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Strafrecht – Aufgabe des Strafprozesses – Stellung des Beschuldigten.

Aufgabe des Strafprozesses ist es, den Strafanspruch des Staates um des Schutzes der Rechtsgüter Einzelner und der Allgemeinheit willen in einem justizförmigen Verfahren durchzusetzen und dem mit Strafe Bedrohten eine wirksame Sicherung seiner Grundrechte zu gewährleisten. Der Strafprozess hat das aus der Würde des Menschen als eigenverantwortlich handelnder Person und dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Prinzip, dass keine Strafe ohne Schuld verhängt werden darf, zu sichern und entsprechende verfahrensrechtliche Vorkehrungen bereitzustellen. Zentrales Anliegen des Strafprozesses ist die Ermittlung des wahren Sachverhalts, ohne den sich das materielle Schuldprinzip nicht verwirklichen lässt. Dem Täter müssen Tat und Schuld prozessordnungsgemäß nachgewiesen werden. Bis zum Nachweis der Schuld wird seine Unschuld vermutet.
Im Rechtsstaat des Grundgesetzes darf ein Beschuldigter nicht bloßes Objekt des Strafverfahrens sein; ihm muss die Möglichkeit gegeben werden, zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen. Als ein unverzichtbares Element der Rechtsstaatlichkeit des Strafverfahrens gewährleistet das Recht auf ein faires Verfahren dem Beschuldigten, prozessuale Rechte und Möglichkeiten mit der erforderlichen Sachkunde wahrnehmen und Übergriffe der staatlichen Stellen oder anderer Verfahrensbeteiligter angemessen abwehren zu können.
Der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit ist im Rechtsstaatsprinzip verankert und hat Verfassungsrang. Er umfasst das Recht auf Aussage- und Entschließungsfreiheit innerhalb des Strafverfahrens. Dazu gehört, dass im Rahmen des Strafverfahrens niemand gezwungen werden darf, sich durch seine eigene Aussage einer Straftat zu bezichtigen oder zu seiner Überführung aktiv beizutragen. Der Beschuldigte muss frei von Zwang eigenverantwortlich entscheiden können, ob und gegebenenfalls inwieweit er im Strafverfahren mitwirkt. Dies setzt voraus, dass er über seine Aussagefreiheit in Kenntnis gesetzt wird. Das im Rechtsstaatsprinzip und dem allgemeinen Freiheitsrecht verankerte Recht auf ein faires Strafverfahren umfasst das Recht des Beschuldigten, sich von einem Anwalt seiner Wahl und seines Vertrauens verteidigen zu lassen.

Darauf hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Urteil vom 19.03.2013 – 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2155/11 – anlässlich seiner Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung zur Verständigung im Strafprozess – hingewiesen.

 

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Strafrecht – Untersuchungshaft – Nichtraucher mit Raucher in einem Haftraum?

Mit Beschluss vom 28.10.2012 – 2 BvR 737/11 – hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) der Verfassungsbeschwerde eines Untersuchungsgefangen stattgegeben, der beanstandet hatte, dass er als Nichtraucher in einer Justizvollzugsanstalt in einem Drei-Personen-Haftraum untergebracht worden war und dessen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen diese Art der Unterbringung sowohl beim Land-, als auch beim Oberlandesgericht erfolglos geblieben war.
Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass die Beschlüsse des Land- und des Oberlandesgerichts den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 und Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) verletzen, sie aufgehoben, die Sache an das Landgericht zurückverwiesen und in den Gründen u. a. ausgeführt:

Art. 2 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz (GG) schützt das Leben und die körperliche Unversehrtheit. Angesichts der jedenfalls bei unentrinnbarem gemeinsamen Aufenthalt auf engem Raum nicht nur erheblich belästigenden, sondern auch – zumindest nicht ausschließbaren – gesundheitsgefährdenden Wirkungen des Passivrauchens kann darin, dass ein Gefangener auf seinem Haftraum ohne seine Zustimmung dem Rauchen eines Mitgefangenen ausgesetzt wird, ein Grundrechtseingriff von erheblichem Gewicht liegen.
Ein Gefangener hat Anspruch auf Schutz vor Gefährdung und erheblicher Belästigung durch das Rauchen von Mitgefangenen und Aufsichtspersonal.

 

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Wohnungseigentumsgesetz (WEG) – Wasser- und andere Versorgungsleitungen – Von welcher Grenze an sind sie sondereigentumsfähig?

Versorgungsleitungen lassen sich zwar bautechnisch in viele einzelne Teile zerlegen, sind jedoch, soweit sie sich im räumlichen Bereich des Gemeinschaftseigentums befinden, rechtlich als Einheit anzusehen und stehen, soweit sie im räumlichen Bereich des Gemeinschaftseigentums verlaufen, zwingend im Gemeinschaftseigentum.

Sie bilden ein der Bewirtschaftung und Versorgung des Gebäudes dienendes Leitungsnetz und damit eine Anlage im Sinne von § 5 Abs. 2 WEG. Eine solche Betrachtung entspricht der natürlichen Anschauung und trägt darüber hinaus der Interessenlage der Wohnungseigentümer Rechnung. Sie erhält ihnen die gemeinschaftliche Verfügungsbefugnis über das Leitungsnetz und ermöglicht so Veränderungen daran, beispielsweise die Verwendung von Leitungen, die nur eine Wohneinheit versorgen, auch für andere Zwecke; ferner erleichtert sie die Durchführung von Instandsetzungsarbeiten oder Modernisierungsmaßnahmen an den Versorgungsleitungen. Demgegenüber sind schützenswerte Interessen eines einzelnen Sondereigentümers daran, dass sich seine Verfügungs- und Gestaltungsmacht auch auf Leitungen erstreckt, die außerhalb seiner Räume liegen, typischerweise nicht gegeben.

Zu dem im Gemeinschaftseigentum stehenden Versorgungsnetz gehören die Leitungen nicht nur bis zu ihrem Eintritt in den räumlichen Bereich des Sondereigentums, sondern jedenfalls bis zu der ersten für die Handhabung durch den Sondereigentümer vorgesehenen Absperrmöglichkeit.

Je nach Bauweise kann das schon daraus folgen, dass eine – nicht durch Ventile, Eckverbindungen oder ähnliche Zwischenstücke – unterteilte Leitung eine einheitliche Sache ist, an der nur einheitliches Eigentum bestehen kann.
In erster Linie ist hingegen maßgeblich, dass Wasser- und Heizungsleitungen erst von dem Punkt an ihre Zugehörigkeit zu dem Gesamtnetz verlieren, an dem sie sich durch eine im räumlichen Bereich des Sondereigentums befindliche Absperrvorrichtung hiervon trennen lassen.
Durch eine Teilungserklärung kann Sondereigentum an wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes (§§ 93, 94 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB )), zu denen die innerhalb des Gebäudes verlegten Wasserleitungen zählen, nicht begründet werden.
Welche wesentlichen Gebäudebestandteile im Sondereigentum stehen, bestimmt sich allein nach den gesetzlichen Regelungen in § 5 Abs. 1 bis 3 WEG.
Der Teilungserklärung kommt dabei nur indirekte Bedeutung zu.

Zum einen bestimmt sie, welche Räume Gegenstand des Sondereigentums sind, so dass die zu diesen Räumen gehörenden Bestandteile nach § 5 Abs. 1 WEG kraft Gesetzes ebenfalls Sondereigentum werden. Zum anderen kann sie Bestandteile, die nach § 5 Abs. 1 WEG im Sondereigentum stünden, dem Gemeinschaftseigentum zuordnen (§ 5 Abs. 3 WEG).
Den umgekehrten Weg, also die konstitutive Zuordnung von wesentlichen Gebäudebestandteilen zum Sondereigentum durch die Teilungserklärung, sieht das Gesetz hingegen nicht vor; die Teilungserklärung kann die Grenze zwischen dem gemeinschaftlichen Eigentum und dem Sondereigentum nur zu Gunsten, nicht aber zu Ungunsten des gemeinschaftlichen Eigentums verschieben. Wesentliche Bestandteile, die nicht kraft Gesetzes im Sondereigentum stehen, sind vielmehr zwingend dem gemeinschaftlichen Eigentum zugeordnet (vgl. auch § 1 Abs. 5 WEG).
Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 26.10.2012 – V ZR 57/12 – hingewiesen.

 

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Schadensersatz wegen Pflichtverletzung aus einem Schuldverhältnis – Darlegungs- und Beweislast, wenn der Schuldner als Betreiber einer Anlage die Pflicht hat seine Kunden vor Schaden zu bewahren.

Gemäß § 280 Abs. 1 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) kann der Gläubiger Schadensersatz verlangen, wenn der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt. Hierbei bedarf die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer objektiven Pflichtverletzung einer differenzierten Betrachtung:

Lediglich bei nicht auf einen Erfolg bezogenen Pflichten trägt der Gläubiger den vollen Beweis für die Pflichtverletzung.
Demgegenüber ergibt sich bei erfolgsbezogenen Pflichten der Beweis der objektiven Pflichtverletzung bereits daraus, dass die Leistung nicht, nicht rechtzeitig oder nicht ordnungsgemäß erbracht wurde. Hat ein Schuldner nach dem Vertragsinhalt die erfolgsbezogene Pflicht, einen Schaden zu vermeiden, wird somit durch den Nachweis des Schadens zugleich die Pflichtverletzung bewiesen. Der Gläubiger muss in einem solchen Fall nur vortragen und beweisen, dass der Schaden im Herrschaftsbereich des Schuldners entstanden ist bzw. die Schadensursache allein aus dem Verantwortungsbereich des Schuldners herrühren kann. Eines weitergehenden dezidierten Sachvortrags des Gläubigers zu den Umständen der Schadensentstehung und eventuell hieraus abzuleitender Defizite des Schuldners bei der Beachtung der Schutzpflichten bedarf es dann nicht.
Der Schuldner kann sich allerdings entlasten, weil gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB die Schadensersatzpflicht dann entfällt, wenn er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
Die Rechtsfrage, welche Sorgfalt ein Schuldner aufwenden muss, um den Verkehr zu bewahren, kann dabei nur Einzelfall bezogen beantwortet werden. Im Grundsatz gilt, dass derjenige, der einen Verkehr eröffnet, alle Vorkehrungen treffen muss, um Schäden Dritter tunlichst zu vermeiden. Allerdings ist eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, im praktischen Leben nicht zu erreichen. Der Verkehrssicherungspflichtige muss nicht für alle denkbaren, auch entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge treffen. Vielmehr genügen solche Vorkehrungen, die zur Beseitigung der Gefahren erforderlich und zumutbar sind. Erforderlich sind solche Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Angehöriger der Verkehrskreise für notwendig und ausreichend erachtet, um andere Personen – also seine Kunden – vor Schäden zu bewahren.
Weiterhin fließt in die Beurteilung auch das in den entsprechenden Verkehrskreisen branchenübliche Schutzniveau ein. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB ) ist im Regelfall genügt, wenn der erreichte Sicherheitsstandard der in dem entsprechenden Bereich herrschenden Verkehrserwartung entspricht. Schließlich sind Ausmaß und Größe der Gefahr sowie die Schadenswahrscheinlichkeit in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen. Diese Kriterien stehen miteinander in Wechselwirkung: Je größer die Wahrscheinlichkeit einer Schädigung und je schwerer der drohende Schaden, desto weitgehendere Sicherungsmaßnahmen sind zu ergreifen.
Von Relevanz ist insbesondere aber auch, durch welche Maßnahmen sich die Gefahr, die Kunden drohte und die für den zu beurteilenden Schaden ursächlich geworden ist, hätte merklich reduzieren lassen und ob diese Maßnahmen zumutbar gewesen wären und den berechtigten Erwartungen der betroffenen Verkehrskreise entsprochen hätten.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken mit Urteil vom 28.03.2013 – 4 U 26-12-8 – hingewiesen.

 

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Mietrecht – Erteilung von Musikunterricht in Mietwohnung – Muss Vermieter das erlauben?

Mit Urteil vom 10.04.2013 – VIII ZR 213/12 – hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass bei geschäftlichen Aktivitäten freiberuflicher oder gewerblicher Art, die nach außen in Erscheinung treten, eine Nutzung vorliegt, die der Vermieter in ausschließlich zu Wohnzwecken angemieteten Räumen ohne entsprechende Vereinbarung grundsätzlich nicht dulden muss. Zwar kann ein Vermieter im Einzelfall nach Treu und Glauben verpflichtet sein, eine Erlaubnis zur teilgewerblichen Nutzung zu erteilen, wenn – was der Mieter dazulegen und zu beweisen hat – von der beabsichtigten Nutzung keine weitergehenden Einwirkungen auf die Mietsache oder Mitmieter ausgehen als bei einer üblichen Wohnnutzung. Ein Mieter, der, wie in dem dem Urteil zugrundeliegenden Fall, in einer ausschließlich zu Wohnzwecken angemieteten Räumen Gitarrenunterricht an drei Werktagen für etwa zwölf Schüler erteilen will, hat jedoch auf eine solche Erlaubnis keinen Anspruch.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 10.04.2013 – Nr. 62/2013 – mitgeteilt.

 

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Mietrecht – Vorschrift über Begrenzung der Höhe der Mietsicherheit auf Bürgschaft für Mietzahlung nicht anwendbar.

Nach § 551 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) darf, wenn der Mieter dem Vermieter für die Erfüllung seiner Pflichten Sicherheit zu leisten hat, diese vorbehaltlich des Absatzes 3 Satz 4 höchstens das Dreifache der auf einen Monat entfallenden Miete ohne die als Pauschale oder als Vorauszahlung ausgewiesenen Betriebskosten betragen. Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist gemäß § 551 Abs. 4 BGB unwirksam.

Mit Urteil vom 10.04.2013 – VIII ZR 379/12 – hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass diese Vorschrift keine Anwendung auf eine Sicherheit findet, die dem Vermieter von einem Dritten gewährt wird, um eine dem Mieter drohende Kündigung wegen Zahlungsverzugs abzuwenden.
Wäre es in einem solchen Fall verboten, eine drei Monatsmieten übersteigende Sicherheit zu vereinbaren, könnte der Vermieter keine zusätzliche Sicherheit erhalten und würde sich daher zu einer fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses wegen des eingetretenen Zahlungsverzugs veranlasst sehen. Damit würde die Begrenzung der Mietsicherheit, die eigentlich dem Schutz des Mieters dienen soll, die Beendigung des Mietverhältnisses herbeiführen und sich zum Nachteil des Mieters auswirken.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 10.04.2013 – Nr. 61/2013 – mitgeteilt.

 

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Strafrecht – Was bei der Verurteilung von einkommensschwachen Personen zu Geldstrafen bei der Bestimmung der Tagessatzhöhe vom Gericht zu bedenken ist.

Bei Verhängung einer hohen Geldstrafe – d. h. regelmäßig einer solchen, die 90 Tagessätze übersteigt – ist eine Absenkung der Tagessatzhöhe in Betracht zu ziehen, um einer progressiven Steigerung des Strafübels entgegen zu wirken. Denn mit der zunehmenden Zahl der Tagessätze steigert sich die Fühlbarkeit der Geldstrafe bei gleich bleibender Tagessatzhöhe nicht in entsprechender Weise, sondern sie wächst progressiv. Das auf dem Nettoeinkommensprinzip aufgebaute Tagessatzsystem kann deshalb zu einem Einwirkungsübermaß und desozialisierenden Folgen führen, die nicht mehr mit der Pflicht des Richters zu vereinbaren sind, im Rahmen einer sachgerechten Strafzumessung alle Wirkungen zu bedenken, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind (§ 46 Abs. 1 Satz 2 Strafgesetzbuch (StGB )). Bleiben solche Folgen auch unter Berücksichtigung von nach § 42 StGB einzuräumenden Zahlungserleichterungen bestehen, ist eine Verringerung der Tagessatzhöhe erforderlich.

Zum anderen kann es bei besonders einkommensschwachen Personen, die am Rande des Existenzminimums leben, geboten sein, unter Berücksichtigung der nach § 42 StGB möglichen, zeitlich grundsätzlich nicht beschränkten Zahlungserleichterungen und unter Beachtung der Notwendigkeit der Wahrung der Strafe als ernsthaft fühlbares Übel die Tagessatzhöhe unterhalb eines Dreißigstels des monatlichen Nettoeinkommens festzusetzen, weil diese Personen bei strikter Einhaltung des Nettoeinkommensprinzips härter als normal Verdienende getroffen werden.

Schließlich muss einem zu Geldstrafe verurteilten Angeklagten auch bei Bewilligung von Ratenzahlungen das zum täglichen Lebensbedarf Unerlässliche erhalten bleiben, was, wenn einem Angeklagten monatlich Barleistungen in Höhe von 194 Euro zur Verfügung stehen, bei zu zahlenden monatlichen Teilbeträgen von 100 Euro nicht der Fall ist.

Darauf und, dass sich das Gericht dieser Aspekte bewusst sein muss, hat das Kammergericht (KG) mit Beschluss vom 02.11.2012 – 121 Ss 146/12 – hingewiesen.

 

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Schmerzensgeld – Was bei der Bemessung von den Gerichten zu beachten ist.

Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann nach § 253 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.
Die Höhe eines solchen zuzubilligenden Schmerzensgeldes hängt entscheidend vom Maß der durch das haftungsbegründende Ereignis verursachten körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen des Geschädigten ab, soweit diese bei Schluss der mündlichen Verhandlung bereits eingetreten sind oder zu diesem Zeitpunkt mit ihnen als künftiger Verletzungsfolge ernstlich gerechnet werden muss.
Die Schwere dieser Belastungen wird vor allem durch die Stärke, Heftigkeit und Dauer der erlittenen Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen bestimmt. Besonderes Gewicht kommt etwaigen Dauerfolgen der Verletzungen zu.
§§ 253 Abs. 2 BGB, 11 S. 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG) sprechen von „billiger Entschädigung in Geld“. Da es eine absolut angemessene Entschädigung für nichtvermögensrechtliche Nachteile nicht gibt, weil diese nicht in Geld messbar sind, unterliegt der Tatrichter bei der ihm obliegenden Ermessensentscheidung von Gesetzes wegen keinen betragsmäßigen Beschränkungen.

Die in den Schmerzensgeldtabellen erfassten „Vergleichsfälle“

  • bilden nur „in der Regel den Ausgangspunkt für die tatrichterlichen Erwägungen zur Schmerzensgeldbemessung“;
  • sind nur im Rahmen des zu beachtenden Gleichheitsgrundsatzes als Orientierungsrahmen zu berücksichtigen;
  • sind aber keine verbindliche Präjudizien.

Deshalb können aus der Existenz bestimmter ausgeurteilter Schmerzensgeldbeträge keine unmittelbaren Folgerungen abgeleitet werden. Weiter muss die Entstehungszeit der herangezogenen Vergleichsfälle beachtet werden. Das erkennende Gericht ist grundsätzlich nicht gehindert, die von der Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen bisher gewährten Beträge zu unterschreiten oder über sie hinauszugehen, wenn dies durch veränderte allgemeine Wertvorstellungen oder die wirtschaftliche Entwicklung gerechtfertigt ist.
Konkret bedeutet dies, dass bei der Heranziehung von Vergleichsfällen

  • die Tatsache zu beachten ist, dass die Rechtsprechung bei der Bemessung von Schmerzensgeld nach gravierenden Verletzungen deutlich großzügiger verfährt als früher;
  • zugunsten des Geschädigten die zwischenzeitliche Geldentwertung in Rechnung zu stellen ist.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) München mit Urteil vom 22.03.2013 – 10 U 3619/10 – hingewiesen.

 

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Unwirksame Verfügung eines Ehegatten über sein Vermögen im Ganzen – Wann liegt sie vor?

Nach § 1365 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) kann sich ein Ehegatte nur mit Einwilligung des anderen Ehegatten verpflichten, über sein Vermögen im Ganzen zu verfügen und sofern er sich dazu ohne Zustimmung des anderen Ehegatten verpflichtet hat, so kann er die Verpflichtung nur erfüllen, wenn der andere Ehegatte einwilligt.

Diese Vorschrift greift nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht nur dann ein, wenn das Geschäft auf die Übertragung des gesamten Vermögens als solches gerichtet ist, sondern auch, wenn ein einzelner Vermögensgegenstand veräußert wird, der im Wesentlichen das ganze Vermögen des Veräußerers darstellt, und wenn der Vertragspartner dies weiß oder zumindest die Verhältnisse kennt, aus denen sich dies ergibt.

Eine Verfügung über das Vermögen im Ganzen kann dann vorliegen, wenn der Ehegatte – bei kleineren Vermögen – mit einem oder mehreren Einzelgegenständen mehr als 85 % seines Vermögens überträgt (zu größeren Vermögen vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 13.03.1991 – XII ZR 97/90 –).

Besteht das ganze Vermögen des Ehegatten im Wesentlichen aus einem Hausgrundstück, ist bei der Beurteilung, ob die Übertragung dieses Grundstücks durch den Ehegatten sein Vermögen im Ganzen betrifft, ein von ihm vorbehaltenes dingliches Wohnungsrecht als ihm verbleibendes Vermögen zu berücksichtigen.
Für die Beurteilung, ob eine Verfügung im Wesentlichen das ganze Vermögen eines Ehegatten erfasst, ist nämlich die Vermögenslage vor und nach der Verfügung zu betrachten. Während sich vor der Übertragung eines Grundstücks regelmäßig der – um valutierende Belastungen verringerte – Wert des Grundstücks im Vermögen des Ehegatten befand, besteht sein Vermögen nach der Übertragung (allein) in dem dinglichen Wohnungsrecht nach § 1093 BGB.
Der Berücksichtigung des Wohnungsrechts steht nicht entgegen, dass dessen Bestellung eine von der Eigentumsübertragung getrennte Verfügung ist. Jedenfalls wenn die zur Eigentumsübertragung und zur Bestellung des Wohnungsrechts erforderlichen Willenserklärungen in einem einheitlichen Vertrag abgegeben werden und miteinander stehen und fallen, hat der Veräußerer den mit dem (Haus-)Grundstück verbundenen Wert bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht vollständig aus der Hand gegeben.
Dem veräußernden Ehegatten bleibt vielmehr ein Teil des Wertes des zuvor in seinem Eigentum stehenden Grundstücks durch das Wohnungsrecht weiterhin erhalten.

Darauf hat der BGH mit Urteil vom 16.01.2013 – XII ZR 141/10 – hingewiesen.

 

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Auftrag für Genehmigungsplanung eines Wohnhauses – Pflichten des Architekten.

Überschreitet der Architekt den vorgegebenen Kostenrahmen und ist die Planung für den Auftraggeber deshalb unbrauchbar, so kann der Anspruch auf Honorar entfallen.

Wie die Pressestelle des Bundesgerichtshofes (BGH) am 21.03.2013 – Nr. 51/2013 – mitgeteilte, hat der VII. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 21.03.2013 – VII ZR 230/11 – entschieden, dass ein Architekt grundsätzlich verpflichtet ist, bereits im Rahmen der sogenannten Grundlagenermittlung mit dem Auftraggeber den wirtschaftlichen Rahmen für ein Bauvorhaben abzustecken und dessen Kostenvorstellungen zu berücksichtigen.
Die einem Architekten gegenüber zum Ausdruck gebrachten Kostenvorstellungen sind in dem Sinne verbindlich, dass sie – vorbehaltlich einer nachträglichen Änderung – den Planungsrahmen bestimmen und jedenfalls dann regelmäßig zum Vertragsinhalt werden, wenn der Architekt ihnen nicht widerspricht. Solche Kostenvorstellungen sind nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs auch dann beachtlich, wenn sie nicht eine genaue Bausummenobergrenze enthalten, sondern nur Angaben zur ungefähren Bausumme, mit denen ein Kostenrahmen abgesteckt wird. Etwaige Zweifel über den Umfang des Kostenrahmens muss der Architekt aufklären, was auch durch die von der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure erfassten Kostenermittlungen für den Auftraggeber geschehen kann.

 

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