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Architektenleistung – Abnahme kann auch konkludent erfolgen.

Die konkludente Abnahme einer Architektenleistung kann darin liegen, dass der Besteller nach Fertigstellung der Leistung, Bezug des fertiggestellten Bauwerks und Ablauf einer Prüfungsfrist von sechs Monaten keine Mängel der Architektenleistungen rügt.

Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem seinem Urteil vom 26.09.2013 – VII ZR 220/12 – zu Grunde liegenden Fall entschieden.

Danach kann eine Abnahme der Leistung eines Architekten, der beispielsweise mit Planungs- und Überwachungsaufgaben beauftragt war, nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent, das heißt durch schlüssiges Verhalten des Auftraggebers, erklärt werden.
Konkludent handelt der Auftraggeber, wenn er dem Auftragnehmer gegenüber ohne ausdrückliche Erklärung erkennen lässt, dass er dessen Werk als im Wesentlichen vertragsgemäß billigt.
Erforderlich ist ein tatsächliches Verhalten des Auftraggebers, das geeignet ist, seinen Abnahmewillen dem Auftragnehmer gegenüber eindeutig und schlüssig zum Ausdruck zu bringen.
Ob eine konkludente Abnahme vorliegt, beurteilt sich grundsätzlich nach den Umständen des Einzelfalles.
Die konkludente Abnahme einer Architektenleistung kann darin liegen, dass der Besteller nach Fertigstellung der Leistung und nach Ablauf einer angemessenen Prüffrist nach Bezug des fertiggestellten Bauwerks keine Mängel der Architektenleistungen rügt.

Vor Ablauf einer angemessenen Prüfungsfrist, deren Länge von der allgemeinen Verkehrserwartung bestimmt wird, kann der Architekt im Regelfall redlicherweise keine Billigung seines Werks erwarten.
Der Besteller benötigt für die Prüfung des Werkes eines Architekten, der mit Planungs- und Überwachungsaufgaben betraut ist, einen angemessenen Zeitraum. Denn er muss verlässlich feststellen können, ob das Bauwerk den vertraglichen Vorgaben entspricht, insbesondere die vereinbarten Funktionen vollständig erfüllt sind und etwaige Beanstandungen auf Fehler des Architekten zurückzuführen sind.
Insoweit kann auch ins Gewicht fallen, ob dem Besteller Pläne zur Verfügung stehen, die die Prüfung erleichtern.
Dieser für die Prüfung notwendige Zeitraum bestimmt die in jedem Einzelfall zu bestimmende Prüfungsfrist und damit auch den Zeitpunkt, zu dem eine konkludente Abnahme in Betracht kommt. Es ist unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Architekten, den Zeitpunkt der konkludenten Abnahme nicht unangemessen nach hinten zu verschieben, nicht gerechtfertigt, den Prüfungszeitraum beliebig zu erweitern.

In dem von ihm entschiedenen Fall hat der BGH, auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass dem Besteller vom Architekten keine Detailpläne übergeben wurden, eine Prüfungsfrist von elf Monaten für unangemessen lang und eine solche von nicht mehr als sechs Monaten als ausreichend erachtet.
Denn Anhaltspunkte dafür, dass der Besteller auch ohne Detailpläne nicht ausreichend Gelegenheit hatte, alle Funktionen des Hauses zu prüfen und etwaige Mängel des Architektenwerkes festzustellen, gab es nicht und nach Ablauf eines halben Jahres ist nach der Verkehrserwartung regelmäßig nicht mehr damit zu rechnen, dass ein Besteller eines Architektenwerks die Leistung als nicht vertragsgerecht zurückweist, wenn er innerhalb dieses Zeitraums keine Beanstandungen erhoben hat.

 

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Steuerrecht – Umsatzsteuer: Zimmervermietung an Prostituierte.

Wer in einem Eroscenter Zimmer an Prostituierte entgeltlich überlässt, vermietet keine „Wohn- und Schlafräume zur kurzfristigen Beherbergung“ (sog. Hotelsteuer) und muss seine Leistungen deshalb dem Regelsteuersatz unterwerfen.

Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 22.08.2013 – V R 18/12 – in einem Fall entschieden, in dem ein Bordellbetreiber Zimmer an Prostituierte vermietete.
Diese sog. Erotikzimmer waren mit Doppelbett, Waschbecken, WC, Bidet, Whirlpool und Spiegeln ausgestattet. Der Tagespreis (je nach Ausstattung 110 bis 170€) umfasste volle Verpflegung; Bettwäsche und Handtücher wurden gestellt. Die Flure zu den Zimmern waren videoüberwacht.
Der Bordellbetreiber verzichtete auf die Steuerfreiheit und unterwarf die Leistungen in der Umsatzsteuervoranmeldung dem ermäßigten Steuersatz.

Finanzamt und Finanzgericht versteuerten die Umsätze nach dem Regelsteuersatz.

Der BFH sah das genauso.

Vermietet ein Unternehmer Wohn- und Schlafräume, die er zur kurzfristen Beherbergung von Fremden bereithält, so ist diese Leistung anders als die auf Dauer angelegte Vermietung steuerpflichtig (§ 4 Nr. 12 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG)), unterliegt aber nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG dem ermäßigten Steuersatz.
Bei einem Bordell fehlt es am Tatbestandsmerkmal der „Beherbergung“. Die Zimmer werden den Prostituierten zur Ausübung gewerblicher Tätigkeiten überlassen.

Das hat die Pressestell des Bundesfinanzhofs am 23.10.2013 – Nr. 72 – mitgeteilt.

 

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Kindergeld auch für Kinder einer eingetragenen Lebenspartnerin.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 08.082013 – VI R 76/12 – entschieden, dass einer Lebenspartnerin ein Kindergeldanspruch auch für die in den gemeinsamen Haushalt aufgenommenen Kinder ihrer eingetragenen Lebenspartnerin zusteht.
Er hat damit die für Ehegatten geltende Regelung auf Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft angewandt, nach der im Haushalt lebende gemeinsame Kinder der Ehegatten zusammengezählt werden.
Sobald beide Lebenspartner oder Ehegatten zusammen mehr als zwei Kinder haben, ist diese Regelung günstiger, als wenn jeder einzelne Ehegatte oder Lebenspartner für seine Kinder Kindergeld beantragt. Denn das Kindergeld steigt ab dem dritten Kind von 184 € auf 190 € an und beträgt für das vierte und jedes weitere Kind 215 €.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am 07.05.2013 entschieden hatte, dass der Ausschluss eingetragener Lebenspartner vom Ehegattensplitting mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht zu vereinbaren sei, sind nunmehr die Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu Ehegatten und Ehen auch auf Lebenspartner und Lebenspartnerschaften anzuwenden (§ 2 Abs. 8 EStG).
Die Neuregelung vom 15.07.2013 durch das Gesetz zur Änderung des EStG und Umsetzung der Entscheidung des BVerfG vom 07.05.2013 findet auch bei noch nicht bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzungen Anwendung (§ 52 Abs. 2a EStG).
Der BFH hat mit seinem Urteil entschieden, dass diese Anwendungsregelung auch für Kindergeldfestsetzungen gilt.

In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall lebt die Klägerin in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Sie wohnt gemeinsam mit ihren beiden minderjährigen Kindern, ihrer eingetragenen Lebenspartnerin sowie mit deren beiden minderjährigen Kindern in einem Haushalt. Für ihre Kinder erhält sie Kindergeld.
Darüber hinaus begehrte sie für den Zeitraum ab Dezember 2009 vergeblich Kindergeld für die in dem gemeinsamen Haushalt versorgten Kinder ihrer eingetragenen Lebenspartnerin nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG.

Das Finanzgericht wies die Klage ab.

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und gab der Klage statt. Nach seiner Meinung ist zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen Einkommensteuer- und Kindergeldfestsetzungen die Gleichbehandlung von Lebenspartnern und Lebenspartnerschaften mit Ehegatten und Ehen auch insoweit geboten, als Kindergeldfestsetzungen noch nicht bestandskräftig sind. Der Gesetzgeber habe mit dem Gesetz vom 15.07.2013 eine Gleichbehandlung von Ehegatten und Lebenspartnern für das gesamte EStG und mithin auch für das in dem X. Abschnitt des EStG geregelten Kindergeldrecht bezweckt.

Das hat die Pressestelle des Bundesfinanzhofs am 23.10.2013 – Nr. 73 – mitgeteilt.

 

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Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004) – Ausgleichsleistungsanspruch besteht auch dann, wenn wegen verspätetem Abflug ein Anschlussflug verpasst wird.

Die Ausgleichsleistung nach Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.02.2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (im Folgenden: FluggastrechteVO) ist davon unabhängig, ob die verspätete Erreichung des Endziels darauf beruht, dass sich der Abflug des verspäteten Flugs um die in Art. 6 Abs. 1 Buchst. a bis c FluggastrechteVO genannten Zeiten verzögert hat, und von dem Luftverkehrsunternehmen auch dann zu erbringen, wenn die verspätete Ankunft am Endziel darauf beruht, dass infolge der Flugverspätung ein selbst nicht verspäteter Anschlussflug verpasst worden ist

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 17.09.2013 – X ZR 150710 – hingewiesen.

In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall hatte der Kläger bei dem beklagten Luftverkehrsunternehmen für sich und seine Ehefrau Hin- und Rückflüge für die Strecke Frankfurt am Main – Lissabon – Recife gebucht.
Der Flug von Frankfurt am Main nach Lissabon sollte am 29.10.2009 um 13.30 Uhr starten, der Abflug verzögerte sich jedoch um 1 Stunde und 40 Minuten.
Bei der Landung in Lissabon war der vorgesehene Anschlussflug bereits gestartet.
Die Beklagte beförderte den Kläger und seine Ehefrau am folgenden Tag. Sie erreichten Recife infolgedessen mit einer Verspätung von 25 Stunden.

Da die Reisenden auf einem Flughafen in Deutschland einen Flug, nämlich den ersten gebuchten Flug von Frankfurt am Main nach Lissabon, angetreten haben, ist die Fluggastrechteverordnung anwendbar (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO).

Nachdem der verspätete Abflug dieses Flugs dazu geführt hat, dass die Reisenden ihr Endziel Recife erst einen Tag nach der geplanten Ankunft erreicht haben, begründet dies den geltend gemachten Ausgleichsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c FluggastrechteVO.

Danach steht den Fluggästen eines verspäteten Flugs ein Ausgleichsanspruch zu, soweit sie infolge der Flugverspätung ihr individuelles Endziel mit einer Verspätung von mindestens drei Stunden erreichen.
Die Ausgleichsleistung ist davon unabhängig, ob die verspätete Erreichung des Endziels darauf beruht, dass sich der Abflug des verspäteten Flugs um die in Art. 6 Abs. 1 Buchst. a bis c FluggastrechteVO genannten Zeiten verzögert hat, und von dem Luftverkehrsunternehmen auch dann zu erbringen, wenn die verspätete Ankunft am Endziel darauf beruht, dass infolge der Flugverspätung ein selbst nicht verspäteter Anschlussflug verpasst worden ist.

Vergleiche hierzu auch Blog „Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004) – Ausgleichszahlung für verpassten Anschlussflug“.

 

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Verkehrsrecht – Inlineskater aufgepasst!

Eine Inlineskaterin, die in einer nicht übersehbaren Linkskurve mittig auf der Gegenfahrbahn fährt und deswegen mit einem entgegenkommenden Pkw zusammenstößt, hat 75 % ihres Schadens selbst zu tragen, weil sie den Verkehrsunfall in erheblichem Umfang selbst verschuldet hat.

Das hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 18.06.2013 – 9 U 1/13 – entschieden und damit die Berufung der klagenden Inlineskaterin gegen das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts weitgehend zurückgewiesen.

In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall war die Klägerin außerhalb einer Ortschaft verunfallt, als sie – inlineskatend – mit dem vom Beklagten geführten Pkw zusammenstieß.
Vor dem Unfall befuhr sie die ca. 4m breite Straße in einer schlecht einsehbaren, langgezogenen Linkskurve mittig der Gegenfahrbahn. Der ihr mit seinem Fahrzeug entgegenkommende Beklagte bremste und wich zu seinem rechten Fahrbahnrand aus, ohne den Zusammenstoß abwenden zu können.
Bei dem Unfall erlitt die Klägerin schwere Verletzungen, u.a. mehrere Frakturen und Platzwunden mit – nach ihrem Vortrag – dauerhaft verbliebenen gesundheitlichen Einschränkungen.
Vom beklagten Fahrzeugführer und seiner mitverklagten Haftpflichtversicherung verlangte die Klägerin 100%igen Schadensersatz.

Nach dem Urteil des 9. Zivilsenats des OLG Hamm ist das Schadensersatzbegehren der Klägerin dem Grunde nach nur unter Berücksichtigung eines 75 %igen Mit- bzw. Eigenverschuldens gerechtfertigt.
Auf Seiten der Beklagten sei lediglich die Betriebsgefahr des Pkw zu berücksichtigen, die nicht durch ein schuldhaftes Verhalten des Beklagten erhöht worden sei.

Dass der Beklagte mit einer den Straßenverhältnissen nicht angepassten, überhöhten Geschwindigkeit gefahren sei, auf die entgegenkommende Klägerin zu spät oder falsch reagiert habe, habe sich nicht feststellen lassen. Er habe zu seinem rechten Fahrbandrand ausweichen dürfen, weil für ihn nicht voraussehbar gewesen sei, wohin die ihm mittig seiner Fahrbahn entgegenkommende Klägerin ggfls. ausweichen würde.

Demgegenüber treffe die Klägerin ein erhebliches Mitverschulden am Zustandekommen des Verkehrsunfalls.
Als Inlineskaterin hätten für sie die Vorschriften des Fußgängerverkehrs gegolten. Demnach habe sie außerhalb einer geschlossenen Ortschaft im Rahmen des Zumutbaren den linken Fahrbahnrand benutzen müssen. Bereits hieran habe sie sich nicht gehalten, weil sie mit den Inlinern mittig der Gegenfahrbahn gefahren sei.
Vor der für sie schlecht einsehbaren Linkskurve habe sie zudem entweder das Fahren mit den Inlinern einstellen und sich der Kurve gehend nähern oder rechtzeitig zum rechten Fahrbahnrand wechseln müssen, um ihre Fahrt dort fortzusetzen.
Auch diesen Anforderungen habe sie nicht genügt.
Deswegen treffe sie ein gegenüber der Betriebsgefahr des beteiligten Fahrzeugs mit 75% zu berücksichtigendes Mit- bzw. Eigenverschulden.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 22.10.2013 mitgeteilt.

 

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Berufungsverfahren – Wann muss eine Partei erneut vernommen werden?

Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) ist das Berufungsgericht grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des ersten Rechtszuges gebunden.
Bei Zweifeln an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen ist aber eine erneute Beweisaufnahme zwingend geboten.
Insbesondere muss das Berufungsgericht einen bereits in erster Instanz vernommenen Zeugen nochmals gemäß § 398 Abs. 1 ZPO vernehmen, wenn es dessen Aussage anders würdigen will als die Vorinstanz.
Die nochmalige Vernehmung eines Zeugen kann allenfalls dann unterbleiben, wenn sich das Rechtsmittelgericht auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit der Aussage betreffen.

Diese Grundsätze gelten nach § 451 ZPO für die Parteivernehmung entsprechend. Auch von der Würdigung der Aussage der Partei darf das Rechtsmittelgericht nicht abweichen, ohne die Partei erneut vernommen zu haben.

Trägt das Berufungsgericht dem nicht Rechnung, liegt darin ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG).

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 17.09.2013 – XI ZR 394/12 – hingewiesen.

 

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Strafrecht – Anforderungen an die Beweiswürdigung, wenn Aussage gegen Aussage steht.

Zwar ist die Beweiswürdigung grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Ihre revisionsgerichtliche Überprüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht ein Rechtsfehler unterlaufen ist. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht namentlich der Fall, wenn die Beweiswürdigung lückenhaft ist, weil sich aus den Urteilsgründen Erörterungsmängel ergeben.

Sind bei der Durchsuchung der Wohnung eines Angeklagten, dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln vorgeworfen wird, weder Betäubungsmittel noch sonstige Hinweise auf entsprechende Geschäfte, noch andere unmittelbar tatbezogene Indizien gefunden worden und steht Aussage gegen Aussage, d. h., hängt die Entscheidung allein davon ab, ob die Rauschgiftgeschäfte mit dem Angeklagten schildernden Angaben des Belastungszeugen glaubhaft sind, müssen die Urteilsgründe bei dieser Beweislage ersehen lassen, dass das Tatgericht alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat.
Bei der Bewertung der belastenden Aussage ist in einem solchen Fall stets zu prüfen, ob die Möglichkeit besteht, dass der Zeuge sich oder auch einen anderen durch falsche Angaben entlasten will, oder ob sonst eine Motivation für eine Falschbelastung vorliegt, dieser sich beispielsweise eine Strafmilderung nach § 31 BtMG „verdienen“ will.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 30.05.2013 – 5 StR 239/13 – hingewiesen.

Vergleiche hierzu auch Blog „Strafrecht – Glaubwürdigkeitsprüfung wenn „Aussage gegen Aussage“ steht“ und Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 10.10.2012 – 5 StR 316/12 –.

 

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Verfassungsbeschwerde – Erschöpfung des Rechtswegs – Wann vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde ein Anhörungsrügeverfahren erforderlich ist.

Mit Beschluss vom 16.07.2013 – 1 BvR 3057/11 – hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) präzisiert, in welchen Fällen vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde beim letztinstanzlichen Fachgericht eine Anhörungsrüge erhoben werden muss.
Zur Erschöpfung des Rechtswegs muss im Grundsatz kein Anhörungsrügeverfahren durchlaufen werden, wenn eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht zum Gegenstand der
Verfassungsbeschwerde gemacht wird. In Einzelfällen kann dies jedoch aus Subsidiaritätsgründen erforderlich sein, wenn den Umständen nach ein Gehörsverstoß durch die Fachgerichte nahe liegt.

Danach gehört, wenn mit der Verfassungsbeschwerde eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird, eine Anhörungsrüge an das Fachgericht zu dem Rechtsweg, von dessen Erschöpfung die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde im Regelfall abhängig ist.

Wird die Rüge einer Gehörsverletzung hingegen weder ausdrücklich noch der Sache nach zum Gegenstand der Verfassungsbeschwerde gemacht oder wird die zunächst wirksam im Verfassungsbeschwerdeverfahren erhobene Rüge einer Gehörsverletzung wieder zurück genommen, hängt die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt des Gebots der Rechtswegerschöpfung nicht von der vorherigen Durchführung eines fachgerichtlichen Anhörungsrügeverfahrens ab.

Aufgrund der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde können Beschwerdeführer jedoch gehalten sein, im fachgerichtlichen Verfahren eine Gehörsverletzung mit einer Anhörungsrüge auch dann anzugreifen, wenn sie sich in der Verfassungsbeschwerde nicht auf eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör berufen.
Dies gilt dann, wenn ein Gehörsverstoß durch die Fachgerichte nahe liegt und zu erwarten wäre, dass vernünftige Verfahrensbeteiligte mit Rücksicht auf die geltend gemachte Beschwer bereits im gerichtlichen Verfahren den Rechtsbehelf ergreifen würden.

Das hat die Pressestelle des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) – Nr. 49/2013 – mitgeteilt.

 

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Strafverfahren – Anforderungen an Revisionsantrag, wenn mit dem angefochtenen Urteil ausschließlich Zuchtmittel gegen einen Jugendlichen oder Heranwachsenden verhängt worden sind.

Ein Urteil, das ausschließlich ein Zuchtmittel (§ 13 Abs. 2 Ziff. 3 Jugendgerichtsgesetz (JGG)) gegen einen Angeklagten anordnet, kann gemäß § 55 Abs. 1 S. 1 JGG nicht wegen des Umfangs der Maßnahme und nicht deshalb angefochten werden, weil andere Erziehungs- maßregeln oder (andere) Zuchtmittel hätten angeordnet werden sollen.
Dementsprechend kann ein Rechtsmittel gegen ein allein derartige Rechtsfolgen des Jugendstrafrechts verhängendes Urteil lediglich darauf gestützt werden, dass
die Schuldfrage aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen falsch beurteilt oder
die verhängte Sanktion selbst rechtswidrig ist.
Diese gesetzliche Beschränkung in dem zulässigen Angriffsziel eines gegen ein solches Urteil gerichteten Rechtsmittels wirkt sich bei der Revision auf die aus § 344 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) resultierenden Anforderungen an den vom Gesetz verlangten Revisionsantrag aus.
Um eine Umgehung der Begrenzung der im Rahmen von § 55 Abs. 1 Satz 1 JGG zulässigen Angriffsziele einer Revision zu verhindern, ergibt sich vor dem Hintergrund von § 344 Abs. 1 StPO, im Revisionsantrag anzugeben, inwieweit das Urteil angefochten werde, für den Revisionsführer die Notwendigkeit, eindeutig klarzustellen, dass mit dem Rechtsmittel ein zulässiges Ziel verfolgt wird.
Ein solches Erfordernis der Angabe eines zulässigen Angriffsziels ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die in § 400 Abs. 1 StPO enthaltenen Beschränkungen bei Rechtsmitteln des Nebenklägers seit langem anerkannt. Wie bei dem sachlich begrenzten Rechtsmittel des Nebenklägers kann auch bei dem gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 JGG beschränkt zulässigen Anfechtungsumfang die Einhaltung der Beschränkung durch das Rechtsmittelgericht wirksam vor allem über die aus § 344 Abs. 1 StPO resultierenden Anforderungen an den Revisionsantrag überprüft werden.

Zwar reicht außerhalb solcher gesetzlicher Beschränkungen sowohl der Aufhebungsantrag als auch – ohne ausdrücklichen entsprechenden Antrag – die Erhebung der allgemeinen Sachrüge aus, um den Voraussetzungen des § 344 Abs. 1 StPO zu entsprechen. Für die hier fragliche Konstellation der Begrenzung des zulässigen Angriffsziels bedarf es aber wegen der Kontrollierbarkeit der Einhaltung eines solchen Ziels höherer Anforderungen an den Revisionsantrag. Die Erhebung der allgemeinen, nicht ausgeführten Sachrüge genügt – wie bei der Revision des Nebenklägers – gerade nicht. Es lässt sich dem nämlich nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit die Anfechtung des Schuldspruchs entnehmen. Insoweit bleibt die Möglichkeit offen, dass entgegen dem durch § 55 Abs. 1 Satz 1 JGG eröffneten Anfechtungsumfang das Rechtsmittel sich lediglich gegen die Art und/oder die Höhe des verhängten Zuchtmittels richtet.
Deshalb ist das Verfolgen eines zulässigen Angriffsziels ausreichend deutlich zu machen und im Revisionsantrag klarzustellen, dass der Schuldspruch des angefochtenen Urteils und nicht lediglich (unzulässig) der Rechtsfolgenausspruch angegriffen werden soll.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 10.07.2013 – 1 StR 278/13 – hingewiesen.

 

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Zur Auskunftspflicht von Bankinstituten über Kontodaten bei Markenfälschungen – Bundesgerichtshof legt die Frage dem Europäischem Gerichtshof vor.

Der unter anderem für das Markenrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Beschluss vom 17.10.2013 – I ZR 51/12 – dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage vorgelegt, ob ein Bankinstitut eine Auskunft über Namen und Anschrift eines Kontoinhabers unter Hinweis auf das Bankgeheimnis verweigern darf, wenn über das Konto die Zahlung des Kaufpreises für ein gefälschtes Markenprodukt abgewickelt worden ist.

In dem diesem Verfahren zu Grunde liegenden Fall ist die Klägerin Lizenznehmerin für die Herstellung und den Vertrieb von Davidoff-Parfüms. 
Im Januar 2011 bot ein Verkäufer auf der Internetplattform eBay ein Parfüm unter der Marke „Davidoff Hot Water“ an, bei dem es sich um eine Produktfälschung handelte. Als Konto, auf das die Zahlung des Kaufpreises erfolgen sollte, war bei eBay ein bei der beklagten Sparkasse geführtes Konto angegeben. Die Klägerin ersteigerte das Parfüm und zahlte den Kaufpreis auf das angegebene Konto. 
Nach Darstellung der Klägerin konnte sie nicht in Erfahrung bringen, wer Verkäufer des gefälschten Parfüms war. Sie hat deshalb die beklagte Sparkasse nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 des Gesetzes über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (MarkenG) auf Auskunft über Namen und Anschrift des Inhabers des Kontos in Anspruch genommen.

§ 19 MarkenG lautet:

(1)…

(2)In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung oder in Fällen, in denen der Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung gegen den Verletzer Klage erhoben hat, besteht der Anspruch unbeschadet von Abs. 1 auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß

1.…

2.…

3.für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte

4.…

es sei denn, die Person wäre nach den §§ 383 bis 385 der Zivilprozessordnung im Prozess gegen den Verletzer zur Zeugnisverweigerung berechtigt.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, die beklagte Sparkasse sei aufgrund des Bankgeheimnisses zur Verweigerung der Auskunft berechtigt.

Der BGH hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH vorgelegt. 
Nach Ansicht des BGH stellt der Vertrieb des gefälschten Parfüms eine offensichtliche Rechtsverletzung dar. 
Die beklagte Sparkasse hat durch die Führung des Girokontos, über das der Verkäufer den Zahlungsverkehr abgewickelt hat, auch eine für die rechtsverletzende Tätigkeit genutzte Dienstleistung in gewerblichem Ausmaß erbracht. Damit liegen die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG an sich vor. 
Die beklagte Sparkasse braucht die begehrte Auskunft aber nicht zu erteilen, wenn sie nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 Zivilprozessordnung (ZPO) zur Verweigerung des Zeugnisses im Prozess berechtigt ist. 
Da § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG Art. 8 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums umsetzt, muss das Recht zur Verweigerung der Auskunft durch die Richtlinie gedeckt sein. 
In Betracht kommt insoweit Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie, der den Schutz der Vertraulichkeit von Informationsquellen und die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Gegenstand hat. 
Im Streitfall stellt sich die Frage,

  • ob die Kontodaten, über die die Klägerin von der Sparkasse Auskunft verlangt, Art. 8 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie unterfallen und – wenn dies der Fall sein sollte – 
  • ob gleichwohl im Interesse der effektiven Verfolgung von Markenverletzungen die Beklagte Auskunft über die Kontodaten geben muss. 

Da die Frage die Auslegung von Unionsrecht betrifft, hat der BGH sie dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Der BGH hat in dem Vorlagebeschluss erkennen lassen, dass aus seiner Sicht das Interesse an einer effektiven Verfolgung einer Schutzrechtsverletzung den Vorrang vor dem Interesse der Bank haben sollte, die Identität des Kontoinhabers geheimzuhalten.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 17.10.2013 – Nr. 173/2013 – mitgeteilt.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.