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Warndreieck nicht aufgestellt – 50%ige Mithaftung bei Autobahnunfall.

Weil der Fahrer seines Sattelzuges es bei einem Notstopp auf der Autobahn versäumt hatte ein Warndreieck aufzustellen, erhält der Halter des Sattelzuges nur 50% seines Schadens ersetzt, der durch einen auffahrenden LKW verursacht wurde.

In dem vom 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 29.10.2013 – 26 U 12/13 – entschiedenen Fall hatte der Fahrer des Sattelzuges der klagenden Logistikfirma am rechten Fahrbahnrand der an dieser Stelle seitenstreifenlosen Bundesautobahn (BAB ) 10 notgehalten, weil er erbrechen musste.
Bei dem in die rechte Fahrspur hereinragenden Sattelzug schaltete der Fahrer die Warnlichtblinkanlage an.
Ein Warndreieck stellte er nicht auf.
Zum Unfall kam es, weil ein LKW-Fahrer den vor ihm stehenden klägerischen Sattelzug aus Unachtsamkeit streifte und nicht vollständig auswich.

Der 26. Zivilsenats des OLG Hamm hat auf eine 50%ige Mithaftung des Klägers erkannt.
Die Betriebsgefahr des klägerischen Sattelzuges sei deutlich erhöht gewesen, weil es als haltendes Fahrzeug recht weit in die rechte Fahrbahn der BAB hineingeragt habe und nicht ausreichend gesichert gewesen sei.
Mit einem auf der Fahrbahn haltenden Fahrzeug müsse der nachfolgende Verkehr auf einer BAB grundsätzlich nicht rechnen. Deswegen müsse der Fahrer eines haltenden Fahrzeugs alle notwendigen Sicherungsmaßnahmen nach § 15 Straßenverkehrsordnung (StVO) ergreifen.
Auch bei einem berechtigten Notstopp dürfe er sich nicht mit dem Einschalten der Warnblinkanlage begnügen, sondern müsse entweder ein Warndreieck aufstellen oder – wenn möglich – sofort weiterfahren.
Letzteres habe der Fahrer des klägerischen Gespanns versäumt, indem er nach dem Abklingen seiner Übelkeit zunächst sich und das Fahrzeug gereinigt habe, ohne zuvor ein Warndreieck aufzustellen.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 21.11.2013 mitgeteilt.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Wenn einem Minderjährigen unentgeltlich Grundbesitz übertragen und seinen Eltern von ihm ein Nießbrauchrecht eingeräumt werden soll – Wann ist Bestellung eines Ergänzungspflegers erforderlich?

Die Bestellung eines Ergänzungspflegers zur Genehmigung eines unentgeltlichen Übertragungsvertrags ist notwendig, wenn die Eltern eines minderjährigen Übernehmers ein lebenslanges Nießbrauchrecht an dem übertragenen Grundbesitz erhalten sollen und eine Pflicht der Eltern zur Übernahme von Kosten jeglicher Art nicht vereinbart ist.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Celle mit Beschluss vom 07.11.2013 – 4 W 186/13 – in einem Fall entschieden,

  • in dem einer minderjährigen Enkelin von der Großmutter Grundbesitz nebst Anteilen an einer Forstinteressentenschaft im Wege vorweggenommener Erbfolge übertragen worden war, 
  • die minderjährige Übernehmerin ihren Eltern ein lebenslängliches Nießbrauchrecht eingeräumt hatte, 
  • die Vertragsurkunde hinsichtlich des Nießbrauchrechts weitere Regelungen nicht enthielt 

und das Begehren, die Eigentumsumschreibung und das Nießbrauchrecht einzutragen vom Grundbuchamt mit der Begründung, der Übertragungsvertrag mit der Bestellung des Nießbrauchrechts sei für die Minderjährige nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, von der Genehmigung eines die Minderjährige vertretenden Ergänzungspflegers abhängig gemacht worden war.

Nach Auffassung des 4. Senat des OLG Celle hat das Grundbuchamt zu Recht die Übertragung des Grundbesitzes auf die Minderjährige von der Genehmigung eines Ergänzungspflegers abhängig gemacht.

Ein Minderjähriger bedarf gem. den §§ 107, 108 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) der Einwilligung seiner gesetzlichen Vertreter, wenn es sich um den Abschluss eines nicht lediglich rechtlich vorteilhaften Geschäfts handelt bzw. der Minderjährige durch einen Vertrag nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt.

Können die Eltern ihr Kind nicht vertreten, weil auch ein Vormund von der Vertretung ausgeschlossen wäre, § 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB i. V. m. § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB, ist gem. § 1909 BGB ein Ergänzungspfleger zu bestellen.

Ein auf den Erwerb einer Sache gerichtetes Rechtsgeschäft ist für einen Minderjährigem nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, wenn er in dessen Folge mit Verpflichtungen belastet wird, für die er nicht nur dinglich mit der erworbenen Sache, sondern auch persönlich mit seinem sonstigen Vermögen haftet.
Die Beurteilung ist unabhängig davon, ob die weitergehenden Verpflichtungen von dem Beteiligten des Rechtsgeschäfts angestrebt worden sind; es genügt, wenn sie die gesetzliche Folge des angestrebten Rechtsgeschäfts sind. 
Erforderlich ist hierfür eine isolierte Betrachtung allein des dinglichen Erwerbsgeschäfts. Haftet der Minderjährige nicht nur dinglich mit dem erworbenen Grundstück, sondern auch persönlich mit dem eigenen Vermögen, ist das Geschäft nicht lediglich rechtlich vorteilhaft.
Dies ist hier der Fall. 
Eine Beschränkung der Haftung der Minderjährigen auf den Grundbesitz ist nicht gegeben. 
Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) der Erwerb eines Grundstücks unter gleichzeitiger Bestellung eines Nießbrauchrechts nicht von der Genehmigung eines Ergänzungspflegers abhängig, wenn der Nießbraucher gleichzeitig über die sich aus §§ 1041, 1047 BGB ergebenden Belastungen hinaus auch die Kosten außergewöhnlicher Ausbesserungen und Erneuerungen sowie die außergewöhnlichen Grundstückslasten zu tragen hat. 
Hiervon ist der vorliegende Sachverhalt jedoch zu unterscheiden. 
Die Vertragsbeteiligten haben gerade keine derartige Abrede getroffen, dass die Nießbrauchberechtigten sämtliche Kosten pp. zu tragen hätten. 
Ihr Einwand, bei dem übertragenen Grundbesitz handele es sich um eine Ackerfläche und Kosten, außergewöhnliche Ausbesserungen und Erneuerungen sowie außergewöhnliche Grundstückslasten würden nicht anfallen, ist unerheblich. Denn der Anfall entsprechender Kosten kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. 
Abgesehen davon bleibt die Möglichkeit, dass die Minderjährige gem. § 1049 BGB i. V. m. den §§ 677 ff. BGB den Nießbrauchern Ersatz der Kosten für auf die Sache gemachten Verwendungen schuldet.

 

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Verkehrssicherungspflicht – Umfang und Haftungsgrundsätze.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern.

Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren.

Verkehrssicherungspflichtig ist auch derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine eingetretene Gefahrenlage andauern lässt.

Zu berücksichtigen ist jedoch, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar.
Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden.
Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden.
Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält.
Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind.

Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden, so muss der Geschädigte – so hart dies im Einzelfall sein mag – den Schaden selbst tragen. Er hat ein „Unglück“ erlitten und kann dem Schädiger kein „Unrecht“ vorhalten.

Soweit eine Gefahrenquelle dem Einflussbereich des zunächst Verkehrssicherungspflichtigen ganz oder teilweise entzogen ist, kann sich eine neue Zuständigkeitsverteilung ergeben.
Wer aufgrund vertraglicher Vereinbarung den Gefahrenbereich nunmehr beherrscht, kann nach allgemeinen Deliktsgrundsätzen für die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen verantwortlich sein.
Entsprechendes muss gelten, wenn sich aufgrund der faktischen Gegebenheiten einer Geschäftssparte die Verlagerung der Möglichkeiten zur primären Gefahrbeherrschung auf weitere Beteiligte nicht vermeiden lässt.

Der ursprünglich Verkehrssicherungspflichtige wird durch den Übergang seiner Pflichten auf einen Dritten zwar nicht völlig entlastet, bleibt vielmehr weiterhin zur Überwachung des Dritten verpflichtet und ist insofern neben diesem selbst noch verantwortlich.
Er darf aber im Allgemeinen darauf vertrauen, dass der Dritte seinen Verpflichtungen auch nachkommt, solange nicht konkrete Anhaltspunkte bestehen, die dieses Vertrauen erschüttern.
Das gilt insbesondere auch dann, wenn die primäre Zuständigkeit für einen Gefahrenbereich auf ein Fachunternehmen übergeht; der Beaufsichtigung eines Fachunternehmens sind durch das Erfordernis einer vertrauensvollen Zusammenarbeit sowie durch dessen Selbstständigkeit und Weisungsunabhängigkeit Grenzen gesetzt.

Verringern sich die Überwachungs- und Eingriffsmöglichkeiten des zunächst Verkehrssicherungspflichtigen spartentypisch auf ein Mindestmaß, wie es etwa bei internationalen Warenlieferungs- oder Transportketten der Fall ist, tritt die Verkehrssicherungspflicht derjenigen in den Vordergrund, die drohende Gefahren vor Ort beherrschen können.

Bei Fahrlässigkeitsdelikten ist vielfach nicht nur der Schädiger zur Abwehr oder Minderung der Verletzung in der Lage, sondern Eintritt und Umfang des Schadens hängen ebenso von den Sorgfaltsvorkehrungen des später Geschädigten ab.
Dieser ist aufgerufen, sich auch selbst zu schützen; die Verhaltensanforderungen an die eine Seite lassen sich vielfach nur auf der Grundlage einer Annahme über das Sorgfaltsniveau der Gegenseite formulieren.
Der durch die Gefahr Bedrohte muss auf erkennbare Gefahrquellen vor allem durch eigene Sorgfaltsanstrengungen reagieren.
Das gilt insbesondere, wenn er die Gefahr selbst beherrschen kann und dazu im Verhältnis zu Dritten aufgrund vertraglicher oder faktischer Zuweisung der Verkehrssicherungspflicht auch verpflichtet ist.

Zwar können auf verschiedenen Stufen Verkehrssicherungspflichtige auch untereinander ersatzpflichtig sein.
Eine Haftung des – inzwischen weit von der Gefahrenquelle entfernten – ursprünglich Verkehrssicherungspflichtigen gegenüber demjenigen Verletzten, dem selbst die Gefahrabwendungspflicht zugewachsen und der dieser nur unzureichend nachgekommen ist, wird allerdings regelmäßig zu verneinen sein, wenn faktisch die mangelnde Gefahrbeherrschung durch den Verletzten im Vordergrund steht und ein Auswahl- oder Überwachungsverschulden des ursprünglich Sicherungspflichtigen nicht festgestellt werden kann.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 01.10.2013 – VI ZR 369/12 – hingewiesen.

 

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Steuerrecht – Zur Umsatzsteuerfreiheit beim Betrieb eines ärztlichen Notfalldienstes.

Die Leistungen eines ärztlichen Notfalldienstes werden als Einheit behandelt und sind unter Umständen umsatzsteuerfrei.

Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 08.08.2013 – V R 13/12 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall betrieb der Kläger, ein eingetragener Verein und Mitglied eines amtlich anerkannten Verbands der freien Wohlfahrtspflege, für eine kassenärztliche Vereinigung nachts sowie an den Wochenenden und Feiertagen einen ärztlichen Notfalldienst.
Dazu unterhielt er mit Funk ausgerüstete Kraftwagen mit je einem ausgebildeten Rettungshelfer als Fahrer zur Beförderung von Notfallärzten zu Notfallpatienten sowie eine Leitzentrale, die Notfallanrufe entgegennahm, an die diensthabenden Ärzte weiterleitete und ggf. Rettungs- oder Krankenfahrzeuge anforderte. Im Falle eines Einsatzes wurde der diensthabende Arzt in seiner Wohnung oder Praxis abgeholt und zu den Notfallpatienten gebracht. Auf Wunsch des Arztes begleiteten die Fahrer ihn in die Wohnung des Patienten und assistierten dem Arzt.

Das Finanzamt unterwarf die Umsätze des Klägers aus dem ärztlichen Notfalldienst der Umsatzsteuer.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage dagegen statt.

Der BFH bestätigte das Urteil des FG.

Die beim Betrieb des Notfalldienstes ausgeführten Leistungen sind umsatzsteuerrechtlich als Einheit zu betrachten.
Der Umsatz war im Streitfall auch steuerfrei, weil der Verein Mitglied eines amtlich anerkannten Verbands der freien Wohlfahrtspflege ist und auch die übrigen Voraussetzungen des § 4 Nr. 18 des Umsatzsteuergesetzes erfüllt, insbesondere weil er auch personenbezogene Leistungen erbringt, die den begünstigten Personen unmittelbar zugutekommen.

Das hat die Pressestelle des Bundesfinanzhofs am 20.11.2013 – Nr. 79 – mitgeteilt.

 

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Zur Haftung für unfallbedingte Straßenverunreinigungen.

Wird bei einem Unfall eine Bundesstraße verschmutzt – beispielsweise durch Motoröl, Kraftstoff oder Bremsflüssigkeit das aus einem Kraftfahrzeug ausläuft – hat der Verursacher nach § 7 Abs. 3 Bundesfernstraßengesetz (FStrG) die Verunreinigung ohne Aufforderung unverzüglich zu beseitigen; andernfalls kann die Straßenbaubehörde die Verunreinigung auf seine Kosten beseitigen.
Entsprechende Regelungen enthalten die Straßengesetze der Länder (vgl. z. B. Art. 16 Bayerisches Straßen- und Wegegesetz (BayStWG)).

Die Möglichkeiten eines solchen öffentlich-rechtlichen Kostenersatzes nach dem FStrG oder den Straßengesetzen der Länder schließen zivilrechtliche Schadensersatzansprüche nicht aus.

Aufgrund einer unfallbedingten Verschmutzung einer Straße durch ein Kfz steht dem Geschädigten – das ist, wenn es sich um eine Bundesstraße handelt, die Bundesrepublik Deutschland – grundsätzlich ein Anspruch auf Ersatz der zur Reinigung und Wiederherstellung der gefahrlosen Benutzbarkeit der Straße erforderlichen Aufwendungen nach § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG), § 249 Abs. 2 BGB gegen den Kraftfahrzeughalter zu.

Gleiches gilt für einen auf § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) gestützten Schadensersatzanspruch, wenn der Schädiger fahrlässig gehandelt hat.

Da die Schadensersatzansprüche aus § 7 Abs. 1 StVG, § 823 Abs. 1 BGB auf gesetzliche Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts zurückzuführen sind, besteht Versicherungsschutz nach A.1.1.1. AKB 2008 und damit auch ein Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer des Kraftfahrzeugs gemäß § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG).

In Fällen, in denen eine Straße derart verunreinigt wird, dass der Verkehr stark beeinträchtigt oder gar verhindert wird, ist die zuständige Behörde gehalten, die Befahrbarkeit und einen sicheren Zustand der Straße so schnell wie möglich wieder herzustellen.
Den zuständigen Bediensteten, die die als geeignet erscheinende Maßnahmen treffen müssen, muss insoweit ein erheblicher Entscheidungsspielraum zugebilligt werden. Es liegt auf der Hand, dass sich bei einem Verkehrsunfall häufig die Dauer der Räumung der Unfallstelle und der Umfang erforderlicher Räumungs- bzw. Straßenreinigungsarbeiten auch aus der Sicht erfahrener Bediensteter der zuständigen Straßenbehörde nicht von vornherein zuverlässig beurteilen lassen.
Es ist daher nicht zu beanstanden, dass sie Maßnahmen veranlassen, die aus vorausschauender Sicht als vernünftig erscheinen.
Ob sich im Nachhinein herausstellt, dass ein geringerer Aufwand ausgereicht hätte, ist aus schadensrechtlicher Sicht unerheblich, soweit keine Maßnahmen veranlasst wurden, die ersichtlich außer Verhältnis zu dem Anlass und dem zu erwartenden notwendigen Schadensbeseitigungsaufwand standen.
Es verstößt deshalb in der Regel nicht gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, wenn die zuständige Behörde bei einer zu beseitigenden Verschmutzung der Fahrbahn alsbald ein Fachunternehmen zur Schadensstelle beordert und bei der Beauftragung der von diesem auszuführenden Arbeiten auf den größtmöglichen zu erwartenden Beseitigungsaufwand und den sichersten Weg einer vollständigen Schadensbeseitigung abstellt.
Es ist regelmäßig auch nicht zu beanstanden, wenn ein Unternehmen beauftragt wird, das der Behörde als zuverlässig bekannt ist und möglichst schnell an der Schadensstelle sein kann.

In einem solchen Fall hat der Schädiger gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB den Finanzierungsbedarf des Geschädigten in Form des zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrags zu befriedigen.
Der Geschädigte genügt dabei regelmäßig seiner Darlegungs- und Beweislast durch Vorlage der Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Fachunternehmens.

Ist dies der Fall, reicht ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des Rechnungsbetrages durch den Schädiger nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen.
Denn die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB.

Hat die zuständige Behörde mit der beauftragten Firma keine bestimmte Vergütung vereinbart, kann die beauftragte Firma vom Besteller nur die übliche (§ 632 Abs. 2 BGB ), ersatzweise eine im Rahmen ergänzender Vertragsauslegung ermittelte angemessene oder jedenfalls eine der Billigkeit im Sinne des § 315 Abs. 3 BGB entsprechende Vergütung verlangen.
Nur eine solche Vergütung bestimmt den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) in zwei Urteilen vom 15.10.2013 – VI ZR 528/12 und VI ZR 471/12 – hingewiesen.

 

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Jugendstrafrecht – Voraussetzungen für die Verhängung einer Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld.

Nach § 17 Abs. 2 Jugendgerichtsgesetz (JGG) verhängt der Richter Jugendstrafe,

  • wenn wegen der schädlichen Neigungen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder 
  • wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist.

 

Mit Beschluss vom 06.05.2013 – 1 StR 178/13 – hat der Bundesgerichtshof (BGH) darauf hingewiesen, dass er die Auffassung, der Anordnungsgrund der „Schwere der Schuld“ in § 17 Abs. 2 JGG könne grundsätzlich lediglich bei „Kapitalstrafsachen“ in Betracht kommen, nicht teilt. Dies entspricht nicht der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die auch außerhalb dessen bei besonders schweren Straftaten, zu denen gravierende Sexualdelikte gehören können, die Verhängung einer allein auf die Schwere der Schuld gegründeten Jugendstrafe zugelassen hat.

Im Übrigen neigt der erste Senat des Bundesgerichtshofs – wie er in dieser Entscheidung ausgeführt hat – dazu, bereits das Vorliegen eines gewissen Schuldausmaßes allein als Anordnungsgrund einer auf das Merkmal der „Schwere der Schuld“ gestützten Jugendstrafe ohne eine faktische Erziehungsfähigkeit und -bedürftigkeit des jugendlichen oder heranwachsenden Täters genügen zu lassen. 
Weder der Wortlaut von § 17 Abs. 2 JGG noch dessen Entstehungsgeschichte deuten nämlich auf ein kumulatives Erfordernis eines solchen Erziehungsbedürfnisses als Anordnungsvoraussetzung der Jugendstrafe hin. 
Die in § 18 Abs. 2 JGG enthaltene Vorgabe, bei der Bemessung der Jugendstrafe die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich zu machen, betrifft unmittelbar lediglich die Festsetzung der Dauer einer Jugendstrafe, nicht aber die vorgelagerte, in § 17 Abs. 2 JGG (in Verbindung mit § 5 und § 13 Abs. 1 JGG) geregelte Auswahl der jugendstrafrechtlichen Sanktion. Es entspricht zudem ohnehin der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, im Rahmen der Strafbemessung der Jugendstrafe gemäß § 18 Abs. 2 JGG neben der Erziehungswirksamkeit auch andere Strafzwecke, bei schweren Straftaten vor allem das Erfordernis des gerechten Schuldausgleichs, zu berücksichtigen. 
Dem Gedanken des Schuldausgleichs ist insbesondere bei fünf Jahre übersteigenden Jugendstrafen Bedeutung zugemessen worden, weil bei derartigen Verbüßungszeiträumen eine (weitere) erzieherische Wirkung bezweifelt wird.

Zu den Voraussetzungen dazu, wann Jugendstrafe verhängt werden kann, vergleiche auch die Beschlüsse des BGH vom 25.10.2011 – 3 StR 353/11 – und 19.11.2009 – 3 StR 400/09 –.
Vgl. hierzu im Übrigen auch Bernd Rösch, „Das Urteil in Straf- und Bußgeldsachen„, 2. Aufl., S. 274 ff.

 

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Gesellschaftsrecht – Zur Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft bei einer mehrgliedrigen stillen Gesellschaft.

Der für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in zwei Fällen mit Urteilen vom 19.11.2013 – II ZR 320/12 und II ZR 383/12 – entschieden, dass bei einer sog. mehrgliedrigen stillen Gesellschaft die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft mit der Maßgabe anzuwenden sind, dass ein stiller Gesellschafter von dem Geschäftsinhaber Ersatz von Vermögensschäden, die ihm im Zusammenhang mit seinem Beitritt zur Gesellschaft entstanden sind, unter Anrechnung des ihm bei Beendigung seines (fehlerhaften) Gesellschaftsverhältnisses gegebenenfalls zustehenden Abfindungsanspruchs verlangen kann, wenn dadurch die gleichmäßige Befriedigung etwaiger Abfindungs- oder Auseinandersetzungsansprüche der übrigen stillen Gesellschafter nicht gefährdet ist.

In den den Entscheidungen zugrunde liegenden Fällen hatten die Kläger sich neben einer Vielzahl anderer Anleger als atypisch stille Gesellschafter an der in beiden Verfahren verklagten Aktiengesellschaft beteiligt, die im Leasinggeschäft tätig ist.
Sie begehren unter Berufung auf eine fehlerhafte Aufklärung im Zusammenhang mit ihren Beitrittserklärungen in erster Linie im Wege des Schadensersatzes die Rückzahlung ihrer Einlagen.

Die Vorinstanzen haben die Klagen mit der Begründung abgewiesen, im vorliegenden Fall handele es sich um eine Publikumsgesellschaft in Form einer mehrgliedrigen stillen Gesellschaft, auf welche die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft anwendbar seien. Danach sei es einem Gesellschafter verwehrt, gegen die in Vollzug gesetzte Gesellschaft im Wege des Schadensersatzes einen Anspruch auf Rückabwicklung der Beteiligung und Rückzahlung der geleisteten Einlage geltend zu machen.

Der BGH hat die angefochtenen Entscheidungen auf die Revisionen der Kläger aufgehoben und die Verfahren an die Berufungsgerichte zurückverwiesen.

Danach haben die Vorinstanzen zwar zu Recht angenommen, dass zwischen der Beklagten und allen stillen Gesellschaftern eine sog. mehrgliedrige stille Gesellschaft begründet worden ist, bei der nicht lediglich eine Vielzahl voneinander unabhängiger, bloß zweigliedriger stiller Gesellschaftsverhältnisse zwischen den jeweiligen Anlegern und der Beklagten, sondern ein einheitliches Gesellschaftsverhältnis zwischen allen Beteiligten besteht.
Auf eine solche Gestaltung sind, wovon die Vorinstanzen im Ausgangspunkt gleichfalls zu Recht ausgegangen sind, nach Invollzugsetzung der Gesellschaft wegen des schutzwürdigen Bestandsinteresses der Beteiligten die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft anzuwenden.

Das schließt entgegen der Auffassung der Vorinstanzen einen Schadensersatzanspruch eines fehlerhaft beigetretenen Anlegers jedoch nicht von vornherein aus.
Wegen der durch die tatsächliche Invollzugsetzung der fehlerhaften Gesellschaft bewirkten gesellschaftsrechtlichen Bindung kann zwar im Wege des Schadensersatzes nicht die Rückabwicklung der Beteiligung verlangt werden.
Der fehlerhaft beigetretene Anleger kann aber die Gesellschaft unter Berufung auf den Vertragsmangel durch sofort wirksame Kündigung mit der Folge beenden, dass ihm ein nach den gesellschaftsvertraglichen Regeln zu berechnender Anspruch auf ein Abfindungsguthaben zusteht.
Soweit dem geschädigten Anleger unter Berücksichtigung seines (etwaigen) Abfindungsguthabens ein Anspruch auf Ersatz eines weitergehenden Schadens verbleibt, ist er, um die gleichmäßige Befriedigung der Abfindungs- und Auseinandersetzungsansprüche der übrigen stillen Gesellschafter nicht zu gefährden, an dessen Durchsetzung nur gehindert, wenn und soweit das Vermögen des Geschäftsinhabers zur Befriedigung der (hypothetischen) Abfindungs- oder Auseinandersetzungsansprüche der anderen stillen Gesellschafter nicht ausreicht.

Da die Abweisung der Klagen auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen danach keinen Bestand haben konnte, hat der BGH die Verfahren zur weiteren Aufklärung an die Berufungsgerichte zurückverwiesen.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 19.11.2013 – Nr. 189/2013 – mitgeteilt.

 

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Strafverfahren – Zur Anordnung des Vorwegvollzugs bei einer angeordneten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt.

Nach § 67 Abs. 2 S. 2 Strafgesetzbuch (StGB ) soll das Gericht bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist.
Dieser Teil ist nach § 67 Abs. 2 S. 3 StGB so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Aussetzung des Strafrests zur Bewährung nach Erledigung der Hälfte der Strafe gemäß § 67 Abs. 5 S. 1 StGB möglich ist.

Wird beispielsweise ein Angeklagter zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren [und] sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB ) angeordnet, stehen bei dem Angeklagten für den Vorwegvollzug und die Maßregel zwei Jahre und neun Monate zur Verfügung.
Ist – nach sachverständiger Beratung – von einer Therapiedauer von zwei Jahren auszugehen, bleiben für den Vorwegvollzug neun Monate.
Hat sich ein Angeklagter bereits seit mindestens neun Monaten in Untersuchungshaft befunden, wäre, weil die Untersuchungshaft auf die Freiheitsstrafe anzurechnen ist, in einem solchen Fall für eine Anordnung des Vorwegvollzugs kein Raum mehr.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Beschluss vom 17.10.2013 – 3 StR 240/13 – hingewiesen. Vgl. hierzu im Übrigen auch Bernd Rösch, „Das Urteil in Straf- und Bußgeldsachen“, 2. Aufl., S. 207.

 

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Insolvenzordnung (InsO) – Nullplan oder Fast-Nullplan ist zulässig und kann auch Gegenstand einer gerichtlichen Zustimmungsersetzung sein.

Der Bundesgerichtshof (BGH), der dies in seiner Rechtsprechung bisher offen gelassen hat, hat mit Beschluss vom 10.10.2013 – IX ZB 97/12 – entschieden, dass ein Nullplan oder ein Schuldenbereinigungsplan, der aufgrund seiner geringen Befriedigungsquote einem derartigen Plan gleichkommt, zulässig ist und auch Gegenstand einer gerichtlichen Zustimmungsersetzung nach § 309 InsO sein kann.

Danach sind Gründe, die der Zulässigkeit von Nullplänen entgegenstehen könnten, der Insolvenzordnung nicht zu entnehmen. Diese setzt keine bestimmte Mindestquote als Ergebnis einer konkursmäßigen Befriedigung voraus.
Bestimmte inhaltliche Vorgaben für den vom Schuldner nach § 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO vorzulegenden Schuldenbereinigungsplan enthält das Gesetz nicht. Die Gläubiger sollen vielmehr privatautonom bestimmen, ob sie mit dessen Inhalt einverstanden sind. Eine gerichtliche Inhaltskontrolle ist nicht vorgesehen.
Die Voraussetzungen für eine gerichtliche Zustimmungsersetzung werden allein durch § 309 InsO geregelt. Danach kommt eine Ersetzung der Zustimmung eines widersprechenden Gläubigers nur in Betracht, wenn mehr als die Hälfte der Gläubiger nach der Summe ihrer Ansprüche und der Zahl ihrer Köpfe dem Schuldenbereinigungsplan zugestimmt hat (§ 309 Abs. 1 S. 1 InsO).
Die Entscheidung, ob eine Annahme des Schuldenbereinigungsplans möglich ist oder dieser von vornherein abgelehnt wird, obliegt den Gläubigern und nicht dem Insolvenzgericht. Sie ist Ausfluss der Gläubigerautonomie im Insolvenzverfahren.

Lehnen die Gläubiger mehrheitlich den Plan ab, ist eine gerichtliche Zustimmungsersetzung ausgeschlossen.
Stimmen sie mehrheitlich dem Plan zu, besteht keine Veranlassung, über das Gesetz hinaus weitere Voraussetzungen zu schaffen, denen der vom Schuldner vorgelegte Schuldenbereinigungsplan genügen muss.

Der Gefahr, dass Gläubiger mehrheitlich für den Plan stimmen, denen es nicht um die Befriedigung ihrer eigenen Forderungen, sondern um die Erzwingung einer Restschuldbefreiung zum Nulltarif geht wird dadurch begegnet, dass die Zustimmung eines Gläubigers, der Tatsachen glaubhaft macht, aus denen sich ernsthafte Zweifel ergeben, ob eine vom Schuldner angegebene Forderung besteht, nicht nach § 309 Abs. 3 S. 1 InsO und auch dann nicht ersetzt werden kann, wenn davon abhängt, ob die Kopf- und Summenmehrheit der zustimmenden Gläubiger erreicht wird.
Werden solche Zweifel nicht erhoben und glaubhaft gemacht, gibt es keine gesetzliche Grundlage dafür weitere Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Schuldenbereinigungsplänen aufzustellen.

Der von Teilen der Rechtsprechung und des Schrifttums vertretenen Auffassung, wonach die Vorlage von Nullplänen oder Fast-Nullpänen zulässig, eine Zustimmungsersetzung gemäß § 309 Abs. 1 S. 1 InsO aber unzulässig sein soll, weil in diesen Fällen niemals ausgeschlossen werden könne, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners im Verlauf eines Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens verbesserten und der Schuldner schließlich doch eine Befriedigungsquote leisten könne, folgt der BGH nicht.
Aus dem Gesetz sind nämlich entsprechende Einschränkungen nicht zu entnehmen. Das Erfordernis von Besserungs- oder Anpassungsklauseln, die Zahlungen des Schuldners für den Fall vorsehen, dass es während eines bestimmten Zeitraums, der etwa dem eines durchzuführenden Insolvenzverfahrens entspricht, zu einer Verbesserung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse kommt, ist nach seiner Ansicht aus dem Gesetz heraus nicht zu begründen.

Nach der Begründung des Rechtsausschusses des Bundestages zu § 309 InsO (BT-Drucks. 12/7302 S. 192 zu § 357f EInsO) soll durch die Vorschrift die Entscheidung über die Frage erleichtert werden, ob der Gläubiger durch den Plan wirtschaftlich schlechter gestellt wird, und es soll vermieden werden, dass das Insolvenzgericht bei dieser Entscheidung langwierige Prüfungen und Beweisaufnahmen durchführen muss. Um dies zu gewährleisten, ist es Sache der Gläubiger, solche Gesichtspunkte vorzutragen und glaubhaft zu machen, welche der Zustimmungsersetzung entgegenstehen.
Würde man über die Regelung des § 309 InsO hinaus Bedingungen und Klauseln verlangen, mittels derer der Schuldner sicherstellt, dass zukünftige Entwicklungen berücksichtigt werden, unterliefe man die gesetzliche Fiktion des § 309 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 2. HS InsO, nach der im Zweifel von gleichbleibenden wirtschaftlichen Verhältnissen auszugehen ist.
Die Ersetzung der Zustimmung als wichtiges Instrument zur Förderung gerichtlicher Entscheidungen und damit zur Gerichtsentlastung bliebe wirkungslos, weil entgegen den Vorstellungen des Gesetzgebers die zukünftige Entwicklung der Eigentums- und Vermögensverhältnisse des Schuldners doch wieder in die Entscheidung einbezogen werden müsste.
Eine Berücksichtigung fiktiver künftiger Entwicklungsmöglichkeiten findet deshalb nicht statt.
Künftige Veränderungen sind nur dann in die Entscheidung einzubeziehen, wenn sie absehbar und von den Gläubigern vorgetragen und glaubhaft gemacht sind.
So kann etwa der bevorstehende Abschluss einer Berufsausbildung oder die Veränderung der persönlichen Verhältnisse – beispielsweise die Geburt eines Kindes – Veranlassung geben, dies in die Entscheidung, ob der Gläubiger durch den Schuldenbereinigungsplan schlechter gestellt wird, einbezogen werden, sofern Entsprechendes glaubhaft gemacht ist.
Bloß theoretische Änderungsmöglichkeiten müssen dagegen ebenso unberücksichtigt bleiben, wie abstrakte Klauseln, denen keine absehbare künftige Entwicklung zugrunde liegt.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Strafverfahren – Zur Mitteilungspflicht des Vorsitzenden bei stattgefundenen Vorgesprächen über Möglichkeiten einer Verfahrensverständigung, wenn diese nicht zustande gekommen ist.

Kommt es im Zwischenverfahren zu einem „Vorgespräch über die Möglichkeiten einer Verfahrensverständigung“, bei dem das Gericht „für den Fall vollgeständiger Angaben“ bestimmte Strafunter- und Strafobergrenzen in Aussicht stellte und kommt eine Verständigung nicht zustande, da nur die Staatsanwaltschaft, nicht aber die Verteidigung dem unterbreiteten Vorschlag zugestimmt hat, liegt ein die Revision begründender Verfahrensfehler vor, wenn der Vorsitzende in der Hauptverhandlung keine Einzelheiten des Gesprächs, sondern lediglich mitteilt, „dass Vorgespräche … stattgefunden und … bis dato zu keiner Verständigung geführt hätten“, weil damit der Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 S. 1 Strafprozessordnung (StPO) nicht in hinreichendem Umfang entsprochen worden ist.

Das hat der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 23.10.2013 – 5 StR 411/13 – entschieden.

Danach verlangt § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO, dass in der Hauptverhandlung über den wesentlichen Inhalt erfolgter Erörterungen zu informieren ist. 
Hierzu hätten aber vorliegend jedenfalls

  • der Verständigungsvorschlag des Gerichts und 
  • die zu diesem abgegebenen Erklärungen der übrigen Verfahrensbeteiligten 

 

gehört.

Offen gelassen hat der Senat, ob auch mitzuteilen ist,

 

Vergleiche hierzu auch die Blogs „Strafverfahren – Anforderungen an die Dokumentation von Verständigungsgesprächen“ sowie „Strafverfahren – Zum Umfang der Mitteilungspflicht des Vorsitzenden nach § 243 Abs. 4 Satz 1 Strafprozessordnung (StPO)“.

 

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