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Wohnungseigentumsgesetz (WEG) – Beschluss über Sanierungsarbeiten bei Instandsetzungsbedarf.

Besteht bei einer Wohnungseigentumsanlage Instandsetzungsbedarf, beispielsweise für die im Gemeinschaftseigentum stehenden, aus Holz gefertigten Balkonbrüstungen und sollen diese durch solche aus Stahl und Glas ersetzt werden, kann es sich bei derartigen Sanierungsarbeiten, die sich nicht auf die Erhaltung oder Wiederherstellung des bestehenden Zustands beschränken, handeln,

  • um eine modernisierende Instandsetzung im Sinne von § 22 Abs. 3 i.V.m. § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG, die die Wohnungseigentümer mit einfacher Mehrheit beschließen können,
  • oder, wenn das nicht der Fall ist, um eine (weitergehende) Modernisierungsmaßnahme gemäß § 22 Abs. 2 WEG, die die Wohnungseigentümer mit qualifizierter Mehrheit beschließen können.
     
  • Ist die Maßnahme auch nicht als (weitergehende) Modernisierungsmaßnahme gemäß § 22 Abs. 2 WEG einzuordnen, handelt es sich um eine bauliche Maßnahme im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG, die der Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedarf, deren Rechte durch die Maßnahme über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden.

Eine als modernisierende Instandsetzung i. S. v. § 22 Abs. 3 i. V. m. § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG einzuordnende Maßnahme ordnungsgemäßer Instandhaltung und Instandsetzung, die über die bloße Reparatur oder Wiederherstellung des früheren Zustands hinausgehen darf, wenn die Neuerung eine technisch bessere oder wirtschaftlich sinnvollere Lösung darstellt, setzt voraus, dass die Analyse der Kosten, die durch eine Sanierung der vorhandenen Holzbrüstungen und die geplante Maßnahme entstehen sowie der prognostizierten jeweiligen Unterhaltungskosten über einen angemessenen Zeitraum, der bei einer solchen Maßnahme bei etwa zehn Jahren liegt, ergibt, dass danach die erzielbaren Einsparungen die entstehenden Mehrkosten annähernd aufwiegen.

Als (weitergehende) Modernisierungsmaßnahme gemäß § 22 Abs. 2 WEG einzuordnen sind Sanierungsmaßnahmen, wenn sie im Sinne von § 559 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) den Gebrauchswert nachhaltig erhöhen, wobei die angeordnete entsprechende Heranziehung der mietrechtlichen Regelung Raum für eine großzügigere Handhabung des Modernisierungsbegriffes gibt. Danach kann im Grundsatz auch eine optische Veränderung eine Gebrauchswerterhöhung bewirken; die Wohnungseigentümer können mit qualifizierter Mehrheit beschließen, veraltete durch zeitgemäße Materialien zu ersetzen und das äußere Erscheinungsbild der Wohnanlage ansprechender zu gestalten.
Es genügt, dass die Maßnahme aus der Sicht eines verständigen Wohnungseigentümers eine sinnvolle Neuerung darstellt, die voraussichtlich geeignet ist, den Gebrauchswert des Wohnungseigentums nachhaltig zu erhöhen und die entstehenden Kosten bzw. Mehrkosten nicht außer Verhältnis zu dem erzielbaren Vorteil stehen.
Auch zur Beurteilung hierfür muss der entstehende Aufwand ermittelt werden; weil ohnehin ein Sanierungsbedarf besteht, kommt es auf den Mehraufwand an, wobei abzuwägen ist, ob ein verständiger Wohnungseigentümer den durch die andere Bauausführung erzielten Vorteil gemessen an dem erforderlichen Mehraufwand als sinnvolle Neuerung ansehen wird.
Durch eine (weitergehende) Modernisierungsmaßnahme darf aber kein Wohnungseigentümer gegenüber anderen unbillig beeinträchtigt und auch die Eigenart der Wohnanlage nicht geändert werden. In diesem Zusammenhang muss berücksichtigt werden, ob nicht nur die eigene Wohnanlage, sondern auch die sie umgebenden Gebäude insgesamt einheitlich mit Holzbalkonen gestaltet sind und ob die Eigenart der Wohnanlage durch die Modernisierungsmaßnahme geändert wird.

Ist die Maßnahme (auch) nicht als (weitergehende) Modernisierungsmaßnahme gemäß § 22 Abs. 2 WEG einzuordnen, dann handelt es sich um eine bauliche Maßnahme i. S. v. § 22 Abs. 1 WEG.
In diesem Fall bedarf die Maßnahme der Zustimmung aller Wohnungseigentümer, deren Rechte durch die Maßnahme über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden.
Nachteil i. S. v. § 14 Nr. 1 WEG ist dabei jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung. Sie muss konkret und objektiv sein; entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann. Insoweit sind die mit der Maßnahme verbundenen Kosten ebenso wenig wie eine mögliche Haftung im Außenverhältnis zu berücksichtigen. Denn die nicht zustimmenden Wohnungseigentümer sind von den Kosten der § 22 Abs. 1 WEG unterfallenden Maßnahmen ohnehin befreit (§ 16 Abs. 6 S. 1 HS 2 WEG).
Geht mit der Maßnahme eine erhebliche optische Veränderung des gesamten Gebäudes einher, ist ein Nachteil regelmäßig anzunehmen und die Zustimmung aller Wohnungseigentümer erforderlich. Denn ob eine erhebliche optische Veränderung des Gebäudes ein Vorteil oder ein Nachteil ist, können im Regelfall auch verständige Wohnungseigentümer unterschiedlich bewerten, selbst wenn die Maßnahme dem gängigen Zeitgeschmack entspricht. Die Minderheit muss sich dem Geschmack der Mehrheit nicht fügen; das gilt allerdings nur, wenn und soweit die Entscheidung nach dem Gesetz nicht – insbesondere gemäß § 22 Abs. 2 WEG – der Mehrheitsmacht unterworfen ist.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 14.12.2012 – V ZR 224/11 – hingewiesen.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Versicherungsrecht – Beweislast bei alkoholbedingter (und kausaler) Bewusstseinsstörung.

Besteht nach den einem Unfallversicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB ) für Unfälle durch Bewusstseinsstörungen, auch soweit diese auf Trunkenheit beruhen, kein Versicherungsschutz, muss der Versicherer für einen Unfall der versicherten Person nicht einstehen, wenn diese zum Unfallzeitpunkt an einer alkoholbedingten, für den Unfall mitursächlichen Bewusstseinsstörung litt.

War ein Kraftfahrer bei einem Unfall im Straßenverkehr absolut fahruntüchtig, ist eine leistungsausschließende Bewusstseinsstörung ohne Möglichkeit des Gegenbeweises gegeben. Dabei reicht es aus, wenn der Kraftfahrer zum Zeitpunkt des Unfalls eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer Blutalkoholkonzentration führen wird, bei der von absoluter Fahruntüchtigkeit auszugehen ist.
Das gilt entsprechend für Fußgänger.

Unterhalb des absoluten Grenzwertes, der bei Fußgängern bei etwa 2,0 Promille liegt, setzt eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung voraus, dass entweder alkoholtypische Ausfallerscheinungen vorliegen oder das festgestellte verkehrswidrige Verhalten typischerweise durch Alkoholgenuss bedingt ist.

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die versicherte Person an einer alkoholbedingten Bewusstseinsstörung litt, trägt der Versicherer, wobei es hinsichtlich der Alkoholisierung grundsätzlich genügt, wenn er sich auf einen im Ermittlungsverfahren festgestellten Blutalkoholkonzentrationswert beruft.
Verteidigt sich die versicherte Person gegen die Ablehnung der Leistungspflicht wegen alkoholbedingter Bewusstseinsstörung mit der Behauptung, der festgestellte Blutalkoholwert beruhe auf einem Nachtrunk, ist er dafür beweispflichtig.

Steht fest, dass die versicherte Person zum Unfallzeitpunkt unter einer alkoholbedingten Bewusstseinsstörung litt, spricht dafür, dass die Bewusstseinsstörung für den Unfall mitursächlich geworden ist, der erste Anschein. Diesen Anschein muss die versicherte Person erschüttern, wobei eine etwaige Mitschuld eines anderen Verkehrsteilnehmers für sich genommen den Anscheinsbeweis noch nicht entkräftet.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln mit Urteil vom 28.09.2012 – 20 U 107/12 – hingewiesen.

 

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Ersatz des Fahrzeugschadens nach Verkehrsunfall – Was ist mit der Umsatzsteuer.

Nach einem Unfall bei dem sein Fahrzeug beschädigt worden ist, stehen einem Geschädigten im Allgemeinen zwei Wege der Naturalrestitution zur Verfügung:

  • Die Reparatur des Unfallfahrzeugs oder
  • die Anschaffung eines „gleichwertigen“ Ersatzfahrzeugs.

Unter den zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten der Naturalrestitution hat der Geschädigte jedoch grundsätzlich diejenige zu wählen, die den geringsten Aufwand erfordert.
Dieses sogenannte Wirtschaftlichkeitspostulat findet gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB seinen gesetzlichen Niederschlag in dem Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit, ergibt sich aber letztlich schon aus dem Begriff des Schadens selbst. Darüber hinaus findet das Wahlrecht des Geschädigten seine Schranke an dem Verbot, sich durch Schadensersatz zu bereichern. Denn auch wenn er vollen Ersatz verlangen kann, soll der Geschädigte an dem Schadensfall nicht „verdienen“.
Folgt ein Geschädigter, der sich nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot für eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis hätte entscheiden müssen, dem Wirtschaftlichkeitspostulat nicht, sondern erwirbt er, statt eine wirtschaftlich gebotene Reparatur durchführen zu lassen, eine höherwertige Ersatzsache, kann er nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot die (tatsächlich angefallenen) Kosten der Ersatzbeschaffung nur bis zur Höhe der Reparaturkosten verlangen, weil eine Reparatur den geringsten Aufwand zur Schadensbeseitigung erfordert hätte.

Ist in einem solchen Fall für die Beschaffung des Ersatzfahrzeugs Umsatzsteuer angefallen, hat der Geschädigte, wenn der tatsächlich aufgewendete Umsatzsteuerbetrag höher ist als der, der bei Durchführung der Reparatur angefallen wäre, allerdings Anspruch nur auf Ersatz der Umsatzsteuer, die bei Durchführung einer Reparatur angefallen wäre.

Nach § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB schließt der bei der Beschädigung einer Sache zur Wiederherstellung erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist, d.h. wenn und soweit sie der Geschädigte zur Wiederherstellung aus seinem Vermögen aufgewendet oder er sich hierzu verpflichtet hat.
Darauf, welchen Weg der Geschädigte zur Wiederherstellung beschritten hat, kommt es dabei nicht an.
Entscheidend für die Frage, ob ein Ersatzanspruch besteht, ist allein der tatsächliche Anfall von Umsatzsteuer. Jedoch ist der Anspruch begrenzt auf den Umsatzsteuerbetrag, der bei dem wirtschaftlich günstigeren Weg angefallen wäre.
Fällt keine Umsatzsteuer an, entfällt auch die Schadensposition Umsatzsteuer.
Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass eine Erstattung der Umsatzsteuer dann nicht erfolgt, wenn der Geschädigte weder eine umsatzsteuerpflichtige Reparatur hat durchführen lassen, noch bei der Ersatzbeschaffung eines neuen Fahrzeugs von privat Umsatzsteuer angefallen ist.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 05.02.2013 – VI ZR 363/11 – hingewiesen.

 

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Fehlerhafte Beratung beim Erwerb von Wertpapieren – aufgewandter Geldbetrag als Schadensersatz.

Ein bei Erwerb einer Kapitalanlage fehlerhaft oder unzureichend beratene Anleger kann nach dem in § 249 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) festgelegten Grundsatz der Naturalrestitution verlangen, so gestellt zu werden, als habe er diese Kapitalanlage nicht erworben.
Der Wiederherstellungsanspruch des Anlegers ist dabei nicht auf den Ausgleich eines Minderwerts der Kapitalanlage gerichtet, sondern auf Ersatz für die durch den Erwerb der Kapitalanlage eingetretenen Einbußen.

Danach ist der Anleger zunächst mit den für den Erwerb der jeweiligen Wertpapiere eingegangen Verbindlichkeiten belastet. Nach deren Erfüllung hat sich der unmittelbare Vermögensschaden des Anlegers in dem Verlust der dafür aufgewendeten Geldmittel realisiert.
Nachdem der zu ersetzende Schaden nach Erfüllung der Verbindlichkeiten für den Erwerb der Wertpapiere somit in einem Verlust an Geld besteht, ist die Herstellung nach § 249 Abs. 1 BGB in diesem Fall auf Zahlung gerichtet und hat die Naturalherstellung nach § 249 Abs. 1 BGB durch Zahlung von Geld zu erfolgen.
Eine erfolglose Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nach § 250 S. 1 BGB ist demzufolge nicht erforderlich. Denn § 250 BGB findet keine Anwendung, wenn der Herstellungsanspruch aus § 249 Abs. 1 BGB bereits auf Zahlung von Geld gerichtet ist. § 250 BGB eröffnet dem Geschädigten die Möglichkeit, einen allgemeinen Anspruch auf Herstellung durch Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung in einen Anspruch auf Zahlung von Geld umzuwandeln. Dafür ist kein Raum, wenn bereits die Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB durch Zahlung von Geld zu erfolgen hat.
Somit hat das beratende Kreditinstitut nach einer feststehenden fehlerhaften Anlageberatung dem Anleger als Herstellungsaufwand nach § 249 Abs. 1 BGB den Geldbetrag zu zahlen, den der Anleger für den Erwerb der Kapitalanlage aufgewandt hat.

Allerdings dürfen nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung dem geschädigten Anleger neben einem Ersatzanspruch nicht die Vorteile verbleiben, die ihm durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind.
Bewirkt wird dieser schadensrechtliche Vorteilsausgleich, wenn Ersatzanspruch und Vorteil gleichartig sind durch Anrechnung. Bei fehlender Gleichartigkeit muss der Schädiger dagegen Schadensersatz nur Zug um Zug gegen Herausgabe des Vorteils leisten.

Der schadensrechtliche Vorteil wird somit, wenn die Wertpapiere vom Anleger weiter veräußert worden sind, nicht durch eine Zug-um-Zug-Verurteilung, sondern dadurch erreicht, dass der Erlös aus dem Verkauf auf den Ersatzanspruch des Anlegers angerechnet, d. h. vom Schadensersatzanspruch abgezogen wird.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 13.11.2012 – XI ZR 334/11 – hingewiesen.

 

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Tatbestand des § 24a Abs. 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG) – Freispruch trotz Nachweises von Drogen im Blut?

Eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 Satz 1 StVG, die mit Geldbuße und in der Regel auch mit Fahrverbot geahndet wird, begeht, wer „unter der Wirkung“ eines in der Anlage zu dieser Vorschrift aufgeführten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt.
Eine solche Wirkung ist nach § 24a Abs. 2 Satz 2 StVG gegeben, wenn eine der in der Anlage zu dieser Vorschrift aufgeführten Substanzen, zu denen u. a. auch THC und Amphetamin gehören, im Blut nachgewiesen wird.
Voraussetzung für die Erfüllung des (objektiven) Tatbestandes ist aber, dass die festgestellte Konzentration der Substanz des jeweiligen berauschenden Mittels im Blut eines Betroffenen die von der sachverständigen Grenzwertkommission mit Beschluss vom 22.05.2007 (BA 2007, 311) empfohlenen sog. analytischen Grenzwerte, die beispielsweise für THC 1 ng/ml und für Amphetamin 25 ng/ml betragen, zumindest erreicht sind. Das gilt selbst beim (vermeintlichen) Vorliegen rauschmitteltypischer (Ausfall-)Erscheinungen.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Jena mit Beschluss vom 23.02.2012 – 1 Ss Bs 92/11 – entschieden und einen Betroffenen, bei dem bei der Untersuchung einer ihm nach der Fahrt entnommenen Blutprobe 0,6 ng THC und 6,9 ng Amphetamin pro ml Blut festgestellt worden waren, vom Vorwurf des fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs unter Wirkung berauschender Mittel, freigesprochen.

Nach dieser Entscheidung ist die Regelung des § 24a Abs. 2 StVG vor dem Hintergrund zu sehen, dass bei Drogen – anders als bei Alkohol – keine hinreichend verlässliche Quantifizierung der Dosis-Wirkungs-Beziehung möglich ist. Die Norm bringt daher die gesetzgeberische Vorstellung zum Ausdruck, dass die Wirkungsdauer der einzelnen Mittel jeweils mit der Nachweisdauer ihrer berauschenden Substanzen überstimmt und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass ein Rauschmittel, solange dessen psychoaktive Substanz im Blut nachweisbar ist, auf den Führer eines Kraftfahrzeuges einwirkt und damit eine abstrakte Gefährdung des Straßenverkehrs gegeben ist.
Diese gesetzgeberische Annahme der Identität von Wirkungs- und Nachweisdauer wird durch die technische Verbesserung der verwendeten Messverfahren zunehmend in Frage gestellt. Denn Spuren psychoaktiver Substanzen lassen sich nunmehr noch mehrere Tage oder sogar Wochen nach ihrer Einnahme im Blut nachweisen. Nach Ablauf derart langer Zeiträume erscheint aber eine anhaltende Fortwirkung der festgestellten Substanzen auf den Betroffenen zumindest fragwürdig. Mit Rücksicht darauf kann nicht mehr jeder Nachweis einer solchen Substanz im Blut eines Verkehrsteilnehmers für eine Verurteilung nach § 24a Abs. 2 StVG ausreichen. Vielmehr muss diese in einer Konzentration festgestellt werden, die entsprechend dem Charakter der Vorschrift als abstraktes Gefährdungsdelikt eine Beeinträchtigung der Fahrsicherheit zumindest als möglich erscheinen lässt. In dieser Weise ist der Tatbestand des § 24a Abs. 2 StVG verfassungskonform auszulegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Kammerbeschluss vom 21.12.2004 – 1 BvR 2652/03 –).
Ist der analytische Grenzwert einer Substanz nicht erreicht, ist ein nach derzeitigen wissenschaftlichen Maßstäben zuverlässiger und damit eine Verurteilung nach § 24a Abs. 2 StVG tragender Nachweis der Substanz im Blut nicht erbracht.
In diesem Falle sind weitere Ausführungen über Anzeichen für eine persistierende Drogenwirkung weder veranlasst noch zulässig, was teilweise auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung, welche die Funktion der analytischen Grenzwerte als bloße Qualitätsstandards betont, außer Acht gelassen wird (vgl. OLG München, Beschluss vom 13.03.2006 – 4St RR 199/05 –).

Eine Entscheidung nach dem Prinzip des „Entweder-oder“ in Bezug auf das Erreichen der analytischen Grenzwerte ist darüber hinaus deshalb geboten, weil es unterhalb dieser Grenzwerte – anders etwa als bei Alkohol im Bereich zwischen 0,3 und 1,1 Promille – keine Erfahrungssätze des Inhalts gibt, dass bestimmte (Ausfall-)Erscheinungen Folge fortbestehender Rauschmittelwirkung sind.

Finden sich Nachweise mehrerer relevanter Drogenwirkstoffe, die jeweils unterhalb der analytischen Grenzwerte liegen, dürfen diese im Übrigen nicht einfach addiert werden. Vielmehr ist auch dann nach der hier vertretenen Auffassung des Senats der objektive Tatbestand des § 24a Abs. 2 StVG nicht erfüllt.

 

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Kauf eines Neuwagens – Rücktritt vom Kaufvertrag nach Nachbesserung nicht durch § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausgeschlossen.

Der Käufer eines Neuwagens, der wegen Mängeln, beispielsweise Schäden an der Lackierung und der Karosserie, die Annahme des Fahrzeugs verweigert und unter Fristsetzung Beseitigung der Mängel bzw. Nachbesserung verlangt, verzichtet damit nicht auf die mit der Neuwagenbestellung vereinbarte Beschaffenheit einer Fabrikneuheit des Fahrzeugs.
Er kann vielmehr erwarten, dass die von ihm verlangte Nachbesserung technisch den Zustand herbeiführt, die dem werksseitigen Auslieferungsstandart entspricht.
Wird durch die Nachbesserungsarbeiten ein Fahrzeugzustand, wie er normalerweise bei einer werksseitigen Auslieferung besteht, nicht erreicht, kann der Käufer vom Vertrag zurücktreten. Der Rücktritt ist dabei nicht durch § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausgeschlossen. Denn der als Beschaffenheit vereinbarte fabrikneue Zustand des Fahrzeugs ist ein maßgeblicher Gesichtspunkt bei der Kaufentscheidung und spielt auch wirtschaftlich eine Rolle, da Fahrzeuge, die nicht mehr als fabrikneu gelten, mit deutlichen Preisabschlägen gehandelt werden.

Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) – laut Mitteilung der Pressestelle – mit Urteil vom 06.02.2013 – VIII ZR 374/11 – entschieden.

 

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Wohnungseigentumsgesetz (WEG) – Bezugnahme auf die vom Verwalter vorzulegende Eigentümerliste ist bei Beschlussanfechtungsklage zulässig.

Werden von einem Miteigentümer mit einer gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichteten Klage in einer Eigentümerversammlung gefasste Beschlüsse angefochten, so genügt für die nähere Bezeichnung der beklagten Wohnungseigentümer zunächst die bestimmte Angabe des gemeinschaftlichen Grundstücks (§ 44 Abs. 1 S. 1 WEG). Damit wollte der Gesetzgeber die Einhaltung der einmonatigen Anfechtungsfrist (§ 46 Abs. 1 S. 2 WEG) nicht über Gebühr erschweren.
Die Bezeichnung der übrigen Wohnungseigentümer mit Namen und ladungsfähiger Anschrift ist nach § 44 Abs. 1 S. 2 WEG dennoch erforderlich und hat nachfolgend spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu erfolgen, wobei der Kläger , auch stillschweigend, auf eine Liste Bezug nehmen kann, die die Gegenseite vorgelegt hat. Ansonsten liegt ein Zulässigkeitsmangel vor. Dieser Zulässigkeitsmangel kann zwar durch Nachholung im Berufungsrechtszug noch geheilt werden. Die verspätete Vorlage der Liste kann sich aber im Einzelfall gemäß § 97 Abs. 2 ZPO auf die Kostenentscheidung auswirken.

Die Einreichung der Eigentümerliste als Bestandteil der ordnungsgemäßen Klageerhebung (§ 44 Abs. 1 S. 2 WEG) ist zwar Sache des Klägers. Dieser ihm obliegenden Pflicht kann der Kläger jedoch auch dadurch nachkommen, dass er sich auf die durch den Verwalter vorzulegende Liste bezieht oder bei Gericht beantragt, dem Verwalter die Vorlage der Liste aufzugeben. Dann muss das Gericht tätig werden und der Verwaltung die Vorlage der Liste unter Fristsetzung aufgeben. Dies folgt aus § 142 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) analog.
Die Anordnung muss in der Regel ergehen. Ein Ermessensspielraum des Gerichts besteht regelmäßig nicht, weil der Verwalter aufgrund des Verwaltervertrags auch gegenüber dem einzelnen Wohnungseigentümer zu der Vorlage verpflichtet ist. Zudem ist er ohnehin im Wege der Beiladung an dem Verfahren zu beteiligen (§ 48 Abs. 1 S. 2 WEG); in der Regel ist er auch Zustellungsvertreter der Wohnungseigentümer (§ 45 Abs. 1 WEG). Aus diesen Gründen bedarf es keiner vorangehenden außergerichtlichen Aufforderung.
Weil es um eine Zulässigkeitsvoraussetzung geht, kann die Anordnung bereits mit Zustellung der Klage erfolgen; § 273 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 Nr. 5 ZPO steht dem nicht entgegen.
Kommt der Verwalter der Anordnung nicht innerhalb der gesetzten Frist nach, ist er dazu mit Ordnungsmitteln anzuhalten (§ 142 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 390 ZPO analog).
Ein solches Versäumnis der Verwaltung wirkt sich nicht zu Lasten des Klägers aus und darf nicht zur Abweisung der Klage als unzulässig führen.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 14.12.2012 – V ZR 162/11 – hingewiesen.

 

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Beginn der Verjährungsfrist – Nachweis der subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB – Wissenszurechnung.

Gemäß § 199 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

  • der Anspruch entstanden ist (= Nr. 1) und
  • der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (= Nr. 2).

Die für den Beginn der Verjährungsfrist erforderliche Kenntnis von der Person des Ersatzpflichtigen hat der Geschädigte nur, wenn ihm außer dessen Name auch die (ladungsfähige) Anschrift bekannt ist. Von der Kenntnis beziehungsweise grob fahrlässigen Unkenntnis der Anschrift ist zwar auszugehen, wenn zur Erlangung der Kenntnis nur eine einfache Anfrage oder ein Telefongespräch erforderlich sind. Letzteres darf aber nicht ohne Rücksicht auf die Lage des Einzelfalls vorausgesetzt, sondern muss vom Tatrichter festgestellt werden.

Da derjenige, der die Einrede der Verjährung erhebt, die Darlegungs- und Beweislast für die den Beginn und den Ablauf der Verjährung maßgeblichen Umstände trägt, ist er grundsätzlich auch gehalten, zum Vorliegen aller subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorzutragen; erst auf Grund eines solchen Vortrags obliegt es dann dem Anspruchsinhaber, seinerseits an der Aufklärung mitzuwirken und etwa darzulegen, was er zur Ermittlung der erforderlichen Tatsachen unternommen hat.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es hinsichtlich der Kenntnis der für den Beginn der Verjährungsfrist maßgebenden Umstände grundsätzlich auf die Person des Anspruchsinhabers selbst an.
Allerdings muss sich der Anspruchsinhaber das Wissen eines Dritten entsprechend § 166 Abs. 1 BGB und mit Rücksicht auf Treu und Glauben (§ 242 BGB ) dann als eigenes Wissen zurechnen lassen, wenn er den Dritten mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut, insbesondere ihm im Zusammenhang mit der Verfolgung des Anspruchs die Kenntnisnahme von bestimmten Tatsachen oder die Vornahme der erforderlichen Tatsachenfeststellungen übertragen hat; in diesen Fällen ist der Dritte als „Wissensvertreter“ des Anspruchsinhabers zu behandeln.
Die hierauf gegründete Zurechnung umfasst nicht nur das positive Wissen des Wissensvertreters, sondern auch seine leichtfertige oder grob fahrlässige Unkenntnis.
Diese Grundsätze erfahren keine Ausnahme, wenn und soweit es um die Zurechnung der Kenntnis (oder einer grob fahrlässigen Unkenntnis) des Ehegatten des Anspruchsinhabers geht.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 13.12.2012 – III ZR 298/11 – hingewiesen.

 

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Ordnungswidrigkeitenverfahren – Einsichtsrecht des Verteidigers in die Bedienungsanleitung eines Geschwindigkeitsmessgerätes.

Der Verteidiger hat im Rahmen eines Bußgeldverfahrens, das eine Geschwindigkeitsüberschreitung zum Gegenstand hat, das Recht auf Akteneinsicht in alle Unterlagen, die auch dem Sachverständigen zur Verfügung gestellt werden.
Dies folgt schon aus dem Gesichtspunkt der Gewährleistung eines fairen Verfahrens (Art. 6 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)), der Stellung des Rechtsanwaltes als unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO)) und dem Grundsatz der Aktenvollständigkeit (vgl. Landgericht (LG) Ellwangen, Beschluss vom 14.12.2009 – 1 Qs 166/09 –).
Nur wenn dem Verteidiger alle Unterlagen zur Verfügung stehen, die auch dem Sachverständigen zugänglich sind, ist es ihm möglich, das Sachverständigengutachten auf seine Richtigkeit zu überprüfen.
Darüber hinaus wäre ohne Akteneinsicht im geschilderten Umfang zwischen Betroffenem und der Ermittlungsbehörde keine Waffengleichheit gegeben, wenn die Ermittlungsbehörde einen Wissensvorsprung dadurch erlangt, dass sie maßgebliche Unterlagen zurückhält und dem Betroffenen deren Kenntnisnahme verweigert. Es ist nicht ausreichend, den Verteidiger auf allgemein zugängliche Sekundärliteratur zu verweisen, in denen die Funktions- und Bedienweise von Geschwindigkeitsmessgeräten erklärt wird.

Darauf und dass durch eine nicht vollständig gewährte Akteneinsicht das Recht des Betroffenen auf Verteidigung in unzulässiger Weise beschränkt wird (§ 338 Nr. 8 Strafprozessordnung (StPO)), hat das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg mit Beschluss vom 05.11.2012 – 2 Ss (Bz) 100/12 – hingewiesen.

 

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Versicherungsrecht – Zur Haftung des Vermieters für von ihm fahrlässig verursachte Brandschäden des Mieters.

Einem Geschäftsversicherungsvertrag zwischen einem Versicherer und einem Mieter von gewerblich genutzten Räumen, durch den dieser seine Geschäftseinrichtung und seinen Betriebsunterbrechungsschaden u. a. gegen Feuer versichert hat, kann ein Regressverzicht des Versicherers für die Fälle, in denen der Vermieter einen Brandschaden durch einfache Fahrlässigkeit verursacht hat, nicht entnommen werden.
Der Versicherer kann in einem solchen Fall den regulierten Schaden des Mieters, gemäß § 86 Abs. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) aus übergegangenem Recht, von dem Vermieter ersetzt verlangen.
Auch dann, wenn ein Mieter sich im Mietvertrag zum Abschluss einer solchen Geschäftsversicherung verpflichtet hatte, sind Ansprüche des Mieters gegen den Vermieter auf Schadensersatz wegen leicht fahrlässig verursachter Brandschäden nicht durch einen stillschweigenden mietvertraglichen Haftungsverzicht ausgeschlossen. Daraus, dass der Mieter sich verpflichtet, auf seine Kosten seine Geschäftseinrichtung und seinen Betriebsunterbrechungsschaden zu versichern, folgt ein solcher Haftungsverzicht nicht. Die Versicherung dient der Absicherung des wirtschaftlichen Risikos des Mieters. Darauf ist auch das Interesse des Vermieters gerichtet, der als Vermieter daran interessiert ist, dass sein Mieter durch eine Beschädigung bzw. Zerstörung seiner Einrichtungsgegenstände nicht insolvent wird.
Die (neuere) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der ein von dem Vermieter abgeschlossener Gebäudeversicherungsvertrag ergänzend dahin ausgelegt werden kann, dass er einen konkludenten Regressverzicht des Versicherers zugunsten des Mieters für die Fälle enthält, in denen ein Mieter einen Brandschaden durch nur einfache Fahrlässigkeit verursacht hat (BGH, Beschluss vom 12.12.2001 – XII ZR 153/99 –), kann auf einen vom Mieter abgeschlossenen Geschäftsversicherungsvertrag nicht übertragen werden. Diese Rechtsprechung beruht darauf, dass dem Vermieter für den Versicherer erkennbar daran gelegen ist, den Mieter in den Schutz des Gebäudeversicherungsvertrags einzubeziehen. Der Vermieter hat ein Interesse daran, dass der Mieter, auf den er in der Regel die Kosten der Versicherung abwälzt, in seiner Erwartung, er sei bei fahrlässiger Schadensverursachung durch die Versicherung geschützt, nicht enttäuscht wird.
Ein solches für den Versicherer erkennbares Interesse des Mieters daran, den Vermieter vor einem Regress wegen eines von diesem leicht fahrlässig verursachten Schadens zu schützen, besteht bei einer Versicherung nicht, deren versicherte Gegenstände in keinem Bezug zu dem Vermieter stehen.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 12.12.2012 – XII ZR 6/12 – hingewiesen.

 

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