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Zivilprozess – Klageanträge aus eigenem und abgetretenem Recht müssen als Haupt- und Hilfsanspruch gestellt werden.

Stützt ein Kläger seine Klage gleichrangig sowohl auf Ansprüche aus eigenem Recht wie aus fremdem Recht – schriftliche Abtretungs- und Prozessführungsermächtigungserklärung eines Dritten – handelt es auch bei einheitlichem Klageziel um unterschiedliche Streitgegenstände.
Diese können nicht im Wege einer alternativen Klagehäufung derart geltend gemacht werden, dass zwar nur einer der Ansprüche tenoriert, die Auswahl aber dem Gericht überlassen werden soll.
Vielmehr ist es Sache der klagenden Partei, die Streitgegenstände in ein Eventualverhältnis zu stellen, was auch noch in der Revisionsinstanz geschehen kann.
Solange der Kläger die geltend gemachten Klageansprüche nicht in ein Eventualverhältnis aus Haupt- und Hilfsanspruch stellt, ist die Klage wegen fehlender Bestimmtheit des Klagegegenstands unzulässig.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 27.11.2013 – III ZR 371/12 – hingewiesen.

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Jugendstrafrecht – Voraussetzungen für die Verhängung einer Jugendstrafe wegen schädlicher Neigungen.

Gegen einen Jugendlichen oder einen Heranwachsenden, auf den gemäß § 105 Abs. 1 Jugendgerichtsgesetz (JGG) Jugendrecht anzuwenden ist, wird nach § 17 Abs. 2 JGG Jugendstrafe verhängt, wenn

  • wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln (vgl. §§ 9 bis 12 JGG) oder Zuchtmittel (vgl. §§ 13 bis 16 JGG) zur Erziehung nicht ausreichen oder 
  • wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist.

 

Schädliche Neigungen im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG sind erhebliche Anlage- oder Erziehungsmängel, die ohne längere Gesamterziehung des Täters die Gefahr weiterer Straftaten begründen. 
Sie können in der Regel nur bejaht werden, wenn erhebliche Persönlichkeitsmängel, aus denen sich eine Neigung zur Begehung von Straftaten ergibt, schon vor der Tat angelegt waren. 
Die schädlichen Neigungen müssen auch noch zum Urteilszeitpunkt bestehen.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 13.11.2013 – 2 StR 455/13 – hingewiesen.

Vgl. hierzu im Übrigen auch den Blog „Strafrecht – Wann wird Jugendstrafe verhängt?“ sowie den Blog „Jugendstrafrecht – Voraussetzungen für die Verhängung einer Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld“ und Bernd Rösch, „Das Urteil in Straf- und Bußgeldsachen„, 2. Aufl., S. 27 f.

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Zu den Obhuts- und Aufbewahrungspflichten des Vermieters nach Ende des Mietverhältnisses.

Wird nach Ende des Mietverhältnisses für einen gewerblichen Mieter noch Geschäftspost in den Briefkasten der bisherigen Geschäftsräume eingeworfen, treffen den bisherigen Vermieter Obhuts- und Aufbewahrungspflichten hinsichtlich dieser Postsendungen.
Er ist nicht berechtigt, die Sendungen ohne Nachfrage bei dem bisherigen Mieter einfach in einen öffentlichen Briefkasten zu werfen.

Das hat das Landgericht (LG) Darmstadt mit Beschluss vom 30.12.2013 – 25 T 138/13 – entschieden.

Den Vermieter treffen gemäß § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) nach Treu und Glauben als nachwirkende vertragliche Nebenpflichten Obhuts- und Aufbewahrungspflichten hinsichtlich von nicht offensichtlich wertlosen Gegenständen und Einrichtungen, die der Mieter bei seinem Auszug zurücklässt.
Das Ausmaß der Pflichten hängt dabei davon ab, ob der Mieter den Besitz der Mietsache freiwillig aufgegeben und dabei die Gegenstände zurückgelassen hat oder
ob sich der Vermieter den Besitz an der Mietsache durch verbotene Eigenmacht bzw. im Wege der (vermeintlichen) Selbsthilfe wieder verschafft und dabei die Gegenstände vorgefunden hat.

Nichts anderes kann für Postsendungen gelten, die für den Mieter bestimmt sind und nach dessen Auszug in den Gewahrsam des Vermieters geraten. Auch hier ist er aufgrund der nachwirkenden vertraglichen Obhuts- und Aufbewahrungspflichten nicht berechtigt, sich dieser Sendungen einfach zu entledigen.
Dies hat jedenfalls dann zu gelten, wenn es sich nicht nur um unwichtige Werbesendungen sondern ersichtlich um wichtige Geschäftspost für ein Anwalts- und Notarbüro handelt.

Über die Existenz solcher von ihm vorgefundene Geschäftspost muss der bisherige Vermieter den bisherigen Mieter informieren und ihm diese aushändigen, wobei es an dem bisherigen Mieter liegt, sich alsbald um die Abholung der Post zu bemühen.

 

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Betreuungsrecht – Zur Notwendigkeit der Bestellung eines Verfahrenspflegers in erster Instanz und im Beschwerdeverfahren.

Nach § 276 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) hat das Gericht dem Betroffenen einen Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. Liegt eines der Regelbeispiele des § 276 Abs. 1 S. 2 FamFG vor, so ist die Bestellung eines Verfahrenspflegers in der Regel erforderlich.

Ob einem Betroffenen auch dann, wenn ein Regelfall nach § 276 Abs. 1 S. 2 FamFG nicht vorliegt, ein Verfahrenspfleger zu bestellen ist, hängt vom Grad der Krankheit oder Behinderung sowie von der Bedeutung des jeweiligen Verfahrensgegenstands ab.

Das Gericht hat hierzu eine Einzelfallbeurteilung vorzunehmen, ohne dass ihm insoweit ein Ermessen eröffnet ist.
Je weniger der Betroffene in der Lage ist, seine Interessen selbst wahrzunehmen, je eindeutiger erkennbar ist, dass die geplanten Betreuungsmaßnahmen gegen seinen natürlichen Willen erfolgen und je schwerer und nachhaltiger der beabsichtigte Eingriff in die Rechte des Betroffenen ist, umso dringender erforderlich ist die Bestellung des Verfahrenspflegers.

Die Bestellung eines Verfahrenspflegers in der ersten Instanz wirkt nach § 276 Abs. 5 FamFG auch in der Beschwerdeinstanz fort. Das Beschwerdegericht kann deswegen einen bereits bestellten Verfahrenspfleger zum Verfahren hinzuziehen, ohne selbst eine Neubestellung vornehmen zu müssen.

Ist in erster Instanz die Bestellung eines Verfahrenspflegers zu Recht oder verfahrensfehlerhaft unterblieben, hat das Beschwerdegericht für die Beschwerdeinstanz das Vorliegen der Voraussetzungen des § 276 Abs.1 FamFG erneut zu prüfen.
Denn das Beschwerdegericht tritt in vollem Umfang an die Stelle des Erstgerichts (§ 68 Abs. 3 FamFG) und entscheidet unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung über die Sache neu.
Dabei ist die Entscheidungskompetenz des Beschwerdegerichts jedoch durch den Beschwerdegegenstand begrenzt; das Beschwerdegericht darf nur insoweit über eine Angelegenheit entscheiden, wie sie in der Beschwerdeinstanz angefallen ist.
Dabei steht das Verschlechterungsverbot einer Erweiterung des Aufgabenkreises im Beschwerdeverfahren entgegen, wenn allein der Betroffene gegen die Bestellung des Betreuers Beschwerde eingelegt hat.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 11.12.2013 – XII ZB 280/11 – hingewiesen.
Vgl. hierzu auch den Blog „Betreuungsverfahren – Wann einem Betroffenen ein Verfahrenspfleger bestellt werden muss“.

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Familienrecht – Zum Nutzungsentgeltanspruch bei Überlassung der Ehewohnung nach der Scheidung.

Vor die Alternative „Zahlung oder Auszug“ muss ein Ehepartner seinem geschiedenen, in der gemeinsamen Wohnung verbliebenden Partner stellen, um von ihm ein Nutzungsentgelt fordern zu können.

Das hat der 14. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 06.12.2013 – 14 UF 166/13 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall waren die beteiligten geschiedenen Eheleute Miteigentümer einer ca. 80 qm großen Eigentumswohnung, die sie während der Zeit ihrer Ehe gemeinsam bewohnten.
Nach der Trennung Ende 2003 zog die Frau aus, während der Mann in der Wohnung verblieb.

Nach der Scheidung hat die Frau vom Mann für die Nutzung der Wohnung in den Jahren 2008 und 2009 ein Nutzungsentgelt von monatlich 200 € verlangt.
Das Zahlungsverlangen ist erfolglos geblieben.

Der 14. Senat für Familiensachen des OLG Hamm hat die Voraussetzungen für einen Anspruch der Frau auf Nutzungsentgelt nicht feststellen können.
Nach ihrem Auszug sei die Frau zwar berechtigt gewesen, vom Mann eine Änderung der bisherigen Vereinbarung über die gemeinsame Nutzung der Wohnung zu verlangen, weil sich die Nutzungsverhältnisse grundlegend geändert hätten.
Komme der Mann diesem Verlangen nicht nach, könne die Frau ein gerichtliches Verfahren auf Neuregelung der Verwaltung und Benutzung und ggfls. auch auf Zahlung eines Nutzungsentgelts anstrengen.
Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Es fehle an der vom Gesetz verlangten Aufforderung der Frau gegenüber dem Mann, für die gemeinsame Wohnung eine neue Verwaltungs- und Benutzungsregelung zu vereinbaren, aus der sich ein Anspruch der Frau auf Nutzungsentschädigung ergebe.
Diese Aufforderung müsse dergestalt deutlich sein, dass der andere Wohnungsteilhaber vor die Alternative „Zahlung oder Auszug“ gestellt werde. Dem nutzenden Wohnungsteilhaber müsse klargemacht werden, dass der andere Wohnungsteilhaber den Fortbestand des bisherigen Zustandes – nämlich die Weiternutzung durch ihn ohne zugrunde liegende einvernehmliche Regelung beider Teilhaber – keinesfalls mehr hinzunehmen bereit sei.
Da die Frau eine derartig deutliche Aufforderung für den Zeitraum, für den sie ein Nutzungsentgelt beanspruche, nicht ausgesprochen habe, stehe ihr auch kein Zahlungsanspruch aufgrund der alleinigen Nutzung der Wohnung durch den Mann zu.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 04.02.2014 mitgeteilt.

Vgl. in diesem Zusammenhang auch den Blog „Familienrecht – Zum Nutzungsvergütungsanspruch bei Überlassung der Ehewohnung während des Getrenntlebens“.

 

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Zuwiderhandlung gegen Anordnung nach dem Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (GewSchG) – Voraussetzungen für Verurteilung.

Hat eine Person vorsätzlich den Körper, die Gesundheit oder die Freiheit einer anderen Person widerrechtlich verletzt, hat das Familiengericht (§ 111 Nr. 6, § 210 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) nach § 1 Abs. 1 S. 1 GewSchG auf Antrag der verletzten Person die zur Abwendung weiterer Verletzungen erforderlichen Maßnahmen zu treffen. 
Gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 GewSchG kann das Gericht insbesondere anordnen, dass der Täter es unterlässt,

  • die Wohnung der verletzten Person zu betreten,
  • sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung der verletzten Person aufzuhalten,
  • zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich die verletzte Person regelmäßig aufhält,
  • Verbindung zur verletzten Person, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, aufzunehmen,
  • Zusammentreffen mit der verletzten Person herbeizuführen,

soweit dies nicht zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erforderlich ist.

Nach § 1 Abs. 2 S. 1 GewSchG gilt dies entsprechend, wenn

  • eine Person einer anderen mit einer Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit widerrechtlich gedroht hat oder
  • eine Person widerrechtlich und vorsätzlich in die Wohnung einer anderen Person oder deren befriedetes Besitztum eindringt oder eine andere Person dadurch unzumutbar belästigt, dass sie ihr gegen den ausdrücklich erklärten Willen wiederholt nachstellt oder sie unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln verfolgt.

Wer einer bestimmten vollstreckbaren Anordnung nach § 1 Abs. 1 S. 1 oder 3 GewSchG, jeweils auch in Verbindung mit Abs. 2 S. 1, zuwiderhandelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Die Verurteilung nach § 4 S. 1 GewSchG wegen einer Zuwiderhandlung gegen eine Anordnung nach § 1 Abs. 1 S. 1 GewSchG setzt voraus, dass das Strafgericht die materielle Rechtmäßigkeit der Anordnung überprüft und dabei deren tatbestandliche Voraussetzungen eigenständig feststellt; an die Entscheidung des Familiengerichts ist es insoweit nicht gebunden.

Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 28.11.2013 – 3 StR 40/13 – entschieden

Danach soll strafrechtlich geahndet werden nicht lediglich der in dem formalen Verstoß gegen § 1 GewSchG liegende Ungehorsam gegenüber staatlichen Entscheidungen. 
Vielmehr soll eine strafrechtliche Sanktion lediglich dann in Betracht kommen, wenn das Strafgericht die Rechtmäßigkeit der Anordnung einschließlich des Verhaltens, auf dem die Anordnung beruht, selbst überprüft und festgestellt hat.

Familienrecht – Zum Nutzungsvergütungsanspruch bei Überlassung der Ehewohnung während des Getrenntlebens.

Eine Vergütung für die alleinige Nutzung der Ehewohnung kann auch zugesprochen werden, wenn ein Ehegatte während des Getrenntlebens aus einer Ehewohnung weicht, für die beiden Ehegatten gemeinsam ein unentgeltliches Wohnungsrecht eingeräumt ist.
Dies setzt nicht voraus, dass der in der Ehewohnung verbleibende Ehegatte die ihm durch die ungeteilte Nutzung zuwachsenden Vorteile wirtschaftlich verwerten kann.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 18.12.2013 – XII ZB 268/13 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatten die beteiligten Eheleute, die seit 1984 verheiratet waren, seit 17.11.2009 getrennt lebten und seit 16.08.2012 rechtskräftig geschieden sind, 1998 das jeweils zur Hälfte in ihrem Miteigentum stehende, bis zur Trennung gemeinsam bewohnte Familienheim, auf ihre vier gemeinsamen Töchter zu je 1/4 Miteigentumsanteil schenkweise übertragen.
Dabei hatten sie sich als Gesamtberechtigte (§ 428 BGB ) ein lebenslanges unentgeltliches dingliches Wohnungsrecht vorbehalten, das sie dazu berechtigte, das auf dem Grundstück stehende Wohnhaus unter Ausschluss des Eigentümers zu bewohnen.
Der Wohnwert des Anwesens beträgt monatlich 1.200 €.
Im Zeitpunkt der Trennung zog die Antragstellerin (Ehefrau) aus dem Familienheim aus.
Seither bewohnte der Antragsgegner (Ehemann) das Familienheim mit den vier inzwischen volljährigen Töchtern und einer 11jährigen Enkelin.

Mit ihrem Antrag hat die Ehefrau den Ehemann auf Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung von 600 € in Anspruch genommen, die sie mit Schreiben vom 30.08.2011 erstmals geltend gemacht hat.

Das Familiengericht hat den Antrag der Ehefrau abgewiesen.

Auf die Beschwerde der Ehefrau hat das Oberlandesgericht (OLG) ihr eine Nutzungsentschädigung von monatlich 250 € seit 01.09.2011 bis zum 15.08.2012 zugesprochen.

Hiergegen richtete sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Ehemanns.

Der XII. Zivilsenat des BGH hat die Rechtsbeschwerde des Ehemanns zurückgewiesen und seine Entscheidung wie folgt begründet:

Gemäß § 1361 b Abs. 3 S. 2 BGB kann der Ehegatte, der dem anderen die Ehewohnung während des Getrenntlebens ganz oder zum Teil überlassen hat, von dem nutzungsberechtigten Ehegatten eine Vergütung für die Nutzung verlangen, soweit dies der Billigkeit entspricht.
Seit der Neufassung der Vorschrift durch das Gewaltschutzgesetz zum 01.01.2002 knüpft die Vergütungsregelung nur noch an die faktische Überlassung der Wohnung an, ohne dass es darauf ankommt, ob der weichende Ehegatte die Ehewohnung freiwillig verlässt oder er verpflichtet ist, sie dem anderen zur alleinigen Benutzung zu überlassen.

Die familienrechtliche Nutzungsvergütung soll den Verlust des Wohnungsbesitzes und die damit einhergehenden wirtschaftlichen Nachteile für den weichenden Ehegatten im Einzelfall und nach Billigkeit kompensieren.
Zugleich schafft sie einen Ausgleich dafür, dass nur noch der Verbliebene allein diejenigen Nutzungen zieht, die nach der ursprünglichen ehelichen Lebensplanung beiden Ehegatten gemeinsam zustehen sollten.
Die Vergütungsregelung nach § 1361 b Abs. 3 S. 2 BGB ermöglicht somit einen nach familienrechtlichen Billigkeitskriterien orientierten Ausgleich für die Zeit des Getrenntlebens.

Der Anspruch scheidet aus, wenn der Wohnvorteil des in der Ehewohnung verbleibenden Ehegatten bereits anderweitig familienrechtlich kompensiert wird, er insbesondere bei der Unterhaltsbemessung entweder bedarfsmindernd oder die Leistungsfähigkeit erhöhend berücksichtigt ist.

In die Regelungen des § 1361 b BGB sind, wie sich aus Absatz 1 S. 3 der Vorschrift ergibt, Fälle von Eigentum, Erbbaurecht, Nießbrauch, Wohnungseigentum, Dauerwohnrecht und dinglichem Wohnrecht grundsätzlich unabhängig davon einbezogen, ob sie beiden Ehegatten gemeinsam oder nur einem von ihnen allein oder gemeinsam mit einem Dritten zustehen.
Ob eine Nutzungsvergütung zu entrichten ist, hängt daher grundsätzlich nicht von der Art des Rechts ab, auf dem die gemeinsame eheliche Nutzung der Wohnung beruht. Das entspricht dem Regelungszweck der Norm, die den wirtschaftlichen Nachteil des weichenden Ehegatten nach Billigkeit kompensieren und einen Ausgleich daür schaffen will, dass aus dem zuvor gemeinsam genutzten Recht nur noch der Verbliebene allein die Nutzungen zieht.

Der Vergütungsanspruch besteht daher auch, wenn ein Ehegatte aus einer Ehewohnung weicht, für die beiden gemeinsam ein unentgeltliches dingliches Wohnungsrecht eingeräumt ist. Denn während der Zeit des gemeinsamen ehelichen Wohnens ist das Wohnrecht jedes Ehegatten mit der Verpflichtung belastet, die Mitnutzung durch den anderen Ehegatten zu dulden.
Diese Duldungspflicht entfällt für den verbleibenden Ehegatten mit dem Weichen des anderen aus der Wohnung.
Die fortan ungeteilte Nutzung durch den verbliebenen Ehegatten kann einen höheren Wohnwert verkörpern als die ursprünglich nur anteilige Nutzung.
Sowohl dieser Vorteil als auch der dem weichenden Ehegatten entstehende Nachteil kann, soweit es der Billigkeit entspricht, durch eine Vergütung an den weichenden Ehegatten auszugleichen sein.

Soweit der Senat einen Ausgleichsanspruch in seinem Urteil vom 08.05.1996 – XII ZR 254/94 – weiterhin davon abhängig gemacht hat, dass der in der Ehewohnung verbleibende Ehegatte die ihm durch die ungeteilte Nutzung zuwachsenden Vorteile wirtschaftlich verwerten könne, hält er daran nicht fest.
Der Vergütungsanspruch nach § 1361 b Abs. 3 S. 2 BGB setzt nach dem Wortlaut der Vorschrift nur das Überlassen der Ehewohnung während des Getrenntlebens voraus und eröffnet auf der Rechtsfolgenseite eine Billigkeitsabwägung.
Der Nutzungsvergütung steht es auch nicht generell entgegen, wenn dem in der Wohnung verbliebenen Ehegatten die alleinige Nutzung letztlich aufgedrängt worden ist. Diesem Gesichtspunkt kann mit dem Kriterium der Billigkeit Rechnung getragen werden, an das der Vergütungsanspruch nach Grund und Höhe anknüpft.

Ob und in welchem Umfang eine Wohnwertsteigerung für den verbleibenden Ehegatten tatsächlich eintritt, in welchem Umfang der weichende Ehegatte durch den Verlust des Wohnungsbesitzes wirtschaftliche Nachteile erleidet und inwieweit es der Billigkeit entspricht, dieses durch eine Nutzungsvergütung zu kompensieren, obliegt einer wertenden Betrachtungsweise des Tatrichters.
Dass das OLG im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung, dass neben dem Ehemann noch vier erwachsene Töchter sowie ein Enkelkind die Ehewohnung nutzen, die vom Ehemann zu zahlende Nutzungsvergütung auf rund ein Fünftel des Gesamtwohnwerts des Anwesens festgesetzt hat, ist danach nicht zu beanstanden.

 

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Boykottaufruf untersagt.

Der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg hat mit Urteil vom 28.01.2014 – 13 U 111/13 – dem Deutschen Tierschützerbüro e.V. (Beklagter) untersagt, eine Volksbank öffentlich aufzufordern, das Konto des Klägers, dem Zentralverband Deutscher Pelztierzüchter e.V., zu kündigen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall war eine Volksbank von dem Beklagten aufgefordert worden, die dort bestehende Geschäftsbeziehung mit dem Zentralverband Deutscher Pelztierzüchter e.V. zu kündigen.
Auf seiner Webseite hatte der Beklagte über diesen Boykottaufruf unter der Überschrift berichtet:
„Volksbank – kündigt die Konten der Nerzquäler, jetzt“, wie folgt: „Stoppt die Zusammenarbeit mit den Nerzquälern. Heute haben wir die Volksbank … aufgefordert, dem Zentralverband Deutscher Pelztierzüchter eV das Konto zu kündigen. Eine Antwort der Volksbank … steht noch aus. Sollte sich die Bank nicht klar positionieren, erwägen wir, die Bankkunden zu informieren, denn man könnte auch formulieren, dass an dem Geld der Bank Blut klebt“.

Aus Sicht des 13. Zivilsenats des OLG Oldenburg geht der Boykottaufruf zu weit.
Der Beklagte sei zwar nicht gehindert, Protestaktionen zu starten und öffentlich seine Meinung zu verbreiten.
Der hier gestartete Boykottaufruf stelle aber einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers dar.

Die Interessen des Klägers überwiegen gegenüber dem Recht des Beklagten auf freie Meinungsäußerung, so der Senat.
Auch wenn die Ziele und Motive des Beklagten nachvollziehbar und grundsätzlich nicht zu beanstanden seien, beschränke sich der Beklagte bei seinem Boykottaufruf nicht nur auf die geistige Einflussnahme und Überzeugungsbildung.
So übersteige der Boykottaufruf hier das Maß einer angemessenen und noch zulässigen Beeinträchtigung des Klägers insbesondere deshalb, weil in ein konkretes, bereits bestehendes Vertragsverhältnis eingegriffen werde.
Dem Boykottaufruf komme auch eine sogenannte Prangerwirkung zu, wenn hervorgehoben werde, dass an den Geldeinlagen des Klägers – und damit letztendlich auch der Volksbank – Blut klebe.
Hinzu komme, dass dem Kläger mit dem Vorwurf der Tierquälerei (vgl. § 17 Nr.2 des Tierschutzgesetzes) zumindest Unterstützung strafbaren, jedenfalls ordnungswidrigen Verhaltens der Pelztierzüchter vorgeworfen werde.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Oldenburg am 28.01.2014 mitgeteilt.

 

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Veranstalter eines kleinen Straßenfestes muss kein Sicherheitspersonal engagieren.

Der Betreiber eines dörflichen Straßenfestes muss keinen Sicherheitsdienst beschäftigen, solange keine konkreten Anhaltspunkte für eine Gefährdung dort auftretender Musiker bestehen.

Das hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg mit Urteil vom 05.12.2013 – 1 U 14/13 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall war der Kläger Mitglied einer Rock `n Roll Band die auf dem „Störtebecker Straßenfest“ in Marienhafe aufgetreten ist.
In einer Darbietungspause kam es zu einer tätlichen Auseinandersetzung mit einem alkoholisierten Besucher des Festes.
Nach der Darstellung des Klägers habe der Besucher zwei Biergläser auf die Lautsprecherboxen der Band gestellt. Nachdem der Kläger ihn aufgefordert hatte, die Biergläser zu entfernen sei der Streit eskaliert und der Besucher habe ihm ein Bierglas ins Gesicht geschleudert und ihn von dem als Bühne dienenden Lkw-Anhänger gestoßen.
Der Musiker verletzte sich schwer.

Der Kläger hat sich mit dem Angreifer auf die Zahlung eines Schmerzensgeldes geeinigt, verlangte aber von der Interessengemeinschaft als Veranstalter des Straßenfestes ebenfalls die Zahlung von Schadensersatz nebst Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 40.000 €.

Nach Auffassung des 1. Zivilsenats des OLG Oldenburg ist der Veranstalter eines kleinen Straßenfestes nicht verpflichtet, einen Sicherheitsdienst zu engagieren, der die Musiker vor tätlichen Übergriffen der Besucher schützt.
Das „Störtebecker Straßenfest“ sei ein Fest in dörflichem Umfeld, das sich grundsätzlich an die Bewohner der näheren Umgebung richte, keine überregionale Bedeutung habe und schon gar keine Massenveranstaltung sei.
Auch sei das Fest in der Vergangenheit stets friedlich verlaufen.
Schließlich hätte, so der Senat, auch das Einschalten eines Sicherheitsdienstes die Situation nur dann entschärfen können, wenn dieser vor jeder Bühne einen Mitarbeiter positioniert hätte.
Einen solchen Aufwand müsse der Veranstalter aber nicht betreiben.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Oldenburg am 09.01.2014 mitgeteilt.

 

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Zu den Verhaltenspflichten beim Passieren einer Engstelle mit einem Kfz.

Nach § 6 Abs. 1 S. 1 Straßenverkehrsordnung (StVO) muss, wer an einer Fahrbahnverengung, einem Hindernis auf der Fahrbahn oder einem haltenden Fahrzeug links vorbeifahren will, entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen.
Diese Vorschrift regelt die Verhaltenspflichten beim Vorbeifahren an haltenden Fahrzeugen auf der rechten Fahrbahnseite, die kein Vorbeifahren ohne durch Mitbenutzung der Gegenfahrbahn bedingte Behinderungen des Gegenverkehrs zulassen.
Eine Engstelle ist ein begrenztes Stück einer sonst für Begegnungen ausreichend breiten Straße, an dem an einem Hindernis, z. B. einem parkenden Fahrzeug nur links vorbeigefahren werden kann, wobei für unbehinderten Gegenverkehr kein Raum bleibt.

Reicht der verbleibende Platz für eine Begegnung, so gelten §§ 1 u. 2 StVO.
Wer an parkenden Fahrzeugen vorbeifahren will, ohne die Gegenfahrbahn mitbenutzen zu müssen, muss dennoch dann zurückstehen, wenn mit Gegenverkehr zu rechnen ist, der sich vermutlich oder bereits erkennbar nicht scharf rechts hält und die Mittellinie berührt.

Ist der Raum zu eng, muss warten, wer die Gegenfahrbahn mitbenutzen muss.

Der Gegenverkehr hat wie bei Vorfahrt Vorrang schon dann, wenn er am zügigen, wenn auch notfalls angepassten langsamen Durchfahren nennenswert gehindert wäre.
Es besteht Wartepflicht, wenn der Gegenverkehr sonst nennenswert verlangsamen oder erst Gewissheit darüber abwarten müsste, ob sein Vorrang beachtet wird.
Wie bei der Vorfahrt muss sich der Wartepflichtige vor dem Hindernis klar als solcher verhalten. Er muss durch sein Verhalten anzeigen, dass er warten werde.

Die Wartepflicht setzt allerdings nicht schon dann ein, wenn Gegenverkehr abstrakt möglich ist, vielmehr muss er erkennbar sein.
Vor einer unübersichtlichen Engstelle muss der Wartepflichtige besonders vorsichtig prüfen, ob Vorbeifahren den Gegenverkehr behindern würde.
Ist dort Gegenverkehr nicht erkennbar, so darf er mit größter Vorsicht unter Benutzung der Gegenfahrbahn an dem Hindernis vorbeifahren.

Wer ein Hindernis vor einer Kurve ohne sichtbaren Gegenverkehr links umfährt, muss diesen sichern, insbesondere Schrittgeschwindigkeit einhalten und bei Auftauchen eines entgegenkommenden Fahrzeugs sofort anhalten.
Der Vorbeifahrende muss sofort anhalten oder die Gegenfahrbahn räumen können. Mit Ausweichen oder scharfem Rechtsfahren Entgegenkommender darf er nicht rechnen.

Ein Entgegenkommender, der wegen parkender Fahrzeuge auf der anderen Fahrbahnseite oder wegen anderer Hindernisse mit Gegenverkehr auf seiner Fahrbahnseite rechnen muss, muss sich darauf einstellen. Ggf. muss er trotz seines Vorrechts zurückstehen. Jedenfalls muss er gemäß § 2 Abs. 2 StVO so weit wie möglich rechts fahren, um eine Kollision zu vermeiden.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken mit Urteil vom 09.01.2014 – 4 U 405/12 – hingewiesen.

 

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