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Verwaltungsrecht – Stilllegung einer Biogasanlage.

Nach § 20 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundesimmissionsschutzgesetz – BImSchG) soll die zuständige Behörde anordnen, dass eine Anlage, die ohne die erforderliche Genehmigung errichtet, betrieben oder wesentlich geändert wird, stillzulegen ist.
Eine wesentliche Änderung einer Anlage im Sinne dieser Norm liegt vor, wenn die Beschaffenheit der Anlage oder die Art und Weise des Anlagenbetriebs in erheblicher Weise von der vorhandenen Genehmigung abweicht.

Der zuständigen Behörde ist durch § 20 Abs. 2 S. 1 BImSchG ein nur eingeschränktes Ermessen eingeräumt; sie soll bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen eine Stilllegungsanordnung treffen.
Die Behörde muss demnach in der Regel gegen eine ungenehmigte Errichtung, einen ungenehmigten Betrieb und eine ungenehmigte wesentliche Änderung einer Anlage einschreiten und darf nur bei Vorliegen besonderer Gründe, also eines atypischen Falls, davon absehen.

Ein atypischer Fall liegt vor, wenn die Behörde begründeten Anlass für die Annahme hat, die Anlage entspreche, so wie sie betrieben wird, den immissionsschutzrechtlichen Anforderungen.
Dabei braucht die Behörde allerdings von sich aus keine umfangreichen und zeitraubenden Ermittlungen über die materielle Genehmigungsfähigkeit der Anlage anzustellen.
Zweifel gehen wegen der hohen Bedeutung eines geordneten Genehmigungsverfahrens und zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen zu Lasten des Anlagenbetreibers.

Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Stilllegungsanordnung können hiernach allenfalls durchgreifen, wenn der Betreiber alles unternimmt, um eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung alsbald zu erlangen und die Genehmigungsfähigkeit der Anlage offensichtlich ist.

Darauf hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg mit Beschluss vom 12.12.2013 – 12 ME 194/13 – hingewiesen.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Zur Wirksamkeit der Kündigung eines Krankheitskostenversicherungsvertrages für einen volljährigen Mitversicherten.

Die Wirksamkeit der Kündigung eines Krankheitskostenversicherungsvertrages durch den Versicherungsnehmer für einen volljährigen, von ihm nicht gesetzlich vertretenen Mitversicherten gemäß § 205 Abs. 6 S. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) setzt nicht den Nachweis einer nahtlosen Anschlussversicherung für den Mitversicherten voraus.

Das hat der für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 18.12.2013 – IV ZR 140/13 – entschieden.

In dem dem Verfahren zugrunde liegenden Fall unterhielt der Kläger bei der Beklagten einen Krankheitskostenversicherungsvertrag, in den zunächst auch sein 1991 geborener Sohn als Mitversicherter einbezogen war.
Im November 2011 teilte die Beklagte dem Kläger wegen der Umstufung des Sohnes auf den Erwachsenentarif zum 01.01.2012 eine Erhöhung der Beiträge von 180,58 € auf 397,91 € mit.
Der Kläger kündigte daraufhin die Mitversicherung seines Sohnes zum 31.12.2011.
Die Beklagte unterrichtete den Kläger darüber, die Kündigung werde erst wirksam, wenn er den Nachweis einer Anschlussversicherung seines Sohnes erbringe.
Der Kläger forderte daraufhin seinen Sohn auf, selbst für einen Krankenversicherungsschutz zu sorgen, wobei er sich zu einer Kostenübernahme bereit erklärte.
Der Sohn kündigte zunächst an, er werde sich um eine entsprechende Versicherung bemühen.
Tatsächlich schloss er in der Folgezeit weder einen neuen Krankenversicherungsvertrag noch erklärte er die Fortsetzung des bisherigen Versicherungsverhältnisses bei der Beklagten im eigenen Namen.

Der Kläger hat die Beklagte auf Feststellung in Anspruch genommen, dass die Mitversicherung für seinen Sohn zum 31.12.2011 erloschen ist.

Das Landgericht (LG) hat die Klage abgewiesen.

Das Oberlandesgericht (OLG) hat ihr auf die Berufung des Klägers stattgegeben.
Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Klagabweisungsbegehren weiter.

Der BGH hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen.
Zur Begründung hat er ausgeführt, dass der Versicherungsnehmer im Falle der Kündigung eines Krankheitskostenversicherungsvertrages, der eine Versicherungspflicht nach § 193 Abs. 3 S. 1 VVG erfüllt, für einen volljährigen Mitversicherten nicht den Nachweis einer nahtlosen Anschlussversicherung für diesen zu führen hat.
Durch § 205 Abs. 6 S. 1 VVG soll für den Versicherten ein nahtlos angrenzender Versicherungsschutz ermöglicht werden.
Dieses Ziel wird durch § 207 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 VVG erreicht. Hiernach ist die versicherte Person, wenn der Versicherungsnehmer das Versicherungsverhältnis insgesamt oder für einzelne versicherte Personen kündigt, berechtigt, binnen zwei Monaten die Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses im eigenen Namen zu erklären. Um dieses Fortsetzungsrecht zu gewährleisten, bestimmt § 207 Abs. 2 S. 2 VVG, dass die Kündigung nur wirksam wird, wenn die versicherte Person von der Kündigungserklärung Kenntnis erlangt hat.
Durch diese Fortsetzung genügt der Mitversicherte zugleich seiner ihn treffenden Verpflichtung aus § 193 Abs. 3 S. 1 VVG.
Demgegenüber ist der Versicherungsnehmer selbst nicht in der Lage, ohne Vollmacht des volljährigen Mitversicherten für diesen eine Anschlussversicherung i.S. des § 205 Abs. 6 S. 1 VVG abzuschließen.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 18.12.2013 – Nr. 208/2013

 

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Verwaltungsrecht – Haar- und Barterlass der Bundeswehr ist rechtmäßig.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit Beschluss vom 17.12.2013 – 1 WRB 2.12 – entschieden, dass der sogenannte Haar- und Barterlass, der die Haar- und Barttracht der Soldaten und Soldatinnen der Bundeswehr regelt, rechtmäßig ist.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war der Antragsteller ein Wehrpflichtiger, der ab Januar 2009 den Grundwehrdienst in einem Ausbildungsregiment leistete. Er trug bei Antritt des Wehrdienstes rund 40 cm lange Haare, die offen getragen auf den Rücken fielen. Im Dienst sicherte er die Haare zunächst mit mehreren Haargummis, so dass sie einen langen, über den Uniformkragen hinaus bis zu den Schulterblättern reichenden Pferdeschwanz ergaben; später trug er die Haare hochgebunden.
Seine Disziplinarvorgesetzten befahlen dem Antragsteller mehrfach, sich mit einer Frisur zum Dienst zu melden, die den Bestimmungen des Haar- und Barterlasses entspricht. Dieser sieht für männliche Soldaten vor, dass das Haar am Kopf anliegen oder so kurz geschnitten sein muss, dass Ohren und Augen nicht bedeckt werden; das Haar muss so getragen werden, dass bei aufrechter Kopfhaltung Uniform- und Hemdkragen nicht berührt werden.

Der Antragsteller befolgte die Befehle nicht und erhob gegen zwei dieser Befehle Beschwerde nach der Wehrbeschwerdeordnung.
Er sah sich in seinem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG)) verletzt und verlangte Gleichbehandlung mit Soldatinnen, denen das Tragen längerer Haare, ggf. mit einem Haarnetz, gestattet sei.

Sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung wurde vom Truppendienstgericht zurückgewiesen. Auch die wegen Divergenz zugelassene Rechtsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht blieb ohne Erfolg.

Der 1. Wehrdienstsenat hat entschieden, dass der Bundesminister der Verteidigung befugt ist, im Zusammenhang mit der Uniform der Soldaten auch deren Haar- und Barttracht zu regeln. Mit dem geltenden Erlass hat er dabei den ihm zustehenden Einschätzungsspielraum nicht überschritten. Der spezifische Auftrag und die Funktionsfähigkeit der Streitkräfte sind unverändert in einem hohen Maß durch ein nach außen einheitliches Auftreten und einen nach innen engen Zusammenhalt ihrer Angehörigen geprägt. Einschränkungen der Soldaten in der freien Gestaltung ihrer Haartracht sind deshalb durch das Regelungsziel eines – für das Selbstverständnis und die öffentliche Wahrnehmung bestimmenden – einheitlichen äußeren Erscheinungsbilds der Bundeswehr bei der Erfüllung ihres Verteidigungsauftrags im In- und Ausland gerechtfertigt.
Im Hinblick auf die auch den Soldaten in weitem Umfang gewährleisteten Freiheiten zur individuellen Lebensgestaltung stellt die im Äußerlichen bleibende Regelung der Haartracht ein verhältnismäßiges Mittel dar, zumal keine „Einheitsfrisur“ verordnet, sondern lediglich äußere Grenzen gesetzt werden.
Eine Ausnahme für Grundwehrdienstleistende (im Rahmen der bis zum 30. Juni 2011 geltenden allgemeinen Wehrpflicht) war nicht geboten, weil diese wegen ihrer großen Zahl und ihrer Verteilung auf nahezu sämtliche Truppengattungen und Tätigkeitsbereiche das Gesamtbild der Bundeswehr maßgeblich mitprägten.
Die Regelung über die Haartracht von Soldatinnen, die diesen auch das Tragen längerer Haare gestattet, stellt eine zulässige Maßnahme zur Förderung von Frauen in der Bundeswehr dar, die die striktere Regelung der Haartracht für männliche Soldaten nicht in Frage stellt.
Im Anschluss an die allgemeine Öffnung der Bundeswehr für Frauen im Januar 2001 und bei einem Anteil der Frauen in den Streitkräften von derzeit rund 10 % hat sich für das äußere Erscheinungsbild von Soldatinnen noch keine Tradition oder Erwartungshaltung innerhalb der Bundeswehr und in der Öffentlichkeit verfestigt.

Das hat die Pressestelle des Bundesverwaltungsgerichts am 17.12.2013 mitgeteilt.

Der Haar- und Barterlass (Anlage 1 zu der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) 10/5) lautet wie folgt:

„Die Haar- und Barttracht der Soldaten

Die Erfordernisse des militärischen Dienstes hinsichtlich Funktionsfähigkeit, Unfallverhütung, Ansehen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit, Disziplin und Hygiene stellen grundsätzliche Anforderungen an die Haartracht der Soldatinnen sowie die Haar- und Barttracht der Soldaten.

1. Die Haar- und Barttracht muss sauber und gepflegt sein. Modische Frisuren sind erlaubt; ausgenommen sind Frisuren, die in Farbe, Schnitt und Form besonders auffällig sind (z. B. Punkerfrisuren, Irokesenschnitte, grell gefärbte Haarsträhnen, Ornamentschnitte).

2. Das Haar von Soldaten muss am Kopf anliegen oder so kurz geschnitten sein, dass Ohren und Augen nicht bedeckt werden. Es ist so zu tragen, dass bei aufrechter Kopfhaltung Uniform- und Hemdkragen nicht berührt werden. Nicht erlaubt sind besonders ausgefallene Haarschnitte (z. B. Pferdeschwänze, gezopfte Frisuren).
Bärte und Koteletten müssen kurz geschnitten sein. Wenn sich der Soldat einen Bart wachsen lassen will, muss er dies während seines Urlaubs tun. Die oder der Disziplinarvorgesetzte kann Ausnahmen genehmigen.

3. Die Haartracht von Soldatinnen darf den vorschriftsmäßigen Sitz der militärischen Kopfbedeckung nicht behindern. Zur Einhaltung von Sicherheitsbestimmungen und bei bestimmten Diensten (z. B. Gefechtsausbildung, Sportausbildung, Teilnahme an Einsätzen und Übungen) kann die oder der Disziplinarvorgesetzte bei langen Haaren das Tragen eines Haarnetzes befehlen.

4. Auch für Angehörige der Reserve , die Wehrübungen leisten, muss die Haar- und Barttracht sauber und gepflegt sein. Unabhängig davon soll die bzw. der Disziplinarvorgesetzte das Tragen eines Haarnetzes befehlen, wenn das Haar in Farbe, Schnitt und Form den vorgenannten Forderungen nicht entspricht.

Soweit besondere Verhältnisse Abweichungen von den o.a. Bestimmungen erforderlich machen oder für bestimmte Personengruppen (z.B. Soldatinnen und Soldaten in Auslandsverwendungen, fliegendes Personal, Soldatinnen und Soldaten im protokollarischen Dienst, Pflegepersonal in Bundeswehrkrankenhäusern) Sonderregelungen erforderlich sind, sind diese zu befehlen. Zuständig sind die Inspekteure der Teilstreitkräfte, der Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr und der Inspekteur der Streitkräftebasis. Die Befugnis kann delegiert werden“.

 

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Zur Unwirksamkeit einer Entgeltklausel für die Nacherstellung von Kontoauszügen.

Der u.a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 17.12.2013 – XI ZR 66/13 – eine von einer Bank verwendete Entgeltklausel für die Nacherstellung von Kontoauszügen gegenüber Verbrauchern für unwirksam erklärt.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall nahm der klagende Verbraucherschutzverband die beklagte Bank auf Unterlassung der Verwendung folgender Klausel in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis gegenüber Verbrauchern in Anspruch:

„Nacherstellung von Kontoauszügen Pro Auszug 15,00 EUR“.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr auf die Berufung des Klägers stattgegeben.

Der XI. Zivilsenat hat die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der beklagten Bank zurückgewiesen.

Die Klausel, die nach § 307 Abs. 3 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) der Inhaltskontrolle unterliegt, ist nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.
Sie wird den Vorgaben des § 675d Abs. 3 S. 2 BGB nicht gerecht, demzufolge das Entgelt für die Nacherstellung von Kontoauszügen unter anderem in dem hier gegebenen Fall von § 675d Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB an den tatsächlichen Kosten der Bank ausgerichtet sein muss.

Die beklagte Bank hatte vorgetragen, für die Nacherstellung von Kontoauszügen, die in mehr als 80% der Fälle Vorgänge beträfen, die bis zu sechs Monate zurückreichten, fielen aufgrund der internen Gestaltung der elektronischen Datenhaltung Kosten in Höhe von (lediglich) 10,24 € an. In den übrigen Fällen, in denen Zweitschriften für Vorgänge beansprucht würden, die länger als sechs Monate zurücklägen, entstünden dagegen deutlich höhere Kosten.

Damit hat die beklagte Bank selbst bei der Bemessung der tatsächlichen Kosten eine Differenzierung zwischen Kunden, die eine Nacherstellung vor Ablauf der Sechsmonatsfrist begehren, und solchen, die nach Ablauf der Sechsmonatsfrist eine erneute Information beanspruchen, eingeführt und belegt, dass ihr eine Unterscheidung nach diesen Nutzergruppen ohne weiteres möglich ist.
Sie hat weiter, ohne dass es im Einzelnen auf die Einwände des klagenden Verbraucherschutzverbandes gegen die Kostenberechnung ankam, dargelegt, dass die weit überwiegende Zahl der Kunden deutlich geringere Kosten verursacht als von ihr veranschlagt.
Entsprechend muss sie das Entgelt im Sinne des § 675d Abs. 3 S. 2 BGB für jede Gruppe gesondert bestimmen.
Die pauschale Überwälzung von Kosten in Höhe von 15 € pro Kontoauszug auf alle Kunden verstößt gegen § 675d Abs. 3 S. 2 BGB.

Der XI. Zivilsenat hat überdies entschieden, dass die inhaltlich sowie ihrer sprachlichen Fassung nach nicht teilbare Klausel nicht teilweise aufrechterhalten werden kann. Das widerspräche dem in ständiger Rechtsprechung des BGH anerkannten Verbot der geltungserhaltenden Reduktion.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 17.12.2013 – Nr. 206/2013 – mitgeteilt.

 

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Mietrecht – Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung ist unzulässig, wenn kein wirksames Mieterhöhungsverlangen vorausgegangen ist.

Gemäß § 558a Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) ist das Erhöhungsverlangen dem Mieter zu erklären und zu begründen.
Die Begründung soll dem Mieter die Möglichkeit geben, die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens zu überprüfen, um überflüssige Prozesse zu vermeiden. Hierfür ist erforderlich, dass die Begründung dem Mieter konkrete Hinweise auf die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens gibt, damit er während der Überlegungsfrist die Berechtigung der Mieterhöhung überprüfen und sich darüber schlüssig werden kann, ob er dem Erhöhungsverlangen zustimmt oder nicht.
Dabei dürfen an das Begründungserfordernis im Hinblick auf das Grundrecht des Vermieters aus Art. 14 Grundgesetz (GG) zwar keine überhöhten Anforderungen gestellt werden.
Allerdings muss das Erhöhungsverlangen – in formeller Hinsicht – Angaben über die Tatsachen enthalten, aus denen der Vermieter die Berechtigung der geforderten Mieterhöhung herleitet, und zwar in dem Umfang, wie der Mieter solche Angaben benötigt, um der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachgehen und diese zumindest ansatzweise überprüfen zu können.

§ 558a Abs. 2 BGB enthält mit den vier dort aufgeführten Begründungsmitteln keine abschließende Regelung und unter den in § 558a Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Satz 2 BGB genannten Voraussetzungen kann auch der Mietspiegel einer vergleichbaren Gemeinde zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens herangezogen werden, wenn kein Mietspiegel vorhanden ist.

Gemäß § 558a Abs. 4 BGB ist der Mietspiegel einer anderen Gemeinde allerdings nur unter der Voraussetzung ein taugliches Mittel zur Begründung des Mieterhöhungsverlangens, dass es sich um einen Mietspiegel einer vergleichbaren Gemeinde handelt.
Eine fehlende Vergleichbarkeit der Gemeinden kann durch einen prozentualen Abschlag auf die Mieten nicht ersetzt werden.

Ist einer Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung kein wirksames Mieterhöhungsverlangen vorausgegangen, ist die Klage unzulässig.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 13.11.2013 – VIII ZR 413/12 – hingewiesen,

In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall war vom Vermieter zur Begründung seines Mieterhöhungsverlangens für eine in einer Gemeinde mit 4450 Einwohnern belegenen Wohnung auf den beigefügten Mietspiegel einer etwa fünf Kilometer entfernten Großstadt mit 500.000 Einwohnern unter Berücksichtigung eines Abzugs von 30 % Bezug genommen worden.

Da eine Gemeinde mit etwa 4.450 Einwohnern mit einer Großstadt mit rund 500.000 Einwohnern nicht vergleichbar ist, hat der BGH das Erhöhungsverlangen wegen der den formellen Anforderungen des § 558a Abs. 1, 2, 4 BGB nicht genügenden Begründung für unwirksam und die Klage auf Zustimmung zu der begehrten Mieterhöhung, nachdem hier kein wirksames Erhöhungsverlangen vorausgegangen war, für unzulässig erachtet.

Dass in den ruhigeren Randgebieten der Großstadt die Wohnqualität mit derjenigen der nahe gelegenen Gemeinde vergleichbar sein mag, ist für die Vergleichbarkeit beider Gemeinden unerheblich. Denn über die dort ortsübliche Miete gibt der für das gesamte Gebiet der Großstadt erstellte Mietspiegel keine Auskünfte und durch einen prozentualen Abschlag auf die Mieten in der Großstadt kann die fehlende Vergleichbarkeit der Gemeinde mit der Großstadt nicht ersetzt werden.

 

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Betreuungsverfahren – Anordnung einer Kontrollbetreuung – Notwendigkeit der Bestellung eines Verfahrenspflegers.

Ob einem Betroffenen auch dann, wenn ein Regelfall nach § 276 Abs. 1 S. 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) nicht vorliegt, ein Verfahrenspfleger zu bestellen ist, hängt vom Grad der Krankheit oder Behinderung sowie von der Bedeutung des jeweiligen Verfahrensgegenstandes ab.
Einem Betroffenen, der aufgrund krankheitsbedingter Beeinträchtigungen in seiner Fähigkeit, seine Interessen im Verfahren wahrzunehmen, erheblich eingeschränkt ist, ist ein Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn es um die Anordnung einer Kontrollbetreuung geht, die sich auf eine umfassende Vorsorgevollmacht bezieht.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 13.11.2013 – XII ZB 339/13 – hingewiesen.

Nach § 276 Abs. 1 S. 1 FamFG hat das Gericht dem Betroffenen einen Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist.
Die Vorschrift des § 276 FamFG hat § 67 FGG ersetzt, dem sie inhaltlich weitgehend entspricht und der auf das Gesetz zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige (Betreuungsgesetz) vom 12.09.1990 zurückgeht.
Ein wesentliches Ziel der mit dem Betreuungsgesetz vorgenommenen Änderungen des Gesetzes über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit war es, die Rechtsposition des Betroffenen im Verfahren zu stärken. Der Gesetzgeber sah § 67 FGG dabei als wesentliche Neuregelung, die den Schutz des Betroffenen verbessern sollte, indem man ihm – soweit zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich – einen Verfahrenspfleger zur Unterstützung zur Seite stellt. Damit sollten die auf einem gesundheitlichen Mangel beruhenden Einschränkungen der Fähigkeit des Betroffenen, sich im Betreuungsverfahren selbst angemessen vertreten zu können, ausgeglichen werden.

Die vorrangige Aufgabe des Verfahrenspflegers besteht daher darin, gegenüber dem Gericht den Willen des Betroffenen kundzutun und dessen aus Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) folgenden Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs zu verwirklichen.

Ob es auch dann, wenn keiner der in § 276 Abs. 1 S. 2 FamFG aufgeführten Regelfälle vorliegt, eines Verfahrenspflegers bedarf, hängt vom Grad der Krankheit oder Behinderung des Betroffenen sowie von der Bedeutung des jeweiligen Verfahrensgegenstandes ab.
Das Gericht hat hierzu eine Einzelfallbeurteilung vorzunehmen, ohne dass ihm insoweit ein Ermessen eröffnet ist.

Ist das Verfahren auf die Prüfung der Erforderlichkeit einer Kontrollbetreuung gemäß § 1896 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) gerichtet, macht das die Bestellung eines Verfahrenspflegers nicht grundsätzlich entbehrlich. Der Kontrollbetreuer überwacht den oder die Vorsorgebevollmächtigten und ist gegebenenfalls sogar zum Widerruf der Vorsorgevollmacht berechtigt und verpflichtet.
Bei einem Widerruf kann eine Betreuung für den Betroffenen notwendig werden, die dieser mit der Erteilung der Vorsorgevollmacht gerade zu verhindern suchte.
Die Bestellung eines Kontrollbetreuers bedeutet einen gewichtigen Grundrechtseingriff. Der Betroffene wird durch eine rechtliche Betreuung in seiner Entscheidungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) eingeschränkt; im Ergebnis kann es im Zuge der Betreuung auch in höchstpersönlichen Angelegenheiten zu Entscheidungen gegen seinen ausdrücklichen Willen kommen.
Die Möglichkeit, Vorsorgevollmachten zur Vermeidung einer rechtlichen Betreuung zu erteilen, ist demgegenüber Ausdruck des durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG garantierten Selbstbestimmungsrechts.
Eine Kontrollbetreuung, die sich auf den gesamten von der Vorsorgevollmacht genannten Aufgabenkreis bezieht deckt praktisch alle Bereiche ab, in denen rechtliche Entscheidungen für die Betroffene zu treffen sind, und ist damit umfassend angelegt. Die aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG folgende Grundrechtsposition der Betroffenen würde jedenfalls mit einer derart umfassenden Kontrollbetreuung in schwerwiegender Weise eingeschränkt.

Daher ist es verfahrensfehlerhaft, wenn einem Betroffenen in einem solchen Fall trotz einer krankheitsbedingt erheblich eingeschränkten Fähigkeit, seine Interessen im Verfahren wahrzunehmen, kein Verfahrenspfleger bestellt wird.

Vergleiche hierzu auch den Blog „Betreuungsverfahren – Wann einem Betroffenen ein Verfahrenspfleger bestellt werden muss“ sowie den Blog „Betreuungsrecht – Zur Stellung des Verfahrenspflegers und seiner Berechtigung Verfassungsbeschwerde im betreuungsrechtlichen Verfahren zu erheben“.

 

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Verkehrsrecht – Motorradfahrer aufgepasst beim Vorbeifahren an einer vor einer Ampel wartenden Fahrzeugkolonne.

Ein Motorradfahrer, der eine vor einer Ampel wartende Fahrzeugkolonne überholt, ohne dass hierfür eine weitere Fahrtrichtungsspur zur Verfügung steht, verstößt gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot.
Unter Berücksichtigung dieses Verschuldens und der Betriebsgefahr trifft ihn bei der Kollision mit einem unter Verstoß gegen § 10 Straßenverkehrsordnung (StVO) durch eine für ihn eröffnete Lücke in der Kolonne einbiegenden PKW eine Mithaftung von einem Drittel.

Das hat das Landgericht (LG) Tübingen mit Urteil vom 10.12.2013 – 5 O 80/13 – entschieden.

In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall war ein an einer vor einer Ampel wartenden Fahrzeugkolonne links vorbeifahrender Motorradfahrer mit einem PKW kollidiert, dessen Fahrer aus einer Grundstücksausfahrt durch eine Lücke in der Kolonne, die ein anderer PKW-Fahrer offen gelassen hatte, nach links in die Straße einbog.

Vgl. hierzu auch die Blogs „Die Lückenfallrechtsprechung – Zum Vorbeifahren an einer Fahrzeugschlange“ und „Aufgepasst beim Überholen von Fahrzeugkolonnen – Bei Unfall kann Mithaftung drohen“.

 

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Zum Auskunftsanspruch minderjähriger Erben gegenüber dem das Erbe verwaltenden Elternteil.

Ist ein minderjähriges Kind Erbe seiner verstorbenen Mutter und verwaltet sein Vater das aus dem Nachlass stammende Erbe des Kindes, hat er über das verwaltete Vermögen ein vollständiges Verzeichnis zu erstellen und die Richtigkeit seiner Angaben zu versichern.
Dem Kind steht darüber hinaus auch ein gesetzlicher Anspruch auf eine übersichtliche und aus sich heraus verständliche Zusammenstellung aller Einnahmen und Ausgaben im Rahmen der Vermögensverwaltung bis zur Volljährigkeit zu.

Darauf hat, wie das Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz mitteilte, der 11. Zivilsenat als 3. Familiensenat im Rahmen eines Beschlusses vom 26.11.2013 – 11 UF 451/13 – hingewiesen.

Der Senat hatte im Beschwerdeverfahren über geltend gemachte Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche der zwischenzeitlich 41 Jahre alten Tochter des Antragsgegners zu entscheiden.
Mit zwei weiteren Kindern beerbte sie als Minderjährige ihre Mutter, die sich im September 1985 das Leben genommen hatte.
Ihr Vater übernahm den Besitz am Nachlass und veräußerte in der Folgezeit – vor der Volljährigkeit seiner Tochter – verschiedene Nachlassgegenstände.
Den eingeklagten Ansprüchen hat er unter anderem entgegengehalten, der Nachlass der Verstorbenen sei überschuldet gewesen, so dass keine Zahlungsansprüche seiner Tochter mehr bestehen könnten.
Jedenfalls seien die Ansprüche aber verwirkt, da die Antragstellerin über 20 Jahre bis zur Geltendmachung des Anspruchs gewartet habe.

Dem ist der Familiensenat nicht gefolgt. Aus § 1640 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) ergebe sich die Verpflichtung des Vaters, alle Gegenstände des erworbenen Vermögens sowie ihren geschätzten Wert anzugeben und so zu kennzeichnen, dass ihre Identität feststeht.
Nach § 1698 BGB sei er verpflichtet, eine Zusammenstellung aller Einnahmen und Ausgaben in Bezug auf das verwaltete Vermögen vorzulegen, um die Entwicklung des Nachlasses und den Verbleib des Vermögens nachvollziehen zu können.
Ein Auskunftsanspruch entfalle nur dann, wenn von vornherein feststehe, dass Ansprüche auf Herausgabe des Kindesvermögens nicht mehr bestehen, wovon hier aber nicht ausgegangen werden könne.
Die Ansprüche seien auch weder verjährt noch wegen Zeitablaufs nach Volljährigkeit verwirkt.
Letzteres scheide aus, wenn der Berechtigte von seinen Rechten keine Kenntnis und der andere Teil dies zu vertreten habe. So sei es im vorliegenden Fall, da die Tochter erst in jüngerer Zeit durch Nachfragen beim Nachlassgericht und Einschaltung ihres Anwalts Kenntnis vom Testament der Mutter und eventuellen Herausgabeansprüchen erlangt habe.

 

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Streit unter Schülern: 1000 Euro Schmerzensgeld für eine billigend in Kauf genommene Augenverletzung.

  • Erleidet ein Schüler in der Schule durch zwei Schläge eines Mitschülers eine schwerwiegende Augenverletzung, kann der Geschädigte vom Schädiger ein Schmerzensgeld verlangen, das den vom Schädiger billigend in Kauf genommen Verletzungen Rechnung trägt.
  • Weitergehende, vom Vorsatz des Schädigers nicht umfasste Verletzungsfolgen sind bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht zu berücksichtigen.

Das hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 08.11.2013 – 26 U 31/13 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall waren die seinerzeit vierzehnjährigen Parteien Schüler einer Hauptschule.
Nachdem sich der Kläger über eine Rangelei des Beklagten lustig gemacht hatte, fühlte sich der Beklagte nach dem Ende einer Schulstunde durch den Kläger provoziert.
Auf dem Weg zum Pausenhof drängte der Beklagte den Kläger in eine Ecke des Treppenhauses, wo er ihm zwei Schläge gegen das rechte Auge versetzte, weil ihm – so seine Darstellung – „die Sicherungen durchgebrannt“ waren.
Der Kläger erlitt eine schwere Gehirnerschütterung, eine Prellung, ein Hämatom am rechten Auge und eine Augenhöhlenfraktur, die aufgrund eines eingeklemmten Augenmuskels operativ behandelt werden musste.

Unter Hinweis auf bleibende Verletzungsfolgen (Wahrnehmung von Doppelbildern, Einschlafstörungen und wiederkehrenden Kopfschmerzen) hat der Kläger vom Beklagten ein Schmerzensgeld von 20.000 Euro verlangt.

Der 26. Zivilsenat des OLG Hamm hat dem Kläger (nur) ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000 Euro zugestanden.

Der Beklagte hafte für seine vorsätzliche und rechtswidrige Körperverletzung. Er habe dem Kläger aus reiner Wut zwei Schläge ins Gesicht versetzt.

  • Wegen der in §§ 104, 105 des Siebten Sozialgesetzbuchs (SGB VII) geregelten Haftungsprivilegierung, die auch für Schulen gelte, reiche eine vorsätzliche Verletzungshandlung aber nicht aus, um einen Ersatzanspruch zu begründen.
  • Erforderlich sei auch eine vorsätzlich herbeigeführte Verletzungsfolge.

Im vorliegenden Fall könne der Senat nicht davon ausgehen, dass der Beklagte die tatsächlich eingetretenen schweren Folgen beabsichtigt oder auch nur für möglich erachtet habe.
Wegen seiner übergroßen Wut sei aber anzunehmen, dass er nicht nur das blaue Auge sondern auch die Gehirnerschütterung billigend in Kauf genommen habe.
Diese Folgen seien ihm bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zuzurechnen.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 13.12.2013 mitgeteilt.
Vgl. hierzu auch den Blog „Wenn Schüler durch das Verhalten von Mitschülern verletzt werden – Sind Schüler dann untereinander zum Ersatz des Personenschadens verpflichtet?“.

 

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Ordnungswidrigkeitenverfahren – Zur Beweiswürdigung im Fall der Identifizierung eines Betroffenen an Hand eines Messfotos.

Im Fall der Täteridentifizierung eines Betroffenen müssen die Urteilsgründe so abgefasst sein, dass dem Rechtsbeschwerdegericht die Prüfung möglich ist, ob ein Messfoto bzw. Radarfoto überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen. 
Ausreichend ist es hierfür, dass in den Urteilsgründen auf das in der Akte befindliche Foto gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 Strafprozessordnung (StPO) i. V. m. § 71 Abs. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) Bezug genommen wird, wodurch das Foto zum Bestandteil der Urteilsgründe wird und vom Rechtsbeschwerdegericht dann zur Prüfung der Frage, ob es als Grundlage einer Identifizierung tauglich ist, selbst in Augenschein genommen werden kann.

  • Macht der Tatrichter von dieser Möglichkeit Gebrauch und ist das Foto zur Identifizierung uneingeschränkt geeignet, so sind darüber hinausgehende Ausführungen zur Beschreibung des abgebildeten Fahrzeugführers entbehrlich. 

Die Bezugnahme nach § 267 Abs. 1 S. 3 StPO muss aber deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht sein. 
Alleine der Hinweis auf die in der Hauptverhandlung erfolgte Inaugenscheinnahme genügt den Anforderungen nicht. Dadurch wird lediglich der Beweiserhebungsvorgang beschrieben wird, nicht aber der Wille zum Ausdruck gebracht wird, das Radarfoto zum Bestandteil der Urteilsurkunde zu machen.

  • Sieht der Tatrichter von einer Verweisung gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO ab, muss das Urteil Ausführungen zur Bildqualität enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere Identifizierungsmerkmale in ihren charakteristischen Eigenschaften so präzise beschreiben, dass dem Rechtsmittelgericht in gleicherweise wie bei Betrachtung des Fotos die Prüfung der Ergiebigkeit des Fotos ermöglicht wird. 

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf mit Beschluss vom 18.07.2013 – IV-3 RBs 67/13 – hingewiesen.
Vgl. hierzu auch Bernd Rösch, „Das Urteil in Straf- und Bußgeldsachen„, 2. Aufl., S. 356 f.

 

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