrift berücksichtigt nicht, dass auch die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband nach § 10 Abs. 6 WEG rechtsfähig ist und es damit zu Rechtsstreitigkeiten zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und einzelnen Wohnungseigentümern kommen kann. Hierbei handelt es sich um eine planwidrige Regelungslücke. Die Vorschrift des § 25 Abs. 5 WEG, die seit Inkrafttreten des Wohnungseigentumsgesetzes vom 15.03.1951 unverändert geblieben ist, ist nach der Anerkennung der (Teil-)Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft (BGH, Beschluss vom 02.06.2005 – V ZB 32/05 –) und ihrer Normierung durch das Gesetz zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze vom 23.03.2007 (BGBl. I 2007, 370) nicht an die neue Rechtslage angepasst worden.
Die dadurch entstandene Lücke ist durch eine entsprechende Anwendung von § 25 Abs. 5 WEG zu schließen.

Zweck des in § 25 Abs. 5 WEG geregelten Stimmverbots ist es, zu verhindern, dass der Prozessgegner auf das Ob und Wie einer gegen ihn gerichteten Prozessführung Einfluss nehmen kann (vgl. BGH, Urteil vom 14.10.2011 – V ZR 56/11 –).
Bei einer Mitwirkung eines beklagten Wohnungseigentümers an der auf das Verfahren bezogenen Willensbildung auch auf Klägerseite bestünde die naheliegende Gefahr, dass eine sachgerechte Klärung der zur gerichtlichen Überprüfung gestellten Streitgegenstände erschwert oder gar verhindert würde, sei es, dass schon keine Klage erhoben würde, sei es, dass sachgerechte Anträge nicht gestellt würden oder der Rechtsstreit in sonstiger Weise nicht mit dem nötigen Nachdruck betrieben würde.
Daher scheidet eine Beteiligung an der Abstimmung über alle Beschlussgegenstände aus, die verfahrensbezogene Maßnahmen betreffen, worunter insbesondere Beschlüsse über die Einleitung des Rechtsstreits, die Art und Weise der Prozessführung und die Frage der verfahrensrechtlichen Beendigung fallen (BGH, Urteil vom 14.10.2011 – V ZR 56/11 –).

Dieselbe Gefahr besteht, wenn sich in einem Rechtsstreit die Gemeinschaft und ein Wohnungseigentümer gegenüber stehen. Ein sachgerechter Grund, diesen Fall anders zu behandeln, als jenen, in dem die anderen Wohnungseigentümer Klage gegen einen Wohnungseigentümer erheben wollen, ist nicht ersichtlich.

Ebenso unterliegt auch ein Wohnungseigentümer, der als Kläger einen Rechtsstreit gegen die Eigentümergemeinschaft führt, einem Stimmverbot, wenn es um die Willensbildung der Gemeinschaft über die zu ergreifenden verfahrensrechtlichen Maßnahmen geht.
Für eine solche weite Interpretation des Wortlauts des § 25 Abs. 5 Alt. 2 WEG sprechen historische, systematische und teleologische Gesichtspunkte. Die Gefahr, dass der mit der Wohnungseigentümergemeinschaft streitende Wohnungseigentümer auf das Ob und Wie der Prozessführung der Gemeinschaft Einfluss nimmt, besteht unabhängig von der Verteilung der Parteirollen.
Wird die Gemeinschaft verklagt, ist der Verwalter nach § 27 Abs. 3 Nr. 2 WEG zwar berechtigt, im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und mit Wirkung für und gegen sie Maßnahmen zu treffen, die zur Wahrung einer Frist oder zur Abwendung eines sonstigen Rechtsnachteils erforderlich sind, insbesondere einen gegen die Gemeinschaft gerichteten Rechtsstreit gemäß § 43 Nr. 5 WEG im Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren zu führen.
Die Wahrnehmung der Interessen der Wohnungseigentümergemeinschaft in einem gegen diese gerichteten Verfahren gehört zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben des Verwalters, zu der er nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist (BGH, Beschluss vom 22.09.2011 – I ZB 61/10 –).
Im Innenverhältnis nehmen die in § 27 WEG geregelten Befugnisse des Verwalters den Wohnungseigentümern jedoch nicht ihre Entscheidungsmacht und ihre gemeinschaftliche Geschäftsführungsbefugnis (BGH, Urteil vom 05.07.2013 – V ZR 241/12 –).
Könnte der gegen die Gemeinschaft klagende Wohnungseigentümer an der auf das Verfahren bezogenen Willensbildung der Gemeinschaft mitwirken, bestünde daher die Gefahr, dass sachgerechte, auf die Verteidigung gegen den geltend gemachten Anspruch bezogene Schritte unterbleiben und die Gemeinschaft hierdurch einen Schaden erleidet.
Die Gefahr einer nicht an der ordnungsgemäßen Verwaltung, sondern an privaten Sonderinteressen orientierten Einflussnahme auf den Willensbildungsprozess der Gemeinschaft ist so groß, dass die Annahme eines lediglich beweglichen Stimmverbots im Falle eines im konkreten Einzelfall festzustellenden Rechtsmissbrauchs (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 19.09.2002 – V ZB 30/02 –) nicht ausreichend ist, um dieser effektiv zu begegnen.

Liegen die Voraussetzungen eines Stimmverbots vor, so kann der betroffene Wohnungseigentümer auch keine andere Person zur Ausübung seines Stimmrechts bevollmächtigten, da er keine Rechtsmacht zur Ausübung übertragen kann, die ihm selbst nicht zusteht.

 

Arzthaftungsrecht – Zur Aufklärungspflicht des Arztes vor einem beabsichtigten Eingriff und zu den Anforderungen an den Nachweis einer ordnungsgemäßen Risikoaufklärung.

Nach der Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGH) hat der aufklärungspflichtige Arzt nachzuweisen, dass er die von ihm geschuldete Aufklärung erbracht hat.
An den dem Arzt obliegenden Beweis dürfen allerdings keine unbilligen und übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Danach hat der Tatrichter die besondere Situation, in der sich der Arzt während der Behandlung des Patienten befindet, ebenso zu berücksichtigen wie die Gefahr, die sich aus dem Missbrauch seiner Beweislast durch den Patienten zu haftungsrechtlichen Zwecken ergeben kann.
Ist einiger Beweis für ein gewissenhaftes Aufklärungsgespräch erbracht, sollte dem Arzt im Zweifel geglaubt werden, dass die Aufklärung auch im Einzelfall in der gebotenen Weise geschehen ist; dies auch mit Rücksicht darauf, dass aus vielerlei verständlichen Gründen Patienten sich im Nachhinein an den genauen Inhalt solcher Gespräche, die für sie etwa vor allem von therapeutischer Bedeutung waren, nicht mehr erinnern.
In jedem Fall bedarf es einer verständnisvollen und sorgfältigen Abwägung der tatsächlichen Umstände, für die der Tatrichter einen erheblichen Freiraum hat (vgl. BGH, Urteil vom 22.05.2001 – VI ZR 268/00 –).

Schriftliche Aufzeichnungen im Krankenblatt über die Durchführung des Aufklärungsgesprächs und seinen wesentlichen Inhalt sind nützlich und dringend zu empfehlen.
Ihr Fehlen darf aber nicht dazu führen, dass der Arzt regelmäßig beweisfällig für die behauptete Aufklärung bleibt. Allein entscheidend ist das vertrauensvolle Gespräch zwischen Arzt und Patient. Deshalb muss auch der Arzt, der keine Formulare benutzt und für den konkreten Einzelfall keine Zeugen zur Verfügung hat, eine faire und reale Chance haben, den ihm obliegenden Beweis für die Durchführung und den Inhalt des Aufklärungsgesprächs zu führen.

Nach diesen Grundsätzen ist dem Arzt der Nachweis der Aufklärung nicht verwehrt, wenn er sie nicht dokumentiert hat.
Auch wenn man in der stationären Behandlung eine Dokumentation der Tatsache eines Aufklärungsgesprächs und des wesentlichen Inhalts erwarten kann, darf an das Fehlen einer Dokumentation keine allzu weitgehende Beweisskepsis geknüpft werden. Aus medizinischer Sicht ist – anders als bei Behandlungsmaßnahmen – eine Dokumentation der Aufklärung regelmäßig nicht erforderlich. Ebenso wie dem Arzt der Nachweis der Aufklärung nicht verwehrt ist, wenn er sie überhaupt nicht dokumentiert hat, muss es ihm möglich sein, über den schriftlich dokumentierten Text hinausgehende Inhalte seines Aufklärungsgesprächs nachzuweisen. Dies gilt sowohl für den Fall, dass das sich realisierende Risiko in dem vom Patienten unterschriebenen Aufklärungsformular nicht erwähnt ist, als auch für den Fall, dass darüber hinaus durch handschriftliche Zusatzeinträge ein weitergehender Gesprächsinhalt dokumentiert ist.

Für den Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung ist nicht unbedingt erforderlich, dass sich der Arzt an das konkrete Aufklärungsgespräch (Ort, Umstände, genauer Inhalt) erinnert. Angesichts der Vielzahl von Informations- und Aufklärungsgesprächen, die Ärzte täglich führen, kann dies nicht erwartet werden. Da an den vom Arzt zu führenden Nachweis der ordnungsgemäßen Aufklärung keine unbilligen oder übertriebenen Anforderungen zu stellen sind, darf das Gericht seine Überzeugungsbildung gemäß § 286 Zivilprozessordnung (ZPO) auf die Angaben des Arztes über eine erfolgte Risikoaufklärung stützen, wenn seine Darstellung in sich schlüssig und „einiger“ Beweis für ein Aufklärungsgespräch erbracht ist.
Dies gilt auch dann, wenn der Arzt erklärt, ihm sei das strittige Aufklärungsgespräch nicht im Gedächtnis geblieben.

Nach der Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des BGH ist der Patient vor dem beabsichtigten Eingriff so rechtzeitig aufzuklären, dass er durch hinreichende Abwägung der für und gegen den Eingriff sprechenden Gründe seine Entscheidungsfreiheit und damit sein Selbstbestimmungsrecht in angemessener Weise wahren kann. Zum Schutz des Selbstbestimmungsrechtes erfordert dies grundsätzlich, dass ein Arzt, der einem Patienten eine Entscheidung über die Duldung eines operativen Eingriffs abverlangt und für diesen Eingriff bereits einen Termin bestimmt, ihm schon in diesem Zeitpunkt auch die Risiken aufzeigt, die mit diesem Eingriff verbunden sind (vgl. BGH, Urteil vom 25.03.2003 – VI ZR 131/02 –).

Darauf hat der BGH mit Urteil vom 28.01.2014 – VI ZR 143/13 – hingewiesen.

Zu der im Schrifttum vertretenen Auffassung, dass bei einem zu großen zeitlichen Abstand zwischen Aufklärung und operativem Eingriff eine ursprünglich erteilte Einwilligung bis zum Eingriff bereits „entaktualisiert“ sein könnte, hat der BGH in dieser Entscheidung keine Stellung genommen, weil seiner Auffassung nach in dem von ihm zu entscheidenden Fall, zum Zeitpunkt der Operation am 11.05.2004 die am 02.02.2004 erfolgte Aufklärung jedenfalls noch nicht „entaktualisiert“ war.