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Strafverfahren – Zum Feststellungsantrag auf Schadensersatz im Adhäsionsverfahren.

Gemäß § 403 Strafprozessordnung (StPO) kann ein prozessfähiger Verletzter oder sein Erbe gegen den Beschuldigten einen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch, der zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehört und noch nicht anderweit gerichtlich anhängig gemacht ist, auch im Strafverfahren geltend machen.
Der Antrag, durch den ein solcher Anspruch auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld nach §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 847 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) usw. geltend gemacht wird, kann schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten, in der Hauptverhandlung auch mündlich bis zum Beginn der Schlussvorträge gestellt werden. Er muss den Gegenstand und Grund des Anspruchs bestimmt bezeichnen und soll die Beweismittel enthalten (§ 404 Abs. 1 S. 1 und 2 StPO).

Beantragt werden kann auch, festzustellen, dass der Angeklagte verpflichtet ist, dem Adhäsionskläger die diesem aus der Straftat erwachsenen (zukünftigen) materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Versicherer übergegangen sind oder übergehen.

Die Feststellung einer Ersatzpflicht für künftige Schäden setzt jedoch nach der auch für das Adhäsionsverfahren geltenden Rechtsprechung der Zivilgerichte voraus, dass aus dem festzustellenden Rechtsverhältnis mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Ansprüche entstanden sind oder entstehen können.
Bei schweren Verletzungen kann ein Feststellungsanspruch nur dann verneint werden, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Beurteilung kein Grund bestehen kann, mit Spätfolgen wenigstens zu rechnen. In diesen Fällen kann es genügen, dass eine nicht eben entfernt liegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung der Schadensersatzpflicht durch das Auftreten weiterer Leiden besteht.
Dass ein künftiger Schaden aber bloß möglich ist, reicht auch insoweit nicht aus.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 26.09.2013 – 2 StR 306/13 – hingewiesen.

Beachte: Im Verfahren gegen Jugendliche ist das Adhäsionsverfahren nicht zulässig (§ 81 Jugendgerichtsgesetz (JGG)).

 

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Tempo 200 auf Autobahn kann Betriebsgefahr deutlich erhöhen.

Kollidiert ein mit 200 km/h auf der linken Fahrspur einer Autobahn fahrendes Fahrzeug mit einem vor ihm fahrenden Fahrzeug, weil dessen Fahrer, ohne ausreichend auf den rückwärtigen Verkehr zu achten, zum Überholen ausschert und einen «doppelten Fahrstreifenwechsel» durchführt, kann wegen der von dem 200 km/h schnellen Fahrzeug ausgehenden deutlich erhöhten Betriebsgefahr eine Mithaftung in Höhe von 40% angemessen sein.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz mit Urteil vom 14.10.2013 – 12 U 313/13 – entschieden.

In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall stand fest, dass der zum Überholen Ausscherende einen „doppelten Fahrstreifenwechsel“ zu einem Zeitpunkt durchgeführt hatte, zu dem er den herannahenden PKW hätte sehen können und müssen.
Er hat sich damit nicht so verhalten, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs bei seinem Überholvorgang ausgeschlossen war (§ 5 Abs. 4 Straßenverkehrsordnung (StVO)) und den Unfall dadurch verschuldet.

Für den mit 200 km/h fahrenden anderen Unfallbeteiligten stellte der Unfall kein unabwendbares Ereignis i. S. von § 17 Abs. 3 Straßenverkehrsgesetz (StVG) dar, weil ein Fahrer, der mit Erfolg die Unabwendbarkeit eines Unfalls geltend machen will, sich wie ein „Ideal-Fahrer“ verhalten muss und ein „Ideal-Fahrer“ nicht schneller als die Richtgeschwindigkeit fährt.
Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn der, die Richtgeschwindigkeit überschreitende Fahrer nachweist, dass der Unfall für ihn auch bei einer Geschwindigkeit von 130 km/h nicht zu vermeiden gewesen wäre.
Dieser Nachweis der Unvermeidbarkeit ist in dem entschiedenen Fall nicht geführt worden.

Im Rahmen der gemäß § 17 Abs. 1 StVG vorzunehmenden Abwägung der Verursachungsbeiträge waren daher einerseits das erhebliche Verschulden des zum Überholen Ausscherenden und andererseits die von dem Pkw des anderen Unfallbeteiligten ausgehende Betriebsgefahr zu berücksichtigen, die im vorliegenden Fall deutlich erhöht war, weil der Fahrer durch die Überschreitung der Richtgeschwindigkeit um rund 60% ein erhebliches Gefahrenpotential geschaffen hat.
Die Richtgeschwindigkeit ist nämlich gerade dafür empfohlen worden, um Gefahren herabzusetzen, die auf den Betrieb eines Kraftfahrzeugs mit hoher Geschwindigkeit erfahrungsgemäß herrühren.
Wer hingegen, zumal wie vorliegend bei Dunkelheit, die Richtgeschwindigkeit in massiver Art und Weise ignoriert, führt zugunsten seines eigenen schnellen Fortkommens den gegebenen Unfallvermeidungsspielraum nahezu gegen Null zurück.
Eine Geschwindigkeit im Bereich von 200 km/h ermöglicht es in der Regel nicht mehr, Unwägbarkeiten in der Entwicklung einer regelmäßig durch das Handeln mehrerer Verkehrsteilnehmer geprägten Verkehrssituation rechtzeitig zu erkennen und sich darauf einzustellen.
Aufgrund dessen ist das OLG Koblenz von einer Mithaftung in Höhe von 40% ausgegangen.

 

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Kollision zwischen Radfahrer und Fußgänger in Fußgängerzone – Wer haftet?

In einer durch Zeichen 250 der Straßenverkehrsordnung (StVO) gekennzeichneten „faktischen“ Fußgängerzone muss ein Fußgänger nicht damit rechnen, dass ihn ein Fahrradfahrer verbotswidrig radelnd von hinten kommend mit zu geringem Seitenabstand – wofür der Anscheinsbeweis spricht – überholt.
Kommt es, weil ein Fußgänger einen Schritt zur Seite geht, zu einem Zusammenstoß mit einem ihn gerade von hinten überholenden Fahrradfahrer, ist dem Fußgänger kein Fehlverhalten anzulasten und zwar selbst dann nicht, wenn der Fußgänger bei dem Schritt zur Seite seine Richtung geändert haben sollte. Auch ist ein Fußgänger in einem solchen Fall nicht gehalten sich vorher umzusehen.
Unerheblich ist, ob der Radfahrer den Platz an einer Stelle befahren hat, an der die aufgestellten Verbotsschilder angeblich nicht oder nur schlecht sichtbar waren.
Abzustellen ist auf die Sicht des sich berechtigt in der Fußgängerzone bewegenden Fußgängers. Dieser muss dort nur mit „Fahrradschiebern“ rechnen.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) München mit Urteil vom 04.10.2013 – 10 U 2020/13 – entschieden.

 

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E-Zigarette – Werbeaussage, sie sei „mindestens 1.000mal weniger schädlich als eine Tabakzigarette“, ist unzulässig.

Die Werbeaussagen, dass eine E-Zigarette „mindestens 1.000mal weniger schädlich als eine Tabakzigarette ist“ und als „einzigen Schadstoff Nikotin enthält“ sind irreführend und damit unzulässig.

Das hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschlüssen vom 10.09.2013 und vom 22.10.2013 – 4 U 91/13 – entschieden.

In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall bewarb die beklagte Firma, die elektronisch betriebene Zigaretten (E-Zigaretten) und entsprechende Liquids, die im Wesentlichen den Lebensmittelzusatzstoff Propylenglycol enthalten, im Internet vertreibt, die E-Zigarette u.a. mit den Worten, dass sie „mindestens 1.000mal weniger schädlich ist als die Tabakzigarette“ und dass „der einzige Schadstoff, den die E-Zigarette enthält, Nikotin ist.

Diese Werbung hat der klagende Verband für unzutreffend und damit irreführend erachtet und die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Der 4. Zivilsenat des OLG Hamm hat den Unterlassungsanspruch bestätigt.
Die beanstandeten Werbeaussagen seien irreführend.
Eine E-Zigarette sei ein Genussmittel. Die Werbung für ein Genussmittel mit dem Hinweis auf dessen geringere Risiken betreffe das Gesundheitswesen. Auf diesem Gebiet seien Werbeaussagen nur zuzulassen, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprächen. Das habe der Werbende darzulegen.
Eine solche Darlegung sei der Beklagten in Bezug auf die streitgegenständlichen Werbeaussagen nicht gelungen.
Ein beigebrachtes Gutachten eines Professors vom Institut für Rechtsmedizin in Frankfurt belege nicht, dass die E-Zigarette mindestens 1.000mal weniger schädlich sei als die Tabakzigarette.
Nach dem Gutachten sei die E-Zigarette zwar deutlich untoxischer, allerdings gebe es noch keine aussagekräftigen Untersuchungen zu ihrer Sicherheit und den Langzeitfolgen.
Die Einschätzungen des Gutachters rechtfertigten daher nicht die Aussage, die E-Zigarette sei ein 1.000mal weniger schädliches Produkt.
Die weitere Werbeaussage, nach der Nikotin der einzige Schadstoff der E-Zigarette sei, sei nach dem vorgelegten Gutachten sogar unzutreffend. Dieses sehe den Hauptbestandteil des Liquids, das beim Konsum mitaufgenommene Propylenglycol, nicht als vollkommen unbedenklich an.
Nach dem Gutachten sei der Stoff im Verhältnis zu anderen schädlichen Stoffen nur harmloser („relativ untoxisch“).
Nach einer Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung werde Propylenglycol zudem mit Reizungen der Nasen-Rachenschleimhäute in Verbindung gebracht und mit einem trockenen Mund und einer trockenen Kehle als Nebenwirkungen.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 08.11.2013 mitgeteilt.

 

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Verwaltungsrecht – Bestehen Anhaltspunkte für hohes Aggressionspotenzial kann Fahreignung überprüft werden.

Nach § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) kann die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (medizinisch-psychologisches Gutachten) angeordnet werden zur Klärung von Eignungszweifeln bei Straftaten, die im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung stehen, insbesondere wenn Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotenzial bestehen.
Die Straftaten, die Anlass zur Eignungsbegutachtung geben können, müssen nicht rechtskräftig abgeurteilt sein, vielmehr genügt es, wenn sich ihr Vorliegen aus Feststellungen etwa der Polizei oder aus anderen Erkenntnissen in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren hinreichend zuverlässig ergibt.
Insbesondere können hiernach auch Vorfälle berücksichtigt werden, in denen die strafrechtlichen Verfahren im Stadium vor einer rechtskräftigen Verurteilung eingestellt worden sind oder gem. §§ 154, 154 a Strafprozessordnung (StPO) von der Erhebung einer öffentlichen Klage abgesehen bzw. die Strafverfolgung auf andere Gesetzesverletzungen beschränkt worden ist.
Nach § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 FeV müssen die Straftaten – ausdrücklich im Unterschied zu den Gründen für eine Eignungsüberprüfung nach § 11 Abs. 3 S. 1 Nrn. 4 und 5 FeV – nicht in Zusammenhang mit Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften und nicht in Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen.
Die weiter erforderlichen Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotenzial müssen hinreichend konkret sein und den entsprechenden Eignungsmangel des Fahrerlaubnisinhabers als naheliegend erscheinen lassen.
Typischerweise kommen für Eignungsüberprüfungen nach § 11 Abs. 3 S. 1 Nrn. 6 und 7 FeV, die einen Zusammenhang mit der Kraftfahreignung, insbesondere bei Anhaltspunkten für ein hohes Aggressionspotenzial verlangen, solche Straftaten in Betracht, die sich durch Aggression gegen Personen oder Sachen ausdrücken wie etwa eine schwere oder gefährliche Körperverletzung, Raub, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung, Nötigung oder Sachbeschädigung.
Das Aggressionspotenzial muss aber nicht bereits als vorhanden festgestellt worden sein. Denn für die Feststellung des Vorliegens des Eignungsmangels soll gerade die medizinisch-psychologische Begutachtung nach § 11 Abs. 3 Nr. 7 FeV erst angefordert werden.

Darauf hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Kassel mit Beschluss vom 13.02.2013 – 2 B 189/13 – hingewiesen.

 

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Klinikbetreiber ist zur Laubreinigung auf Gehwegen verpflichtet – Räumintervalle.

Der Betreiber eines Krankenhauses ist verpflichtet, die Wege auf dem Krankenhausgrundstück in zumutbaren Intervallen von Laub und Schmutz zu reinigen, um die Rutschgefahr zu vermindern.
Der Anfall von Gefahr begründendem Herbstlaub ist, ebenso wie Schnee und Glatteis, witterungsabhängig, sodass der daraus erwachsenden Gefahr nicht mit der unflexiblen Einhaltung turnusmäßiger Reinigungspläne ausreichend begegnet werden kann.
Umgekehrt besteht keine Pflicht, Gehwege ständig und vollständig laubfrei zu halten.
Vielmehr muss das Laubkehren in Abhängigkeit vom Laubanfall vorgenommen werden. Mag dabei auch nicht solche Eile geboten sein, wie beim Winterdienst, so kann ein Liegenlassen von Laubmassen über einen Zeitraum, der zur Bildung einer stärkeren Laubdecke mit tiefliegenden, vermoderten und deshalb glitschigen Schichten führt, nicht hingenommen werden.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass von einem Krankenhausbetreiber der Verkehr auf den Zuwegen zu dem von ihm betriebenen Krankenhaus gerade deswegen eröffnet wird, um auch kranken, älteren und gebrechlichen Menschen den Zugang und das Verlassen des Krankenhauses zu ermöglichen. Die Erwartung des betroffenen Verkehrskreises geht damit gerade dahin, dass in erhöhter Weise auf die Gebrechlichkeit und das eingeschränkte Koordinationsvermögen eines Teils der Passanten Rücksicht genommen wird und erhöhte Anstrengungen für die Gewährleistung der Sicherheit der Zuwege unternommen werden. Entsprechend kann erwartet werden, dass die Zuwege täglich, notfalls ein zweites Mal am Tage, aber jedenfalls so regelmäßig kontrolliert und von Laub befreit werden, dass zumindest ein so breiter Wegesstreifen annähernd laubfrei ist, dass zwei Passanten aneinander vorbeigehen können, ohne gezwungen zu sein, auf eine geschlossene und möglicherweise glitschige Laubschicht treten zu müssen.

Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liegt allerdings dann nicht vor, wenn die Wege in ausreichenden Intervallen gereinigt werden.
Deshalb haftet die Klinik nicht, wenn ein Klinikbesucher auf dem Weg zum Haupteingang stürzt, nachdem der Weg anderthalb bis zwei Stunden zuvor geräumt worden ist, auch wenn nach der Reinigung aufgrund des stürmischen Windes wieder eine erhebliche Menge Laub auf den Weg geweht worden ist.

Das hat der 11. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG) mit Urteil vom 08.10.2013 – Az. 11 U 16/13 – entschieden und die Schmerzensgeldklage eines Klinikbesuchers abgewiesen (Pressemitteilung 14/2013 vom 31.10.2013).

 

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Betreuungssrecht – Unterbringung und Zwangsbehandlung – Kann auch behandelnder Arzt zum Sachverständigen bestellt werden?

In Verfahren zur Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme kann der behandelnde Arzt nur in eng begrenzten Ausnahmefällen mit der Erstattung des vor der Entscheidung einzuholenden Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme beauftragt werden.
Die Gründe für eine Abweichung von der Regelung des § 321 Abs. 1 Satz 5 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) sind in der Genehmigungsentscheidung darzulegen.

Darauf hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 30.10.2013 – XII ZB 482/13 – hingewiesen.

Nach § 321 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat vor einer Unterbringungsmaßnahme eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden. Gemäß § 30 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 FamFG ist diese entsprechend der Zivilprozessordnung durchzuführen. Danach bedarf es zwar nicht zwingend eines förmlichen Beweisbeschlusses (vgl. § 358 Zivilprozessordnung (ZPO)). Jedoch ist die Ernennung des Sachverständigen dem Betroffenen wenn nicht förmlich zuzustellen, so doch zumindest formlos mitzuteilen, damit dieser gegebenenfalls von seinem Ablehnungsrecht nach § 30 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 406 ZPO Gebrauch machen kann.
Ferner hat der Sachverständige den Betroffenen gemäß § 321 Abs. 1 Satz 2 FamFG vor Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen. Dabei muss er schon vor der Untersuchung des Betroffenen zum Sachverständigen bestellt worden sein und ihm den Zweck der Untersuchung eröffnen. Andernfalls kann der Betroffene sein Recht, an der Beweisaufnahme teilzunehmen, nicht sinnvoll ausüben.
Schließlich muss das Sachverständigengutachten zwar nicht zwingend schriftlich erstattet werden, wenn auch eine schriftliche Begutachtung vielfach in Anbetracht des schwerwiegenden Grundrechtseingriffs angezeigt erscheint. Jedenfalls aber muss das Gutachten namentlich Art und Ausmaß der Erkrankung im Einzelnen anhand der Vorgeschichte, der durchgeführten Untersuchung und der sonstigen Erkenntnisse darstellen und wissenschaftlich begründen.

Soll über die Genehmigung der Unterbringung eines Betroffenen entschieden werden, soll nach § 329 Abs. 2 Satz 2 FamFG das Gericht bei einer Unterbringung mit einer Gesamtdauer von mehr als vier Jahren keinen Sachverständigen bestellen, der den Betroffenen bisher behandelt hat. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass bei einer kürzeren Unterbringungsdauer (auch) der behandelnde Arzt zum Sachverständigen bestellt werden kann, der den Betroffenen dann aber nach seiner Bestellung zum Sachverständigen und vor Erstattung des Gutachtens entsprechend den obigen Grundsätzen untersuchen muss.

Anders verhält es sich jedoch hinsichtlich der Genehmigung oder Anordnung der zwangsweisen Heilbehandlung eines Betroffenen.
In Verfahren zur Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder bei deren Anordnung soll nach § 321 Abs. 1 Satz 5 FamFG der zwangsbehandelnde Arzt nicht zum Sachverständigen bestellt werden.
Mit dieser durch das Gesetz zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme vom 18.02.2013 (BGBl I 266) mit Wirkung vom 26.02.2013 eingeführten Vorschrift wollte der Gesetzgeber gewährleisten, dass der gerichtlichen Entscheidung über die Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder bei deren Anordnung eine unvoreingenommene ärztliche Begutachtung durch einen Sachverständigen vorausgeht, der nicht mit der Behandlung des Betroffenen befasst ist.
Die gegenüber §§ 280 Abs. 1, 321 Abs. 1 Satz 1, 4 FamFG erhöhten Anforderungen an die Qualifikation des Sachverständigen und die Einführung eines „Vier- Augen-Prinzips“ tragen dabei dem Um- stand Rechnung, dass die Genehmigung einer ärztlichen Zwangsmaßnahme oder deren Anordnung bei dem Betroffenen zu einem zusätzlichen schweren Grundrechtseingriff führt, der über die mit der Unterbringung verbundenen Beschränkungen des Betroffenen hinausgeht.
Dass § 321 Abs. 1 Satz 5 FamFG trotzdem nur als „Soll“- Vorschrift ausgestaltet ist, beruht darauf, dass der Gesetzgeber eine fachlich fundierte Begutachtung erreichen, gleichzeitig aber durch die abgestuften Anforderungen den unterschiedlichen Verfahren und den Bedürfnissen der Praxis bei der Auswahl geeigneter Sachverständiger Rechnung tragen wollte.
Im Hinblick auf den genannten Schutzzweck der Vorschrift und die besondere Grundrechtsrelevanz einer medizinischen Zwangsbehandlung ist vor der Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder bei deren Anordnung regelmäßig die Begutachtung des Betroffenen durch einen neutralen Sachverständigen geboten.

Nur in eng begrenzten Ausnahmefällen – etwa bei besonderer Eilbedürftigkeit – kann das Gericht hiervon abweichen und im Einzelfall auch den behandelnden Arzt zum Gutachter bestellen.
In diesem Fall hat das Gericht jedoch in dem Genehmigungsbeschluss nachvollziehbar zu begründen, weshalb es von § 321 Abs. 1 Satz 5 BGB abgewichen ist.

Vergleiche hierzu auch die Blogs „Betreuungsrecht – Genehmigung des Betreuungsgerichts bei der Unterbringung eines Betreuten durch seinen Betreuer – Verfahrensfragen“ sowie „Gerichtliche Genehmigung einer freiheitsentziehenden Unterbringung eines Betreuten – Verfahren in Unterbringungssachen und mögliche Verfahrensfehler“.

 

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Versicherungsrecht – Zum Unfallbegriff des § 178 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG).

Nach § 178 Abs. 2 VVG liegt ein Unfall vor, wenn die versicherte Person durch ein

  • plötzlich
  • von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis

unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet, wobei die Unfreiwilligkeit bis zum Beweis des Gegenteils vermutet wird.

Nimmt beispielsweise die versicherte Person willentlich eine Injektion von Kokain vor und verstirbt sie anschließend an einer rauschmittelbedingten Intoxikation ist durch ein plötzlich von außen auf den Körper wirkendes Ereignis gemäß dieser Vorschrift der Tod eingetreten.

Die „Plötzlichkeit“ des Ereignisses ergibt sich dabei bereits daraus, dass sich die Injektion des Kokains objektiv innerhalb eines kurz bemessenen Zeitraums vollzogen hat.
Hat sich ein Geschehen innerhalb eines kurzen Zeitraums verwirklicht, ist es stets plötzlich, ohne dass es auf die Erwartungen des Betroffenen ankommt.

Lediglich in den Fällen, in denen sich ein Geschehen nicht innerhalb eines kurzen Zeitraums ereignet, werden auch weitere Ereignisse vom Versicherungsschutz umfasst, die für den Betroffenen unerwartet, überraschend und unentrinnbar sind.

Ist dagegen die zeitliche Komponente des Unfallbegriffs erfüllt, so liegt bereits damit ein plötzliches Ereignis vor.
Daher kann die Plötzlichkeit eines solchen Geschehens nicht unter Hinweis auf das willensgesteuerte Verhalten bei der Rauschmittelinjektion verneint werden.
Würde etwa bei einer Gesundheitsbeschädigung durch einen Beilhieb – bei der auch eine Selbstverstümmelung in Betracht kommt – nicht bereits das in Bruchteilen einer Sekunde eintretende Ereignis ausreichen, sondern der Versicherungsnehmer die Unerwartetheit, die Unvorhersehbarkeit und die Unentrinnbarkeit des Ereignisses zu beweisen haben, so würde auf diese Weise der nach § 178 Abs. 2 S. 2 VVG vom Versicherer zu führende Beweis der fehlenden Unfreiwilligkeit mittelbar auf den Versicherungsnehmer verlagert. Dies widerspräche der Intention des Gesetzgebers, der in § 178 Abs. 2 S. 2 VVG bis zum Beweis des Gegenteils eine Vermutung der Unfreiwilligkeit des Unfalls statuiert hat.

Das Merkmal der Unfreiwilligkeit bezieht sich nicht auf die Einwirkung von außen, sondern auf die durch das Unfallereignis bewirkte Gesundheitsschädigung.
Dabei gibt es keine Einschränkung dahingehend, dass damit allein die erste, unter Umständen nur geringfügige Gesundheitsschädigung – wie etwa die Hautverletzung nach einem Spritzeneinstich – gemeint ist.
Hat die versicherte Person bei der Durchführung risikoreicher Handlungen beispielsweise zwar mit Verletzungen gerechnet, infolge einer Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf jedoch nicht mit deren konkretem, die Leistungspflicht des Versicherers auslösendem Ausmaß, so erleidet sie die durch das Ereignis bewirkte Gesundheitsschädigung unfreiwillig.
Das bedeutet, dass der Versicherer, wenn die versicherte Person nach einer willentlich vorgenommenen Injektion von Kokain verstirbt (und falls Versicherungsschutz nach den Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen bestehen sollte), in einem solchen Fall darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat, dass der Tod als Folge der Injektion von Kokain und der sich anschließenden Kokainintoxikation freiwillig war.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 16.10.2013 – IV ZR 390/12 – hingewiesen.

 

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Verwaltungsrecht – Gesundheitliche Eignung von Probebeamten.

Eine Beamtin auf Probe, die ihre Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit anstrebt, ist gesundheitlich nicht nur dann ungeeignet, wenn ihre vorzeitige Pensionierung vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze überwiegend wahrscheinlich ist.
Ihr fehlt die zum Abschluss der Probezeit erforderliche gesundheitliche Eignung auch dann, wenn tatsächliche Anhaltspunkte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Annahme rechtfertigen, sie werde bis zur Pensionierung häufige und erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten aufweisen.

Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig mit Urteil vom 30.10.2013 – 2 C 16.12 – entschieden.

Damit hat es im Anschluss an Urteile vom 25.07.2013 – BVerwG 2 C 12.11 und BVerwG 2 C 18.12 – den zugunsten der Bewerber abgesenkten generellen Prognosemaßstab auch auf solche chronischen Erkrankungen angewendet, die zwar nicht zur vorzeitigen Zurruhesetzung führen, wohl aber regelmäßig erhebliche Ausfallzeiten zur Folge haben.

In dem dem vorliegenden Verfahren zugrunde liegenden Fall befand sich die im Dezember 1997 zur Beamtin auf Probe ernannte Klägerin von Anfang 1999 bis Februar 2005 wegen ihrer beiden Kinder im Mutterschutz, Erziehungsurlaub und anschließend in der Elternzeit.
Von Februar 2005 bis Ende 2006 war die Klägerin infolge von Bandscheibenerkrankungen dienstunfähig erkrankt.
Im Hinblick hierauf wurde ihre Probezeit bis Ende September 2007 verlängert.
Im Januar 2007 leistete die Klägerin teilweise Dienst, ab April 2007 in Vollzeit.
Mit der Begründung, die Klägerin sei gesundheitlich ungeeignet, entließ die Behörde die Klägerin.

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Entlassungsverfügung der Behörde aufgrund einer eigenen Beweisaufnahme bestätigt.
Die prognostische Einschätzung der Behörde hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung der Klägerin sei nicht zu beanstanden. Die Bandscheibenerkrankungen der Klägerin sowie das damit zusammenhängende chronifizierte Schmerzsyndrom mit selbstständigem Krankheitswert stünden einer positiven gesundheitlichen Eignungsprognose zum Ablauf der Probezeit entgegen.

Das BVerwG hat auf die Revision der Klägerin das Urteil aufgehoben und das Verfahren an das OVG zurückverwiesen.
Dieses wird insbesondere erneut darüber zu entscheiden haben, ob die Klägerin nach dem neuen Prognosemaßstab zum maßgeblichen Zeitpunkt des Ablaufs der Probezeit gesundheitlich ungeeignet war.
Bei der Beurteilung der gesundheitlichen Eignung steht der Verwaltung – anders als bei der Beurteilung der fachlichen Eignung – kein nur eingeschränkt nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zu.
Leidet eine Beamtin an einer chronischen Erkrankung und ist damit zu rechnen, sie werde über Jahre hinweg regelmäßig krankheitsbedingt ausfallen, so schließen diese Ausfallzeiten die gesundheitliche Eignung erst aus, wenn überwiegend wahrscheinlich ist, dass sie deswegen eine erheblich geringere Lebensdienstzeit leisten wird.

Das hat die Pressestelle des Bundesverwaltungsgerichts am 30.10.2013 – Nr. 76/3013 – mitgeteilt.

 

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Insolvenzordnung (InsO) – Wann liegt eine anfechtbare unentgeltliche Leistung des Schuldners vor?

Nach § 134 Abs. 1 InsO ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners anfechtbar, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden.

Bei der Beurteilung, ob eine Leistung des Schuldners unentgeltlich im Sinne dieser Vorschrift erfolgte, ist zwischen

  • Zwei-Personen-Verhältnissen und 
  • Drei-Personen-Verhältnissen 

zu unterscheiden.

Im Zwei-Personen-Verhältnis ist eine Verfügung als unentgeltlich anzusehen, wenn ihr nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Leistung gegenübersteht, dem Leistenden also keine dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert entsprechende Gegenleistung zufließen soll.

Wird eine dritte Person in den Zuwendungsvorgang eingeschaltet, kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Leistende selbst einen Ausgleich für seine Leistung erhalten hat; maßgeblich ist vielmehr, ob der Zuwendungsempfänger seinerseits eine Gegenleistung zu erbringen hat. 
Bezahlt der Leistende eine gegen einen Dritten gerichtete Forderung des Zuwendungsempfängers, liegt dessen Gegenleistung in der Regel darin, dass er mit der Leistung, die er gemäß § 267 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) nur bei Widerspruch seines Schuldners ablehnen kann, eine werthaltige Forderung gegen diesen verliert. 
Ist hingegen die Forderung des Zuwendungsempfängers wertlos, verliert dieser wirtschaftlich nichts, was als Gegenleistung für die Zuwendung angesehen werden kann. 
In solchen Fällen ist die Tilgung einer fremden Schuld als unentgeltliche Leistung anfechtbar. 
Der Zuwendungsempfänger ist gegenüber den Insolvenzgläubigern des Leistenden nicht schutzwürdig; denn er hätte ohne dessen Leistung, auf die er keinen Anspruch hatte, seine Forderung nicht durchsetzen können.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 17.10.2013 – IX ZR 10/13 – hingewiesen.

 

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