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Strafrecht – Strafprozess – Tatrichterliche Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung ist vom Revisionsgericht nur beschränkt überprüfbar.

Die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 Strafprozessordnung (StPO )). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld eines Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind.

Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind.
Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung

  • widersprüchlich,
  • unklar oder
  • lückenhaft ist,
  • gegen Denkgesetze oder
  • gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder
  • an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt.

Liegen solche Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich oder sogar näher liegend gewesen wäre.

Gleichermaßen Sache des Tatrichters ist es, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen be- oder entlastenden Indizien in der Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses zu bewerten.
Ist diese Bewertung nach den dargestellten rechtlichen Maßstäben vertretbar, so kann das Revisionsgericht nicht auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung einer Indiztatsache in die Überzeugungsbildung des Tatrichters.

Nicht anders als bei der Würdigung der Beweise ist auch bei der Prüfung der beiden Elemente der inneren Tatseite des bedingten Tötungsvorsatzes, also des Wissens- und des Willenselements, aus revisionsrechtlicher Sicht erforderlich, aber auch ausreichend, sämtliche objektiven und subjektiven, für und gegen einen Angeklagten sprechenden Umstände des Einzelfalles in eine individuelle Gesamtschau einzubeziehen und zu bewerten.
Dies gilt auch für solche Beweisanzeichen, die sich auf den ersten Blick als ambivalent darstellen, die also dem Tatrichter, je nachdem, wie er sie im Einzelfall bewertet, rechtlich zulässige Schlüsse sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Angeklagten ermöglichen.
So kann eine Alkoholbeeinflussung des Täters von Rechts wegen

  • den Schluss auf eine verminderte Hemmschwelle gegenüber der Tötung eines Menschen oder auf fehlendes Bewusstsein von Umständen, die gegen einen tödlichen Ausgang des Geschehens sprechen, ebenso tragen
  • wie umgekehrt den Schluss auf ein unüberlegtes Handeln, bei dem sich der Täter nahe liegender tödlicher Folgen nicht bewusst wird.

Eine rechtlich vertretbare tatrichterliche Entscheidung darüber, in welchem der möglichen, zueinander in einem Gegensatz stehenden Beweiszusammenhänge ein solcher Umstand im konkreten Fall indizielle Bedeutung entfaltet, ist vom Revisionsgericht hinzunehmen.
Der Tatrichter kann in einem solchen Falle nicht gehalten sein, denselben Umstand nochmals in dem anderen Beweiszusammenhang zu erwägen und damit Gefahr zu laufen, sich zu seinem anderweitig gewonnenen Ergebnis zu Gunsten oder zu Lasten des Angeklagten in Widerspruch zu setzen.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 04.04.2013 – 3 StR 37/13 – hingewiesen.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Erbrecht – Erbscheinsverfahren – Verfahrensrechtliche Amtsermittlungspflicht des Nachlassgerichts – Umfang und Grenzen.

Gemäß § 2358 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) hat das Nachlassgericht im Erbscheinsverfahren unter Benutzung der vom Antragsteller angegebenen Beweismittel von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranstalten und die geeignet erscheinenden Beweise zu erheben. Verfahrensrechtlich bestimmt § 26 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG), dass das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen hat.
Welche Ermittlungen erforderlich sind, bestimmt das Gericht zwar grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen. Die von Amts wegen einzuleitenden und durchzuführenden Ermittlungen sind jedoch so weit auszudehnen, wie es die Sachlage erfordert; mit anderen Worten muss das Verfahren geeignet sein, eine möglichst zuverlässige Grundlage für die zu treffende Entscheidung zu erlangen.
Die richterliche Aufklärungspflicht ist verletzt, wenn Ermittlungen, zu denen nach dem Sachverhalt als solchem und dem Vorbringen der Beteiligten Anlass bestand, nicht durchgeführt worden sind; die Ermittlungen sind erst abzuschließen, wenn von weiteren Maßnahmen ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr zu erwarten ist. Diese Grenzen reichen aus, um die Annahme einer Amtsermittlungspflicht in Fällen zu unterbinden, in denen die Ermittlung sozusagen „ins Blaue“ hinein geschähe oder das Gericht einer lediglich denkbaren, rein theoretischen Möglichkeit nachginge.

Auf der anderen Seite sind die Beteiligten, wie § 27 Abs. 1 und 2 FamFG hervorhebt, auch in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit von der Verpflichtung, durch eingehende Tatsachendarstellung an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, nicht befreit. Ihrer Mitwirkungs- und Verfahrensförderungslast genügen sie, indem ihr Vortrag und die Bezeichnung geeigneter Beweismittel dem Gericht Anhaltspunkte dafür geben, in welche Richtung es seine Ermittlungen durchführen soll. Insbesondere findet die Verpflichtung des Gerichts zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts dort ihre Grenze, wo es die Verfahrensbeteiligten allein oder hauptsächlich in der Hand haben, die notwendigen Erklärungen abzugeben und Beweismittel zu bezeichnen bzw. vorzulegen, um eine ihren Interessen entsprechende Entscheidung herbeizuführen.

Darauf, dass sich nach diesen Grundsätzen die dem Nachlassgericht obliegende Amtsermittlungspflicht richtet, hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf mit Beschluss vom 16.01.2013 – I-3 Wx 27/12 – hingewiesen.

In dieser Entscheidung ging es darum, unter welchen Voraussetzungen der Vermerk des ein notarielles Testament beurkundenden Notars (vgl. hierzu § 11 Beurkundungsgesetz (BeurkG)) Anlass bietet, in Tatsachenermittlungen zur Testierfähigkeit des Erblassers einzutreten.

 

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Verkehrsrecht – Schäden am Fahrzeug nach Unfall – entstanden durch gegnerisches Fahrzeug oder bereits im Rahmen eines Vorschadens? – Darlegung- und Beweislast.

Es obliegt dem Geschädigten, die Verursachung des Schadens durch das gegnerische Fahrzeug darzulegen und zu beweisen. Der Geschädigte kann selbst kompatible Schäden nicht ersetzt verlangen, wenn jedenfalls nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (§ 287 ZPO) auszuschließen ist, dass sie bereits im Rahmen eines Vorschadens entstanden sind.

Bei

  • unstreitigen Vorschäden und
  • bestrittener unfallbedingter Kausalität des geltend gemachten Schadens

muss der Geschädigte im Einzelnen ausschließen, dass Schäden gleicher Art und gleichen Umfangs bereits zuvor vorhanden waren, wofür er bei unstreitigen Vorschäden im Einzelnen zu Art sowie Umfang der Vorschäden und deren behaupteter Reparatur vortragen muss und zwar auch dann, wenn der Schaden vor seiner Besitzzeit lag, weil dies den Geschädigten nicht von seiner Darlegungs- und Beweislast enthebt.

Dies gilt nicht nur dann, wenn unstreitig oder bewiesen ist, dass die Vorschäden in dem Fahrzeugbereich vorlagen, der Gegenstand des Schadensersatzbegehrens ist.

Es genügt, wenn von dem Anspruchsgegner ernsthafte Anhaltspunkte für derartige Vorschäden geltend gemacht werden.
Dann muss der Anspruchsteller dies konkret bestreiten und gegebenenfalls den Beweis des Gegenteils führen. Ein für eine Unfallverursachung streitender Anscheinsbeweis kann in diesem Falle nicht mehr eingreifen, so dass die allgemeine Beweislastregel zum Zuge kommt, nach der der Anspruchsteller den Schaden als Anspruchsvoraussetzung zu beweisen hat.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln mit Beschluss vom 08.04.2013 – 11 U 214/12 – hingewiesen.

 

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Arbeitsrecht – Kündigung eines Arbeitnehmers wegen Alkoholsucht – regelmäßig nur ordentliche Kündigung zulässig.

An eine Kündigung, die auf ein Verhalten des Arbeitnehmers gestützt wird, das im Zusammenhang mit einer Alkoholsucht steht, sind grundsätzlich die gleichen Anforderungen wie an krankheitsbedingte Kündigungen zu stellen. Alkoholabhängigkeit ist eine Krankheit; verstößt ein Arbeitnehmer infolge seiner Abhängigkeit gegen arbeitsvertragliche Pflichten, ist ihm zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung kein Schuldvorwurf zu machen.
Krankheit ist zwar nicht generell ungeeignet, einen wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) darzustellen. Schon an eine ordentliche Kündigung wegen Erkrankung des Arbeitnehmers ist jedoch ein strenger Maßstab anzulegen.

Eine außerordentliche Kündigung kommt daher nur in eng begrenzten Fällen in Betracht, etwa bei einem Ausschluss der ordentlichen Kündigung aufgrund tarifvertraglicher oder einzelvertraglicher Vereinbarungen.

Eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist durch Gründe in der Person des Arbeitnehmers bedingt und kann deshalb i. S. v. § 1 Abs. 2 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) sozial gerechtfertigt sein, wenn im Zeitpunkt der Kündigung die Annahme (Prognose) gerechtfertigt ist, der Arbeitnehmer biete aufgrund einer Alkoholsucht dauerhaft nicht die Gewähr, in der Lage zu sein, die vertraglich geschuldete Tätigkeit ordnungsgemäß zu erbringen.
Voraussetzung ist, dass

  • daraus eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen folgt,
  • diese durch mildere Mittel – etwa eine Versetzung – nicht abgewendet werden kann und
  • sie auch bei einer Abwägung gegen die Interessen des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden muss.

Darauf hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 20.12.2012 – 2 AZR 32/11 – hingewiesen.

 

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Arbeitsrecht – Fristlose Kündigung wegen Konkurrenztätigkeit.

Wer als Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber unerlaubt Konkurrenz macht, verletzt seine arbeitsvertraglichen Pflichten massiv und kann fristlos gekündigt werden.

Das hat, laut Pressemitteilung 3/13, das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) mit Urteil vom 28.01.2013 – Az: 16 Sa 593/12 – entschieden.

Danach darf ein Arbeitnehmer im Marktbereich seines Arbeitgebers keine Dienste und Leistungen anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr nachteiliger Beeinflussung durch die eigenen Arbeitnehmer offenstehen.

 

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Versicherungsrecht – Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für so genannte neue Behandlungsmethoden.

Nach § 2 Abs. 1a Sozialgesetzbuch (SGB ) Fünftes Buch (V) können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.
Maßstab für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung und seiner fachgerichtlichen Auslegung und Anwendung im Einzelfall sind auch die Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG), die in besonders gelagerten Fällen die Gerichte zu einer grundrechtsorientierten Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts verpflichten. Dies gilt insbesondere in Fällen der Behandlung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung. Denn das Leben stellt einen Höchstwert innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung dar. Behördliche und gerichtliche Verfahren müssen dieser Bedeutung und der im Grundrecht auf Leben enthaltenen grundlegenden objektiven Wertentscheidung gerecht werden und sie bei der Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts berücksichtigen.

Bei der Frage, ob eine Behandlung mit Mitteln der Schulmedizin in Betracht kommt und inwieweit Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen, ist demzufolge darauf abzustellen, was die anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung zu leisten vermag und was die alternative Behandlung zu leisten vorgibt und zunächst das konkrete Behandlungsziel zu klären, wobei nach Möglichkeit die Heilung der Krankheit als das vorrangige Behandlungsziel anzustreben ist, während die Verhütung einer Verschlimmerung oder die Linderung von Krankheitsbeschwerden regelmäßig nachrangige Behandlungsziele sind.
Bietet die Schulmedizin nur noch palliative Therapien an, weil sie jede Möglichkeit kurativer Behandlung als aussichtslos erachtet, kommt die begehrte Alternativbehandlung nur dann in Betracht, wenn die auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinaus reichenden Erfolg besteht. Rein experimentelle Behandlungsmethoden, die nicht durch hinreichende Indizien gestützt sind, reichen hierfür nicht.
Mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist es in der extremen Situation einer krankheitsbedingten Lebensgefahr jedoch nicht zu vereinbaren, Versicherte auf eine nur mehr auf die Linderung von Krankheitsbeschwerden zielende Standardtherapie zu verweisen, wenn durch eine Alternativbehandlung eine nicht ganz entfernte Aussicht auf Heilung besteht.

Das hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluss vom 26.02.2013 – 1 BvR 2045/12 – entschieden.

 

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Bundesjagdgesetz (BJagdG) – Ohne rechtzeitige Anmeldung kein Anspruch auf Ersatz eines Wildschadens.

Wer landwirtschaftliche Flächen bewirtschaftet, die zu einem Jagdbezirk gehören, dessen Anspruch auf Ersatz von Wildschäden (§§ 29, 30 BJagdG) erlischt nach § 34 BJagdG, wenn er den Schadensfall nicht binnen einer Woche, nachdem er von dem Schaden Kenntnis erhalten hat oder bei Beobachtung gehöriger Sorgfalt erhalten hätte, bei der zuständigen Behörde anmeldet.
Die Wochenfrist ist eine von Amts wegen zu beachtende Ausschlussfrist, deren Versäumen den Anspruch zum Erlöschen bringt.
Die Beweislast für die Einhaltung der Frist trifft den Geschädigten. Hierbei hängt die Ausschlusswirkung nicht davon ab, ob im konkreten Einzelfall tatsächlich Beweisschwierigkeiten auftreten. Ist die Frist versäumt, bedarf es keiner weiteren Feststellungen zur Schadensursache. Nach der gesetzlichen Wertung soll der Schadensfall dann vielmehr zum Nachteil des Geschädigten abgeschlossen sein.
Die gesetzlich vorgeschriebene Anmeldung bezieht sich dabei nur auf den Schaden, von dem der Berechtigte in der Wochenfrist Kenntnis erhalten hat oder bei Erfüllung seiner Kontrollobliegenheit hätte erhalten können.
Schadensfall im Sinne des § 34 Satz 1 BJagdG ist insoweit der durch das Eindringen von Schadwild in die landwirtschaftlich genutzten Flächen konkret entstandene Schaden. Ein zeitlich späterer Schaden ist nicht Gegenstand der Anmeldung, zumal es diesbezüglich zunächst ebenfalls der zeitnahen und zuverlässigen Ermittlung ihres Verursachers bedarf. Deshalb sind neue Schäden grundsätzlich zusätzlich zu melden.

Ist nur ein Teil eines Schadens rechtzeitig gemeldet, ein Teil dagegen versäumt worden, so geht dies zulasten des Geschädigten, wenn sich der Schaden nicht mehr zuordnen lässt und auch eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO mangels greifbarer Anhaltspunkte unzulässig ist.
Der Geschädigte geht dann seines Ersatzanspruchs in vollem Umfang verlustig.

Darauf hat das Landgericht (LG) Saarbrücken mit Urteil vom 28.03.2013 – 13 S 173/12 – hingewiesen.

 

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Wenn bei einer rechtmäßigen polizeilichen Durchsuchung die vermietete Wohnung beschädigt wird – Ansprüche des Vermieters gegen den Staat?

Wird im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens aufgrund einer richterlichen Anordnung die von dem Beschuldigten angemietete Wohnung durchsucht und werden dabei von der Polizei das zum Einsteigen benutzte Fenster beschädigt und der Teppichboden verunreinigt, kann der Vermieter der Wohnung dann Ersatz des ihm entstanden Schadens vom Staat verlangen?

Da es um die Entschädigung eines Nichtbeschuldigten geht, besteht in derartigen Fällen zwar kein Anspruch auf Entschädigung nach § 2 Abs. 1, 2 Nr. 4 des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) und, wenn die Durchsuchung der Wohnung, auch in ihrer konkreten Durchführung, rechtmäßig war (§§ 102, 105 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO )), kein Schadensersatzanspruch nach § 839 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ), Art. 34 Grundgesetz (GG).

In Betracht kommt aber ein Entschädigungsanspruch aus enteignendem Eingriff.

Ansprüche aus enteignendem Eingriff kommen dann in Betracht, wenn an sich rechtmäßige hoheitliche Maßnahmen bei einem Betroffenen unmittelbar zu Nachteilen führen, die er aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen hinnehmen muss, die aber die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren übersteigen.

Wird in Fällen wie dem vorliegenden, das Eigentum eines Vermieters für Zwecke der Strafverfolgung und damit im öffentlichen Interesse in Anspruch genommen und der Vermieter einem staatlichen Eingriff ausgesetzt, der ihn anders als andere Eigentümer zu einer Aufopferung im öffentlichen Interesse zwingt, handelt es sich hierbei um ein Sonderopfer, das entschädigungslos hinzunehmen dem Einzelnen nicht zuzumuten ist.

Eine fühlbare Beeinträchtigung des betroffenen Eigentums, die für die Annahme eines nicht hinzunehmenden Sonderopfers ausreicht, liegt bei der gezielten Beschädigung beziehungsweise Zerstörung von Eigentum durch strafprozessuale Zwangsmaßnahmen – abgesehen von Bagatellfällen – bereits in der Substanzverletzung. Deshalb scheidet der Ersatzanspruch in solchen Fällen auch dann nicht aus, wenn der eingetretene Schaden nur ein paar Hundert Euro beträgt.
Ob dem Vermieter möglicherweise ein Anspruch auf Schadensersatz gegen seinen Mieter zusteht ist unerheblich. Die Regelung des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB, wonach dann, wenn einem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last fällt, dieser – beziehungsweise die haftpflichtige Körperschaft (Art. 34 Satz 1 GG) – nur dann in Anspruch genommen werden kann, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag, gilt nicht für andere selbständige Erstattungsansprüche gegen den Staat. Auch kann das Vorliegen eines Sonderopfers nicht vom Fehlen einer solchen anderweitigen Ersatzmöglichkeit abhängig gemacht werden.
Von dem Abverlangen eines Sonderopfers im öffentlichen Interesse und damit einem gleichheitswidrigen, entschädigungspflichtigen staatlichen Verhalten kann allerdings regelmäßig dann keine Rede sein, wenn sich der nachteilig Betroffene freiwillig in eine gefährliche Situation begeben hat, deren Folgen dann letztlich von ihm herbeigeführt und grundsätzlich selbst zu tragen sind.
Keinen Anspruch aus enteignendem Eingriff hat deshalb ein Vermieter, der weiß beziehungsweise davon erfährt oder dem es sich aufdrängen muss, dass seine vermietete Wohnung für die Begehung von Straftaten, beispielsweise die Lagerung von Diebesgut, von Drogen in nicht unerheblicher Menge benutzt wird oder werden soll, und der Vermieter gleichwohl den Mietvertrag abschließt oder von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch macht.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 14.03.2013 – III ZR 253/12 – hingewiesen.

 

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Ordnungswidrigkeitenverfahren – Bedienungsanleitung eines Geschwindigkeitsmessgeräts – Beiziehung und Zurverfügungstellung zur Einsicht?

Befindet sich die Bedienungsanleitung eines angewandten standarisierten Messverfahrens bei der Gerichtsakte hat das Tatgericht auf entsprechendes Akteneinsichtsgesuchs diese dem Verteidiger zur Verfügung zu stellen. Gleiches gilt für die Unterlagen, die das Tatgericht dem von ihm beauftragten Sachverständigen für sein Gutachten zur Verfügung stellt, was sich bereits daraus ergibt, dass diese Unterlagen Teil der Gerichtsakte sind und damit von dem umfassenden Akteneinsichtsrecht (§§ 46 Abs.1 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG), 147 Strafprozessordnung (StPO)) erfasst sind.

Anders verhält es sich hingegen, wenn die Bedienungsanleitung des standarisierten Messverfahrens nicht bei der Gerichtsakte ist. In diesem Fall ist das Tatgericht grundsätzlich nicht verpflichtet, derartige Unterlagen vom Hersteller oder der Polizei auf Antrag der Verteidigung beizuziehen. Lehnt das Tatgericht einen derartigen pauschalen Antrag auf Beiziehung ab, begründet dies in der Regel weder einen Verstoß nach § 338 Nr. 8 StPO, noch einen nach § 244 StPO.

Hält der Tatrichter eine Einsicht in die Bedienungsanleitung des Messgeräts für seine Überzeugungsbildung für notwendig und macht er damit seine Überzeugungsbildung von der Kenntnis des Inhalts dieser Anleitungen abhängig, dann muss er diese ordnungsgemäß als Beweismittel ins Verfahren einbringen, damit er sie in seiner Beweiswürdigung verwenden kann.
Hält der Tatrichter hingegen die Kenntnisnahme oder Einsicht in die Bedienungsanleitung für seine Überzeugungsbildung nicht für notwendig, weil in aller Regel das Beweismittel für den ordnungsgemäßen Aufbau des konkreten Messgeräts der Messbeamte ist der die angegriffene Messung vorgenommen hat und das Tatgericht seine Überzeugungsbildung alleine auf dessen Zeugenaussage stützt, muss er die Bedienungsanleitung auch nicht beiziehen wenn sich aus der Aussage keine begründeten Zweifel ergeben, die die Beiziehung zu Beweiszwecken notwendig erscheinen lässt.
Hat das Tatgericht nach den Angaben des Messbeamten keine Zweifel daran, dass dieser das Messgerät ordnungsgemäß aufgebaut hat, reicht diese bloße Feststellung in den Urteilsgründen grundsätzlich aus.
Nur wenn sich tatsachenfundierte begründete Zweifel ergeben, dass der Aufbau der Messstelle nicht ordnungsgemäß war und dieser Fehler sich ebenfalls tatsachenfundiert begründet generell auf die Messung auswirkt und im konkreten Fall tatsachenfundiert begründet auch ausgewirkt hat und zwar dergestalt, dass sich die konkrete Messung gegenüber dem Betroffenen nicht mehr durch die technisch eigebauten Toleranzen kompensiert als unverwertbar herausstellt, ist das Tatgericht verpflichtet dazu nähere Ausführungen zu machen.
Tut es das nicht, besteht die Möglichkeit, dies mit einer zulässigen Verfahrensrüge in der Rechtsbeschwerde zu rügen.
Abstrakten Anträgen, die erst auf die Ermittlung möglicher Fehler gerichtet sind, ohne dass dafür konkrete tatsachenbelegte Anhaltspunkte ersichtlich sind, hat der Tatrichter hingegen nicht nachzugehen. Derartige einem Beweisantrag vorgelagerte Ermittlungen sind ureigene Aufgabe desjenigen, der diese Ermittlungen für notwendig hält.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt mit Beschluss vom 12.04.2013 – 2 Ss-OWi 173/13 – entschieden.

 

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Strafrecht – Strafprozess – Anforderungen an Beweisantrag.

Ein Beweisantrag im Sinne des § 244 Abs. 3 bis 6 Strafprozessordnung (StPO) setzt

  • die konkrete und bestimmte Behauptung einer Tatsache und
  • die Benennung eines bestimmten Beweismittels

voraus, mit dem der Nachweis der Tatsache geführt werden soll.

Bei einem Antrag auf Vernehmung eines Zeugen kommen als Beweisbehauptung nur solche Tatsachen in Betracht, die der benannte Zeuge aus eigener Wahrnehmung bekunden kann (also nur solche Umstände oder Geschehnisse, die der Zeuge selbst mit einem seiner fünf Sinne wahrgenommen hat).

Ist aus dem Inhalt des Beweisbegehrens ein verbindender Zusammenhang zwischen der Beweisbehauptung und dem benannten Zeugen nicht ohne weiteres erkennbar, ist für das Vorliegen eines Beweisantrages weiterhin erforderlich, dass der Antragsteller näher darlegt, weshalb der Zeuge überhaupt etwas zu dem Beweisthema bekunden können soll.
Die Ausführungen zur Konnexität im weiteren sollen dem Gericht eine sachgerechte Prüfung und Anwendung der Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 StPO ermöglichen, wobei hier – anders als bei der Bestimmtheit der von dem benannten Zeugen wahrgenommenen Beweistatsache – der Ablehnungsgrund der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels nach § 244 Abs. 3 S. 2 Alt. 3 StPO im Vordergrund steht. Durch den Bezug auf die völlige Ungeeignetheit, die nur aus dem Beweismittel selbst in Beziehung zu der Beweisbehauptung ohne Rückgriff auf das bisherige Beweisergebnis abgeleitet werden darf, werden die unter dem Gesichtspunkt der Konnexität im weiteren Sinne erforderlichen Angaben zugleich auf solche beschränkt, die die Wahrnehmungssituation (Wahrnehmungsmöglichkeit) des benannten Zeugen betreffen.
Ausführungen zur inhaltlichen Plausibilität der Beweisbehauptung können dagegen vom Antragsteller in diesem Zusammenhang nicht verlangt werden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fehlt einem Antrag, mit dem zum Nachweis einer bestimmten Beweistatsache ein bestimmtes Beweismittel bezeichnet wird, die Eigenschaft eines nach § 244 Abs. 3 bis 6 StPO zu bescheidenden Beweisantrages, wenn

  • die Beweisbehauptung ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt und
  • ohne begründete Vermutung für ihre Richtigkeit aufs Geratewohl ins Blaue hinein aufgestellt wurde.

Ob eine solche nicht ernstlich gemeinte Beweisbehauptung gegeben ist, beurteilt sich aus der Sicht eines verständigen Antragstellers auf der Grundlage der von ihm selbst nicht in Frage gestellten Tatsachen, wobei zu beachten ist, dass es dem Antragsteller grundsätzlich nicht verwehrt sein kann, auch solche Tatsachen unter Beweis zu stellen,

  • die er lediglich für möglich hält oder
  • nur vermutet.

Nicht ausreichend ist, wenn die bisherige Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Beweisbehauptung ergeben hat oder die unter Beweis gestellte Tatsache objektiv ungewöhnlich oder unwahrscheinlich erscheint oder eine andere Möglichkeit näher gelegen hätte.
Vielmehr wird für erforderlich gehalten, dass

  • die Bestätigung der Beweisbehauptung aufgrund gesicherter bisheriger Beweisaufnahme offensichtlich unwahrscheinlich sein muss, was etwa anzunehmen sein soll, wenn eine Mehrzahl neutraler Zeugen eine Tatsache übereinstimmend bekundet hat und,
  • ohne Beleg für entsprechende tatsächliche Anhaltspunkte, das Gegenteil in das Wissen eines völlig neu benannten Zeugen oder eines Zeugen gestellt wird, dessen Zuverlässigkeit naheliegenden Zweifeln begegnet.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 04.12.2012 – 4 StR 372/12 – hingewiesen.

 

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