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Prozesskostenhilfe – Folge einer verspäteten Abgabe der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse.

Beantragt ein Beklagter Prozesskostenhilfe für seine Verteidigung gegen eine Klage und reicht er die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erst ein, nachdem die Klage bereits zurückgenommen wurde, kommt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich nicht mehr in Betracht.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 17.10.2013 – III ZA 274/13 – hingewiesen.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kommt nach Abschluss des Verfahrens – etwa durch Klagerücknahme – nur dann in Betracht, wenn zuvor der Prozesskostenhilfeantrag sowie die gemäß § 117 Abs. 2 bis 4 Zivilprozessordnung (ZPO) erforderliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers eingegangen sind, der Prozesskostenhilfeantrag mithin vollständig eingereicht worden ist.

Diese Voraussetzungen waren auch in dem Fall gegeben, welcher dem Beschluss des BGH vom 18.11.2009 – XII ZB 152/09 – zugrunde lag.

Ist die (vollumfängliche) Klagerücknahme indes eingegangen, bevor die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten eingereicht worden ist, liegen die Voraussetzungen für eine (rückwirkende) Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht vor und zwar auch dann nicht, wenn dem Beklagten vom Gericht unter Hinweis auf die in § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO vorgesehene Sanktion vor Eingang der Klagerücknahme eine Frist zur Vorlage der Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gesetzt worden und die Einreichung dieser Erklärung innerhalb der eingeräumten Frist erfolgt ist.
Mit einer solchen Fristsetzung soll einem Beklagten im Stadium des noch anhängigen Prozesses (vor der vollständigen Klagerücknahme) vor Augen geführt werden, dass sein Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen werden kann, wenn er die geforderte Erklärung (nebst Belegen) nicht innerhalb der vom Gericht bestimmten Frist vorlegt. Ein schützenswertes Vertrauen des Beklagten darauf, dass er sich unbeschadet vom weiteren Verfahrensgang bis zum Fristablauf Zeit lassen kann, wird hierdurch nicht begründet. Einem anwaltlich vertretenen Beklagten muss von vornherein bekannt sein, dass es für den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe der Beifügung einer Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bedarf.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Ordnungswidrigkeitenverfahren – Begeht ein auf dem Beifahrersitz sitzender Fahrlehrer eine Ordnungswidrigkeit, wenn er während einer Ausbildungsfahrt mit dem Handy telefoniert?

Ein auf dem Beifahrersitz sitzender Fahrlehrer darf während einer Ausbildungsfahrt mit einem entsprechend ausgerüsteten Pkw jedenfalls dann mit einem Mobiltelefon telefonieren, wenn der Pkw von einem (schon) fortgeschrittenen Fahrschüler geführt wird.

Das hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf mit Beschluss vom 04.07.2013 – IV-1 RBs 80/13 – entschieden.

Danach ist der Tatbestand des § 23 Abs. 1a Straßenverkehrsordnung (StVO) schon deshalb nicht erfüllt, weil der das Mobiltelefon benutzende Fahrlehrer in einem solchen Fall kein Fahrzeug führt.
Zwar gilt gemäß § 2 Abs. 15 S. 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG) bei Ausbildungsfahrten der Fahrlehrer „im Sinne dieses Gesetzes als Führer des Kraftfahrzeugs“, wenn er den am Steuer sitzenden und noch nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis befindlichen Fahrschüler begleitet.

Diese gesetzliche Fiktion vermag nach Auffassung des 1. Senats für Bußgeldsachen des OLG Düsseldorf jedoch eine Ahndung des Fahrlehrers nach § 23 Abs. 1a StVO nicht zu rechtfertigen.
Soweit in Rechtsprechung und Lehre die Ansicht vertreten wird, dass die Norm eine ordnungswidrigkeitenrechtliche Haftung des die Fahrt nur begleitenden Fahrlehrers gemäß § 23 Abs. 1a S. 1 StVO begründe (so wohl OLG Bamberg, Beschluss vom 24.03.2009 – 2 Ss OWi 127/09 –), folgt der 1. Senats für Bußgeldsachen des OLG Düsseldorf dem nicht.

Dabei kann – wie der Senat ausführt – dahinstehen, ob schon der Wortlaut des § 2 Abs. 15 Satz 2 StVG („im Sinne dieses Gesetzes“) den Geltungsbereich der Norm ausschließlich auf das Straßenverkehrsgesetz beschränkt und damit die – immerhin auf seiner Grundlage erlassene – Straßenverkehrsordnung nicht erfasst.
Denn jedenfalls nach dem Sinn und Zweck der Norm sowie aus systematischen Gründen reicht die in § 2 Abs. 15 S. 2 StVG vorgesehene Fiktionswirkung nicht in den Bereich der ordnungswidrigkeitenrechtlichen Haftung hinein.
Nach ihrem Sinn und Zweck dient die Vorschrift dem Schutz des Fahrschülers, indem sie ihn vor einer Strafbarkeit gemäß § 21 StVG bewahrt und an seiner Stelle den Fahrlehrer der zivilrechtlichen Gefährdungshaftung nach § 18 StVG unterwirft.
Ohne die gesetzliche Fiktion des § 2 Abs. 15 Satz 2 StVG würde der Fahrschüler, der während der Ausbildungsfahrt am Steuer sitzt, als Fahrzeugführer die Tatbestände der §§ 21, 18 StVG verwirklichen, was vom Gesetz nicht gewollt ist, denn er soll die erforderliche Fahrerlaubnis erst noch erwerben und dabei als Lernender – zulasten einer Verantwortlichkeit des ihn begleitenden Fahrlehrers – haftungsrechtlich privilegiert werden.

Dass der Fiktion eine über diese Rechtsfolgen hinausgehende, weiterreichende Wirkung nicht zukommen soll, zeigt schon ihr auf das Straßenverkehrsrecht beschränkter Anwendungsbereich, der insbesondere die §§ 315c, 316 Strafgesetzbuch (StGB ) unstreitig nicht erfasst (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 19.12.2005 – 3 Ss 588/05 –), obwohl diese Vorschriften tatbestandlich an das Führen eines Fahrzeuges anknüpfen.
§ 2 Abs. 15 S. 2 StVG verlagert die Verantwortlichkeit vom Fahrschüler auf den Fahrlehrer mithin lediglich partiell, ohne dass er jenseits seines „spezifischen Zusammenhangs mit dem Straßenverkehrsrecht“ in eine „Vorschrift zur strafrechtlichen Mithaftung des Fahrlehrers“ umgedeutet werden könnte.
Eine dahingehende Umdeutung kommt – schon aus systematischen Erwägungen – auch im Bereich der Ordnungswidrigkeiten nicht in Betracht. Andernfalls ergäben sich kaum zu rechtfertigende Wertungswidersprüche (Täterschaft des als Beifahrer angetrunkenen Fahrlehrers im Sinne des § 24a StVG, nicht aber der §§ 315c, 316 StGB ).

Der Fahrlehrer auf dem Beifahrersitz neben einem Fahrschüler ist auch in Anwendung allgemeiner Grundsätze nicht als Fahrzeugführer im Sinne von § 23 Abs. 1a S. 1 StVO anzusehen.
§ 23 Abs. 1a S. 1 StVO ist – ebenso wie die §§ 315c, 316 StGB – ein eigenhändiges Delikt. Es kann nur durch denjenigen verwirklicht werden, der das Fahrzeug in Bewegung setzt oder unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen während der Fahrbewegung lenkt.
Ein Führen allein „durch Worte“ reicht hierfür nicht aus, so dass nach herrschender Meinung der eine Ausbildungsfahrt nur mündlich anleitende Fahrlehrer kein Fahrzeugführer ist, solange er nicht manuell in die Steuerung des Wagens eingreift.

Offen gelassen hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des OLG Düsseldorf, ob dies dann anders zu beurteilen ist, wenn sich der Fahrschüler infolge mangelhafter eigener Fahrkenntnisse „bedingungslos“ oder zumindest „im Wesentlichen“ nach den technischen Anweisungen des Fahrlehrers richtet. Denn in dem von ihm entschiedenen Fall war eine derartige Situation nicht gegeben. Anhaltspunkte dafür, dass der Fahrlehrer während der Ausbildungsfahrt mit seinem – fortgeschrittenen – Fahrschüler dessen Verkehrsverhalten durch mündliche Anweisungen maßgeblich bestimmt hat, lagen nicht vor

 

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Verwirkung eines Rechts – Voraussetzungen hierfür.

Ein Gläubiger verwirkt seinen rechtskräftig ausgeurteilten Zahlungsanspruch nicht allein dadurch, dass er über einen Zeitraum von 13 Jahren keinen Vollstreckungsversuch unternimmt.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 09.10.2013 – XII ZR 59/12 – hingewiesen.

Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Rechtsgedanke der Verwirkung, der auch im Miet- und Pachtrecht gilt, ein Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung aufgrund widersprüchlichen Verhaltens.
Danach ist ein Recht verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde.
Die Annahme einer Verwirkung setzt somit

  • neben dem Zeitablauf
  • das Vorliegen besonderer, ein solches Vertrauen des Verpflichteten begründender Umstände

voraus.
Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalles.

Bei dem Rechtsgedanken der Verwirkung kommt es in erster Linie auf das Verhalten des Berechtigten an.
Mit der Verwirkung soll die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten gegenüber dem Verpflichteten ausgeschlossen werden. Dabei ist das Verhalten des Berechtigten nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen.
Maßgebend ist insoweit, ob bei objektiver Beurteilung der Verpflichtete dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, ob er sich also darauf einrichten durfte, dass er mit einer Rechtsausübung durch den Berechtigten nicht mehr zu rechnen brauche.

Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH müssen daher zu dem reinen Zeitablauf besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen.
Ein solcher Vertrauenstatbestand kann nicht durch bloßen Zeitablauf geschaffen werden.

 

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YouTube muss identifizierende Berichterstattung über einen Verkehrsunfall mit fahrlässiger Tötung nicht unterbinden – Unterschied zu Presseberichten.

Das öffentliche Informationsinteresse kann eine identifizierende Berichterstattung über einen Verkehrsunfall mit fahrlässiger Tötung durch auf YouTube hochgeladene Videos rechtfertigen. Dem Betroffenen steht dann kein Löschungsanspruch gegen den Betreiber der Internetplattform YouTube zu.

Das hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschlüssen vom 07.08.2013 und 23.09.2013 – 3 U 71/13 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der mit diplomatischer Immunität in Russland als Lehrer arbeitende Kläger im November 2008 in Moskau einen Verkehrsunfall verursacht, bei dem zwei russische Studenten getötet worden waren.
Aufgrund des Diplomatenstatus des Klägers wurde die Tat in Russland nicht verfolgt. Der Kläger konnte ohne Sanktion russischer Behörden nach Deutschland zurückkehren.
In Deutschland wurde der Kläger für diese Tat im Jahre 2009 zu einem Jahr Freiheitsstrafe zur Bewährung, einer Geldbuße von 5.000 € und einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt.

Die Tat und ihre juristische Aufarbeitung waren wiederholt Gegenstand russischer Presseberichte.
Unbekannte Nutzer thematisierten sie in Videos und luden diese auf die von der Beklagten betriebene Internetplattform YouTube hoch.
Die Videos zeigen Berichte in russischer Spare mit deutschen Untertiteln. Dabei enthalten sie u.a. ein Foto, nennen den damaligen Namen des Klägers und eine frühere Adresse.

Die vom Kläger verlangte Löschung aller Videos hat die Beklagte abgelehnt.

Der 3. Zivilsenat des OLG Hamm hat der Beklagten Recht gegeben und einen Löschungsanspruch des Klägers verneint.
Durch die Berichterstattung unter namentlicher Benennung und bildlicher Darstellung werde der Kläger (zwar) in seiner Beziehung zur Umwelt (Sozialsphäre) betroffen, in der er als unverantwortlicher Verkehrsteilnehmer negativ dargestellt werde.
Diese Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts sei aber nicht widerrechtlich. Das folge aus einer Güter- und Interessenabwägung zwischen den Rechten und Interessen der beteiligten Parteien.
Bei einer identifizierenden Berichterstattung über Straftaten seien das Anonymitätsinteresse des Täters und sein Recht auf Resozialisierung berührt.
Für den Kläger spreche insoweit, dass das Geschehen nach dem Ablauf der Bewährungszeit aus seiner strafrechtlichen Verurteilung mittlerweile über zwei Jahre abgeschlossen sei.
Zulasten des Klägers sei zu berücksichtigen, dass er die Berichterstattung durch sein eigenes Verhalten hervorgerufen habe. Unstreitig habe er eine Straftat begangen. Dann müsse er neben der strafrechtlichen Sanktion hinnehmen, dass sich die Öffentlichkeit mit der Tat auseinandersetze. Insoweit sei zugunsten der Beklagten das öffentliche Informationsinteresse zu beachten. Dieses überwiege grundsätzlich bei einer aktuellen Berichterstattung.

Im Fall des Klägers seien die beanstandeten YouTube-Videos spätestens Anfang 2010 auf die Internetplattform hochgeladen worden. Zu diesem Zeitpunkt sei der Fall noch aktuell gewesen. An das Strafverfahren habe sich seinerzeit ein medial beachteter Zivilprozess angeschlossen. Im Übrigen stelle die Tat kein geringes Vergehen dar, weil zwei Menschen zu Tode gekommen seien. Sie sei ein Ereignis der Zeitgeschichte, bei dem der Täter im Rahmen einer aktuellen Berichterstattung namentlich benannt werden könne.

Gegen die Rechtmäßigkeit der Berichterstattung spreche auch nicht, dass der Kläger behaupte, die Videos gäben ein unwahres Tatgeschehen wieder, weil suggeriert werde, er sei betrunken gefahren.
Zwar müsse eine Berichterstattung mit unwahren Tatsachenbehauptungen nicht hingenommen werden. Im vorliegenden Fall müsse der Kläger die streitige Behauptung aber als wahr gegen sich gelten lassen, auch wenn sie nicht bewiesen sei.
Die hochgeladenen Videos stammten von beliebigen Dritten und würden nicht überprüft.
Im Unterschied zu Presseberichten gebe es bei den von Laien erstellten Videos kein erhöhtes Vertrauen in ihre inhaltliche Richtigkeit. Daraus folge das sog. Laienprinzip, auf das sich auch die Beklagte stützen könne.
Befasse sich ein Laie im einem Video mit einer die Öffentlichkeit berührenden Angelegenheit, könne er sich hinsichtlich der mit dem Video verbreiteten Tatsachenbehauptungen auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen.
Er müsse nicht beweisen, dass die Tatsachen wahr, sondern nur darlegen, dass sie sorgfältig recherchiert seien. Diesen Anforderungen sei im vorliegenden Fall genügt worden, weil die den Videos zugrunde liegende russische Presseberichterstattung von einer Trunkenheitsfahrt ausgehe und der Kläger dieser Berichterstattung auch nicht widersprochen habe.

Die Berichterstattung sei auch nicht deswegen rechtswidrig, weil sie noch im Jahre 2012 bei YouTube zu sehen sei. Mit zeitlicher Distanz zur Straftat nehme zwar das Interesse des Täters zu, mit seiner Tat nicht mehr konfrontiert zu werden. Jedoch bestehe auch ein Interesse der Öffentlichkeit, geschichtliche Ereignisse von besonderer Bedeutung recherchieren zu können.
Soweit die Berichterstattung bei ihrer Veröffentlichung rechtmäßig gewesen sei, dürften die Berichte auch in Online-Archiven weiter zum Abruf bereitgehalten werden, wenn das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen nicht aufgrund der Umstände des Einzelfalls überwiege.
Letzteres treffe auf den vorliegenden Fall nicht zu. Die Berichterstattung sei ausdrücklich als Altmeldung erkennbar. Der Resozialisierung des Klägers stehe sie nicht entgegen, weil nur ältere Fotografien verwandt worden seien und der Kläger bereits vor Klageerhebung seinen Namen geändert habe.

Gegen die Entscheidung ist Rechtsmittel eingelegt worden. Die Sache befindet sich derzeit beim Bundesgerichtshof (BGH) dessen Entscheidung noch aussteht.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 29.11.2013 mitgeteilt.

 

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Urheberrechtsgesetz (UrhG) – Voraussetzungen für die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke auf elektronischen Lernplattformen von Universitäten.

Eine Universität darf den Teilnehmern einer Lehrveranstaltung nur dann Teile eines urheberrechtlich geschützten Werkes auf einer elektronischen Lernplattform zur Verfügung stellen, wenn

  • diese Teile höchstens 12% des Gesamtwerks und 
  • nicht mehr als 100 Seiten ausmachen und 
  • der Rechtsinhaber der Universität keine angemessene Lizenz für die Nutzung angeboten hat.

 

Das hat der u.a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 28.11.2013 – I ZR 76/12 – entschieden.

In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall war der Kläger ein Verlag, der Inhaber der urheberrechtlichen Nutzungsrechte an dem von ihm verlegten Werk „Meilensteine der Psychologie“ ist. 
Die Beklagte ist eine Fernuniversität. Sie hat mehr als 4.000 Studierenden, die im Bachelor-Studiengang Psychologie den Kurs „Einführung in die Psychologie und ihre Geschichte“ belegt hatten, 14 vollständige Beiträge mit insgesamt 91 Seiten des 528 Textseiten umfassenden Buches „Meilensteine der Psychologie“ auf einer elektronischen Lernplattform als PDF-Datei zum Lesen, Ausdrucken und Abspeichern zur Verfügung gestellt. 
Ein Angebot des Klägers zum Abschluss eines Lizenzvertrages hat sie abgelehnt.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe damit das Urheberrecht an dem Werk verletzt. Er hat die Beklagte deshalb auf Unterlassung in Anspruch genommen und die Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht beantragt. 
Die Beklagte meint, sie sei nach der Schrankenregelung des § 52a Abs. 1 Nr. 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG) zur fraglichen Nutzung berechtigt. Nach dieser Bestimmung ist es zulässig, veröffentlichte kleine Teile eines Werkes zur Veranschaulichung im Unterricht an Hochschulen ausschließlich für den bestimmt abgegrenzten Kreis von Unterrichtsteilnehmern öffentlich zugänglich zu machen, soweit dies zu dem jeweiligen Zweck geboten und zur Verfolgung nicht kommerzieller Zwecke gerechtfertigt ist.

Das Berufungsgericht hat der Klage stattgegeben. 
Die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg auf § 52a Abs. 1 Nr. 1 UrhG berufen, weil die auf der Lernplattform eingestellten Beiträge nicht als „kleine“ Teile des Werkes „Meilensteine der Psychologie“ anzusehen seien und auch nicht zur Veranschaulichung im Unterricht gedient hätten.

Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Nach Ansicht des BGH sind unter „kleinen“ Teilen eines Werkes entsprechend einem zwischen der Verwertungsgesellschaft Wort und den Bundesländern geschlossenen „Gesamtvertrag zur Vergütung von Ansprüchen nach § 52a UrhG für das Öffentlich-Zugänglichmachen von Werken für Zwecke des Unterrichts an Schulen“, der gleichfalls Sprachwerke betrifft, höchstens 12% des gesamten Werkes zu verstehen. 
Darüber hinaus sei eine – vom BGH mit 100 Seiten definierte – Höchstgrenze erforderlich, weil ansonsten ganze Bände eines mehrbändigen Werkes ohne Einwilligung des Urhebers öffentlich zugänglich gemacht werden dürften. 
Die Beklagte habe demnach grundsätzlich bis zu 63 Seiten des Werkes „Meilensteine der Psychologie“ auf der Lernplattform einstellen dürfen. 
Das Einstellen der Beiträge habe – so der BGH – auch der Veranschaulichung im Unterricht gedient. Dem stehe, anders als das Berufungsgericht gemeint habe, nicht entgegen, dass sie den Unterrichtsstoff nicht nur verdeutlicht, sondern auch ergänzt hätten. 
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts erlaube die Schrankenregelung des § 52a Abs. 1 Nr. 1 UrhG auch nicht nur ein Bereithalten kleiner Teile eines Werkes zum Lesen am Bildschirm. Vielmehr gestatte sie deren Zugänglichmachen auch dann, wenn Unterrichtsteilnehmern dadurch ein Ausdrucken und Abspeichern der Texte ermöglicht werde.

Nach Ansicht des BGH ist ein Zugänglichmachen allerdings nicht geboten im Sinne von § 52a Abs. 1 Nr. 1 UrhG, wenn der Rechtsinhaber der Hochschule eine angemessene Lizenz für die fragliche Nutzung angeboten hat. 
Der Bundesgerichtshof hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das nun die Angemessenheit des Lizenzangebots des Klägers zu prüfen haben wird.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 29.11.2013 – Nr. 194/2013 – mitgeteilt.

 

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Steuerrecht – Verwertungsverbot von Zufallserkenntnissen im Besteuerungsverfahren.

Zufallserkenntnisse, die bei einer gegen einen anderen Beschuldigten durchgeführten Telefonüberwachung gewonnen worden sind, dürfen in einem Besteuerungsverfahren gegen den Betroffenen (hier: Inanspruchnahme als Haftender wegen Begehung oder Beteiligung an einer Straftat) nicht verwendet werden (Verwertungsverbot), wenn die dem Betroffenen im Haftungsbescheid zur Last gelegte Straftat strafprozessrechtlich die Anordnung einer Telefonüberwachung nicht gerechtfertigt hätte.

Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Beschluss vom 24.04.2013 – VII B 202/12 – klargestellt.

In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte das Hauptzollamt den Kläger als Haftenden für Tabaksteuer in Anspruch genommen. Ihm wurde im Haftungsbescheid zur Last gelegt, den Verkauf von unverzollten und nicht versteuerten Zigaretten zwischen Dritten vermittelt zu haben.
Der Verkäufer der Zigaretten war deshalb vom Amtsgericht wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei verurteilt worden. Dem Kläger konnte im Strafverfahren eine Beteiligung allerdings nicht nachgewiesen werden.

Im Haftungsbescheid ging das Hauptzollamt gleichwohl davon aus, dass der Kläger den Verkauf vermittelt habe und stützte sich dabei auf die Protokolle einer (aus anderen Gründen angeordneten) Telefonüberwachung aus dem Jahr 2007.
Nach damals geltendem Recht durfte eine Telefonüberwachung wegen des Verdachts der Begehung von Steuerstraftaten nicht angeordnet werden.

Das Finanzgericht (FG) hat den Haftungsbescheid aufgehoben mit der Begründung, die zufälligen Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung dürften gegen den Kläger nicht verwertet werden.

Diese Rechtsansicht hat der BFH für offensichtlich zutreffend erklärt, ohne dass dies in einem Revisionsverfahren geprüft werden müsse. § 477 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) lasse die Verwertung in einem anderen Strafverfahren gewonnener Erkenntnisse nur zu, wenn diese durch die betreffende Maßnahme auch unmittelbar zur Aufklärung der dem Beschuldigten bzw. Haftungsschuldner vorgeworfenen Straftat hätten gewonnen werden können.
Zufallserkenntnisse aus einer Telefonüberwachung dürften jedoch zu Beweiszwecken nur verwertet werden, wenn sich die Erkenntnisse auf Katalogtaten im Sinne des § 100a StPO bezögen. Selbst nach der inzwischen in Kraft getretenen Neufassung dieser Vorschrift gehört dazu die einfache (d.h. nicht gewerbs- oder bandenmäßig begangene) Steuerhehlerei nicht.

Das hat die Pressestelle des Bundesfinanzhofs am 27.11.2013 – Nr. 82 – mitgeteilt.

 

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Steuerrecht – Umsatzsteuer: Abgabe von „Gratis-Handys“ durch einen Vermittler von Mobilfunkverträgen.

Wenn ein Vermittler von Mobilfunkverträgen dem Kunden bei Abschluss eines Mobilfunkvertrags mit einem Mobilfunkanbieter (Netzbetreiber) „kostenlos“ ein Handy liefert und er hierfür von dem Netzbetreiber einen Bonus erhält, muss er die Abgabe des Handys nicht als sog. unentgeltliche Wertabgabe mit deren Einkaufspreis versteuern. Er hat vielmehr – neben der Vermittlungsprovision – (lediglich) diesen Bonus der Umsatzsteuer zu unterwerfen.

Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) durch Urteil vom 16.10.2013 – XI R 39/12 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall vermittelte die Klägerin Mobilfunkverträge zwischen Kunden und verschiedenen Netzbetreibern.
Der Kunde konnte gegen eine erhöhte Monatsgebühr Tarife mit „kostenlosem“ Handy wählen.

Das Finanzamt unterwarf die Lieferung dieser Handys mit deren Einkaufspreis als sog. unentgeltliche Wertabgabe der Umsatzsteuer.

Dem folgte der BFH – wie bereits das Finanzgericht (FG) – nicht, weil die Abgabe des Handys wegen des von dem Netzbetreiber dafür gezahlten Bonus nicht unentgeltlich sei.

Allerdings hat das FG im zweiten Rechtsgang Feststellungen zum Inhalt der Gutschriften zu treffen, die die Netzbetreiber der Klägerin erteilt haben und auf deren Grundlage jeweils abgerechnet worden ist.
Soweit darin auch für den Bonus Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen worden ist, kommt insoweit eine (zusätzliche) Steuerschuld des Vermittlers wegen unrichtigen Steuerausweises in Betracht.

Das hat die Pressestelle des Bundesfinanzhofs am 27.11.2013 – Nr. 81 – mitgeteilt.

 

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Mietrecht – Zum Beginn der Verjährungsfrist nach § 548 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ).

Für die Frage der Verjährung von Ersatzansprüchen des Vermieters setzt die Rückerlangung der Mietsache außer der Übertragung des Besitzes an der Wohnung vom Mieter an den Vermieter die Kenntnis des Vermieters von der Besitzaufgabe voraus.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 23.10.2013 – VIII ZR 402/12 – hingewiesen.

Nach § 548 Abs. 1 S. 1, 2 BGB beginnt die sechsmonatige Verjährungsfrist für die Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache in dem Zeitpunkt, in dem er die Mietsache zurückerhält. 
Die Beendigung des Mietvertrags ist nicht Voraussetzung für den Beginn der kurzen Verjährung. 
Andererseits ist der Vermieter nicht dazu verpflichtet, die Mietsache jederzeit – sozusagen „auf Zuruf“ – zurückzunehmen, etwa wenn der Mieter kurzfristig auszieht und den Schlüssel zur Wohnung an den Vermieter zurückgeben will.

Zweck des § 548 BGB ist es, zeitnah zur Rückgabe der Mietsache eine möglichst schnelle Klarstellung über bestehende Ansprüche im Zusammenhang mit dem Zustand der Mietsache zu erreichen.

  • Das bedeutet zum einen, dass der Vermieter in die Lage versetzt werden muss, sich durch Ausübung der unmittelbaren Sachherrschaft ungestört ein umfassendes Bild von den Mängeln, Veränderungen und Verschlechterungen der Mietsache zu machen. 
  • Zum anderen ist es erforderlich, dass der Mieter den Besitz vollständig und eindeutig aufgibt, wobei der Vermieter hiervon Kenntnis erlangen muss. 
     

Ohne Kenntnis von der Besitzaufgabe des Mieters an der Wohnung, etwa durch Rückgabe der Wohnungsschlüssel an den Vermieter oder seinen Bevollmächtigten, ist der Vermieter grundsätzlich nicht in der Lage, den Zustand der Wohnung zu prüfen.

Die Rückerlangung der Mietsache im Sinne von § 548 Abs. 1 S. 2 BGB setzt mithin

  • außer der Übertragung des Besitzes an der Wohnung vom Mieter an den Vermieter 
  • (auch) die Kenntnis des Vermieters von der Besitzaufgabe 
     

voraus.

In einem Fall, in dem die Besitzaufgabe des Mieters durch Rückgabe der Wohnungsschlüssel nicht an den Vermieter, sondern an einen Dritten, beispielsweise einen Besitzdiener des Vermieters (§ 855 BGB ) erfolgt, reicht dies für die Rückgabe der Wohnung im Sinne von § 548 Abs. 1 S. 2 BGB somit nur dann aus, wenn die Kenntnis des Besitzdieners von der Rückgabe der Wohnungsschlüssel dem Vermieter zuzurechnen ist und dies ist nur dann der Fall, wenn der Besitzdiener auch konkret damit beauftragt war, die Wohnungsschlüssel zum Zweck der Übergabe der Wohnung entgegenzunehmen, also auch als „Wissensvertreter“ des Vermieters eingesetzt war. 
Ansonsten erhält der Vermieter durch die Schlüsselrückgabe an den Besitzdiener zwar die Sachherrschaft über die Wohnung zurück, er ist jedoch, weil für eine analoge Anwendung von § 166 Abs. 1 BGB zur Kenntniserlangung durch einen Besitzdiener kein Raum ist, mangels Kenntnis davon nicht in der Lage, sich daraufhin ein umfassendes Bild vom Zustand der Wohnung zu machen.

 

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Strafverfahren – Zur Strafmilderung bei Aufklärungshilfe.

Hat ein Angeklagter gemäß den Voraussetzungen des § 46 b Strafgesetzbuch (StGB ) Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Taten geleistet, kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB mildern.

Anwendbar ist § 46 b StGB auch dann, wenn zwischen der jeweils zu beurteilenden Tat und derjenigen, zu der der Täter einen Aufklärungsbeitrag erbracht hat, kein Zusammenhang besteht.
Daher ist, wenn dem Täter mehrere Delikte zur Last liegen, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind (§ 46b Abs. 1 S. 1 StGB ), für alle Taten abzuwägen, ob eine Strafrahmenverschiebung gerechtfertigt ist, auch wenn sich die Aufklärungshilfe nur auf eine dieser Taten bezieht.

Die Anwendbarkeit der am 01.08.2013 in Kraft getretenen Neufassung des § 46 b StGB (46. StrÄndG vom 10.06.2013, BGBl. I S. 1497) bestimmt sich dabei nach den allgemeinen Vorgaben des § 2 StGB.
Hat der Aufklärungsgehilfe seine Taten vor Inkrafttreten der Neuregelung begangen, so ist daher gemäß § 2 Abs. 3 StGB über die mögliche Strafrahmenverschiebung nach den Maßstäben des § 46 b StGB in seiner alten Fassung zu entscheiden (vgl. BT-Drucks. 17/9695 S. 9).

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 17.09.2013 – 3 StR 209/13 – hingewiesen.
Vgl. hierzu auch den Blog „Strafrecht – Aufklärungshilfe bei Betäubungsmittelstraftaten – Was ausschlaggebend für Strafmilderung ist“ sowie Bernd Rösch, „Das Urteil in Straf- und Bußgeldsachen“, 2. Aufl., S. 125.

 

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Arbeitsrecht – Zur Verdachtskündigung und zur Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen im Kündigungsschutzprozess ohne vorherige Anhörung des Arbeitnehmers.

Nach § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. 
Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. 
Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn

  • sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, 
  • die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und 
  • der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat.

Der Verdacht muss auf konkrete – vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende – Tatsachen gestützt sein. 
Er muss ferner dringend sein. 
Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. 
Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. 
Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus.

In einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung sind nicht nur die dem Arbeitgeber bei Kündigungsausspruch bekannten tatsächlichen Umstände von Bedeutung. So sind auch solche später bekannt gewordenen Umstände zu berücksichtigen – zumindest wenn sie bei Kündigungszugang objektiv bereits vorlagen -, die den ursprünglichen Verdacht abschwächen oder verstärken. 
Daneben können selbst solche Tatsachen in den Prozess eingeführt werden, die den Verdacht eines eigenständigen – neuen – Kündigungsvorwurfs begründen. 
Voraussetzung ist, dass der neue Kündigungsgrund bei Ausspruch der Kündigung objektiv schon gegeben, dem Arbeitgeber nur noch nicht bekannt war.

Für die Beachtlichkeit eines solchen Vorbringens bedarf es keiner neuerlichen Anhörung des Arbeitnehmers.

Führt der Arbeitgeber lediglich verdachtserhärtende neue Tatsachen in den Rechtsstreit ein, bedarf es dazu schon deshalb keiner vorherigen Anhörung des Arbeitnehmers, weil dieser zu dem Kündigungsvorwurf als solchem bereits gehört worden ist. Er kann sich gegen den verstärkten Tatverdacht ohne Weiteres im bereits anhängigen Kündigungsschutzprozess verteidigen.

Führt der Arbeitgeber neue Tatsachen in das Verfahren ein, die den Verdacht einer weiteren Pflichtverletzung begründen, bedarf es der – erneuten – Anhörung des Arbeitnehmers ebenfalls nicht. 
Das ergibt sich aus Sinn und Zweck des Anhörungserfordernisses.
Die Notwendigkeit der Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch einer Verdachtskündigung ist Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Sie gründet in der Verpflichtung des Arbeitgebers, sich um eine Aufklärung des Sachverhalts zu bemühen. Sie soll den Arbeitgeber vor voreiligen Entscheidungen bewahren und der Gefahr begegnen, dass ein Unschuldiger von der Kündigung betroffen wird. 
Ist aber – wie beim „Nachschieben“ von Kündigungsgründen – die Kündigung dem Arbeitnehmer bereits zugegangen, kann dessen Stellungnahme sie in keinem Fall mehr verhindern. 
Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist damit auch mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht unverzichtbar. Die Rechte des Arbeitnehmers werden gleichermaßen dadurch gewahrt, dass er sich im anhängigen Kündigungsschutzprozess gegen den neuen Tatverdacht verteidigen kann.

Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu dem Erfordernis, den Betriebsrat analog § 102 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zu den erweiterten Kündigungsgründen anzuhören. Die Anhörung des Betriebsrats dient – anders als die Anhörung des Arbeitnehmers – nicht (nur) der Aufklärung des Sachverhalts. Sie soll dem Betriebsrat vielmehr Gelegenheit geben, auf den auf einem bestimmten Sachverhalt beruhenden Kündigungsentschluss des Arbeitgebers aktiv einzuwirken. Das lässt sich bezogen auf nachgeschobene Gründe nur erreichen, wenn diese dem – anders als der Arbeitnehmer am Rechtsstreit nicht beteiligten – Betriebsrat vor ihrer Einführung in den laufenden Prozess zur Kenntnis gebracht werden. Zwar kann auch der Betriebsrat die schon erfolgte Kündigung als solche nicht mehr verhindern. Er kann aber nur so seine – den Arbeitnehmer u. U. entlastende – Sicht der Dinge zu Gehör bringen.

§ 626 Abs. 2 S. 1 BGB steht der Berücksichtigung nachgeschobener Tatsachen nicht entgegen. Neu bekannt gewordene, bei Kündigungsausspruch objektiv aber bereits gegebene Gründe können noch nach Ablauf der Zweiwochenfrist in den Prozess eingeführt werden. Diese Frist gilt nach dem Wortlaut der Bestimmung allein für die Ausübung des Kündigungsrechts. Ist die Kündigung als solche rechtzeitig erklärt, schließt § 626 Abs. 2 S. 1 BGB ein Nachschieben nachträglich bekannt gewordener Gründe nicht aus.

Darauf hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 23.05.2013 – 2 AZR 102/12 – hingewiesen.
Vgl. auch den Blog „Arbeitsrecht – Außerordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers wegen Verdachts einer Straftat“.

 

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