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Ordnungswidrigkeiten- und Strafverfahren – Mitwirkung an Atemalkoholmessung ist freiwillig.

Mit Beschluss vom 16.04.2013 – (2 B ) 53 Ss-OWi 58/13 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg darauf hingewiesen, dass die Mitwirkung eines Betroffenen an einer Atemalkoholmessung freiwillig ist und nicht erzwungen werden kann, der Betroffene über die Freiwilligkeit seiner Mitwirkung aber nicht belehrt werden muss.

Eine unterbliebene Belehrung über die Freiwilligkeit des Tests führt demzufolge auch nicht zu einer Unverwertbarkeit der Messung.
Zwar ist, wie das OLG Brandenburg in seiner Entscheidung ausführt, anerkannt, dass niemand gegen seinen Willen zu seiner Überführung beitragen muss. Im Strafverfahren ist ein Beschuldigter grundsätzlich nicht verpflichtet, aktiv die Sachaufklärung zu fördern. Ein Beschuldigter ist nicht gehalten, zu seiner eigenen Überführung tätig zu werden. Deshalb darf er nicht zu Tests, Tatrekonstruktionen, Schriftproben oder zur Schaffung ähnlicher für die Erstattung eines Gutachtens notwendiger Anknüpfungstatsachen gezwungen werden.
So darf ein Beschuldigter, der einer Verkehrsstraftat verdächtig ist, auch nicht zu einem Atemalkoholtest gezwungen werden. Diese Grundsätze haben auch in anderen Verfahren, in denen ähnliche Sanktionen wie im Strafrecht drohen, Geltung, auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren.

Davon zu unterscheiden ist aber die Frage, ob über die Freiwilligkeit der Mitwirkung auch belehrt werden muss.

Gesetzlichen Regelungen kann eine solche Pflicht nicht entnommen werden.
Der Gesetzgeber hat Belehrungspflichten nur in besonderen Fällen geregelt. So muss nach § 81 h Abs. 4 Strafprozessordnung (SPOt) der Betroffene im Falle einer DNA-Reihenuntersuchung darüber belehrt werden, dass diese Maßnahme nur mit seiner Einwilligung vorgenommen werden darf.
§ 136 Abs. 1 Satz 2 StPO sieht die Belehrung des Beschuldigten über sein Schweigerecht vor. Letztgenannte Vorschrift gilt ihrem Wortlaut nach allein für Vernehmungen. Eine entsprechende Anwendung auf andere Fälle kommt nicht in Betracht, weil der Gesetzgeber in anderen Fällen eine Belehrungspflicht ausdrücklich geregelt hat, wie etwa in § 81 h Abs. 4 StPO, und deshalb eine Regelungslücke nicht besteht.
Die Rechtslage bei Blutentnahmen nach § 81 a StPO ergibt nichts anderes. Anerkannt ist zwar, dass die Einwilligung des Beschuldigten eine richterliche Anordnung entbehrlich macht. Diese Einwilligung muss ausdrücklich und eindeutig sein. Dabei muss der Beschuldigte in der Regel auch über sein Weigerungsrecht belehrt werden. Dabei geht es in den Fällen, in denen eine förmliche richterliche Anordnung rechtmäßig wäre, nicht um die freiwillige Hingabe eines für die Ermittlungsbehörden sonst nicht zur Verfügung stehenden Beweismittels, sondern nur um einen Verzicht auf die Einhaltung einer verfahrensmäßigen Absicherung der Beschuldigtenrechte, der den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit nicht unmittelbar betrifft.

Ob ein Beweisverwertungsverbot dann besteht, wenn die Ermittlungsbehörden einem Betroffenen eine Mitwirkungspflicht vorgespiegelt oder einen Irrtum über eine solche Pflicht bewusst ausgenutzt haben, hat das OLG Brandenburg offen gelassen und nicht entschieden.

 

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Betreuungsverfahren – Wann einem Betroffenen ein Verfahrenspfleger bestellt werden muss.

Werden die Interessen eines Betroffenen im Betreuungsverfahren nicht von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten vertreten (vgl. § 276 Abs. 4 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)) hat ihm das Gericht nach § 276 Abs. 1 FamFG einen Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist.
Nach § 276 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FamFG ist die Bestellung in der Regel erforderlich, wenn der Gegenstand des Verfahrens die Bestellung eines Betreuers zur Besorgung aller Angelegenheiten des Betroffenen oder die Erweiterung des Aufgabenkreises hierauf ist.
Nach § 276 Abs. 2 Satz 1 FamFG kann von der Bestellung in den Fällen des Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 abgesehen werden, wenn ein Interesse des Betroffenen an der Bestellung des Verfahrenspflegers offensichtlich nicht besteht. Nach § 276 Abs. 2 Satz 2 FamFG ist die Nichtbestellung zu begründen.
Der Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht unterliegt es, ob die den Tatsacheninstanzen obliegende Entscheidung ermessensfehlerfrei getroffen worden ist.

Die Bestellung eines Verfahrenspflegers für einen Betroffenen ist regelmäßig schon dann geboten, wenn der Verfahrensgegenstand die Anordnung einer Betreuung in allen Angelegenheiten als möglich erscheinen lässt.
Für einen in diesem Sinne umfassenden Verfahrensgegenstand spricht, dass die vom Gericht getroffene Maßnahme die Betreuung auf Aufgabenkreise erstreckt, die in ihrer Gesamtheit alle wesentlichen Bereiche der Lebensgestaltung des Betroffenen umfassen und damit in die Zuständigkeit des Betreuers fallen.
Selbst wenn einem Betroffenen nach der Entscheidung letztlich einzelne restliche Bereiche zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung verblieben sind, entbindet dies jedenfalls dann nicht von der Bestellung eines Verfahrenspflegers, wenn die verbliebenen Befugnisse den Betroffenen in seiner konkreten Lebenssituation keinen nennenswerten eigenverantwortlichen Handlungsspielraum belassen.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 26.06.2013 – XII ZB 59/13 – hingewiesen.

 

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Erbrecht – Sind Wohngeldschulden für eine im Wege der Erfolge erworbene Eigentumswohnung die auf die Zeit nach dem Erbfall entfallen Nachlassverbindlichkeiten oder (auch) Eigenverbindlichkeiten des Erben?

Nach § 1967 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) haftet der Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten grundsätzlich unbeschränkt, d.h. nicht nur mit dem Nachlass, sondern auch mit seinem eigenen Vermögen.
Er kann seine Haftung aber unter den Voraussetzungen der §§ 1975 ff. BGB auf den Nachlass beschränken. Nach § 780 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) kann er die Beschränkung seiner Haftung nur dann im Vollstreckungsverfahren geltend machen, wenn sie ihm im Urteil vorbehalten ist. Voraussetzung für einen Vorbehalt ist, dass der Erbe als Prozesspartei wegen einer (reinen) Nachlassverbindlichkeit (§ 1967 BGB ) in Anspruch genommen wird. Handelt es sich dagegen (auch) um eine Eigenverbindlichkeit des Erben, kommt ein Vorbehalt einer beschränkten Erbenhaftung nach § 780 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht.

Ob es sich bei Wohngeldschulden für eine im Wege der Erbfolge erworbene Eigentumswohnung, die auf die Zeit nach dem Erbfall entfallen, um Nachlassverbindlichkeiten oder (auch) um Eigenverbindlichkeiten des Erben handelt, ist umstritten.

Mit Urteil vom 05.07.2013 – V ZR 81/12 – hat der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt entschieden, dass nach dem Erbfall fällig werdende oder durch Beschluss neu begründete Wohngeldschulden bei einer Verwaltung des Nachlasses durch den Erben im Regelfall (jedenfalls auch) Eigenverbindlichkeiten des Erben sind und er seine Haftung daher nicht auf den Nachlass beschränken kann.

Danach zählen zu den Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 1967 Abs. 2 BGB die „vom Erblasser herrührenden Schulden“, also im Zeitpunkt des Erbfalls in der Person des Erblassers bereits begründete Verpflichtungen, sowie „die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten“, also Schulden, die erst nach und aus Anlass des Erbfalls entstehen.
Zu Letzterem können auch Verpflichtungen gehören, die nach dem Erbfall im Rahmen der Verwaltung des Nachlasses entstehen. Das wird angenommen für Verbindlichkeiten aus Rechtshandlungen des Nachlassverwalters und des Nachlassinsolvenzverwalters.
Für den Testamentsvollstrecker ergibt es sich ausdrücklich aus § 2206 BGB. Nach dessen Abs. 1 ist er im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung berechtigt, Verbindlichkeiten für den Nachlass einzugehen; nach Abs. 2 ist der Erbe zur Einwilligung in derartige Verbindlichkeiten verpflichtet, kann die Haftung aber auf den Nachlass beschränken.

Anders werden hingegen allgemein Verbindlichkeiten beurteilt, die der Erbe selbst im Rahmen der „eigenhändigen“ Verwaltung des Nachlasses eingeht. Solche Rechtshandlungen des Erben begründen persönliche Eigenverbindlichkeiten des Erben; sie können daneben zugleich Nachlassverbindlichkeiten sein, soweit sie auf ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses beruhen.
Durch ein Handeln des Erben bei der Verwaltung des Nachlasses – sei es durch ein rechtsgeschäftliches Handeln, sei es durch eine sonstige Verwaltungsmaßnahme (etwa durch Unterlassen einer möglichen Kündigung) – entsteht eine Eigenschuld oder Nachlasserbenschuld des Erben, für die er mit seinem Vermögen und nicht nur beschränkt auf den Nachlass haftet.
Entscheidend ist stets, ob ein eigenes Verhalten des Erben Haftungsgrundlage ist. Für Verbindlichkeiten aus der Verwaltung des Nachlasses, die ohne sein Zutun entstehen, haftet der Erbe demgegenüber nur als Träger des Nachlasses.

Diese Grundsätze gelten auch für die laufenden Kosten einer in den Nachlass fallenden Eigentumswohnung.
Bei ihnen besteht allerdings die Besonderheit, dass sie in aller Regel ohne Zutun des Erben aufgrund von (Mehrheits-)Beschlüssen der Wohnungseigentümer anfallen. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass den Kosten Leistungen gegenüberstehen (z.B. Treppenhausreinigung, Aufzugswartung, Reparaturen), die der Erbe bei einem zum Nachlass gehörenden Haus nur über den Abschluss oder die Fortführung von Verträgen und damit unter Begründung einer Eigenschuld erhalten würde.
Richtigerweise ist deshalb nicht darauf abzustellen, ob die Begründung der Hausgeldschulden auf einem Verhalten des Erben beruht, sondern ob ihm das Halten der Wohnung als ein Handeln bei der Verwaltung des Nachlasses zugerechnet werden kann. Ist dies der Fall, haftet er für die damit verbundenen Verbindlichkeiten, zu denen das laufende Hausgeld gehört, (auch) mit seinem eigenen Vermögen.

Ein Handeln des Erben bei der Verwaltung einer in den Nachlass fallenden Eigentumswohnung liegt nicht erst dann vor, wenn er eine nach außen wahrnehmbare Tätigkeit entfaltet, etwa indem er die Mieten einzieht, Handwerker beauftragt oder an Beschlüssen der Wohnungseigentümergemeinschaft mitwirkt.
Vielmehr ist von einem Verwaltungshandeln des Erben in der Regel spätestens dann auszugehen, wenn er die Erbschaft angenommen hat oder die Ausschlagungsfrist abgelaufen ist und ihm faktisch die Möglichkeit zusteht, die Wohnung zu nutzen. Ab diesem Zeitpunkt beruht es allein auf seiner als Verwaltungsmaßnahme zu qualifizierenden Entscheidung, wie er mit der Wohnung verfährt, ob er sie selbst nutzt, vermietet bzw. vermietet lässt, verkauft oder in sonstiger Weise aus ihr Nutzen zieht.
Auch wenn er die Wohnung leer stehen lässt, stellt dies eine Maßnahme der Verwaltung der Wohnung durch den Erben dar. Denn einer solchen Vorgehensweise liegt ebenfalls eine Entscheidung des Erben zugrunde. Diese kann von vielfältigen Erwägungen getragen sein, wie etwa der, dass im Falle eines Verkaufes für eine unvermietete Wohnung ein höherer Erlös zu erzielen ist.
Nur in – von dem Erben darzulegenden und zu beweisenden – Ausnahmefällen ist ein passives Verhalten des Erben im Hinblick auf eine zum Nachlass gehörende Eigentumswohnung nicht als Maßnahme ihrer Verwaltung zu qualifizieren. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Erbe aufgrund einer Belastung der Wohnung mit einem Wohnrecht für einen Dritten keine Handlungsoptionen im Hinblick auf die Nutzung der Wohnung hat und er zudem keine Nutzungen aus ihr zieht und auch nicht ziehen kann; sobald er aber an Beschlüssen der Eigentümerversammlung mitwirkt, liegt auch in diesen Konstellationen ein Verwaltungshandeln des Erben vor.

Die Haftung des Erben für Wohngeldschulden mit seinem Eigenvermögen im Falle der Eigenverwaltung des Nachlasses ist nicht unbillig. Denn das Gesetz stellt dem Erben ausreichend Möglichkeiten zur Verfügung, die persönliche Haftung auszuschließen.
Er kann die Erbschaft binnen sechs Wochen seit Kenntnis des Erbfalls ausschlagen (§ 1944 BGB ); dieser Zeitraum reicht in der Regel aus, um die Überschuldung des Nachlasses festzustellen.
Hat er die Überschuldung des Nachlasses nicht erkannt, kann er unter bestimmten Voraussetzungen die Annahme anfechten.
Will er sich der persönlichen Haftung für künftige Wohngeldschulden entziehen, steht es ihm frei, die Wohnung zu veräußern oder gem. § 175 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG) die Zwangsversteigerung zu beantragen.

 

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Strafrecht – Versuch eines Tötungsdelikts – Wann liegt ein unbeendeter, wann ein beendeter Versuch vor – Voraussetzungen für strafbefreienden Rücktritt?

Nach ständiger Rechtsprechung kommt es für die Abgrenzung zwischen fehlgeschlagenen, unbeendetem und beendetem Versuch auf das Vorstellungsbild des Täters nach Abschluss der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung an (sogenannter Rücktrittshorizont).

Bei einem Tötungsversuch liegt demnach ein beendeter Versuch vor, wenn der Täter, nach seinem Kenntnisstand, nach der letzten Ausführungshandlung, den Eintritt des Todes als Folge seines Tuns für möglich hält oder sich – namentlich nach besonders schweren Gewalthandlungen, die zu schweren Verletzungen geführt haben – keine Vorstellungen über die Folgen seines Handelns macht.

Dagegen ist ein unbeendeter Versuch anzunehmen, wenn der Täter nach der letzten Ausführungshandlung nach seinem Kenntnisstand noch nicht mit dem Eintritt des Todes rechnet, seine Herbeiführung aber aus seiner Sicht weiterhin für möglich hält.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 28.05.2013 – 3 StR 78/13 – hingewiesen.

Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn der Erfolgseintritt für den Täter erkanntermaßen objektiv nicht mehr möglich ist oder wenn der Täter nach der letzten Ausführungshandlung weiß oder zumindest annimmt, dass er den Taterfolg mit den bereits eingesetzten oder anderen zur Hand liegenden Mitteln nicht mehr ohne zeitliche Zäsur herbeiführen kann.

Beim beendeten Versuch setzt der strafbefreiende Rücktritt (§ 24 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB )) voraus, dass der Täter den Erfolgseintritt durch eigene Tätigkeit verhindert oder sich darum bemüht, wenn der Erfolg ohne sein Zutun ausbleibt.

Beim unbeendeten Versuch genügt für den strafbefreienden Rücktritt das bloße freiwillige Aufgeben weiterer Tatausführung und das Nichtweiterhandeln.

Vom fehlgeschlagenen Versuch ist ein Rücktritt nicht möglich.

 

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Schwarzarbeit – Keine Mängelansprüche bei Werkleistungen.

Der u.a. für das Werkvertragsrecht zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat die Frage entschieden, ob Mängelansprüche eines Bestellers bestehen können, wenn Werkleistungen aufgrund eines Vertrages erbracht worden sind, bei dem die Parteien vereinbart haben, dass der Werklohn in bar ohne Rechnung und ohne Abführung von Umsatzsteuer gezahlt werden sollte.

Auf Bitte der Klägerin hatte der Beklagte eine Auffahrt des Grundstücks der Klägerin neu gepflastert. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war hierbei ein Werklohn von 1.800 € vereinbart worden, der in bar ohne Rechnung und ohne Abführung von Umsatzsteuer gezahlt werden sollte.

Das Landgericht hat den Beklagten, der sich trotz Aufforderung und Fristsetzung weigerte, Mängel zu beseitigen, u.a. zur Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 6.096 € verurteilt, da das Pflaster nicht die notwendige Festigkeit aufweise. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Der Bundesgerichtshof hatte erstmals einen Fall zu beurteilen, auf den die Vorschriften des seit dem 01.08.2004 geltenden Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, SchwarzArbG) Anwendung finden.
Er hat mit Urteil vom 01.08.2013 – VII ZR 6/13 – entschieden, dass der zwischen den Parteien geschlossene Werkvertrag wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) nichtig sei.
§ 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG enthalte das Verbot zum Abschluss eines Werkvertrages, wenn dabei vorgesehen sei, dass eine Vertragspartei als Steuerpflichtige ihre sich aufgrund der nach dem Vertrag geschuldeten Werkleistungen ergebenden steuerlichen Pflichten nicht erfüllt. Das Verbot führe jedenfalls dann zur Nichtigkeit des Vertrages, wenn der Unternehmer vorsätzlich hiergegen verstößt und der Besteller den Verstoß des Unternehmers kennt und bewusst zum eigenen Vorteil ausnutzt.

So lag der Fall hier. Der beklagte Unternehmer hat gegen seine steuerliche Pflicht aus § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) in der Fassung vom 13. Dezember 2006 verstoßen, weil er nicht innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung ausgestellt hat. Er hat außerdem eine Steuerhinterziehung begangen, weil er die Umsatzsteuer nicht abgeführt hat. Die Klägerin ersparte auf diese Weise einen Teil des Werklohns in Höhe der anfallenden Umsatzsteuer.

Die Nichtigkeit des Werkvertrages führt dazu, dass dem Besteller hieraus grundsätzlich keine Mängelansprüche zustehen können.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshof am 01.08.2013 – Nr. 134/2013 – mitgeteilt.

 

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Strafrecht – bedingter Tötungsvorsatz – tatrichterliche Feststellung und revisionsrechtliche Überprüfung.

Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit ihm abfindet.
Da die Schuldformen des bedingten Vorsatzes und der bewussten Fahrlässigkeit im Grenzbereich eng beieinander liegen, müssen vor der Annahme bedingten Vorsatzes beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Willens- als auch das Wissenselement, umfassend geprüft und gegebenenfalls durch tatsächliche Feststellungen belegt werden.
Hierzu bedarf es einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalls, in die die objektive Gefährlichkeit der Gewalthandlung, aber auch die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motive mit einzubeziehen sind.

Überzeugt sich der Tatrichter auf der Grundlage dieser Gesamtbewertung vom Vorliegen des bedingten Tötungsvorsatzes, so hat dies das Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen; denn die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 Strafprozessordnung (StPO)).
Es obliegt ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind.
Gleichermaßen ist es Sache des Tatrichters, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen be- und entlastenden Indizien in der Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses zu bewerten.
Ist diese Bewertung nach den dargestellten rechtlichen Maßstäben vertretbar, so kann das Revisionsgericht nicht auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung einer Indiztatsache in die Überzeugungsbildung des Tatrichters eingreifen. Vielmehr ist die revisionsgerichtliche Überprüfung darauf beschränkt, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 28.05.2013 – 3 StR 78/13 – hingewiesen.
Vergleiche hierzu auch Blog „Strafrecht – Wann liegt bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen bedingter Tötungsvorsatz vor?“ und BGH, Urteil vom 22.03.2012 – 4 StR 558/11 –.

Gegen die Annahme einen bedingten Tötungsvorsatzes können u. a. folgende Umstände sprechen:
Das jugendliche Alter und die Unreife eines Täters, wenn der Täter die Risikofaktoren seines Tuns verkannt hat und er das Opfer nur bestrafen oder dem Opfer nur einen Denkzettel verpassen wollte, wenn der Täter durch Alkohol oder andere Rauschmittel in seiner Erkenntnis- und Einsichtsfähigkeit beeinträchtigt gewesen ist, wenn es sich um eine einmalige Spontantat in einer emotional aufgeladenen (häufig alkoholbedingten enthemmten) Atmosphäre gehandelt oder sich der Täter in einem affektiven Erregungszustand befunden hat.

Für die Annahme einen bedingten Tötungsvorsatzes können u. a. folgende Umstände sprechen:
Wenn ein Täter sein Opfer überrascht und ihm keine Chance zur Verteidigung gelassen hat, wenn er das Opfer bewusst in hochgradige Lebensgefahr gebracht hat, wenn der Täter wusste, dass nur noch ein glücklicher Zufall den Tod des Opfers verhindern kann oder wenn ein Täter nicht nur einmal, sondern wiederholt äußerst gefährliche Gewalthandlungen vorgenommen hat.

 

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Zulässigkeit der Bildberichterstattung über die Teilnahme eines 11 Jahre alten Kindes, dessen Eltern prominente Personen sind, an einer Sportveranstaltung – Anspruch auf Unterlassung einer erneuten Veröffentlichung?

Die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen und ob ein Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) i.V.m. §§ 22, 23 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (KUG), Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) auf Unterlassung einer erneuten Veröffentlichung von beanstandeten Bildnissen besteht, ist nach der gefestigten Rechtsprechung des 6. Senats des Bundesgerichtshofs nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen, das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Einklang steht.

Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).

Die Beurteilung, ob Abbildungen Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte i.S.v. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG sind, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits.
Der für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, maßgebende Begriff des Zeitgeschehens umfasst alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Dazu können neben politischen und gesellschaftlichen Ereignissen auch Sportveranstaltungen gehören, und zwar auch dann, wenn sie nur regionale Bedeutung haben.
Ein Informationsinteresse besteht allerdings nicht schrankenlos, vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt.
Allerdings bedarf es gerade bei unterhaltenden Inhalten in besonderem Maß einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen.
Die Belange der Medien sind dabei in einen möglichst schonenden Ausgleich zum Persönlichkeitsschutz des von einer Berichterstattung Betroffenen zu bringen, insbesondere zum Schutz des Kernbereichs der Privatsphäre, der in Form der Gewährleistung des Rechts am eigenen Bild sowie der Garantie der Privatsphäre teilweise auch verfassungsrechtlich fundiert ist.
Für die Abwägung ist von maßgeblicher Bedeutung, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob sie – ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis – lediglich die Neugier der Leser oder Zuschauer nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen befriedigen.
Der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung ist im Gesamtkontext, in den das Personenbildnis gestellt ist, zu ermitteln, insbesondere unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung.

Bei der Veröffentlichung von Bildern von Kindern ist darüber hinaus anerkannt, dass diese eines besonderen Schutzes bedürfen, weil sie sich zu eigenverantwortlichen Personen erst entwickeln müssen und dass dieses Schutzbedürfnis auch hinsichtlich der Gefahren besteht, die von dem Interesse der Medien und ihrer Nutzer an Abbildungen von Kindern ausgehen, deren Persönlichkeitsentfaltung dadurch empfindlicher gestört werden kann als diejenige von Erwachsenen.
Der Bereich, in dem Kinder sich frei von öffentlicher Beobachtung fühlen und entfalten dürfen, muss deswegen umfassender geschützt sein als derjenige erwachsener Personen. Grundsätzlich fällt auch die spezifisch elterliche Hinwendung zu den Kindern in den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Der Schutzgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfährt dann eine Verstärkung durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, der den Staat verpflichtet, die Lebensbedingungen des Kindes zu sichern, die für sein gesundes Aufwachsen erforderlich sind und zu denen insbesondere die elterliche Fürsorge gehört. Das Recht jedes Kindes auf Entwicklung zur Persönlichkeit umfasst sowohl die Privatsphäre als auch die kindgemäße Entfaltung in öffentlichen Räumen. Zur Entwicklung der Persönlichkeit gehört es, sich in der Öffentlichkeit angemessen bewegen zu lernen, ohne dadurch das Risiko einer Medienberichterstattung über das eigene Verhalten auszulösen.
Dies gilt auch für Kinder, deren Eltern prominente Personen sind.
Wie sich die Verstärkung des Persönlichkeitsschutzes durch Art. 6 GG im Einzelnen auswirkt, lässt sich aber nicht generell und abstrakt bestimmen.
Zwar kann der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zugunsten spezifischer Eltern-Kind-Beziehungen grundsätzlich auch dann eingreifen, wenn sich Eltern und Kinder in der Öffentlichkeit bewegen. Doch wird es regelmäßig an einem Schutzbedürfnis fehlen, wenn sich Eltern mit ihren Kindern bewusst der Öffentlichkeit zuwenden, etwa gemeinsam an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen oder gar in deren Mittelpunkt stehen; insoweit liefern sie sich den Bedingungen öffentlicher Auftritte aus.
Der erkennende Senat hat deshalb auch in Fällen, in denen es um die Abbildung von Kindern im Rahmen der Presseberichterstattung ging, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem beeinträchtigten Persönlichkeitsrecht und der Meinungs- und Pressefreiheit unter Berücksichtigung des Informationsinteresses nicht für entbehrlich gehalten.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 28.05.2013 – VI ZR 125/12 – hingewiesen.

 

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Vernehmung eines Beschuldigten im Ermittlungsverfahren – Schweige- und Verteidigerkonsultationsrecht sind zu respektieren – Missachtung kann zu Beweisverwertungsverbot führen.

Nach § 136 Abs. 1 S. 2 Strafprozessordnung (StPO) ist ein Beschuldigter zu Beginn seiner Vernehmung über sein Schweigerecht zu belehren und darauf hinzuweisen, dass er jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger befragen kann.
Beide Rechte des Beschuldigten hängen eng zusammen und sichern seine verfahrensmäßige Stellung – als Beteiligter und nicht als Objekt des Verfahrens – in ihren Grundlagen.
Die Verteidigerkonsultation hat dabei insbesondere auch den Zweck, dass sich der Beschuldigte beraten lassen kann, ob er von seinem Schweigerecht Gebrauch machen will oder nicht.
Die Belehrungspflichten des § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO schützen mithin die Selbstbelastungsfreiheit, die im Strafverfahren von überragender Bedeutung ist: Der Grundsatz, dass niemand gezwungen werden darf, sich selbst zu belasten (nemo tenetur se ipsum accusare), zählt zu den Grundprinzipien eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens. Er ist verfassungsrechtlich abgesichert durch die gemäß Art. 1, 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) garantierten Grundrechte auf Achtung der Menschenwürde sowie auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und gehört zum Kernbereich des von Art. 6 Europäische Menschenrechtskonvention (MRK) garantierten Rechts auf ein faires Strafverfahren. Aus diesem Grund wiegt ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht schwer.

Einen Verfahrensverstoß stellt es aber auch dar, wenn der Beschuldigte vor seiner ersten Vernehmung zwar nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO belehrt worden ist, ihm die Rechte, die Gegenstand der Belehrung sind, aber verwehrt werden: Entscheidet sich der Beschuldigte, von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen, ist dies von den Ermittlungsbehörden grundsätzlich zu respektieren; stetige Nachfragen ohne zureichenden Grund können das Schweigerecht entwerten.

Gleiches gilt, wenn der Beschuldigte einen Verteidiger zu konsultieren wünscht. Insoweit ist anerkannt, dass die Vernehmung sogleich zu unterbrechen ist, um eine Kontaktaufnahme zu einem Verteidiger zu ermöglichen; der Beschuldigte darf nicht bedrängt werden, weitere Angaben zu machen.

Allerdings kann die Vernehmung auch ohne vorherige Konsultation fortgesetzt werden, wenn der Beschuldigte dem in freier Entscheidung zustimmt, wobei eine solche Zustimmung auch durch schlüssiges Verhalten erklärt werden kann. Dieses kann grundsätzlich etwa darin zu sehen sein, dass sich der Beschuldigte von sich aus spontan zur Sache äußert, obwohl eine Verteidigerkonsultation noch nicht möglich war.
Bei der Prüfung, ob in Spontanäußerungen des Beschuldigten zugleich die eigenverantwortliche und von einem freien Willensentschluss getragene Zustimmung zu einer solchen Fortsetzung der Vernehmung zu sehen ist, muss aber der enge Zusammenhang zwischen dem Schweigerecht und dem Recht auf Verteidigerkonsultation in den Blick genommen werden.

Dient die Ermöglichung der Beratung durch einen Verteidiger gerade dazu, eine sachgerechte Entscheidung des Beschuldigten über den Umgang mit seinem Schweigerecht zu ermöglichen, sind an das Vorliegen einer – noch dazu konkludent erklärten – Zustimmung zur Fortsetzung der Vernehmung hohe Anforderungen zu stellen.
Insoweit ist die bloße Entgegennahme spontaner Äußerungen regelmäßig unbedenklich; diese und die spätere Verwertung solcher Angaben sind auch bei einem nicht über seine Rechte belehrten Beschuldigten zulässig, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Belehrungspflicht des § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO – und damit letztlich die dadurch geschützten Beschuldigtenrechte – gezielt umgangen werden sollten, um den Betroffenen zu einer Selbstbelastung zu verleiten.

Der hohe Rang der Selbstbelastungsfreiheit gebietet es indes, dass auch Spontanäußerungen – zumal zum Randgeschehen – nicht zum Anlass für sachaufklärende Nachfragen genommen werden, wenn der Beschuldigte nach Belehrung über seine Rechte nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO die Konsultation durch einen benannten Verteidiger begehrt und erklärt, von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen.

Erweist sich das Vorgehen des Ermittlungsbeamten bzw. –richters bei einer Beschuldigtenvernehmung nach diesen Maßgaben als verfahrensfehlerhaft, weil es über die bloße Entgegennahme von Äußerungen des Beschuldigten hinausging und damit einen unzulässigen Eingriff in die Selbstbelastungsfreiheit des Beschuldigten darstellte, führt dies zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der Angaben des Beschuldigten anlässlich dieser Vernehmung führen.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 27.06.2013 – 3 StR 435/12 – hingewiesen.

 

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Erbrecht – Anfechtung eines Erbvertrages durch den Erblasser – Umfang des Beurkundungserfordernisses – Beweisregel für Begebung der Willenserklärung.

Die Anfechtung des Erbvertrages nach § 2281 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) durch den Erblasser ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, für die § 130 BGB gilt. Sie erfordert neben der Erklärung der Anfechtung deren Abgabe und Zugang.
Geht die abgegebene Erklärung nicht zu, so wird sie nicht wirksam.

Die Abgabe der Willenserklärung ist der entscheidende Moment, auch wenn für das Wirksamwerden der Zugang notwendig ist und die Wirksamkeit erst im Zeitpunkt des Zugangs eintritt.
Abgegeben ist die Erklärung, wenn der Erklärende seinen rechtsgeschäftlichen Willen erkennbar so geäußert hat, dass an der Endgültigkeit der Äußerung kein Zweifel möglich ist.
Bei einer empfangsbedürftigen schriftlichen Willenserklärung muss zu ihrer Wirksamkeit die Begebung hinzukommen, d.h. sie muss mit dem Willen des Erklärenden in den Verkehr gebracht worden sein.

Dem Beurkundungszwang unterliegt nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 2282 Abs. 3 BGB nur die gemäß § 2282 Abs. 1 Satz 1 BGB höchstpersönliche Erklärung der Anfechtung, d.h. die Abgabe der Willenserklärung, nicht hingegen deren Begebung.
Begebung und Zugang von Willenserklärungen sind tatsächliche willensgetragene Vorgänge, auf die sich die mit der Beurkundung verbundenen Zwecke zuverlässige und sachkundige Beratung, eindeutige Feststellung des erklärten Willens, Warnfunktion vor übereilten Entscheidungen nicht erstrecken.

Nach der gesetzlichen Beweisregel des § 416 Zivilprozessordnung (ZPO) begründet eine von dem Aussteller unterschriebene Privaturkunde vollen Beweis dafür, dass die in ihr enthaltenen Erklärungen von dem Aussteller abgegeben worden sind. Der vierte Senat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat die Beweisregel des § 416 ZPO auf die Begebung einer schriftlichen Willenserklärung erstreckt.
Die in § 416 ZPO angeordnete, das Gericht bindende Beweiswirkung hängt nicht von Umständen der Erklärung, ihrer Begebung oder des Zugangs ab, sondern allein von der in den Verkehr gelangten echten Urkunde. Diese Wirkung tritt mit Erfüllung des Tatbestands der Norm des § 416 ZPO ein. Für eine richterliche Überzeugungsbildung ist im Umfang der gesetzlichen Beweisregel kein Raum. Durch Vorlage einer die Anfechtungserklärung enthaltenden notariellen Urkunde ist damit bewiesen, dass die Erklärung vom Erblasser gemäß § 2282 Abs. 1 BGB persönlich abgegeben und
von ihm begeben wurde.

Gegen die Beweiswirkung des § 416 ZPO kann der Beweis angetreten werden, dass die Urkunde nicht willentlich begeben worden ist. Erforderlich dafür ist der Gegenteilsbeweis. Im Anwendungsbereich gesetzlicher Beweisregeln wie § 416 ZPO ist nach § 286 Abs. 2 ZPO die freie Beweiswürdigung ausgeschlossen, sodass Umstände innerhalb und außerhalb der Urkunde diese nicht erschüttern können.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 10.07.2013 – IV ZR 224/12 – hingewiesen.

 

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Gesetzgeber stärkt die Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs.

Mit Gesetz vom 26.06.2013 (StORMG) hat der Bundestag die Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs gestärkt. Die für die Opfer wesentlichsten Neuerungen sind:

Zivilrechtliche Schadensersatzansprüche, die auf der vorsätzlichen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung beruhen, verjähren gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 1 Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB ) n.F. jetzt erst in 30 Jahren. Diese dreißigjährige Verjährungsfrist gilt für alle am 30.06.2013 bestehenden und noch nicht verjährten Schadensersatzansprüche (§ 31 des Art. 229 Einführungsgesetz BGB ).

Die strafrechtliche Verfolgungsverjährungsfrist (§ 78 Strafgesetzbuch (StGB )) ruht jetzt gemäß § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB bei Straftaten nach §§ 174 (Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen), 174a (Sexueller Missbrauch von Gefangenen), 174 b (Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung einer Amtsstellung), 174c Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses), 176 (Sexueller Missbrauch von Kindern), 176a (Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern), 176b (Sexueller Missbrauch von Kindern mit Todesfolge), 177 (Sexuelle Nötigung; Vergewaltigung), 178 (Sexuelle Nötigung und Vergewaltigung mit Todesfolge), 179 (Sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen) und 225 (Misshandlung von Schutzbefohlenen) sowie nach den §§ 224 (Gefährliche Körperverletzung) und 226 (Schwere Körperverletzung), bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres des Opfers und nicht mehr nur bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahres.

Ab 01.09.2013 ist gemäß § 397a Abs. 1 Nr. 4 Strafprozessordnung (StPO) n. F. dem Nebenkläger bzw. gemäß § 406g StPO dem nebenklageberechtigten Verletzten auf seinen Antrag auf Staatskosten ein Rechtsanwalt als Beistand (Opferanwalt) zu bestellen, wenn er durch eine rechtswidrige Tat nach den §§ 174 (Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen), 174a (Sexueller Missbrauch von Gefangenen), 174 b (Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung einer Amtsstellung), 174c Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses), 176 (Sexueller Missbrauch von Kindern), 176a (Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern), 176b (Sexueller Missbrauch von Kindern mit Todesfolge), 177 (Sexuelle Nötigung; Vergewaltigung), 178 (Sexuelle Nötigung und Vergewaltigung mit Todesfolge), 179 (Sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen), 180 (Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger), 180a (Ausbeutung von Prostituierten), 181a (Zuhälterei) bis 182 (Sexueller Missbrauch von Jugendlichen) und 225 (Misshandlung von Schutzbefohlenen) verletzt ist und er zur Zeit der Tat das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte oder seine Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann.
Bisher bezog sich die Altersgrenze von 18 Jahren auf den Zeitpunkt der Antragstellung und nicht wie nunmehr auf die Zeit der Tat.

Künftig können Opfer gerichtliche Entscheidungen über die Bestellung eines Opferanwalts oder die Gewährung von Prozesskostenhilfe im laufenden Verfahren auch anfechten, was bisher ausgeschlossen war.

§ 69 Abs. 2 StPO in der ab 01.09.2013 geltenden Fassung schreibt jetzt vor, dass Zeugen, die durch die Straftat verletzt sind, bei ihrer Vernehmung zur Sache in der Hauptverhandlung insbesondere Gelegenheit zu geben ist, sich zu den Auswirkungen, die die Tat auf sie hatte, zu äußern.

§ 406d StPO in der ab 01.09.2013 geltenden Fassung wurde dahingehend ergänzt, dass der Verletzte auf seinen Antrag künftig nicht mehr nur über dem Verurteilten gewährte erstmalige Vollzugslockerungen oder Urlaub zu informieren ist, sondern ihm gemäß Nr. 3 dieser Vorschrift n. F. auch mitzuteilen ist, ob dem Verurteilten erneut Vollzugslockerung oder Urlaub gewährt wird, wenn dafür ein berechtigtes Interesse dargelegt oder ersichtlich ist und kein überwiegendes schutzwürdiges Interesse des Verurteilten am Ausschluss der Mitteilung vorliegt.

Um Mehrfachvernehmungen zu vermeiden, sind durch die Neufassung des § 58a Abs. 1 S. 2 StPO sowie eine Ergänzung in § 255a StPO die Möglichkeiten des Einsatzes von Videovernehmungen und durch eine Ergänzung in § 24 Abs. 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) sowie eine Änderung des § 26 GVG die Möglichkeit Anklage beim Landgericht zu erheben, erweitert worden.

Geändert worden sind mit Wirkung ab 01.09.2013 auch die Vorschriften zum Ausschluss der Öffentlichkeit in § 171b GVG, insbesondere auch im Hinblick auf die besonderen Belastungen, die für Kinder und Jugendliche als Zeugen in einer öffentlichen Verhandlung verbunden sind.

 

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