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Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erlässt Einstweilige Anordnung gegen Ablehnung einer audiovisuellen Zeugenvernehmung in einem Strafprozess.

Die 3. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG hat mit Beschluss vom 27.02.2014 – 2 BvR 261/14 – der Strafkammer eines Landgerichts (LG) im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung in der Hauptsache die Vernehmung einer Zeugin untersagt, sofern diese Vernehmung nicht audiovisuell durchgeführt wird.
Bei der audiovisuellen Zeugenvernehmung wird die Aussage aus einem anderen Raum zeitgleich in Bild und Ton in den Sitzungssaal übertragen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall ist die Beschwerdeführerin in einem Strafverfahren vor einem LG als Zeugin geladen.
In dem Strafverfahren wird dem Angeklagten vorgeworfen, Frauen in mehreren Fällen – auch der Beschwerdeführerin – bei Verabredungen heimlich bewusstseinstrübende Substanzen in ihre Getränke gemischt und mit den Geschädigten unter Ausnutzung der Widerstandsunfähigkeit den Geschlechtsverkehr vollzogen zu haben. Der Angeklagte streitet die Vorwürfe ab und behauptet, der Geschlechtsverkehr sei jeweils einvernehmlich erfolgt.

Die Beschwerdeführerin hatte beantragt, die Zeugenvernehmung gemäß § 247a Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) audiovisuell durchzuführen, da anderenfalls die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für ihr psychisches Wohl bestehe. Sie habe das Geschehen verdrängt und einem emotionalen Zugang verschlossen. Bereits die Zeugenvernehmung durch die Polizei habe ihr Leben „aus den Bahnen“ geworfen. Erste therapeutische Fortschritte seien gefährdet, wenn sie erneut mit dem Angeklagten im selben Raum konfrontiert werde oder in der Atmosphäre einer Hauptverhandlung – selbst bei Ausschluss der Öffentlichkeit – das angeklagte Tatgeschehen in unmittelbarer Gegenwart der im Strafverfahren notwendig Anwesenden schildern müsse. Dies komme einem erneuten Durchleben der Tat mit Zuschauern gleich. In beiden Fällen sei nach Einschätzung der behandelnden Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie mit hoher Wahrscheinlichkeit eine längerfristige seelische Destabilisierung oder gar eine Retraumatisierung zu befürchten. Dieser Nachteil sei schwerwiegend, da er bei weitem über die vorübergehenden seelischen oder körperlichen Belastungen hinausreiche, die gewöhnlich mit einer Zeugeneinvernahme in einer Hauptverhandlung verbunden und durch den Zeugen hinzunehmen seien.

Das LG lehnte den Antrag u. a. mit der Begründung ab, das Gericht sei auf der Grundlage der vorgelegten Befundbericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die spezifische Belastung der Beschwerdeführerin auch durch andere Maßnahmen abgemildert werden könne, namentlich durch den Ausschluss der Öffentlichkeit, die Begleitung durch eine Vertrauensperson, die Anwesenheit der Nebenklägervertreterin, die Vermeidung einer unmittelbaren Konfrontation mit dem Angeklagten durch zeitversetzte Vorführung des Angeklagten und dessen Platzierung außerhalb des Sichtfelds der Beschwerdeführerin, durch eine möglichst schonende Vernehmung sowie durch eine vorherige Besichtigung des Gerichtssaals in Begleitung einer Vertrauensperson, um sich mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut zu machen. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass es im Rahmen einer persönlichen Vernehmung für das Gericht leichter sei, Signale, die auf eine übermäßige Belastung hindeuteten, wahrzunehmen und angemessen darauf zu reagieren.
Die Beschwerdeführerin hat hiergegen Verfassungsbeschwerde erhoben und diese mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden. Sie rügt eine Verletzung ihres Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz (GG)) sowie einen Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) durch die Entscheidung des LG.

Die 3. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG hat den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für zulässig und begründet erachtet.

Nach § 32 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) kann das BVerfG im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsaktes vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde wäre von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Bei offenem Ausgang muss das BVerfG die Folgen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht von vornherein unzulässig. Insbesondere steht ihrer Zulässigkeit im konkreten Einzelfall nicht entgegen, dass es sich für den Angeklagten bei der Entscheidung über die Ablehnung der audiovisuellen Vernehmungsform um eine strafprozessuale Zwischenentscheidung handelt.

Verfassungsbeschwerden gegen strafprozessuale, der Beschwerde entzogene Zwischenentscheidungen sind grundsätzlich ausgeschlossen. Die isolierte Anfechtbarkeit einer Zwischenentscheidung kommt nur in Betracht, wenn diese einen bleibenden rechtlichen Nachteil für den Betroffenen zur Folge hat, der sich später gar nicht oder nicht vollständig beheben lässt (vgl. BVerfGE 101, 106). Dies ist namentlich der Fall, wenn der Betroffene etwaige durch die Zwischenentscheidung bewirkte Grundrechtsverletzungen nicht mit der Anfechtung der Endentscheidung im fachgerichtlichen Verfahren rügen kann oder ihm die Verweisung auf den fachgerichtlichen Rechtsschutz nicht zuzumuten ist.

Danach kann die Beschwerdeführerin hier nicht auf eine vorrangige Inanspruchnahme fachgerichtlichen Rechtsschutzes verwiesen werden.

Nach herrschender Auffassung ist gemäß § 247a Abs. 1 S. 2 StPO nicht nur die Anordnung, sondern auch die Ablehnung der Anordnung einer audiovisuellen Vernehmung unanfechtbar. Unter den gegebenen Umständen ist daher der Beschwerdeführerin der Versuch, vorrangig fachgerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch zu nehmen, nicht zumutbar.
Ob im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Justizgewährleistungsanspruch desjenigen, der sich als Zeuge durch die Ablehnung der Anordnung einer audiovisuellen Vernehmung in einem Grundrecht verletzt sieht und dem insoweit effektiver Rechtsschutz durch die Endentscheidung nicht zur Verfügung steht, § 247a Abs. 1 Satz 2 StPO verfassungskonform dahin ausgelegt werden kann und muss, dass die Vorschrift nur einer Beschwerde gegen die Anordnung, nicht aber einer Beschwerde gegen die Ablehnung der Anordnung einer solchen Vernehmung entgegensteht, entzieht sich einer Klärung im Verfahren nach § 32 BVerfGG.

Die Verfassungsbeschwerde ist auch nicht offensichtlich unbegründet.

Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass das LG Bedeutung und Tragweite des Grundrechts der Beschwerdeführerin auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) verkannt hat.
Bei der Entscheidung über einen Antrag auf audiovisuelle Vernehmung gemäß § 247a Abs. 1 StPO handelt es sich um eine Entscheidung, die das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen hat. Hierbei hat das Gericht im Rahmen seines Rechtsfolgeermessens die wechselseitigen Interessen aller Verfahrensbeteiligten zu berücksichtigen. Schließen die konfligierenden Interessen einander aus, hat das Gericht diese gegeneinander abzuwägen und miteinander in Ausgleich zu bringen.
Vorliegend spricht vieles dafür, dass das LG seine Abwägungsentscheidung zu Gunsten der Interessen des Angeklagten und der Strafrechtspflege getroffen hat, ohne das entgegenstehende Interesse der Beschwerdeführerin überhaupt zuverlässig gewichten zu können.
Angesichts der konkreten Anhaltspunkte für eine posttraumatische Belastungsstörung der Beschwerdeführerin in Gestalt des vorliegenden ärztlichen Befundberichts, in welchen ausdrücklich auf die im Falle der unmittelbaren Vernehmung bestehende Gefahr der „längerfristigen seelischen Destabilisierung“ hingewiesen worden ist, hätte sich das LG möglicherweise nicht mehr darauf beschränken dürfen, auf die nach seiner Auffassung nicht eindeutig festgestellte Gefahr für die seelische Gesundheit der Beschwerdeführerin zu verweisen. Die Annahme liegt nicht fern, dass das Gericht gehalten war, durch ergänzende Befragung der behandelnden Ärztin oder Zuziehung eines Sachverständigen unter Berücksichtigung der individuellen Belastbarkeit der Beschwerdeführerin bestehende Zweifel über das Gewicht der für die Gesundheit der Beschwerdeführerin drohenden Nachteile und den Grad der Gefahr ihrer Verwirklichung auszuräumen, um seine Ermessensentscheidung in Abwägung der widerstreitenden Interessen auf der notwendigen Tatsachengrundlage vornehmen zu können.

Auch der gerügte Verstoß gegen das Verbot objektiver Willkür (Art. 3 Abs. 1 GG) erscheint nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht offensichtlich ausgeschlossen. Sollte die unzureichende Ausstattung des Gerichts mit Sachmitteln bei der gerichtlichen Ablehnung der von ihr beantragten Anwendung eines strafprozessualen Instituts, das – wie § 247a Abs. 1 StPO – dem Schutz ihrer grundrechtlich geschützten Interessen dient, ermessenslenkend eingewirkt haben, läge hierin eine sachfremde Erwägung, die unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wäre, ohne dass es auf ein schuldhaftes Handeln des Gerichts ankäme. Die Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde stellen sich – abhängig von den konkreten Umständen – insoweit als offen dar.

Im Rahmen der somit erforderlichen Abwägung überwiegen die Gründe für den Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Erginge die einstweilige Anordnung nicht, erwiese sich die Verfassungsbeschwerde später aber als begründet, könnte die Vernehmung der Beschwerdeführerin in Anwesenheit des Angeklagten und der notwendig Anwesenden in der Zwischenzeit vollzogen werden. In diesem Fall bestünde nach Einschätzung der behandelnden Ärztin die dringende Gefahr einer seelischen Destabilisierung oder Retraumatisierung der Beschwerdeführerin mit nicht abschätzbaren Folgen für ihre weitere psychische Entwicklung. Der hiermit verbundene Eingriff in das Grundrecht der Beschwerdeführerin aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG wiegt daher mit hoher Wahrscheinlichkeit schwer und kann nicht durch eine spätere Feststellung der Verfassungswidrigkeit des angefochtenen Hoheitsakts rückgängig gemacht werden.

Gegenüber dieser Gefahr einer irreparablen Rechtsbeeinträchtigung wiegen die Nachteile, die entstünden, wenn eine einstweilige Anordnung erlassen würde, die Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache aber keinen Erfolg hätte, weniger schwer. Zwar müsste in diesem Fall die Beschwerdeführerin ihrer Pflicht zur Zeugenaussage unter den vom Gericht bestimmten Bedingungen bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht nachkommen. Es ist aber nicht ersichtlich, dass wegen dieser Verzögerung ein überwiegender Nachteil für das Wohl der Allgemeinheit zu besorgen wäre, zumal dem Gericht unbenommen bleibt, die Zeugenvernehmung der Beschwerdeführerin gemäß § 247a Abs. 1 StPO audiovisuell durchzuführen. Zur Vermeidung des Eintritts strafprozessual relevanter Verzögerungen kommt zudem eine Abtrennung des Verfahrens in Betracht, soweit das Tatgeschehen zu Lasten der Beschwerdeführerin Anklagegegenstand ist.

 

Zur Kündigung während der Elternzeit durch den Insolvenzverwalter.

Wird über das Vermögen des Arbeitgebers das Insolvenzverfahren eröffnet, besteht das Arbeitsverhältnis zunächst fort.
Der Insolvenzverwalter kann das Arbeitsverhältnis allerdings unter Beachtung der kündigungsschutzrechtlichen Bestimmungen kündigen. § 113 S. 2 Insolvenzordnung (InsO) sieht dafür eine Kündigungsfrist von höchstens drei Monaten vor, die allen längeren vertraglichen, tariflichen oder gesetzlichen Kündigungsfristen vorgeht.
Als Ausgleich für die insolvenzbedingte vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt § 113 S. 3 InsO einen verschuldensunabhängigen Schadenersatzanspruch.
§ 113 InsO ist eine in sich geschlossene Regelung, die dem Arbeitnehmer keinen Anspruch darauf gewährt, dass der Insolvenzverwalter von der Höchstfrist des § 113 S. 2 InsO keinen oder nur eingeschränkten Gebrauch macht, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sozialversicherungsrechtliche Nachteile nach sich zieht. Das Gesetz sieht insoweit allein den Schadenersatzanspruch nach § 113 S. 3 InsO vor.

Darauf hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 27.02.2014 – 6 AZR 301/12 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall war die Klägerin im Versandhandel als Einkäuferin beschäftigt. Über das Vermögen ihrer Arbeitgeberin wurde am 01.09.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter kündigte gemäß § 113 S. 2 InsO das Arbeitsverhältnis wegen Betriebsstilllegung zum 31.05.2010. Hätte er die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist eingehalten, wäre das Arbeitsverhältnis erst zum 30.06.2010 beendet worden.
Die Klägerin befand sich im Zeitpunkt der Kündigung in Elternzeit. Durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlor sie die Möglichkeit, sich weiter beitragsfrei in der gesetzlichen Krankenversicherung zu versichern (§ 192 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)). Dies war dem Insolvenzverwalter bekannt.

Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis erst zum 30.06.2010 beendet worden ist. Sie vertrat die Auffassung, der Insolvenzverwalter habe ermessensfehlerhaft von der Möglichkeit, die Kündigungsfrist nach § 113 S. 2 InsO abzukürzen, Gebrauch gemacht. Sie habe unter Berücksichtigung der Wertentscheidung des Art. 6 Grundgesetz (GG) Anspruch auf Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Die Revision der Klägerin hatte vor dem Sechsten Senat des BAG keinen Erfolg.
Danach muss der Insolvenzverwalter den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht an den sich aus § 192 SGB V ergebenden sozialversicherungsrechtlichen Folgen ausrichten. Dass § 113 InsO für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur einen Schadenersatzanspruch vorsieht, steht im Einklang mit Art. 6 GG.

Das hat die Pressestelle des Bundesarbeitsgericht am 27.02.2014 – Nr. 9/14 – mitgeteilt.

 

Verkehrsrecht – Zur Zurechnung eines Schadens zum Haftungsmerkmal „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges“.

Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es maßgeblich darauf an, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges steht.
Steht der Brand eines geparkten Kraftfahrzeuges in einem ursächlichen Zusammenhang mit dessen Betriebseinrichtungen, ist der dadurch verursachte Schaden an Rechtsgütern Dritter im Sinne des § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) regelmäßig der Betriebsgefahr zuzurechnen

Darauf hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 21.01.2014 – VI ZR 253/13 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall war der bei der Beklagten zu 1 haftpflichtversicherte Pkw der Beklagten zu 2, den diese am Nachmittag des 21.01.2012 in der Tiefgarage des von ihr mitbewohnten Hausanwesens abgestellt hatte, am frühen Morgen des 23.01.2012, kurz nach 1.00 Uhr, aufgrund Selbstentzündung durch einen technischen Defekt in Brand geraten, wodurch auch der daneben geparkte Pkw des Klägers beschädigt worden war.

Die Klage des Klägers gegen die Beklagten auf Schadensersatz wegen Beschädigung seines Fahrzeuges durch den Brand des Fahrzeuges der Beklagten zu 2 wurde vom Amtsgericht (AG)  abgewiesen.

Auf die Berufung des Klägers verurteilte das Landgericht (LG) die Beklagten in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils antragsgemäß.

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Wie der VI. Zivilsenat des BGH in seiner Entscheidung ausführte, haften die Beklagten auf Schadensersatz aus § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG).

Voraussetzung des § 7 Abs. 1 StVG ist, dass eines der dort genannten Rechtsgüter „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges“ verletzt bzw. beschädigt worden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats ist dieses Haftungsmerkmal entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Denn die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kraftfahrzeuges erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird; die Vorschrift will daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen.
Ein Schaden ist demgemäß bereits dann „bei dem Betrieb“ eines Kraftfahrzeuges entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit)geprägt worden ist (vgl. Senatsurteile vom 27.11.2007 – VI ZR 210/06 –; vom 31.01.2012 – VI ZR 43/11 – und vom 26.02.2013 – VI ZR 116/12 –).

Erforderlich ist aber stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll, d.h. die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist (vgl. Senatsurteile vom 26.04.2005 – VI ZR 168/04 –; vom 31.01.2012 – VI ZR 43/11 – und vom 26.02.2013 –  VI ZR 116/12 –).

Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges steht (vgl. Senatsurteile vom 10.02.2004 – VI ZR 218/03 –; vom 27.11.2007 – VI ZR 210/06 – und vom 26.02.2013 – VI ZR116/12 –).

Nach diesen Grundsätzen ist die Beschädigung des Fahrzeuges des Klägers der vom Fahrzeug der Beklagten zu 2 ausgehenden Betriebsgefahr zuzurechnen.

Der Schaden am Fahrzeug des Klägers stand in einem nahen örtlichen und zeitlichen Kausalzusammenhang mit dem Brand des Kraftfahrzeuges der Beklagten zu 2, der durch den technischen Defekt einer Betriebseinrichtung dieses Fahrzeuges verursacht worden ist.
Dass Dritte durch den Defekt einer Betriebseinrichtung eines Kraftfahrzeuges an ihren Rechtsgütern einen Schaden erleiden, gehört zu den spezifischen Auswirkungen derjenigen Gefahren, für die die Haftungsvorschrift des § 7 StVG den Verkehr schadlos halten will.
Dabei macht es rechtlich keinen Unterschied, ob der Brand – etwa durch einen Kurzschluss der Batterie – unabhängig vom Fahrbetrieb selbst vor, während oder nach einer Fahrt eintritt.
Wollte man die Haftung aus § 7 Abs. 1 StVG auf Schadensfolgen begrenzen, die durch den Fahrbetrieb selbst und dessen Nachwirkungen verursacht worden sind, liefe die Haftung in all den Fällen leer, in denen unabhängig von einem Betriebsvorgang allein ein technischer Defekt einer Betriebseinrichtung für den Schaden eines Dritten ursächlich geworden ist.
Bei der gebotenen wertenden Betrachtung ist das Schadensgeschehen jedoch auch in diesen Fällen – im Gegensatz etwa zu einem vorsätzlichen Inbrandsetzen eines ordnungsgemäß auf einem Parkplatz abgestellten Kraftfahrzeuges (vgl. Senatsurteil vom 27.11.2007 – VI ZR 210/06 –) – durch das Kraftfahrzeug selbst und die von ihm ausgehenden Gefahren entscheidend (mit)geprägt worden. Hierzu reicht es aus, dass der Brand oder dessen Über- greifen in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges steht (vgl. Senatsurteil vom 27.11.2007 – VI ZR 210/06 –).

Vgl. auch den Blog „Verkehrsrecht – Wann ist ein Schaden „beim Betrieb“ eines Kraftfahrzeugs entstanden?“

 

Betreuungsrecht – Folgen einer Verletzung der Anhörungspflicht im Unterbringungsverfahren.

Die persönliche Anhörung gehört zu den bedeutsamen Verfahrensgarantien im Unterbringungsverfahren und ist Kernstück der Amtsermittlung.
Das Unterbleiben der persönlichen Anhörung des Betroffenen stellt einen Verfahrensmangel dar, der derart schwer wiegt, dass der genehmigten Unterbringungsmaßnahme insgesamt der Makel einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung anhaftet.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 29.01.2014 – XII ZB 330/13 – hingewiesen.

Der persönlichen Anhörung kommt im Unterbringungsverfahren zentrale Bedeutung zu. Die sie anordnende Vorschrift des § 319 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) sichert nicht nur den Anspruch des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Durch sie soll auch sichergestellt werden, dass sich das Gericht vor der Entscheidung über den mit einer Unterbringung verbundenen erheblichen Grundrechtseingriff einen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen verschafft, durch den es in die Lage versetzt wird, eingeholte Sachverständigengutachten (§ 321 FamFG), ärztliche Stellungnahmen oder sonstige Zeugenaussagen zu würdigen (Senatsbeschluss vom 02.03.2011 – XII ZB 346/10 –).
Die persönliche Anhörung gehört zu den bedeutsamen Verfahrensgarantien, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 GG fordert, zum Verfassungsgebot erhebt und so mit grundrechtlichem Schutz versieht, und ist Kernstück der Amtsermittlung.

Genehmigen Gerichte die Unterbringung eines Betroffenen bzw. billigen sie diese Genehmigung im Beschwerdeverfahren, ohne den Betroffenen persönlich anzuhören, verletzen sie diese elementare Verfahrensgarantie, was – wenn sich die Unterbringungsmaßnahme durch Zeitablauf erledigt hat – die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Unterbringungsmaßnahme nach § 62 FamFG rechtfertigt.

Vgl. hierzu auch den Blog „Betreuungsverfahren – Zur Pflicht des Beschwerdegerichts den Betroffenen im Beschwerdeverfahren persönlich anzuhören“.

 

Strafverfahren – Vertretung des Angeklagten im Adhäsionsverfahren ist von Pflichtverteidigerbestellung nicht umfasst.

Die Beiordnung als Pflichtverteidiger nach § 140 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) erstreckt sich nicht auf die Vertretung des Angeklagten im Adhäsionsverfahren.

Darauf hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden mit Beschluss vom 27.03.2013 – 3 Ws 2/13 – hingewiesen.

In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird die Frage, ob die Bestellung als Pflichtverteidiger gemäß § 140 StPO auch das Tätigwerden für den Angeklagten im Adhäsionsverfahren umfasst, nicht einheitlich beantwortet. Nach der inzwischen wohl herrschenden Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, ist die Vertretung im Adhäsionsverfahren von der Pflichtverteidigerbestellung nach § 140 StPO nicht erfasst, sondern bedarf der ausdrücklichen Beiordnung des Rechtsanwalts nach § 404 Abs. 5 StPO.

Maßgebend sind für den Senat insbesondere folgende Erwägungen:

Die in den §§ 403 bis 406 der StPO enthaltenen Regelungen zum Adhäsionsverfahren ermöglichen es dem Verletzten, seine bürgerlich-rechtlichen Ersatzansprüche gegen den mutmaßlichen Straftäter, die er an sich vor dem Zivilgericht verfolgen müsste (§ 13 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)), – wahlweise – im Strafverfahren geltend zu machen. Dadurch kann vermieden werden, dass mehrere Gerichte in derselben Sache tätig werden und zueinander widersprechenden Entscheidungen gelangen.
In diesem Rahmen sieht § 404 Abs. 5 S. 1 StPO vor, dass sowohl dem Antragsteller als auch dem Angeschuldigten auf Antrag Prozesskostenhilfe nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu bewilligen ist, sobald Klage erhoben ist. Damit gelten im Adhäsionsverfahren die Regelungen der §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend, wobei nach § 404 Abs. 5 S. 2 StPO lediglich § 121 Abs. 2 ZPO mit der Maßgabe zur Anwendung gelangt, dass dem Angeschuldigten, der einen Verteidiger hat, dieser beigeordnet werden soll.
Aus dem Wortlaut der genannten Regelung ergibt sich danach kein Anhalt dafür, dass nur dem Angeschuldigten, dem nicht bereits ein Pflichtverteidiger nach § 140 StPO beigeordnet worden ist, auf seinen Antrag hin im Adhäsionsverfahren ein Rechtsanwalt nach § 404 Abs. 5 StPO unter den Voraussetzungen der Regelungen in §§ 114 ff ZPO beigeordnet werden soll.
Vielmehr wird nach § 404 Abs. 5 Satz 2 StPO allein der in § 121 Abs. 2 StPO enthaltene Grundsatz der freien Anwaltswahl eingeschränkt, wenn der Angeschuldigte bereits durch einen Verteidiger im Verfahren vertreten wird.
Gleiches gilt auch im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte der Norm. Denn auch der Gesetzesbegründung lässt sich eine entsprechende Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 404 Abs. 5 StPO nicht entnehmen. Zudem sprechen aber auch der Sinn und Zweck der Regelungen über die Pflichtverteidigerbestellung auf der einen Seite und über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 404 Abs. 5 StPO auf der anderen Seite nicht dafür, dass auch die Abwehr von Adhäsionsanträgen von der Bestellung zum Pflichtverteidiger umfasst ist und der Anwendungsbereich des § 404 Abs. 5 StPO dahingehend eingeschränkt ist, dass er bei erfolgter Pflichtverteidigerbestellung nach § 140 StPO im Adhäsionsverfahren keine Anwendung findet.
Denn mit dem Institut der notwendigen Verteidigung durch Bestellung eines Verteidigers ohne Rücksicht auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Angeklagten nach § 140 StPO sichert der Gesetzgeber das Interesse, das der Rechtsstaat an einen prozessordnungsgemäßen Strafverfahren und zu diesem Zweck nicht zuletzt an einer wirksamen Verteidigung des Beschuldigten hat.
Dagegen dient die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vor dem Hintergrund des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG)) dazu, dass bedürftige Parteien aus wirtschaftlichen Gründen nicht daran gehindert werden, ihr Recht vor Gericht zu suchen.
Für die Prozesskostenhilfebewilligung nach §§ 114 ff. ZPO und die Pflichtverteidigerbestellung nach § 140 StPO gelten daher unterschiedliche Voraussetzungen. Es gibt danach jedoch keine sachliche Rechtfertigung dafür, insbesondere auch unter Berücksichtigung des (dargestellten) Zwecks des Adhäsionsverfahrens, nämlich es dem Verletzten zu ermöglichen, seine bürgerlich-rechtlichen Ersatzansprüche nicht im gesonderten Zivil-, sondern bereits im Strafverfahren geltend machen zu können, auch die Pflichtverteidigerbestellung auf das Adhäsionsverfahren zu erstrecken.
Vielmehr würde dies zu einer ungerechtfertigten Besserstellung des Angeklagten, der einen Pflichtverteidiger hat, gegenüber demjenigen führen, der im Zivilprozess in Anspruch genommen wird und dem dort, weil die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht vorliegen, ein Rechtsanwalt auf Staatskosten nicht beigeordnet werden würde.

 

Fahrradfahrer – Zu den Verhaltenspflichten beim Linksabbiegen im fließenden Verkehr.

Für Radfahrer gelten beim Abbiegen im fließenden Verkehr im Grundsatz keine anderen verkehrsrechtlichen Verhaltensregeln als für andere Fahrzeugführer.
Entscheidet sich der Radfahrer für ein Abbiegen aus der Fahrbahn heraus, ist er gemäß § 9 Abs. 1 Straßenverkehrsordnung (StVO) wie ein Kraftfahrer gehalten, seinen Abbiegevorgang rechtzeitig und deutlich anzukündigen.
Überdies hat er sich rechtzeitig bis zur Mitte der Fahrbahn einzuordnen.
Vor dem Einordnen und nochmals vor dem Abbiegen hat er im Sinne der doppelten Rückschaupflicht auf den nachfolgenden Verkehr zu achten.

Gemäß § 9 Abs. 2 S. 1 StVO dürfen Radfahrer zwar auch in der Weise abbiegen, dass sie die Fahrbahn hinter der Kreuzung vom rechten Fahrbahnrand aus überqueren. Diese Vorschrift verschafft dem Radfahrer jedoch nur eine weitere Abbiegeoption, wenn er ein gefährlicheres, aber zulässiges Abbiegen vom Fahrspurrand nach links aus dem fließenden Verkehr heraus vermeiden will. Kein Radfahrer ist rechtlich gehalten, diese auch wahrzunehmen.

Benutzt ein Fahrradfahrer einen rechts der Fahrbahn verlaufenden Radweg und fährt er von diesem auf die Fahrbahn, um dann von dort sogleich nach links abzubiegen, unterliegt ein solches Abbiegemanöver sowohl den Regeln des Einfahrens gemäß § 10 S.1 StVO als auch denjenigen des Abbiegens gemäß § 9 StVO.

Nach § 10 S. 1 StVO darf ein Verkehrsteilnehmer „von anderen Straßenteilen” auf die Straße, also auf die Fahrbahn nur einfahren, wenn die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.
Da das Verlassen eines Radweges dem Verlassen eines derartigen Straßenteiles entspricht, unterliegt ein Radfahrer in einem solchen Fall den gesteigerten Pflichten die § 10 S. 1 StVO einem auf die Straße Einfahrenden auferlegt. Er muss sich demzufolge so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.
Ein solches Einbiegen von einem Fahrradweg auf die Fahrbahn ist besonders gefährlich, weil es die anderen Verkehrsteilnehmer oft überrascht.
Ist ein Radweg vorhanden, dann darf sich ein Kraftfahrer darauf einrichten, dass der Radfahrer nur an einleuchtenden Stellen den Radweg verlassen wird, also nicht zuvor den Kraftfahrer gefährdet.
Wenn kein Radweg vorhanden ist, muss ein Kraftfahrer dagegen von vornherein darauf achten, ob sich rechts neben seinem Fahrzeug Radfahrer aufhalten (KG NZV 2003, 30, 31).

Darauf hat das Saarländische Oberlandesgericht (OLG) mit Urteil vom 13.02.2014 – 4 U 59/13 – hingewiesen.