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Arbeitsrecht – Wann liegt ein Werk-, wann ein Arbeitsvertrag vor?

Nach § 631 BGB wird der Unternehmer durch einen Werkvertrag zur Herstellung des versprochenen Werkes verpflichtet. Gegenstand des Werkvertrags ist die Herstellung oder Veränderung einer Sache oder ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg.

Gegenstand eines Dienstvertrags nach § 611 Abs. 1 BGB ist dagegen die Tätigkeit als solche. Bei einem Arbeitsverhältnis wird die vereinbarte Tätigkeit weisungsgebunden, d.h. in persönlicher Abhängigkeit geleistet.

Welches Rechtsverhältnis vorliegt, ist anhand einer Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls zu ermitteln.
Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgebend.

Einen Streit zwischen den Parteien darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis oder ein Werkvertrag besteht, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 25.09.2013 – 10 AZR 282/12 – entschieden und auf das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses erkannt.

In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall war der Kläger für den Beklagten mit Unterbrechungen seit 2005 auf der Grundlage von zehn als Werkvertrag bezeichneten Verträgen tätig geworden.
Im letzten Vertrag vom 23.03./01.04.2009 war die „Vorarbeit für die Nachqualifizierung der Denkmalliste für die kreisfreie Stadt und den Landkreis F. sowie für den Landkreis N.“ vereinbart.
Danach war Aufgabe des Klägers, im Rahmen des Nachqualifizierungs- und Revisionsprojekts des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege (BLfD) Bodendenkmäler in einem EDV-gestützten System zu erfassen und nachzuqualifizieren.
Abhängig vom Standort der Ortsakten konnte die Tätigkeit nur in den Dienststellen des BLfD erbracht werden. Einen Schlüssel zu diesen Dienststellen besaß der Kläger nicht. Er hat regelmäßig von 07.30 Uhr bis 17.00 Uhr gearbeitet, über einen zur Verfügung gestellten PC-Arbeitsplatz mit persönlicher Benutzerkennung wurde ihm der Zugang zu den Eingabemasken ermöglicht.
Der Termin zur Fertigstellung der vereinbarten Leistungen wurde anhand der Zahl der im Arbeitsgebiet bekannten archäologischen Fundstellen kalkuliert und auf den 30.11.2009 festgelegt. Dem Kläger war gestattet, die Vergütung i.H.v. 31.200 Euro incl. Mehrwertsteuer nach Abschluss der Bearbeitung bestimmter Gebiete in Einzelbeträgen von 5.200 Euro abzurechnen.

Die Vorinstanzen haben festgestellt, dass zwischen den Parteien nach dem wahren Geschäftsinhalt ein Arbeitsverhältnis besteht.

Die Revision des Beklagten vor dem Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts blieb ohne Erfolg.

In seiner Entscheidung hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts darauf hingewiesen, dass bereits die Gestaltung des „Werkvertrags“ erkennen lässt, dass nicht die Herstellung einer Sache oder eines Erfolgs, sondern eine bestimmte Tätigkeit geschuldet wird.
Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Kumulation und Verdichtung der Bindung des Klägers sei in einer Gesamtschau als Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit zu werten, sei revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Das hat der Pressesprecher des Bundesarbeitsgerichts am 25.09.2013 – Nr. 55/13 – mitgeteilt.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Betreuungsrecht – Zur Stellung des Verfahrenspflegers und seiner Berechtigung Verfassungsbeschwerde im betreuungsrechtlichen Verfahren zu erheben.

Gemäß § 276 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) wird dem Betroffenen in einem betreuungsrechtlichen Verfahren ein Verfahrenspfleger bestellt, wenn dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. Darauf, ob dem Betroffenen bereits ein Betreuer zur Seite steht bzw. bestellt ist, kommt es dabei nicht an. Denn gerade in Verfahren, in denen etwa der Aufgabenkreis oder die Person des Betreuers betroffen sind, bestehen zwischen Betroffenen und Betreuer häufig potenzielle Interessenskonflikte. Der Verfahrenspfleger hat in diesen Verfahren dann die Pflicht, die verfahrensmäßigen Rechte des Betroffenen, insbesondere dessen Anspruch auf rechtliches Gehör, zu wahren, hierfür den tatsächlichen und mutmaßlichen Willen des Betroffenen zu erkunden und im Interesse des Betroffenen in das Verfahren einzubringen.

Anders als etwa ein Ergänzungspfleger in Familienverfahren ist der Verfahrenspfleger jedoch nicht Vertreter des Betroffenen – dies bleibt allein der bereits bestellte Betreuer; er handelt vielmehr als eigenständiger Verfahrensbeteiligter stets in eigenem Namen. Als solcher kann er dann allerdings die gleichen Rechte geltend machen, die auch dem Betroffenen zustehen. So ist er insbesondere auch befugt, eigenständig Rechtsmittel einzulegen.
Beendet ist die Verfahrenspflegschaft nach dem Wortlaut des § 276 Abs. 5 FamFG, „sofern sie nicht vorher aufgehoben wird, mit der Rechtskraft der Endentscheidung oder mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens“.

Jedenfalls in betreuungsrechtlichen Verfahren, in denen die Person oder der Aufgabenbereich des Betreuers Verfahrensgegenstand sind, sind diese Vorschriften über die Verfahrenspflegschaft so auszulegen, dass diese auch das Recht zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde einschließen, also dem für das einfachrechtliche Verfahren bestellten Verfahrenspfleger auch die Befugnis einräumen, im Interesse des Betroffenen über die einfachrechtlichen Rechtsmittel hinaus Verfassungsbeschwerde zu erheben.
Anderenfalls bestünde in derartigen Konstellationen entgegen dem Grundgedanken des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a Grundgesetz (GG) die Gefahr, dass gegenüber der rechtsprechenden Gewalt der Betreuungsgerichte Grundrechte von vornherein nicht zeitgerecht und wirkungsvoll im Wege einer Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden könnten, da der Betreute selbst auf Grund seiner Erkrankung möglicherweise hierzu nicht in der Lage ist und sein Betreuer als gesetzlicher Vertreter auf Grund potenzieller Interessenkonflikte hierzu möglicherweise nicht willens ist.
Diese Auslegung entspricht sowohl dem Wortlaut als auch dem Sinn und Zweck des § 276 Abs. 5 FamFG. Dieser stellt im Hinblick auf den Zeitpunkt der Beendigung der Verfahrenspflegschaft nicht lediglich auf die Rechtskraft der Endentscheidung, sondern alternativ auch auf den sonstigen Abschluss des Verfahrens ab. Dies ist dahingehend zu verstehen, dass im Falle, dass noch fristgemäß Verfassungsbeschwerde erhoben wird, das Verfahren noch nicht sonst abgeschlossen ist. Es verhält sich insoweit ähnlich wie bei der Anhörungsrüge nach § 44 FamFG (i. V. mit § 69 Abs. 3 FamFG), die den Eintritt der Rechtskraft gleichfalls nicht aufschiebt, sondern allenfalls deren Durchbrechung bewirken kann

Der Verfahrenspfleger soll nach § 276 Abs. 5 FamFG im Interesse des Betroffenen Rechtsmittel einlegen, wenn dies angezeigt ist. Zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen gehört insbesondere auch der Schutz dessen grundrechtlicher Positionen. Um diese wirksam schützen zu können, muss er im Interesse des Betroffenen auch noch Verfassungsbeschwerde erheben können.

Einer solchen Auslegung steht auch nicht entgegen, dass mit der Verfassungsbeschwerde grundsätzlich eigene Rechte in eigenem Namen geltend zu machen sind. Es ist anerkannt, dass in Ausnahmefällen auch im Verfassungsbeschwerdeverfahren fremde Rechte in eigenem Namen geltend gemacht werden können. Dies gilt insbesondere, wenn ansonsten die Gefahr bestünde, dass gerichtliche Entscheidungen überhaupt nicht mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden könnten.

Das hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluss vom 22. 05. 2013 – 1 BvR 372/13 – entschieden.

 

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Jugendstrafrecht – Zur Bemessung einer Jugendstrafe.

Nach § 18 Abs. 2 Jugendgerichtsgesetz (JGG) ist die Jugendstrafe so zuzumessen, dass die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist.
Dies bedeutet nicht, dass die Erziehungswirkung als einziger Gesichtspunkt heranzuziehen ist. Vielmehr sind daneben andere Strafzwecke zu beachten, insbesondere bei Gewaltdelikten mit erheblichen Folgen für das Opfer auch das Erfordernis gerechten Schuldausgleichs.
Das Gewicht des Tatunrechts muss gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Verurteilten abgewogen werden.
Erziehungsgedanke und Schuldausgleich stehen dabei regelmäßig nicht im Widerspruch. Vielmehr stehen sie dann miteinander im Einklang, wenn die charakterliche Haltung und das Persönlichkeitsbild eines Täters, wie sie in seiner Tat zum Ausdruck gekommen sind, für das Erziehungsbedürfnis und für die Bewertung der Schuld gleichermaßen von Bedeutung sind.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 31.07.2013 – 2 StR 38/13 – hingewiesen.

 

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Fahrtenbuchauflage – Zu den Voraussetzungen unter denen die Anordnung unverhältnismäßig sein kann.

Die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage als Mittel der Gefahrenabwehr kann nach Vergehen eines erheblichen Zeitraums seit der Begehung der Verkehrsordnungswidrigkeit bzw. der Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens unverhältnismäßig sein.

Darauf hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg mit Beschluss vom 23.08.2013 – 12 LA 156/12 – hingewiesen.

In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall wurde mit dem auf den Kläger zugelassenen Pkw am 06.08.2009 die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften von 50 km/h um 25 km/h (nach Toleranzabzug) überschritten.
Mit Verfügung vom 16.03.2011 ordnete der Beklagte nach Anhörung des Klägers für das genannte Fahrzeug oder ein Ersatzfahrzeug das Führen eines Fahrtenbuchs für die Dauer von sechs Monaten an, weil der verantwortliche Fahrzeugführer bei dem Verkehrsverstoß nicht habe ermittelt werden können. Das Ordnungswidrigkeitenverfahren war am 05.11.2009 eingestellt worden.

Das Verwaltungsgericht hat die gegen die Fahrtenbuchauflage gerichtete Klage abgewiesen.

Der gegen dieses Urteil gerichtete Zulassungsantrag des Klägers, der geltend machte, die Fahrtenbuchanordnung sein nicht mehr zulässig gewesen, da zwischen dem Verkehrsverstoß bzw. der Einstellung des Bußgeldverfahrens und dem angefochtenen Bescheid mehr als 15 Monate verstrichen seien, blieb ohne Erfolg.

In seinem Beschluss hat das OVG Lüneburg ausgeführt, in Fällen, in denen wegen der Erhebung der Klage gegen den Bescheid und ggf. des anschließenden Rechtsmittelverfahrens ein erheblicher Zeitraum seit Tatbegehung bis zur endgültigen Entscheidung verstreicht, werde die weiter bestehende Verhältnismäßigkeit insbesondere damit begründet, dass es anderenfalls der Kläger in der Hand hätte, allein durch das Ausschöpfen von Rechtsmitteln die streitige Anordnung zu Fall zu bringen.

Der zwischen der Begehung einer Verkehrsordnungswidrigkeit/Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens und der Anordnung der Fahrtenbuchauflage verstrichene Zeitraum könne dagegen für die Rechtmäßigkeit einer Fahrtenbuchauflage relevant sein und dazu führen, dass eine Fahrtenbuchauflage als Mittel der Gefahrenabwehr nach Vergehen eines erheblichen Zeitraums als unverhältnismäßig angesehen werden müsse.

Dieses sei aber (noch) nicht der Fall, wenn wie hier zwischen der Begehung des mit einem Punkt zu wertenden Verkehrsverstoßes (06.08.2009) und dem angefochtenen Bescheid (16.03.2011) gut 19 Monate und zwischen der Einstellung des Bußgeldverfahrens (05.11.2009) und der Fahrtenbuchanordnung gut 16 Monate liegen.

Ein solcher zeitlicher Abstand halte sich vielmehr im Rahmen dessen, was der Senat in vergleichbaren Konstellationen als (noch) verhältnismäßig angesehen hat.

Der Umstand, dass es innerhalb dieses Zeitraums offenbar nicht zu einem weiteren vergleichbaren Vorfall gekommen ist, erlaube nicht die Annahme, das Führen des Fahrtenbuchs sei funktionslos (geworden).

Auch eine Verwirkung mit Blick auf den Vertrauensgrundsatz komme vorliegend nicht in Betracht. Der bloße Zeitablauf vermag eine Verwirkung nicht zu begründen. Vielmehr muss neben das Zeitmoment ein schutzwürdiges Vertrauen begründendes Umstandsmoment treten. Im vorliegenden Fall habe der Beklagte aber kein Verhalten gezeigt, aus dem der Kläger den Schluss ziehen konnte, es solle von einer Fahrtenbuchauflage abgesehen werden.

 

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Versicherungsrecht – Private Zahnzusatzversicherung – Kein Versicherungsschutz bei Beginn der Heilbehandlung vor Vertragsbeginn.

Mit Urteilen vom 07.05.2013 – 12 U 153/12 – und 27.06.2013 – 12 U 127/12 – entschied das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe in zwei Fällen über Klagen, mit denen die Kläger von ihrer Zusatzkrankenversicherung Leistungen für die Versorgung mit Implantaten verlangten.
In beiden Fällen hatten die Kläger eine private Zahnzusatzversicherung abgeschlossen, nachdem bei einem Zahnarztbesuch die Behandlungsbedürftigkeit ihres Gebisses festgestellt worden war.

In dem der Entscheidung 12 U 153/12 zu Grunde liegenden Fall hatte der Kläger im April 2009 seine Zahnärztin aufgesucht. Diese behandelte ihn nicht nur wegen eines akuten Eiterherdes im Oberkiefer, sondern überwies ihn Anfang Mai 2009 noch in eine oralchirurgische Praxis zur Anfertigung eines Orthopantomogramms und beriet ihn über Zahnersatz und Implantate.
Zu diesem Zeitpunkt waren keine der vorhandenen Zähne mehr erhaltungsfähig.
Danach schloss der Kläger mit der Beklagten die Zusatzversicherung ab mit Vertragsbeginn Juli 2009 bei einer Wartezeit von 8 Monaten.
Im Frühjahr 2010 informierte die Zahnärztin den Kläger über die verschiedenen Möglichkeiten einer Prothesenversorgung und stellte eine medizinische Indikation für eine Implantatversorgung fest. Implantate wurden eingesetzt. Insgesamt sind Kosten in Höhe von über 25.000 Euro entstanden, die der Kläger entsprechend dem Versicherungsvertrag zur Hälfte ersetzt haben möchte.

Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe hat das zusprechende Urteil des Landgerichts Mosbach aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Denn der Versicherungsschutz beginnt nicht vor Abschluss des Versicherungsvertrages und vor Ablauf der Wartezeit. Damit haftet die Versicherung nicht für Versicherungsfälle die vor Beginn des Versicherungsschutzes, also hier vor März 2010 eingetreten sind.
Der Versicherungsfall war hier jedoch bereits früher eingetreten.
Versicherungsfall ist die „medizinisch notwenige Heilbehandlung“. Für den „Beginn der Heilbehandlung“ ist der richtige Bezugspunkt nicht der konkrete Auftrag des Patienten an den Arzt, sondern die behandlungsbedürftige Krankheit selbst.
Heilbehandlung ist jede ärztliche Tätigkeit, die durch die betreffende Krankheit verursacht worden ist, sofern die Leistung des Arztes von ihrer Art her in den Rahmen der medizinisch notwendigen Krankenpflege fällt und auf die Heilung oder Linderung der Krankheit abzielt. Die Heilbehandlung beginnt mit der ersten Inanspruchnahme einer solchen ärztlichen Tätigkeit, also schon mit der ersten ärztlichen Untersuchung, die auf die Erkennung des Leidens abzielt ohne Rücksicht darauf, ob sofort oder erst nach weiteren Untersuchungen eine endgültige oder richtige Diagnose gestellt und mit den eigentlichen Heilmaßnahmen begonnen wird. Zur Heilbehandlung gehört auch die Erstellung eines Heil- und Kostenplans. Der Versicherungsfall endet erst dann, wenn nach objektiv medizinischem Befund keine Behandlungsbedürftigkeit mehr besteht.

Hier ist der Versicherungsfall schon vor Eintritt des Versicherungsschutzes eingetreten. Mit der Entfernung des eitrigen Abszesses war die begonnene Heilbehandlung nicht abgeschlossen. Schon im Mai 2009 bestand ein paradontal zerstörtes Gebiss und die Entfernung aller verbliebenen Zähne war notwendig. Bereits bei der Entfernung des Abszesses lag über die akute Schmerzbehandlung hinaus ein akuter Behandlungsbedarf vor, der auch der behandelnden Ärztin nicht entgangen sein dürfte.
Nach den Feststellungen des Sachverständigen, den sich auch der Senat angeschlossen hat, ist aus medizinischer Sicht die Eiterabszessbehandlung als chronisches Mitsymptom der schlechten Gebissstruktur zu werten und ist die Behandlung des krankhaften Gebisszustandes mit der Entfernung des Eiters nicht abgeschlossen, sondern nur unterbrochen gewesen.
Die folgenden zahnärztlichen Behandlungen zur Implantatversorgung stellten sich damit als notwendige Fortsetzung der Behandlung des bereits im Mai 2009 behandlungsbedürftigen Gebisses dar.

In dem der Entscheidung 12 U 127/12 zu Grunde liegenden Fall hatte der Kläger Mitte August 2008 seinen Zahnarzt aufgesucht, der eine Röntgenaufnahme anfertigte und im Anschluss auch eine PA-Behandlung durchführte.
Bei den Untersuchungen wurde auch festgestellt, dass im Bereich anderer Zähne (15 bis 17) ein nicht idealer Gebisszustand mit teilinsuffizienter Brücken- bzw. Kronensituation vorhanden war. Der Kläger war diesbezüglich jedoch beschwerdefrei.
Für die Neuanfertigung von Zahnersatz lag nach Auffassung des Zahnarztes kein akuter Behandlungsbedarf vor.
Mit Wirkung zum November 2008 schloss der Kläger die Zahnzusatzversicherung ab.
2011 wurden dann beim Kläger Implantate an den Zähnen 15 bis 17 eingesetzt. Dafür wurden ihm rund 7.000 Euro in Rechnung gestellt, von denen er entsprechend seinem Versicherungsvertrag 80 % geltend macht.

Das Landgericht Karlsruhe hatte die Klage abgewiesen, da der Versicherungsfall schon vor Beginn des Versicherungsschutzes eingetreten sei, schon die erste ärztliche Untersuchung, die auf die Erkennung des Leidens abziele, gehörten zur Heilbehandlung.

Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hatte Erfolg. Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe hat das landgerichtliche Urteil aufgehoben und den Versicherer zur Zahlung verurteilt.

Mit der Untersuchung der Zähne 15 bis 17 war die damalige Heilbehandlung insoweit nämlich beendet. Die spätere Implantatversorgung stellte einen neuen Versicherungsfall dar. Der gerichtliche Sachverständige hat für August 2008 festgestellt, dass es ärztlicherseits gut vertretbar gewesen sei, von einer Behandlung abzusehen. Ebenso vertretbar sei es gewesen, der vorgefundenen Situation schon 2008 paradontologisch, chirurgisch und prothetisch zu begegnen.
Die Frage der Behandlungsbedürftigkeit bemisst sich nach objektiven Kriterien, wobei ein Entscheidungsspielraum für den Arzt eröffnet ist. Die Entscheidung, die Implantatbehandlung im August 2008 nicht durchzuführen, war medizinisch gut vertretbar. Ist der Verzicht auf eine ärztliche Heilbehandlung aus medizinischer Sicht eine gut vertretbare Alternative, so ist die mit der Untersuchung begonnene Heilbehandlung auch wieder abgeschlossen.
Der Kläger hat wegen der Situation an den Zähnen 15 bis 17 seinen Zahnarzt erst wieder aufgesucht, als im Jahre 2010 eine schmerzhafte Zyste zu Tage getreten war. Dies gab dann den Anlass für die Implantatbehandlung. Diese ist damit erst nach Abschluss des Versicherungsvertrags und nach Ablauf der Wartezeit im Sinne einer Heilbehandlung notwendig geworden.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Karlsruhe am 02.07.2013 mitgeteilt.

 

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Zivilprozess – Wann liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme vor?

Ein Verstoß gegen den in § 355 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) bestimmten Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme liegt vor, wenn das Gericht nur die in einem anderen Verfahren protokollierten Aussagen der von einer Partei benannten Zeugen urkundenbeweislich verwertet, die Zeugen aber, obwohl dies von einer Partei beantragt worden ist, nicht selbst vernommen hat.

Die Verwertung der Niederschrift einer Zeugenaussage aus einem anderen Verfahren im Wege des Urkundenbeweises ist zwar grundsätzlich zulässig. Sie setzt die Zustimmung der Parteien nicht voraus.
Auch der Widerspruch einer Partei gegen die Verwertung einer protokollierten Aussage steht deren Auswertung im Wege des Urkundenbeweises nicht entgegen.

Unzulässig wird die Verwertung der früheren Aussagen der benannten Zeugen im Wege des Urkundenbeweises anstelle von deren Vernehmung im anhängigen Verfahren aber dann, wenn eine Partei zum Zwecke des unmittelbaren Beweises die Vernehmung dieser Zeugen beantragt. Begründet werden muss ein solcher Antrag nicht.

Die Parteien haben nach §§ 355, 373 ZPO einen gesetzlichen Anspruch auf eine mit den Garantien des Zeugenbeweises ausgestattete Vernehmung. Diesen Anspruch macht das Gesetz wegen der offenkundigen Schwächen der urkundenbeweislichen Verwertung von Zeugenaussagen – fehlender persönlicher Eindruck von den Zeugen, fehlende Möglichkeit, Fragen zu stellen und Vorhalte zu machen, fehlende Möglichkeit der Gegenüberstellung – nicht von der näheren Darlegung von Gründen abhängig.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 12.07.2013 – V ZR 85/12 – hingewiesen.

 

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Arbeitsrecht – Verpflichtung eines Arbeitnehmers zur Nutzung einer elektronischen Signaturkarte.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 25.09.2013 – 10 AZR 270/12 – entschieden, dass ein Arbeitgeber von seinem Arbeitnehmer die Beantragung einer qualifizierten elektronischen Signatur und die Nutzung einer elektronischen Signaturkarte verlangen kann, wenn dies für die Erbringung der Arbeitsleistung erforderlich und dem Arbeitnehmer zumutbar ist.

In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall ist die Klägerin als Verwaltungsangestellte im Wasser- und Schifffahrtsamt C. beschäftigt.
Zu ihren Aufgaben gehört die Veröffentlichung von Ausschreibungen bei Vergabeverfahren. Seit dem 01.01.2010 erfolgen diese Veröffentlichungen nur noch in elektronischer Form auf der Vergabeplattform des Bundes.
Zur Nutzung wird eine qualifizierte elektronische Signatur benötigt, die nach den Bestimmungen des Signaturgesetzes (SigG) nur natürlichen Personen erteilt wird.
Die Beklagte wies daraufhin die Klägerin an, eine solche qualifizierte Signatur bei einer vom SigG vorgesehenen Zertifizierungsstelle, einem Tochterunternehmen der Deutschen Telekom AG, zu beantragen. Dazu müssen die im Personalausweis enthaltenen Daten zur Identitätsfeststellung an die Zertifizierungsstelle übermittelt werden. Die Kosten für die Beantragung trägt die Arbeitgeberin.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber könne sie nicht verpflichten, ihre persönlichen Daten an Dritte zu übermitteln; dies verstoße gegen ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Auch sei nicht sichergestellt, dass mit ihren Daten kein Missbrauch getrieben werde.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.

Die Revision der Klägerin blieb vor dem Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolglos.

Danach hat die Beklagte von ihrem arbeitsvertraglichen Weisungsrecht (§ 106 Gewerbeordnung (GewO)) angemessen Gebrauch gemacht.
Der mit der Verpflichtung zur Nutzung einer elektronischen Signaturkarte verbundene Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist der Klägerin zumutbar. Die Übermittlung der Personalausweisdaten betrifft nur den äußeren Bereich der Privatsphäre; besonders sensible Daten sind nicht betroffen.
Der Schutz dieser Daten wird durch die Vorschriften des SigG sichergestellt; sie werden nur durch die Zertifizierungsstelle genutzt.
Auch entstehen durch den Einsatz der Signaturkarte für die Klägerin keine besonderen Risiken. So enthält die mit dem Personalrat abgeschlossene Dienstvereinbarung ausdrücklich eine Haftungsfreistellung; die gewonnenen Daten dürfen nicht zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle durch den Arbeitgeber verwendet werden.

Das hat der Pressesprecher des Bundesarbeitsgerichts am 25.09.2013 – Nr. 56/13 – mitgeteilt.

 

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Wenn es beim Überholvorgang in einer Autobahnbaustelle zu einem Streifunfall kommt – Wer haftet?

Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg hat in einem Urteil vom 11.05.2013 – 6 U 64/12 – entschieden, dass die Beteiligten eines sogenannten Streifunfalls beim Überholvorgang in einer Autobahnbaustelle jeweils zur Hälfte für den eingetretenen Schaden haften.

In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall wollte ein Autofahrer einen LKW mit Anhänger in einer Autobahnbaustelle auf einer Bundesautobahn überholen.
Vor dem Überholvorgang war der LKW bereits einmal von der rechten Hauptfahrspur über die Fahrbahnmarkierung teilweise auf den linken Fahrstreifen geraten. Während des Überholvorganges auf den verengten Fahrbahnen stießen die beiden Fahrzeuge sodann aneinander. Es entstand am PKW ein Sachschaden in Höhe von mehr als 5.000 €.

Das Landgericht hatte die Klage des Autofahrers auf Schadenersatz abgewiesen.

Mit seiner Berufung hatte er beim OLG zur Hälfte Erfolg, weil der konkrete Unfallhergang mangels Zeugen nicht aufgeklärt werden konnte und offen blieb, ob der LKW zu weit links auf die Überholspur gefahren war oder der Autofahrer nicht aufgepasst hatte.
Wie der 6. Zivilsenat ausführte, dürfe ein Autofahrer im Baustellenbereich überholen, solange dies nicht verboten sei. Auch treffe ihn im Verhältnis zum LKW-Fahrer keine gesteigerte Sorgfaltspflicht, da auch der LKW-Fahrer besondere Sorgfalt walten lassen müsse. Selbst wenn der LKW zuvor bereits seinen Hauptfahrstreifen einmal verlassen habe und zu weit links gefahren sei, könne darauf vertraut werden, dass dies beim Überholvorgang nicht noch einmal passieren werde.

Das hat der Pressesprecher des Oberlandesgerichts Oldenburg am 20.09.2013 mitgeteilt.

 

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Mietrecht – Mieterhöhung kann auch zu einem späteren als dem in § 558b Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) bestimmten Zeitpunkt verlangt werden – Auswirkungen auf das Sonderkündigungsrecht des Mieters nach § 561 Abs. 1 BGB?

Mit Urteil vom 25.09.2013 – VIII ZR 280/12 – hat der Bundesgerichtshof (BGH) seine Rechtsprechung bestätigt, dass ein Vermieter von Wohnraum nicht gehindert ist, eine Mieterhöhung erst mit Wirkung zu einem späteren Zeitpunkt als dem sich aus § 558a BGB ergebenden Zeitpunkt geltend zu machen.

§ 558b BGB lautet:
(1) Soweit der Mieter der Mieterhöhung zustimmt, schuldet er die erhöhte Miete mit Beginn des dritten Kalendermonats nach dem Zugang des Erhöhungsverlangens.

(2) Soweit der Mieter der Mieterhöhung nicht bis zum Ablauf des zweiten Kalendermonats nach dem Zugang des Verlangens zustimmt, kann der Vermieter auf Erteilung der Zustimmung klagen. Die Klage muss innerhalb von drei weiteren Monaten erhoben werden.

(…)

(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall wurden die Mieter einer Wohnung vom Vermieter mit Schreiben vom 07.012011 aufgefordert, mit Wirkung zum 01.08.2011 der Erhöhung der bisherigen Nettokaltmiete um 272,78 € zuzustimmen. Die Mieter stimmten nicht zu.

Die vom Vermieter gegen die Mieter erhobene Klage auf Zustimmung zu der begehrten Mieterhöhung hat das Amtsgericht abgewiesen.

Das Landgericht hat der Klage auf die Berufung des Vermieters stattgegeben.

Die vom Bundesgerichtshof zugelassene Revision der Mieter hatte keinen Erfolg.

Nach der Entscheidung des unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständigen VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs werden dadurch, dass ein Vermieter eine Mieterhöhung erst mit Wirkung zu einem späteren Zeitpunkt als dem sich aus § 558a BGB ergebenden Zeitpunkt geltend macht, Rechte des Mieters, insbesondere das dem Mieter bei einer Mieterhöhung zustehende Sonderkündigungsrecht nach § 561 BGB nicht unzulässig beschnitten.

§ 561 BGB lautet:
(1) Macht der Vermieter eine Mieterhöhung nach § 558 oder § 559 geltend, so kann der Mieter bis zum Ablauf des zweiten Monats nach dem Zugang der Erklärung des Vermieters das Mietverhältnis außerordentlich zum Ablauf des übernächsten Monats kündigen. Kündigt der Mieter, so tritt die Mieterhöhung nicht ein.

(2) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

Begehrt der Vermieter eine Mieterhöhung – wie hier – erst zu einem späteren als dem in § 558b BGB genannten Zeitpunkt (hier zum 01.08.2011), ist § 561 BGB nach seinem Sinn und Zweck dahin auszulegen, dass dem Mieter bis unmittelbar vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Mieterhöhung (hier bis zum 31.07.2011) die Möglichkeit offen bleibt, sich von dem Mietverhältnis durch außerordentliche Kündigung zum Ende des übernächsten Monats (hier 30.09.2011) zu lösen mit der sich anschließenden Rechtsfolge, dass dem Mieter noch für weitere zwei Monate (hier August und September 2011) die Nutzungsmöglichkeit der Wohnung gegen Zahlung der nicht erhöhten Miete verbleibt (§ 561 Abs. 1 Satz 2 BGB ).
Der Mieter wird durch ein verfrühtes Mieterhöhungsverlangen somit nicht benachteiligt.
Das Mieterhöhungsverlangen des Klägers war daher wirksam und hat zur Folge, dass die Beklagten, die von ihrem Sonderkündigungsrecht aus § 561 Abs. 1 Satz 1 BGB keinen Gebrauch gemacht haben, ab 01.08.2011 die – der Höhe nach unstreitige – erhöhte Miete schulden.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 25.09.2013 – Nr. 157/2013 – mitgeteilt.

 

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Gebrauchtwagen-Garantie – Zur Unwirksamkeit einer Vertragsklausel, die die Garantieansprüche an die Wartung in einer Vertragswerkstatt knüpft.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich im Urteil vom 25.09.2013 – VIII ZR 206/12 – mit der Wirksamkeit einer Klausel in einer Gebrauchtwagen-Garantie befasst, die die Garantieansprüche des Käufers an die Durchführung der Wartungs-, Inspektions- und Pflegearbeiten in der Werkstatt des Verkäufers/Garantiegebers oder eine vom Hersteller anerkannten Vertragswerkstatt knüpft.

In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall, in dem der Kläger gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Gebrauchtwagen-Garantie geltend macht, hatte der Kläger von einem Autohaus im November 2009 einen Gebrauchtwagen „inkl. 1 Jahr Gebrauchtwagen-Garantie gemäß Bestimmungen der Car-Garantie“ gekauft.

Die vom Kläger und Verkäufer unterzeichnete Garantievereinbarung lautet:
„Der Käufer erhält vom Verkäufer eine Garantie, deren Inhalt sich aus dieser Garantievereinbarung (…) und aus den beiliegenden (…) Garantiebedingungen ergibt. Diese Garantie ist durch die [Beklagte] versichert“.

In § 4 Buchst. a der maßgeblichen Garantiebedingungen heißt es unter anderem:
„Voraussetzung für jegliche Garantieansprüche ist, dass der Käufer/Garantienehmer (…) an dem Kraftfahrzeug die vom Hersteller vorgeschriebenen oder empfohlenen Wartungs-, Inspektions- und Pflegearbeiten beim Verkäufer/Garantiegeber oder in einer vom Hersteller anerkannten Vertragswerkstatt durchführen lässt (…)“.

Unter § 6 Nr. 3 der Garantiebedingungen ist geregelt:
„Der Käufer/Garantienehmer ist berechtigt, alle Rechte aus der versicherten Garantie im eigenen Namen unmittelbar gegenüber der [Beklagten] geltend zu machen. Im Hinblick darauf verpflichtet sich der Käufer/Garantienehmer, stets vorrangig die [Beklagte] in Anspruch zu nehmen.

Im April 2010 ließ der Kläger den vierten Kundendienst an dem Fahrzeug in einer freien Werkstatt durchführen.
Im Juli 2010 blieb das Fahrzeug infolge eines Defekts der Ölpumpe liegen. Ein vom Kläger eingeholter Kostenvorschlag für eine Fahrzeugreparatur belief sich auf 16.063,03 €. Der Kläger ließ das Fahrzeug zunächst nicht reparieren.

Mit seiner Klage hat der Kläger von der Beklagten zunächst Zahlung von 10.000 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten begehrt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Beklagte zur Zahlung von 3.279,58 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten verurteilt, nachdem der Kläger nach erfolgter Reparatur seinen Anspruch nur noch in dieser Höhe verfolgt hat.

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Regelung in § 4 Buchst. 1 der Garantiebedingungen gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) unwirksam ist.
Die dort geregelte Anspruchsvoraussetzung, nach der Voraussetzung für jegliche Garantieansprüche ist, dass der Käufer/Garantienehmer an dem Kraftfahrzeug die vom Hersteller vorgeschriebenen oder empfohlenen Wartungs-, Inspektions- und Pflegearbeiten beim Verkäufer/Garantiegeber oder in einer vom Hersteller anerkannten Vertragswerkstatt durchführen lässt, ist nicht gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle entzogen.
Denn bei einer Wartungsklausel handelt es sich jedenfalls dann um eine die Leistungsabrede lediglich ergänzende und damit der Inhaltskontrolle unterliegende Regelung, wenn die Garantie – wie vorliegend – nur gegen Zahlung eines dafür zu entrichtenden Entgelts zu erlangen war.

Das Berufungsgericht hat den Kaufvertrag zwischen dem Kläger und dem Verkäufer des Gebrauchtwagens rechtsfehlerfrei dahin ausgelegt, dass der Kläger die Garantie entgeltlich erlangt hat.
Es hat zur Begründung seiner Auslegung auf die Rechnung des Verkäufers verwiesen, nach welcher der Kläger den Gebrauchtwagen „inklusive 1 Jahr Gebrauchtwagen-Garantie“ zum Gesamtpreis von 10.490 € erworben hat. Der Umstand, dass die Rechnung keine Aufschlüsselung des Gesamtpreises nach den Kaufpreisanteilen für das Fahrzeug und die Garantie enthält, nötigt nicht zu einer anderen Beurteilung. Es ist unerheblich, wie hoch das Entgelt für das Fahrzeug einerseits und die Garantie andererseits ist, wenn die Auslegung des Kaufvertrags – wie hier – ergibt, dass sich der Gesamtkaufpreis auf beides bezieht. Denn die Kontrollfähigkeit der Wartungsklausel hängt nur von der Entgeltlichkeit der Garantie, nicht von der Höhe des auf sie entfallenden Entgelts ab.

Wie der Senat bereits entschieden hat, ist eine Klausel in einem vom Garantiegeber formularmäßig verwendeten Gebrauchtwagen-Garantievertrag wegen unangemessener Benachteiligung des Kunden unwirksam (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ), wenn sie die Leistungspflicht des Garantiegebers für den Fall, dass der Garantienehmer die vom Fahrzeughersteller vorgeschriebenen oder empfohlenen Wartungs-, Inspektions- und Pflegearbeiten nicht durchführen lässt, unabhängig davon ausschließt, ob die Säumnis des Garantienehmers mit seiner Wartungsobliegenheit für den eingetretenen Schaden ursächlich geworden ist. Dies trifft auf die hier vorliegende Bestimmung in § 4 Buchst. a der Garantiebedingungen zu.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 25.09.2013 – Nr.156/2013 – mitgeteilt.

 

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