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Erbrecht – Unwirksame Erbenbestimmung des Erblassers im Testament.

Ein Testament in dem der Erblasser (lediglich) bestimmt hat, dass die Person Erbe sein soll bzw. ist, die „sich bis zu meinem Tode um mich kümmert“, ist nichtig.

In einem solchen Fall bleibt nämlich offen, an welche Art von „Kümmern“ der Erblasser gedacht hat, ob mit diesem Begriff also die körperliche Pflege gemeint war, die Hilfe bei der anfallenden Hausarbeit, eine seelische Stütze, die Erledigung finanzieller Angelegenheiten oder nur allgemein ein Schenken von Aufmerksamkeit. Insofern steht der Inhalt einer solchen Erbeinsetzung nicht im Einklang mit den Anforderungen an eine wirksame Verfügung im Sinne des § 2065 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ).
Danach kann der Erblasser die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung aufgrund letztwilliger Verfügung erhalten soll, nicht einem anderen überlassen. Dies bedeutet, dass der Erblasser im Hinblick auf die Individualisierung eines Bedachten seinen Willen nicht in der Weise unvollständig äußern darf, dass es einem Dritten überlassen bleibt, nach Belieben oder Ermessen den Erblasserwillen in wesentlichen Teilen zu ergänzen.
Nur die Bezeichnung, nicht die Bestimmung darf also einem Dritten übertragen werden. Dann müssen aber die Hinweise im Testament so genau sein, dass eine jede mit genügender Sachkunde ausgestattete Person den Bedachten bezeichnen kann, ohne dass deren Ermessen auch nur mitbestimmend ist.
Die von dem Erblasser hier gewählte Formulierung ist so vage, so dass die Beantwortung der Frage, ob sich jemand nach Testamentserrichtung bis zum Tode des Erblassers in der Art und Weise um den Erblasser „gekümmert“ hat, wie es dieser erwartet hätte, von dem jeweiligen Begriffsverständnis des die Person des Bedachten zu bestimmenden Dritten abhängig und somit unwirksam ist.

In dem vom Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt mit Beschluss vom 13.02.1995 – 20 W 394/94 – entschiedene Fall, in dem der Erblasser im Testament angeordnet hatte, „wer mich zuletzt pflegt, bekommt alles“, war die Anordnung, nachdem der Erblasser vor seinem Tod pflegebedürftig war und seine Pflegeperson selbst bestimmt hatte, dagegen eindeutiger und deshalb auch nicht nach § 2065 Abs. 2 BGB unwirksam.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) München mit Beschluss vom 22.05.2013 – 31 Wx 55/13 – hingewiesen.

Ist eine letztwillige Verfügung nichtig, bestimmt sich die Erbfolge, sofern kein früher wirksam errichtetes Testament vorliegt, nach dem Gesetz.

 

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Gebrauchtwagenhandel – Abkürzung der gesetzlichen Gewährleistungsfrist.

Mit Urteil vom 29.05.2013 – VIII ZR 174/12 – hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Gebrauchtwagenhändlers, mit der die gesetzliche Verjährungsfrist für die Ansprüche des Käufers wegen eines Mangels der verkauften Sache abgekürzt wird, wegen Verstoßes gegen die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 Buchst. a und b Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) insgesamt unwirksam ist, wenn die in diesen Klauselverboten bezeichneten Schadensersatzansprüche nicht von der Abkürzung der Verjährungsfrist ausgenommen werden, es also an einer Ausnahmeregelung für die Verjährung der in § 309 Nr. 7 BGB bezeichneten Schadensersatzansprüche fehlt.
Es gilt dann die gesetzliche Verjährungsfrist.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 29.05.2013 – Nr. 93/2013 – mitgeteilt.

 

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Arglistiges Verschweigen eines Sachmangels – Wann liegt Arglist vor?

Arglist setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zumindest Eventualvorsatz voraus; leichtfertige oder grob fahrlässige Unkenntnis genügt dagegen nicht. Ein arglistiges Verschweigen nach § 444 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) ist danach nur gegeben, wenn der Verkäufer

  • den Mangel kennt oder ihn zumindest für möglich hält und
  • zugleich weiß oder doch damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte.

Nicht genügt es dagegen, wenn sich dem Verkäufer das Vorliegen aufklärungspflichtiger Tatsachen hätte aufdrängen müssen, weil dann die Arglist vom Vorsatz abgekoppelt und der Sache nach durch leichtfertige oder grob fahrlässige Unkenntnis ersetzt würde.
Selbst ein bewusstes Sichverschließen genügt den Anforderungen nicht, die an die Arglist zu stellen sind.

Bei der Frage der Arglist ist allein entscheidend, ob der Verkäufer die den Mangel begründenden Umstände kennt. Liegt diese Kenntnis zumindest in der Form des Eventualvorsatzes vor, ist es unerheblich, ob der Verkäufer daraus den Schluss auf einen Sachmangel zieht.

Der Käufer trägt die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich sämtlicher tatsächlicher Umstände, die ein arglistiges Verschweigen begründen (dazu und zur sekundären Darlegungslast in bestimmten Konstellationen vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 12.11.2010 – V ZR 181/09 –).

Gelegenheit zur Nachbesserung muss einem Verkäufer, der arglistig gehandelt hat, übrigens in der Regel nicht gegeben werden. Gewährt der Käufer gleichwohl eine Frist zur Nachbesserung, führt dies nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB ) aber dazu, dass er eine fristgemäß erbrachte Nachbesserung gelten lassen muss. Der Käufer darf sich nämlich nicht in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten setzen. Zu einem weiteren Entgegenkommen ist er dem arglistig täuschenden Verkäufer gegenüber grundsätzlich nicht gehalten.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 12.04.2013 – V ZR 266/11 – hingewiesen.

 

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Gewährleistung beim Wohnungskauf – Fehlende Baugenehmigung ein Sachmangel?

Eine fehlende Baugenehmigung stellt regelmäßig einen Sachmangel des veräußerten Wohnungseigentums (§ 434 Abs. 1 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB )) dar, weil die Baubehörde die Nutzung der Wohnung jedenfalls bis zur Erteilung der erforderlichen Genehmigung untersagen kann, und zwar unabhängig von der Frage, ob eine Genehmigung unter Zulassung einer Ausnahme hätte erteilt werden können. Dabei besteht der Sachmangel bereits darin, dass es an der baurechtlich gesicherten Befugnis fehlt, das Objekt für den vertraglich vorausgesetzten Zweck zu nutzen.
Die Frage, ob bauliche Veränderungen überhaupt genehmigungsbedürftig sind, haben die Zivilgerichte als Vorfrage der Fehlerhaftigkeit der Kaufsache zu beantworten.

Allerdings kommt es für die Frage des Sachmangels auf die Genehmigungsbedürftigkeit ausnahmsweise dann nicht an, wenn die Behörde bereits bei Gefahrübergang als dem – auch bei Arglist – nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB maßgeblichen Zeitpunkt eine rechtsverbindliche Entscheidung dazu getroffen hat, ob der nach dem Kaufvertrag vorausgesetzten Nutzung öffentlich-rechtliche Hindernisse entgegenstehen.

Gewährleistet eine solche Entscheidung dem Käufer Bestandsschutz, scheidet ein Sachmangel aus.
Liegt bei Gefahrübergang eine Nutzungsuntersagung vor, ist das Kaufobjekt ohne weiteres mit einem Sachmangel behaftet.
Ergeht eine Nutzungsuntersagungsverfügung erst nach Gefahrübergang, hängt die Annahme eines Sachmangels davon ab, ob die von dem Beklagten vorgenommenen baulichen Veränderungen im Zeitpunkt des Gefahrübergangs genehmigungsbedürftig waren. Diese Frage haben die Zivilgerichte in eigener Verantwortung – ohne Bindung an einen erst später ergangenen baubehördlichen Bescheid – zu beantworten.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 12.04.2013 – V ZR 266/11 – hingewiesen.

 

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Strafrecht – Verbotsirrtum nach § 17 Strafgesetzbuch (StGB) – Voraussetzungen für die Unvermeidbarkeit.

Nach § 17 S. 1 StGB handelt ein Täter ohne Schuld, wenn ihm bei Begehung der Tat die Einsicht Unrecht zu tun fehlt und er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte.
Die Unvermeidbarkeit eines solchen Verbotsirrtums setzt voraus, dass der Täter

  • alle seine geistigen Erkenntniskräfte eingesetzt und
  • etwa aufkommende Zweifel durch Nachdenken oder erforderlichenfalls durch Einholung verlässlichen und sachkundigen Rechtsrats

beseitigt hat.

Dabei müssen sowohl die Auskunftsperson als auch die Auskunft aus der Sicht des Täters verlässlich sein; die Auskunft selbst muss zudem einen unrechtsverneinenden Inhalt haben. Eine Auskunft ist in diesem Sinne nur dann verlässlich, wenn sie objektiv, sorgfältig, verantwortungsbewusst und insbesondere nach pflichtgemäßer Prüfung der Sach- und Rechtslage erteilt worden ist.
Bei der Auskunftsperson ist dies der Fall, wenn sie die Gewähr für eine diesen Anforderungen entsprechende Auskunftserteilung bietet.
Hinzu kommt, dass der Täter nicht vorschnell auf die Richtigkeit eines ihm günstigen Standpunkts vertrauen und seine Augen nicht vor gegenteiligen Ansichten und Entscheidungen verschließen darf. Maßgebend sind die jeweils konkreten Umstände, insbesondere seine Verhältnisse und Persönlichkeit; daher sind zum Beispiel sein Bildungsstand, seine Erfahrung und seine berufliche Stellung zu berücksichtigen.

Das Vertrauen auf eingeholten rechtsanwaltlichen Rat vermag nicht in jedem Fall einen unvermeidbaren Verbotsirrtum des Täters zu begründen. Wendet sich dieser an einen auf dem betreffenden Rechtsgebiet versierten Anwalt, so hat er damit zwar vielfach das zunächst Gebotene getan.
Jedoch ist weiter erforderlich, dass der Täter auf die Richtigkeit der Auskunft nach den für ihn erkennbaren Umständen vertrauen darf. Dies ist nicht der Fall, wenn die Unerlaubtheit des Tuns für ihn bei auch nur mäßiger Anspannung von Verstand und Gewissen leicht erkennbar ist oder er nicht mehr als eine Hoffnung haben kann, das ihm bekannte Strafgesetz greife hier noch nicht ein.
Daher darf der Täter sich auf die Auffassung eines Rechtsanwalts etwa nicht allein deswegen verlassen, weil sie seinem Vorhaben günstig ist.
Eher zur Absicherung als zur Klärung bestellte Gefälligkeitsgutachten scheiden als Grundlage unvermeidbarer Verbotsirrtümer aus. Auskünfte, die erkennbar vordergründig und mangelhaft sind oder nach dem Willen des Anfragenden lediglich eine „Feigenblattfunktion“ erfüllen sollen, können den Täter ebenfalls nicht entlasten. Insbesondere bei komplexen Sachverhalten und erkennbar schwierigen Rechtsfragen ist regelmäßig ein detailliertes, schriftliches Gutachten erforderlich, um einen unvermeidbaren Verbotsirrtum zu begründen.

Darauf, und dass für die Frage, ob ein Verbotsirrtum vermeidbar oder unvermeidbar war, demzufolge entscheidend ist, ob ein Angeklagter seinen nach diesen Maßstäben hohen Erkundigungs- und Prüfungspflichten in ausreichendem Umfang nachgekommen ist, hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 04.04.2013 – 3 StR 521/12 – hingewiesen.

 

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Verkehrsrecht – Sorgfaltspflichten von Fahrzeugführern gegenüber Kindern.

Nach § 3 Abs. 2a Straßenverkehrsordnung (StVO) muss, wer ein Fahrzeug führt, sich gegenüber Kindern, hilfsbedürftigen und älteren Menschen, insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft, so verhalten, dass eine Gefährdung dieser Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.
Auf einen Verstoß gegen diese Vorschrift kann sich aber nur derjenige berufen, zu dessen Schutz diese Norm in der konkreten Verkehrssituation die Pflicht zu erhöhter Rücksichtnahme auslöst.
Der durch diese Vorschrift verlangte äußerste Sorgfaltsmaßstab setzt (außerdem) voraus, dass

  • der geschützte Verkehrsteilnehmer in das Blickfeld des Kraftfahrzeugführers gerät oder
  • nach den Umständen mit dessen Anwesenheit zu rechnen ist.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg mit Beschluss vom 09.01.2013 – 10 U 22/12 – hingewiesen.

Demzufolge muss ein Autofahrer, wenn beispielsweise Kinder am linken Fahrbahnrand stehen, seine Fahrgeschwindigkeit so vermindern, dass eine Gefährdung dieser (am linken Fahrbahnrand befindlichen) Kinder ausgeschlossen ist. Damit, dass zwischen am rechten Fahrbahnrand parkenden Fahrzeugen plötzlich ein für ihn vorher nicht sichtbares Kind auftaucht, muss ein Autofahrer dagegen (normalerweise) nicht rechnen, wenn und solange Kinder am rechten Fahrbahnrand nicht sichtbar sind.

 

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Zivilprozess – Tatrichterliche Beweiswürdigung und revisionsrechtliche Überprüfung.

Ob die erreichte Beweisstärke in einem gegebenen Fall ausreicht, um einen Beweis als erbracht anzusehen, ist nicht nur objektiv nach einem bestimmten (hohen) Wahrscheinlichkeitsgrad messbar. Dazu bedarf es stets der subjektiven persönlichen Entscheidung des Tatrichters, der allerdings nachprüfbare objektive Tatsachen zugrunde liegen müssen.
Der Richter ist nicht berechtigt, nach Beliebigkeit zu urteilen. Vielmehr muss er die objektiven Gegebenheiten, d.h. sowohl die Beweisergebnisse als auch den gesamten Inhalt der Verhandlungen zugrunde legen. Auch hat er bei der Beurteilung die allgemeinen Erfahrungssätze sowie die Natur- und Denkgesetze zu beachten. Objektive Wahrscheinlichkeitserwägungen können dabei eine sachgerechte Grundlage und ein Hilfsmittel für die Überzeugungsbildung sein.
Auf dieser Grundlage hat der Tatrichter zu prüfen, ob er als erfahrener und gewissenhafter Beurteiler von der Wahrheit oder Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung auszugehen hat. Da die erreichte Beweisstärke nicht objektiv messbar ist, ergänzt zwar stets die subjektive persönliche Entscheidung den Prozess der Überzeugungsbildung. Doch ist dafür maßgebend die Rolle des Richters und nicht die Bildung der persönlichen Überzeugung der privaten Person.
Zur Überzeugungsbildung des Tatrichters bedarf es keiner absoluten oder unumstößlichen Gewissheit im Sinne des wissenschaftlichen Nachweises, sondern nur eines für das praktische Leben brauchbaren Grades von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen.

Die Würdigung der Beweise ist grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß § 559 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) gebunden ist. Dieses kann lediglich nachprüfen, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt.

Hat das Gericht einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt, ist das Gericht an dessen Bekundungen nicht gebunden, sondern hat sich vielmehr ein eigenes Urteil auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen zu bilden. Bestehen Widersprüche zu früheren Ausführungen, muss das Gericht diese dem Sachverständigen aber zumindest vorhalten. Ohne weitere Aufklärungsversuche bildet eine solche Begutachtung nämlich keine ausreichende Grundlage für die Überzeugungsbildung des Tatrichters.
Bei sich widersprechenden Sachverständigengutachten hat der Richter nach Klärung der Frage, von welchen unterschiedlichen tatsächlichen Grundlagen und Wertungen die Sachverständigen ausgegangen sind, danach noch bestehende Widersprüche auszuräumen.

Einem sich etwa ergebenden Widerspruch zwischen einem gerichtlichen Sachverständigen und einem Privatgutachter hat das Gericht nachzugehen. Erkennbar widersprüchliche Gutachten sind nämlich keine ausreichende Grundlage für die Überzeugungsbildung des Gerichts. Zweckmäßigerweise geschieht die Aufklärung eines solchen Widerspruchs durch Einholung einer ergänzenden schriftlichen Stellungnahme des gerichtlichen Sachverständigen und durch dessen nachfolgende mündliche Anhörung. Es bleibt jedoch grundsätzlich dem Ermessen des Tatrichters überlassen, in welcher (geeigneten) Weise er seiner Pflicht zur Aufklärung nachkommt.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 16.04.2013 – VI ZR 44/12 – hingewiesen.

 

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Zivilprozess – Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit bei Überschreitung des Gutachterauftrags.

Die Ablehnung eines Sachverständigen findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen, § 406 Abs. 1 S. 1, § 42 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Es muss sich dabei um Tatsachen oder Umstände handeln, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung erwecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber.

Die Befürchtung fehlender Unparteilichkeit kann berechtigt sein, wenn der Sachverständige den Gutachterauftrag in einer Weise erledigt, dass sie als Ausdruck einer unsachlichen Grundhaltung gegenüber einer Partei gedeutet werden kann. Eine solche unsachliche Grundhaltung kann sich daraus ergeben, dass der Gutachter Maßnahmen ergreift, die von seinem Gutachterauftrag nicht gedeckt sind.
So ist die Besorgnis einer Befangenheit des Sachverständigen aus der Sicht einer Partei als gerechtfertigt gewertet worden, wenn dieser in seinem die Grenzen seines Auftrags überschreitenden Gutachten den Prozessbeteiligten den von ihm für richtig gehaltenen Weg zur Entscheidung des Rechtsstreits aufgezeigt hat.
Ebenso ist das Befangenheitsgesuch gegen einen gerichtlich bestellten Sachverständigen als begründet angesehen worden, der seinen Gutachterauftrag dadurch überschritten hat, dass er eine dem Gericht vorbehaltene Beweiswürdigung vorgenommen und seiner Beurteilung nicht die vorgegebenen Anknüpfungstatsachen zugrunde gelegt hat oder das Vorbringen der Parteien auf Schlüssigkeit und Erheblichkeit untersucht hat, statt die ihm abstrakt gestellte Beweisfrage zu beantworten.

Ob die Überschreitung eines Gutachterauftrags geeignet ist, bei einer Partei bei vernünftiger Betrachtung die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen hervorzurufen, ist einer schematischen Betrachtungsweise nicht zugänglich, sondern kann nur aufgrund der Umstände des jeweiligen Einzelfalles entschieden werden. Maßgebend ist, ob in dem Verhalten des Sachverständigen Belastungstendenzen zu Lasten einer Partei erkennbar gewesen sind bzw. ob der Sachverständige damit eine benachteiligende Absicht verfolgt hat. Solange dies nicht der Fall ist, kann regelmäßig keine Partei den Schluss ziehen, der Sachverständige trete ihr nicht unvoreingenommen gegenüber.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 11.04.2013 – VII ZB 32/12 – hingewiesen.

 

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Zivilprozess – Kein Ordnungsgeld gegen nicht erschienenen gesetzlichen Vertreter einer Partei.

Ist Partei in einem Zivilprozess eine juristische Person – beispielsweise eine GmbH – kann, wenn

  • das persönliche Erscheinen des gesetzlichen Vertreters der juristischen Person – also des Geschäftsführers der GmbH – zur mündlichen Verhandlung angeordnet war,
  • dieser persönlich geladen worden, aber unentschuldigt ausgeblieben ist und
  • die Voraussetzungen des § 141 Abs. 3 S. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) vorliegen,

ein Ordnungsgeld wegen unentschuldigten Ausbleibens nur gegen die Partei, nicht aber gegen ihren geladenen gesetzlichen Vertreter verhängt werden.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm mit Beschluss vom 10. 12. 2012 – I-18 W 42/12 – entschieden, unter Hinweis darauf, dass die Norm des § 141 Abs. 3 S. 1 ZPO keine Rechtsgrundlage für Sanktionen gegen den gesetzlichen Vertreter einer Partei biete und eine solche auch nicht geboten sei, um dem Zweck der Anordnung des persönlichen Erscheinens sowie der Sanktion im Falle des Nichterscheinens Genüge zu tun.

Ob in diesen Fällen das Ordnungsgeld gegen den geladenen gesetzlichen Vertreter selbst oder aber gegen die Partei zu verhängen ist, ist in Rechtsprechung und Schrifttum allerdings umstritten. Zum Teil wird die Ansicht vertreten, dass bei einer erfolgten Anordnung des gesetzlichen Vertreters einer Partei im Falle seines Ausbleibens auch das Ordnungsgeld gegen diesen selbst und nicht gegen die Partei zu verhängen sei, da nur so dem Zweck und der Strafähnlichkeit des Ordnungsgeldes Genüge getan werden könne.

 

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Auch ein Samenspender als sog. biologischer Vater kann die rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes anfechten.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 15.05.2013 – XII ZR 49/11 – entschieden, dass auch ein Samenspender als sog. biologischer Vater die rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes anfechten kann.
Danach schließt der Begriff der Beiwohnung in § 1600 Abs. 1 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) eine Anfechtung der durch eine Samenspende entstandenen Vaterschaft nicht aus. Vielmehr gebieten Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Regelung, nach der die Anfechtung der Vaterschaft auch dem Mann zusteht, der an Eides statt versichert, der Mutter in der Empfängniszeit „beigewohnt“ zu haben, eine Anwendung der Vorschrift auch bei einer ohne Geschlechtsverkehr möglichen leiblichen Vaterschaft des Anfechtenden, wenn der Zeugung des Kindes keine Vereinbarung im Sinne von § 1600 Abs. 5 BGB vorausgegangen ist.
Die Anwendung der Vorschrift wird dadurch erforderlich, dass nur so der vom Bundesverfassungsgericht geforderte Zugang des biologischen Vaters zur rechtlichen Vaterschaft ermöglicht wird. Ein in den Gesetzesberatungen verhandelter Ausschluss des Samenspenders von der Anfechtung betrifft nur Fälle der sogenannten konsentierten heterologen Insemination im Sinne von § 1600 Abs. 5 BGB, bei der aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung aller Beteiligten von vornherein klar ist, dass ein anderer Mann rechtlicher Vater werden soll. Damit ist ein Gleichlauf der Anfechtungsrechte des biologischen Vaters und der rechtlichen Eltern gewährleistet.

Das hat die Pressestelle des BGH am 15.05.2013 – Nr. 89/2013 – mitgeteilt.

 

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