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Wohnungseigentumsgesetz (WEG) – Ein gegen die Gemeinschaft klagender Wohnungseigentümer ist nicht stimmberechtigt.

Ein Wohnungseigentümer unterliegt in entsprechender Anwendung von § 25 Abs. 5 Alt. 2 WEG einem Stimmverbot, wenn er einen Rechtsstreit gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft führt und verfahrensbezogene Maßnahmen Gegenstand der Beschlussfassung sind.

Das hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 06.12.2013 – V ZR 85/13 – entschieden.

Nach § 25 Abs. 5 WEG ist ein Wohnungseigentümer u.a. dann nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlussfassung die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits der anderen Wohnungseigentümer gegen ihn betrifft.
Die Vorschrift berücksichtigt nicht, dass auch die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband nach § 10 Abs. 6 WEG rechtsfähig ist und es damit zu Rechtsstreitigkeiten zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und einzelnen Wohnungseigentümern kommen kann. Hierbei handelt es sich um eine planwidrige Regelungslücke. Die Vorschrift des § 25 Abs. 5 WEG, die seit Inkrafttreten des Wohnungseigentumsgesetzes vom 15.03.1951 unverändert geblieben ist, ist nach der Anerkennung der (Teil-)Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft (BGH, Beschluss vom 02.06.2005 – V ZB 32/05 –) und ihrer Normierung durch das Gesetz zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze vom 23.03.2007 (BGBl. I 2007, 370) nicht an die neue Rechtslage angepasst worden.
Die dadurch entstandene Lücke ist durch eine entsprechende Anwendung von § 25 Abs. 5 WEG zu schließen.

Zweck des in § 25 Abs. 5 WEG geregelten Stimmverbots ist es, zu verhindern, dass der Prozessgegner auf das Ob und Wie einer gegen ihn gerichteten Prozessführung Einfluss nehmen kann (vgl. BGH, Urteil vom 14.10.2011 – V ZR 56/11 –).
Bei einer Mitwirkung eines beklagten Wohnungseigentümers an der auf das Verfahren bezogenen Willensbildung auch auf Klägerseite bestünde die naheliegende Gefahr, dass eine sachgerechte Klärung der zur gerichtlichen Überprüfung gestellten Streitgegenstände erschwert oder gar verhindert würde, sei es, dass schon keine Klage erhoben würde, sei es, dass sachgerechte Anträge nicht gestellt würden oder der Rechtsstreit in sonstiger Weise nicht mit dem nötigen Nachdruck betrieben würde.
Daher scheidet eine Beteiligung an der Abstimmung über alle Beschlussgegenstände aus, die verfahrensbezogene Maßnahmen betreffen, worunter insbesondere Beschlüsse über die Einleitung des Rechtsstreits, die Art und Weise der Prozessführung und die Frage der verfahrensrechtlichen Beendigung fallen (BGH, Urteil vom 14.10.2011 – V ZR 56/11 –).

Dieselbe Gefahr besteht, wenn sich in einem Rechtsstreit die Gemeinschaft und ein Wohnungseigentümer gegenüber stehen. Ein sachgerechter Grund, diesen Fall anders zu behandeln, als jenen, in dem die anderen Wohnungseigentümer Klage gegen einen Wohnungseigentümer erheben wollen, ist nicht ersichtlich.

Ebenso unterliegt auch ein Wohnungseigentümer, der als Kläger einen Rechtsstreit gegen die Eigentümergemeinschaft führt, einem Stimmverbot, wenn es um die Willensbildung der Gemeinschaft über die zu ergreifenden verfahrensrechtlichen Maßnahmen geht.
Für eine solche weite Interpretation des Wortlauts des § 25 Abs. 5 Alt. 2 WEG sprechen historische, systematische und teleologische Gesichtspunkte. Die Gefahr, dass der mit der Wohnungseigentümergemeinschaft streitende Wohnungseigentümer auf das Ob und Wie der Prozessführung der Gemeinschaft Einfluss nimmt, besteht unabhängig von der Verteilung der Parteirollen.
Wird die Gemeinschaft verklagt, ist der Verwalter nach § 27 Abs. 3 Nr. 2 WEG zwar berechtigt, im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und mit Wirkung für und gegen sie Maßnahmen zu treffen, die zur Wahrung einer Frist oder zur Abwendung eines sonstigen Rechtsnachteils erforderlich sind, insbesondere einen gegen die Gemeinschaft gerichteten Rechtsstreit gemäß § 43 Nr. 5 WEG im Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren zu führen.
Die Wahrnehmung der Interessen der Wohnungseigentümergemeinschaft in einem gegen diese gerichteten Verfahren gehört zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben des Verwalters, zu der er nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist (BGH, Beschluss vom 22.09.2011 – I ZB 61/10 –).
Im Innenverhältnis nehmen die in § 27 WEG geregelten Befugnisse des Verwalters den Wohnungseigentümern jedoch nicht ihre Entscheidungsmacht und ihre gemeinschaftliche Geschäftsführungsbefugnis (BGH, Urteil vom 05.07.2013 – V ZR 241/12 –).
Könnte der gegen die Gemeinschaft klagende Wohnungseigentümer an der auf das Verfahren bezogenen Willensbildung der Gemeinschaft mitwirken, bestünde daher die Gefahr, dass sachgerechte, auf die Verteidigung gegen den geltend gemachten Anspruch bezogene Schritte unterbleiben und die Gemeinschaft hierdurch einen Schaden erleidet.
Die Gefahr einer nicht an der ordnungsgemäßen Verwaltung, sondern an privaten Sonderinteressen orientierten Einflussnahme auf den Willensbildungsprozess der Gemeinschaft ist so groß, dass die Annahme eines lediglich beweglichen Stimmverbots im Falle eines im konkreten Einzelfall festzustellenden Rechtsmissbrauchs (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 19.09.2002 – V ZB 30/02 –) nicht ausreichend ist, um dieser effektiv zu begegnen.

Liegen die Voraussetzungen eines Stimmverbots vor, so kann der betroffene Wohnungseigentümer auch keine andere Person zur Ausübung seines Stimmrechts bevollmächtigten, da er keine Rechtsmacht zur Ausübung übertragen kann, die ihm selbst nicht zusteht.

 

Arzthaftungsrecht – Zur Aufklärungspflicht des Arztes vor einem beabsichtigten Eingriff und zu den Anforderungen an den Nachweis einer ordnungsgemäßen Risikoaufklärung.

Nach der Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGH) hat der aufklärungspflichtige Arzt nachzuweisen, dass er die von ihm geschuldete Aufklärung erbracht hat.
An den dem Arzt obliegenden Beweis dürfen allerdings keine unbilligen und übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Danach hat der Tatrichter die besondere Situation, in der sich der Arzt während der Behandlung des Patienten befindet, ebenso zu berücksichtigen wie die Gefahr, die sich aus dem Missbrauch seiner Beweislast durch den Patienten zu haftungsrechtlichen Zwecken ergeben kann.
Ist einiger Beweis für ein gewissenhaftes Aufklärungsgespräch erbracht, sollte dem Arzt im Zweifel geglaubt werden, dass die Aufklärung auch im Einzelfall in der gebotenen Weise geschehen ist; dies auch mit Rücksicht darauf, dass aus vielerlei verständlichen Gründen Patienten sich im Nachhinein an den genauen Inhalt solcher Gespräche, die für sie etwa vor allem von therapeutischer Bedeutung waren, nicht mehr erinnern.
In jedem Fall bedarf es einer verständnisvollen und sorgfältigen Abwägung der tatsächlichen Umstände, für die der Tatrichter einen erheblichen Freiraum hat (vgl. BGH, Urteil vom 22.05.2001 – VI ZR 268/00 –).

Schriftliche Aufzeichnungen im Krankenblatt über die Durchführung des Aufklärungsgesprächs und seinen wesentlichen Inhalt sind nützlich und dringend zu empfehlen.
Ihr Fehlen darf aber nicht dazu führen, dass der Arzt regelmäßig beweisfällig für die behauptete Aufklärung bleibt. Allein entscheidend ist das vertrauensvolle Gespräch zwischen Arzt und Patient. Deshalb muss auch der Arzt, der keine Formulare benutzt und für den konkreten Einzelfall keine Zeugen zur Verfügung hat, eine faire und reale Chance haben, den ihm obliegenden Beweis für die Durchführung und den Inhalt des Aufklärungsgesprächs zu führen.

Nach diesen Grundsätzen ist dem Arzt der Nachweis der Aufklärung nicht verwehrt, wenn er sie nicht dokumentiert hat.
Auch wenn man in der stationären Behandlung eine Dokumentation der Tatsache eines Aufklärungsgesprächs und des wesentlichen Inhalts erwarten kann, darf an das Fehlen einer Dokumentation keine allzu weitgehende Beweisskepsis geknüpft werden. Aus medizinischer Sicht ist – anders als bei Behandlungsmaßnahmen – eine Dokumentation der Aufklärung regelmäßig nicht erforderlich. Ebenso wie dem Arzt der Nachweis der Aufklärung nicht verwehrt ist, wenn er sie überhaupt nicht dokumentiert hat, muss es ihm möglich sein, über den schriftlich dokumentierten Text hinausgehende Inhalte seines Aufklärungsgesprächs nachzuweisen. Dies gilt sowohl für den Fall, dass das sich realisierende Risiko in dem vom Patienten unterschriebenen Aufklärungsformular nicht erwähnt ist, als auch für den Fall, dass darüber hinaus durch handschriftliche Zusatzeinträge ein weitergehender Gesprächsinhalt dokumentiert ist.

Für den Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung ist nicht unbedingt erforderlich, dass sich der Arzt an das konkrete Aufklärungsgespräch (Ort, Umstände, genauer Inhalt) erinnert. Angesichts der Vielzahl von Informations- und Aufklärungsgesprächen, die Ärzte täglich führen, kann dies nicht erwartet werden. Da an den vom Arzt zu führenden Nachweis der ordnungsgemäßen Aufklärung keine unbilligen oder übertriebenen Anforderungen zu stellen sind, darf das Gericht seine Überzeugungsbildung gemäß § 286 Zivilprozessordnung (ZPO) auf die Angaben des Arztes über eine erfolgte Risikoaufklärung stützen, wenn seine Darstellung in sich schlüssig und „einiger“ Beweis für ein Aufklärungsgespräch erbracht ist.
Dies gilt auch dann, wenn der Arzt erklärt, ihm sei das strittige Aufklärungsgespräch nicht im Gedächtnis geblieben.

Nach der Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des BGH ist der Patient vor dem beabsichtigten Eingriff so rechtzeitig aufzuklären, dass er durch hinreichende Abwägung der für und gegen den Eingriff sprechenden Gründe seine Entscheidungsfreiheit und damit sein Selbstbestimmungsrecht in angemessener Weise wahren kann. Zum Schutz des Selbstbestimmungsrechtes erfordert dies grundsätzlich, dass ein Arzt, der einem Patienten eine Entscheidung über die Duldung eines operativen Eingriffs abverlangt und für diesen Eingriff bereits einen Termin bestimmt, ihm schon in diesem Zeitpunkt auch die Risiken aufzeigt, die mit diesem Eingriff verbunden sind (vgl. BGH, Urteil vom 25.03.2003 – VI ZR 131/02 –).

Darauf hat der BGH mit Urteil vom 28.01.2014 – VI ZR 143/13 – hingewiesen.

Zu der im Schrifttum vertretenen Auffassung, dass bei einem zu großen zeitlichen Abstand zwischen Aufklärung und operativem Eingriff eine ursprünglich erteilte Einwilligung bis zum Eingriff bereits „entaktualisiert“ sein könnte, hat der BGH in dieser Entscheidung keine Stellung genommen, weil seiner Auffassung nach in dem von ihm zu entscheidenden Fall, zum Zeitpunkt der Operation am 11.05.2004 die am 02.02.2004 erfolgte Aufklärung jedenfalls noch nicht „entaktualisiert“ war.

 

Verwaltungsrecht – Lässt die Polizei ein Kfz zur Eigentumssicherung auf einen (amtlichen) Verwahrplatz abschleppen muss der Kfz-Halter die Kosten der Abschleppmaßnahme tragen.

Veranlasst die Polizei, nachdem sie bei einem geparkten Fahrzeug feststellt hat, dass eine Seitenscheibe vollständig heruntergelassen ist, sich Wertgegenstände im Fahrzeuginneren befinden und es nicht möglich ist, das Seitenfenster zu verschließen, zur Eigentumssicherung das Abschleppen des Kfz auf den (amtlichen) Verwahrplatz, muss der Kfz-Halter die Kosten für die Abschleppmaßnahme tragen.
Allerdings ist bei einer solchen Abschleppmaßnahme (Sicherstellung) zur Eigentumssicherung schon unter Berücksichtigung des Zwecks der Maßnahme und des in Art. 2 Abs. 2 Polizeiaufgabengesetz (PAG) zum Ausdruck kommenden Subsidiaritätsgrundsatzes in der Regel eine vorhergehende Benachrichtigung des Kfz-Halters oder jedenfalls deren Versuch erforderlich, um ihm die Möglichkeit zu eröffnen, seine privaten Rechte selbst zu wahren.

Darauf hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) mit Urteil vom 11.12.2013 – 10 B 12.2569 – hingewiesen.

Gemäß Art. 9 Abs. 2 S. 1 PAG erhebt die Polizei für die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme von dem für die Störung (nach Art. 7 oder 8 PAG) Verantwortlichen die Kosten (Auslagen und Gebühren; zu dieser Rechtsgrundlage für die Auferlegung von Abschleppkosten vgl. z. B. BayVGH, Urteil vom 22.10.2008 – 10 B 08.1984 –).

Die Voraussetzungen der unmittelbaren Ausführung (Art. 9 Abs. 1 S. 1 PAG) einer Sicherstellung eines Fahrzeugs nach Art. 25 Nr. 2 PAG sind gegeben, wenn

  • im Zeitpunkt der Durchführung der Abschleppmaßnahme ein Sachverhalt vorliegt, bei dem eine polizeiliche Sicherstellungsanordnung nach Art. 25 Nr. 2 PAG (Grundverfügung) selbst rechtmäßig gewesen wäre und
  • der Zweck der Maßnahme durch die Inanspruchnahme des Kfz-Halters als nach Art. 7 oder Art. 8 PAG Verantwortlichen nicht bzw. jedenfalls nicht rechtzeitig erreicht werden konnte.

Gemäß Art. 25 Nr. 2 PAG kann die Polizei – im Rahmen der ihr gemäß Art. 2 Abs. 2 PAG (subsidiär) obliegenden Aufgabe des Schutzes privater Rechte – ein Kraftfahrzeug sicherstellen, um den Eigentümer oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung zu schützen.
Die Anwendung dieser Befugnisnorm kann insbesondere in Betracht kommen, wenn eine wertvolle Sache dem direkten Zugriff Dritter ungeschützt ausgesetzt ist.
Das Tätigwerden der Polizei ist in diesem polizeilichen Aufgabenbereich allerdings stets subsidiär gegenüber möglichen eigenen Schutzmaßnahmen des betroffenen Privaten.

In dem vom BayVGH entschiedenen Fall durften bzw. mussten die Polizeibeamten nach den gesamten Umständen zum Zeitpunkt ihres Handelns davon ausgehen,

  • dass der Eintritt eines Schadens im Sinne des Art. 25 Nr. 2 PAG hinreichend wahrscheinlich war,
  • die Sicherstellung des Kfz demzufolge auch dem mutmaßlichen Willen des Berechtigten (Kfz-Halter) diente, weil sie dessen objektiven Interesse entsprach (zu dieser Voraussetzung vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 03.05.1999 – 3 B 48.99 –),
  • dem Kfz-Halter weniger beeinträchtigende geeignete Sicherungsmaßnahmen am Kfz nicht möglich waren (s. Art. 4, Art. 5 Abs. 2 PAG) und
  • der Kfz-Halter als Eigentümer bzw. rechtmäßiger Inhaber der tatsächlichen Gewalt des gegen den unberechtigten Zugriff Dritter nicht hinreichend gesicherten Kfz auch nicht in der Lage war, den drohenden Schaden zu verhindern.

Bei der von den Polizeibeamten zu treffenden Prognose, dass in der konkreten Situation bei Nichteingreifen eine Beeinträchtigung des Eigentums oder (rechtmäßigen) Besitzes des vom Kläger in der W-straße abgestellten Kfz durch Verlust (Diebstahl) oder Beschädigung hinreichend wahrscheinlich ist, sind maßgebend die der Polizei zum Zeitpunkt ihres Handelns zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten.
Eine „gegenwärtige Gefahr“ wie nach Art. 25 Nr. 1 PAG ist darüber hinaus nicht zu fordern (zum Begriff der gegenwärtigen Gefahr vgl. BayVGH, Urteil vom 16.01.2001 – 24 B 99.1571 –).

Ob die zum Schutz des Eigentümers oder des rechtmäßigen Inhabers der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung gemäß Art. 25 Nr. 2 PAG – im Rahmen der Ermessensausübung (s. Art. 5 Abs. 1 PAG) – getroffene polizeiliche Sicherstellungsmaßnahme dem mutmaßlichen Willen des Berechtigten entspricht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.05.1999 – 3 B 48.99 –) beurteilt sich nicht danach, ob sich die polizeiliche Maßnahme als „nützlich“ oder „unerwünscht“ darstellt, sondern vielmehr danach, ob sie dem objektiven Interesse des Berechtigten entspricht, was nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dann der Fall ist, wenn jeder Eigentümer sie bei besonnener Betrachtung als sachgerecht beurteilt hätte.  

Gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 4 PAG) verstößt die Maßnahme dann nicht, wenn den Beamten keine einfacheren Mittel zur Sicherung des Kfz zur Verfügung standen (s. Art. 4 Abs. 1 PAG) und die Sicherstellung auch nicht durch eine sofortige Benachrichtigung des Klägers vermieden werden konnte (vgl. BayVGH, Urteil vom 16.01.2001 – 24 B 99.1571 –).
Unabhängig von der Frage, welchen Aufwand die Polizei mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 4 PAG) im Einzelnen sonst zur Ermittlung des Fahrzeugführers oder Fahrzeughalters betreiben muss, bevor sie das betroffene Fahrzeug abschleppen lassen darf, ist in den (Sonder-)Fällen der Eigentumssicherung schon unter Berücksichtigung des Zwecks der Maßnahme und des in Art. 2 Abs. 2 PAG zum Ausdruck kommenden Subsidiaritätsgrundsatzes in der Regel eine vorhergehende Benachrichtigung des Halters oder jedenfalls deren Versuch erforderlich, um ihm die Möglichkeit zu eröffnen, seine privaten Rechte selbst zu wahren.
Ob dies einschränkend nur für Fälle gilt, in denen der Halter „geradezu in greifbarer Nähe erscheint“ (so noch BayVGH, Urteil vom 16.01.2001 – 24 B 99.1571 –), musste der BayVGH hier nicht abschließend entscheiden.

 

Zur Bemessung einer Gesamtstrafe.

Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird gemäß § 53 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB ) auf eine Gesamtstrafe erkannt.

Die Bemessung der Gesamtstrafe nach § 54 Abs. 1 S. 3 StGB ist ein eigenständiger Strafzumessungsakt, bei dem die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend zu würdigen sind.
Dabei ist im Rahmen einer Gesamtschau vor allem das Verhältnis der einzelnen Taten zueinander, ihre größere oder geringere Selbstständigkeit, die Häufigkeit der Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und der Begehungsweisen sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen.

Die Erhöhung der Einsatzstrafe hat in der Regel niedriger auszufallen, wenn zwischen gleichartigen Taten ein enger zeitlicher, sachlicher und situativer Zusammenhang besteht.

Wird die Einsatzstrafe erheblich erhöht, bedarf dies näherer Begründung.
Kommt die Gesamtstrafe der Summe der Einzelstrafen nahe, ist eine eingehende Darlegung erforderlich, aus welchen Gründen der durch § 54 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1 StGB vorgesehene Rahmen für die Gesamtstrafenbildung nahezu ausgeschöpft wurde.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 17.12.2013 – 4 StR 261/13 – hingewiesen.
Vgl. hierzu im Übrigen auch Bernd Rösch, „Das Urteil in Straf- und Bußgeldsachen“, 2. Aufl., S. 152 ff.

 

Verwaltungsrecht – Erhebung von Abschleppkosten für Leerfahrt?

Die Kosten für eine Leerfahrt sind dem vor dem eingeleiteten Abschleppvorgang erschienenen Störer ohne Weiteres zuzurechnen, wenn das Abschleppfahrzeug konkret für sein Fahrzeug angefordert worden ist.
Kosten für eine Leerfahrt dürfen jedoch ausnahmsweise dann nicht erhoben werden, wenn das Abschleppfahrzeug ohne Einbußen für eine effektive Aufgabenerfüllung auf Kosten eines anderen Pflichtigen unmittelbar anderweitig eingesetzt werden kann.

Darauf hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster mit Beschluss vom 10.07.2013 – 5 A 1687/12 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall sollte – auf Veranlassung des Ordnungsamtes – das Fahrzeug des Klägers aus einem absoluten Halteverbot abgeschleppt werden. Noch bevor der Abschleppvorgang eingeleitet worden war, erschien der Kläger und fuhr das Fahrzeug weg.
Der angeforderte Abschleppwagen wurde daraufhin im Auftrag des Ordnungsamtes dazu eingesetzt, ein anderes, ebenfalls im absoluten Halteverbot geparktes Fahrzeug abzuschleppen.

Gegen den nachfolgend erlassenen Leistungsbescheid mit dem vom Kläger für die Leerfahrt (Anfahrt) durch das Abschleppunternehmen Kosten in Höhe von 54,57 Euro gefordert wurden, erhob der Kläger Klage.

Das Verwaltungsgericht (VG) wies die Klage ab.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hatte jedoch Erfolg.

Zwar sind, wie das OVG Münster ausgeführte, die Kosten für eine Leerfahrt dem vor dem eingeleiteten Abschleppvorgang erschienenen Störer ohne Weiteres zuzurechnen, wenn das Abschleppfahrzeug konkret für sein Fahrzeug angefordert worden ist. Bereits hierdurch tritt die Kostenpflicht des Fahrzeughalters ein, die grundsätzlich nachträglich nicht entfällt (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 18.2.2003 – 5 A 4183/03 –).
Trotz einer derart konkreten Zuordnung eines Abschleppfahrzeugs zu einem abzuschleppenden Fahrzeug können Kosten für eine Leerfahrt jedoch ausnahmsweise dann nicht erhoben werden, wenn das Abschleppfahrzeug ohne Einbußen für eine effektive Aufgabenerfüllung auf Kosten eines anderen Pflichtigen unmittelbar anderweitig eingesetzt werden kann (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 20.12.2012 – 5 A 2802/11 –).
Dann erweist sich die zusätzliche Berechnung von Kosten für eine Leerfahrt nämlich nachträglich im Einzelfall als nicht mehr erforderlich, weil die Anfahrt des Abschleppfahrzeugs dem Verantwortlichen für das benachbart geparkte, unmittelbar anschließend tatsächlich abgeschleppte Fahrzeug zugute kommen und diesem gegenüber in Rechnung gestellt werden kann.
Im Rahmen grundsätzlich zulässiger Abschleppmaßnahmen müssen Kostenpflichten – auch hinsichtlich solcher Kosten, die bereits angefallen sind – abgewendet werden, wenn dies offensichtlich ohne nennenswerte Beeinträchtigung praktikabler Verwaltungsabläufe möglich ist. So darf etwa für ein abzuschleppendes Fahrzeug kein Abschleppfahrzeug beauftragt werden, wenn an Ort und Stelle bereits ein Schleppwagen vorhanden ist, der zwar für ein anderes Fahrzeug bestellt worden ist, hierfür aber nicht mehr benötigt wird. Dieser kann den Abschleppvorgang zudem schneller durchführen als ein Abschleppfahrzeug, das erst zum Einsatzort gerufen werden muss.

 

Bauvertrag – Zum Anspruch des Unternehmers auf Bauhandwerkersicherung nach Kündigung des Bauvertrages.

Der u.a. für das Bauvertragsrecht zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Urteil vom 06.03.2014 – VII ZR 349/12 – darüber entschieden, in welchem Umfang der Unternehmer nach einer Kündigung des Bauvertrags durch den Besteller für seine Vergütung eine Bauhandwerkersicherung beanspruchen kann.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall hatte die Beklagte, die die Klägerin mit der Ausführung von Bauarbeiten beauftragt hatte, das Vertragsverhältnis wegen Nichteinhaltung von Sicherheitsvorschriften mit sofortiger Wirkung gekündigt.
Die Klägerin war der Auffassung, die Beklagte sei zu einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund nicht berechtigt gewesen. Die Kündigung sei daher als eine dem Besteller jederzeit mögliche freie Kündigung zu werten.
Die Klägerin hat die von ihr erbrachten Leistungen abgerechnet und für die nicht erbrachten Leistungen entgangenen Gewinn beansprucht.

Das Kammergericht (KG) hat der Klägerin eine Bauhandwerkersicherung sowohl für die erbrachten Leistungen als auch für den entgangenen Gewinn zugesprochen.

Auf die vom KG zugelassene Revision hat der BGH die Entscheidung des KG bestätigt, soweit dieses der Klägerin eine Sicherung für die Vergütung der erbrachten Leistungen zuerkannt hat.
Im Übrigen hat er der Revision stattgegeben und die Klage abgewiesen.

Der BGH hat entschieden, dass der Unternehmer auch nach einer Kündigung des Bauvertrags gemäß § 648a Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) noch eine Sicherheit für die noch nicht bezahlte Vergütung verlangen kann.
Der Unternehmer kann jedoch keine Sicherheit mehr in Höhe der ursprünglich vereinbarten Vergütung fordern, sondern muss die ihm nach Kündigung regelmäßig geringere Vergütung schlüssig berechnen.
Einwendungen des Bestellers gegen diese schlüssige Berechnung der Vergütung, die den Rechtsstreit verzögern würden, sind nicht zugelassen. Wären sie zugelassen, wäre der Unternehmer nicht effektiv geschützt, weil er während des Rechtsstreits ohne Sicherung wäre. Der Besteller muss es trotz der damit verbundenen Nachteile hinnehmen, dass möglicherweise eine Übersicherung stattfindet.

Bedeutung hat diese Rechtsprechung insbesondere für den Fall, dass die Parteien darüber streiten, ob eine außerordentliche Kündigung des Bestellers aus vom Unternehmer zu vertretenden Gründen, wie z.B. Verzögerung oder Schlechtleistung, vorliegt.
Sind die zu einer außerordentliche Kündigung berechtigenden Gründe streitig und würde die Aufklärung den Rechtsstreit verzögern, so ist von einer freien Kündigung auszugehen.
Damit kann der Unternehmer regelmäßig eine höhere Sicherheit verlangen, weil er dann auch eine Sicherung der Vergütung für nicht erbrachte Leistungen und nicht nur für die erbrachten Leistungen beanspruchen kann, § 649 S. 2 BGB.

Der Unternehmer hat seinen Vergütungsanspruch gemäß § 649 S. 2 BGB schlüssig darzulegen und dabei die Vergütung

  • für die erbrachten Leistungen und
  • für die nicht erbrachten Leistungen

abzurechnen.

In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte der Unternehmer diese Anforderungen nur für die erbrachten Leistungen erfüllt, so dass ihm auch nur insoweit eine Sicherung eingeräumt werden konnte.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 06.03.2014 – Nr. 45/2014 – mitgeteilt.

 

Zur Verkehrssicherungspflicht der verkehrssicherungspflichtigen Körperschaft bei Bäumen.

Die nach den einschlägigen straßenrechtlichen Vorschriften (hier: Straßengesetz des Landes Thüringen) verkehrssicherungspflichtige Körperschaft (hier: Gemeinde) muss bei gesunden Straßenbäumen auch dann keine besonderen Schutzmaßnahmen ergreifen, wenn bei diesen – wie z. B. bei der Pappel oder auch bei anderen Weichhölzern – ein erhöhtes Risiko besteht, dass im gesunden Zustand Äste abbrechen und Schäden verursacht werden können.

Das hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 06.03.2014 – III ZR 352/13 – entschieden.

Danach erstreckt sich die Straßenverkehrssicherungspflicht grundsätzlich zwar auch auf den Schutz vor Gefahren durch Bäume.
Allerdings genügen die Behörden ihrer diesbezüglichen Sicherungs- und Überwachungspflicht, wenn sie – außer der stets gebotenen regelmäßigen Beobachtung auf trockenes Laub, dürre Äste, Beschädigungen oder Frostrisse – eine eingehende Untersuchung der Bäume dann vornehmen, wenn besondere Umstände – wie das Alter des Baums, sein Erhaltungszustand, die Eigenart seiner Stellung oder sein statischer Aufbau oder ähnliches – sie angezeigt erscheinen lassen.

Allein der Umstand, dass bei manchen Baumarten ein erhöhtes Risiko besteht, dass auch im gesunden Zustand Äste abbrechen, führt nicht dazu, dass diese Bäume als im Verkehrsinteresse grundsätzlich zu beseitigende Gefahrenquellen eingestuft werden müssten und der Verkehrssicherungspflichtige weitergehende Schutzmaßnahmen zu ergreifen hat.
Ein natürlicher Astbruch, für den vorher keine besonderen Anzeichen bestanden haben, gehört auch bei hierfür anfälligeren Baumarten grundsätzlich zu den naturgebundenen und daher hinzunehmenden Lebensrisiken.
Eine absolute Sicherheit gibt es nicht.
Die Verkehrssicherungspflicht verlangt es nicht, gesunde, nur naturbedingt vergleichsweise bruchgefährdetere Baumarten an Straßen oder Parkplätzen zu beseitigen oder zumindest sämtliche in den öffentlichen Verkehrsraum hineinragenden Baumteile abzuschneiden.
Gehören damit aber die Folgen eines natürlichen Astabbruchs grundsätzlich zum allgemeinen Lebensrisiko, bedarf es auch keiner sonstigen Maßnahmen, wie der Absperrung des Luftraums unter Pappeln oder der Aufstellung von Warnschildern. Dies würde nach Auffassung des III. Zivilsenats des BGH die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht überspannen.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 06.03.2014 – Nr. 44/2014 – mitgeteilt.

 

Zum Schadensersatzanspruch gegen den Mieter für die Erneuerung einer Schließanlage wegen Verlustes eines Schlüssels.

Mit Urteil vom 05.03.2014 – VIII ZR 205/13 – hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden,

  • dass die Schadensersatzpflicht eines Mieters, der einen zu einer Schließanlage gehörenden Schlüssel verloren hat, auch die Kosten des Austausches der Schließanlage umfassen kann, wenn der Austausch wegen bestehender Missbrauchsgefahr aus Sicherheitsgründen erforderlich ist,
  • ein Vermögensschaden insoweit aber erst vorliegt, wenn die Schließanlage tatsächlich ausgetauscht worden ist.

 

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 06.03.2014 – Nr. 42/2014 – mitgeteilt.