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Familienrecht – Fünfzehnjährige darf gegen den Willen der Eltern im Kindesschutzverfahren begutachtet werden.

Eltern kann im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht zur Gesundheitsfürsorge für eine Fünfzehnjährige zu entziehen sein, damit die verhaltensauffällige Jugendliche im Kindesschutzverfahren ordnungsgemäß begutachtet werden kann.

Das hat der 8. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 31.07.2013 – 8 UF 17/13 – entschieden.

In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall hatte das zuständige Jugendamt ein Kindesschutzverfahren angeregt, nachdem eine Fünfzehnjährige im Jahre 2012 durch häufige Fehlzeiten in der Schule aufgefallen war und ihre Eltern weder auf Schreiben der Schule noch auf Einladungen zu einer Schulunfähigkeitsuntersuchung reagiert hatten.
Im Einvernehmen mit ihren Eltern wurde die Jugendliche zunächst in einer Kinder- und Jugendklinik stationär behandelt. Dabei zeigte sie ein behandlungsbedürftiges Selbstbild und gestörte persönliche Verarbeitungsmechanismen.
Nach zwei Monaten brachen die Eltern die Behandlung entgegen der ärztlichen Empfehlung ab und holten ihre Tochter nach Hause, ohne in der Folgezeit Kontakt zum Jugendamt zu halten.

Das Familiengericht hat den Eltern sodann – vorläufig – im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht zur Gesundheitsfürsorge entzogen, um eine Begutachtung der Jugendlichen im anhängigen familiengerichtlichen Verfahren zu ermöglichen.

Die gegen die familiengerichtliche Entscheidung gerichtete sofortige Beschwerde der Eltern hat der 8. Senat für Familiensachen zurückgewiesen.
Das Kindeswohl der Tochter sei gefährdet. Das ergebe sich aus dem Umstand, dass die Jugendliche in erheblichem Umfang in der Schule gefehlt habe, die Eltern dem nicht abgeholfen hätten und gewichtige Anhaltspunkte für massive psychosoziale Schwierigkeiten der Jugendlichen und innerfamiliäre Konflikte vorlägen.
Die vom Familiengericht im Kindesschutzverfahren für erforderlich erachtete Begutachtung der Jugendlichen halte auch der Senat für dringend geboten.
Um die hierfür notwendigen Maßnahmen und Untersuchungen sicherzustellen, ggfls. sogar die Herausnahme der Jugendlichen aus der Familie und ihre Fremdunterbringung, sei die getroffene Anordnung erforderlich, nachdem sich die Eltern in der Vergangenheit wenig einsichtig und nicht kooperativ gezeigt hätten. Sie trachteten offenbar danach, das Kindesschutzverfahren zu unterlaufen.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 16.10.2013 mitgeteilt.

 

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Familienrecht – Lottogewinn eines Ehegatten – Zugewinnausgleich bei Scheidung?

Der u.a. für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Beschluss vom 16.10.2013 – XII ZB 277/12 – entschieden, dass

  • ein von einem Ehegatten in dem Zeitraum zwischen Trennung und Zustellung des Scheidungsantrags gemachter Lottogewinn im Rahmen des Zugewinnausgleichs zu berücksichtigen ist und
  • allein eine längere Trennungszeit der Ehegatten im Zeitpunkt eines solchen Vermögenserwerbs noch keine unbillige Härte der Ausgleichspflicht begründet. 

In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall schlossen die Beteiligten im Juli 1971 die Ehe, aus der drei mittlerweile erwachsene Kinder hervorgegangen sind. 
Sie trennten sich im August 2000. 
Spätestens seit dem Jahr 2001 lebt der Antragsgegner mit seiner jetzigen Partnerin zusammen. 
Im November 2008 erzielte er zusammen mit seiner Lebensgefährtin einen Lottogewinn von insgesamt 956.333,10 €. 
Auf den der Antragstellerin am 31. Januar 2009 zugestellten Scheidungsantrag wurde die Ehe durch Verbundurteil vom 23. Oktober 2009 rechtskräftig geschieden, der Versorgungsausgleich geregelt und der Antragsgegner zur Unterhaltsleistung an die Antragstellerin bis März 2014 verpflichtet.

Im vorliegenden Verfahren verlangte die Antragstellerin Zugewinnausgleich in Höhe von insgesamt 242.500 € unter Berücksichtigung der Hälfte des auf den Antragsgegner entfallenden Anteils an dem Lottogewinn.

Das Amtsgericht hat den Lottogewinn bei der Berechnung des Endvermögens des Antragsgegners berücksichtigt und dem Antrag der Antragstellerin in vollem Umfang stattgegeben.

Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert, den Antragsgegner lediglich zur Zahlung von knapp 8.000 € verurteilt und den Antrag im Übrigen zurückgewiesen.

Der BGH hat auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin den Beschluss des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Entscheidung des Amtsgerichts wiederhergestellt.

Für den von der Antragstellerin geltend gemachten Anspruch auf Zugewinnausgleich war im vorliegenden Fall zum einen von Bedeutung, ob der vom Antragsgegner erzielte Lottogewinn als privilegiertes Anfangsvermögen entsprechend § 1374 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) bei der Berechnung des Zugewinns unberücksichtigt bleibt.

Der BGH hat im Anschluss an seine frühere Rechtsprechung entschieden, dass ein während der Zeit des Getrenntlebens von einem Ehepartner erzielter Lottogewinn nicht in entsprechender Anwendung des § 1374 Abs. 2 BGB als privilegierter Vermögenszuwachs angesehen werden kann, schon weil diesem Vermögenserwerb keine der Erbschaft oder Schenkung vergleichbare persönliche Beziehung zugrunde liegt.

Zum anderen musste der BGH klären, ob der Antragsgegner die Zahlung des Zugewinnausgleichs wegen grober Unbilligkeit gemäß § 1381 Abs. 1 BGB verweigern kann. 
Dies hat der BGH verneint. 
Allein eine längere Trennungszeit der Ehegatten im Zeitpunkt des Vermögenserwerbs begründet noch keine unbillige Härte der Ausgleichspflicht. 
Gleiches gilt für den Umstand, dass der durch den Lottogewinn erzielte Vermögenszuwachs keine innere Beziehung zur ehelichen Lebensgemeinschaft hat, weil das Recht des Zugewinnausgleichs, abgesehen von den in § 1374 Abs. 2 BGB genannten Ausnahmen, bewusst nicht nach der Art des Vermögenserwerbs unterscheidet. Auch eine Gesamtschau dieser beiden Umstände führt nicht zur Annahme einer groben Unbilligkeit, zumal die Ehe der Beteiligten bei der Trennung bereits 29 Jahre bestand und aus der Ehe drei Kinder hervorgegangen sind.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 16.10.2013 – Nr. 172/2013 – mitgeteilt.

 

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Mietrecht – Zur Anwendbarkeit des § 573a BGB bei einer mietvertraglichen Kündigungsbeschränkung.

Nach § 573 a S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) kann der Vermieter ein Mietverhältnis über eine Wohnung in einem von ihm selbst bewohnten Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen kündigen, ohne dass es eines berechtigten Interesses im Sinne des § 573 BGB bedarf.

Mit Urteil vom 16.10.2013 – VIII ZR 57/13 – hat der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) darauf hingewiesen, dass eine Kündigung des Vermieters nach dieser Vorschrift durch eine im Mietvertrag enthaltene Kündigungsbeschränkung ausgeschlossen ist und zwar auch dann, wenn er das Gebäude erworben hat und die Kündigungsbeschränkung mit seinem Rechtsvorgänger mietvertraglich vereinbart worden ist.
Gemäß § 566 Abs. 1 BGB tritt der Erwerber vermieteten Wohnraums nämlich anstelle des Vermieters in die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis ein. Dies gilt auch für die Kündigungsbeschränkung.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 16.10.2013 – Nr. 170/2013 – mitgeteilt.

 

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Zum Recht des Verkäufers, die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 3 BGB zu verweigern.

Verweigert der Verkäufer einer mangelhaften Sache die Nacherfüllung zu Unrecht mit der Begründung, dass keine Mängel vorhanden seien, so kann der Käufer den Anspruch auf Nacherfüllung aus § 437 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ), § 439 BGB klageweise geltend machen. 
Dies hat zur Folge, dass dem Verkäufer unter den Voraussetzungen des § 439 Abs. 3 BGB das Recht zusteht, gerade die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung wegen unverhältnismäßiger Kosten zu verweigern.

Mit Urteil vom 16.10.2013 – VIII ZR 273/12 – hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass

  • diese Einrede des Verkäufers nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil der Verkäufer zunächst jegliche Mängel des Fahrzeugs bestritten und aus diesem Grund die Nacherfüllung insgesamt verweigert hat und 
  • der Verkäufer in der Regel auch nicht daran gehindert ist, sich auf die Unverhältnismäßigkeit der Kosten der vom Käufer gewählten Art der Nacherfüllung erst im Rechtsstreit über den Nacherfüllungsanspruch zu berufen.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 16.10.2013 – Nr. 171/2013 – mitgeteilt.

 

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Arbeitsrecht – Arbeitnehmer darf Streikaufruf nicht über Intranet seines Arbeitgebers verbreiten.

Ein Arbeitnehmer ist nicht berechtigt, einen vom Arbeitgeber für dienstliche Zwecke zur Verfügung gestellten personenbezogenen E-Mail-Account (Vorname.Name@Arbeitgeber.de) für die betriebsinterne Verbreitung eines Streikaufrufs seiner Gewerkschaft an die Belegschaft zu nutzen.

Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Beschluss vom 15.10.2013 – 1 ABR 31/12 – entschieden.

In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall war der an dem Verfahren beteiligte Arbeitnehmer Betriebsratsvorsitzender und Mitglied von ver.di.
Nach einer Anordnung seiner Arbeitgeberin, die ein Krankenhaus mit 870 Beschäftigten betreibt, war die Nutzung ihres Intranets ausschließlich dienstlichen Zwecken vorbehalten.
Für den 13. April 2011 rief ver.di zu einem Warnstreik bei der Arbeitgeberin auf.
Diesen Aufruf leitete der Arbeitnehmer über das Intranet der Arbeitgeberin an alle Mitarbeiter weiter und rief die Beschäftigten auf, sich an dem Streik zu beteiligen. Er signierte die E-Mail mit den Worten: „Für die ver.di-Betriebsgruppe“ und fügte seinen Namen an.
Die Arbeitgeberin hat geltend gemacht, ihr stehe wegen der Verletzung des arbeitskampfrechtlichen Neutralitätsgebots aus § 74 Abs. 2 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ein Unterlassungsanspruch zu.
Der Arbeitnehmer hat sich darauf berufen, nicht als Betriebsratsvorsitzender, sondern als Mitglied der ver.di-Betriebsgruppe gehandelt zu haben. Die Arbeitgeberin habe zum Schutze seiner individuellen Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG) die Nutzung ihres Intranets für die Verbreitung des Streikaufrufs zu dulden.

Die Vorinstanzen haben dem Antrag der Arbeitgeberin entsprochen.

Die Rechtsbeschwerde des Arbeitnehmers blieb vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg.

Zwar ergibt sich entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts aus § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG kein Unterlassungsanspruch der Arbeitgeberin.
Dieser folgt jedoch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ). Danach kann der Eigentümer vom Störer die Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen seines Eigentums verlangen. Hierfür ist unerheblich, ob dem Arbeitnehmer der dienstlichen Zwecken vorbehaltene Intranetzugang in seiner Funktion als Amtsträger oder unabhängig davon zur Verfügung gestellt wurde.
Die Arbeitgeberin ist nicht verpflichtet, die Verbreitung von Streikaufrufen über ihr Intranet gemäß § 1004 Abs. 2 BGB zu dulden. Von ihr kann nicht verlangt werden, durch eigene Betriebsmittel die koalitionsspezifische Betätigung eines Arbeitnehmers in einem gegen sie gerichteten Arbeitskampf zu unterstützen.

Das hat die Pressestelle des Bundesarbeitsgerichts am 15.10.2013 – Nr. 62/13 – mitgeteilt.

 

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Familienrecht – Kann ein an einer Demenz vom Typ Alzheimer Erkrankter geschieden werden?

Ein an einer Demenz vom Typ Alzheimer Erkrankter kann geschieden werden, wenn

  • die Eheleute seit mehr als einem Jahr getrennt leben, 
  • der Erkrankte im Zusammenhang mit der Trennung einen natürlichen Willen zur Scheidung und Trennung gefasst hat und 
  • er die Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft abgelehnt hat. 

Der Scheidung steht dann nicht entgegen, dass der Erkrankte zum Schluss der mündlichen Verhandlung im familiengerichtlichen Verfahren aufgrund der fortgeschrittenen Erkrankung keinen Scheidungswillen mehr fassen kann.

Das hat der 3. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 16.08.2013 – 3 UF 43/13 – entschieden und damit die erstinstanzliche Entscheidung des zuständigen Amtsgerichts bestätigt.

In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall hatte der an einer Demenz vom Typ Alzheimer erkrankte, über 60 Jahre alte Antragsteller die ca. 20 Jahre jüngere Antragsgegnerin im Frühjahr des Jahres 2011 geheiratet. 
Ende des Jahres kam es nach rund achtmonatigem ehelichen Zusammenleben zur Trennung der Eheleute. 
Die in der Folgezeit für den Antragsteller bestellte Betreuerin reichte im Jahre 2012 einen Scheidungsantrag ein, dem die Antragsgegnerin mit der Begründung, dass der Antragsteller an der Ehe festhalten wolle, entgegengetreten ist.

Der 3. Senat für Familiensachen des OLG Hamm hat die vom Familiengericht ausgesprochene Scheidung bestätigt. 
Der Senat sei davon überzeugt, dass die Ehe gescheitert sei. Die Scheidung sei von dem durch seine Betreuerin vertretenen Antragsteller wirksam beantragt, der Antrag durch das zuständige Betreuungsgericht genehmigt worden. Aus Sicht des Antragstellers sei die Ehe zerrüttet, eine Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht zu erwarten. Nachdem die Eheleute länger als ein Jahr getrennt lebten, lägen die gesetzlichen Scheidungsvoraussetzungen vor, auch wenn die Antragsgegnerin an der Ehe festhalten wolle.
Dass sich der Antragsteller mit einer Trennungs- und Scheidungsabsicht von der Antragsgegnerin getrennt habe, habe die vom Familiengericht durchgeführte Beweisaufnahme ergeben. 
Bei einer im Frühjahr 2012 im Rahmen seines Betreuungsverfahren durchgeführten richterlichen Anhörung habe der Antragsteller seinen Willen zur Trennung und Scheidung klar geäußert und zu diesem Zeitpunkt trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen noch wirksam äußern können. 
Das habe eine fachärztliche Stellungnahme bestätigt. 
Im Zeitpunkt seiner Anhörung im familiengerichtlichen Verfahren sei die Erkrankung zwar schon so weit fortgeschritten, dass der Antragsteller die Bedeutung der Ehe und die einer Scheidung nicht mehr habe erfassen können. Das verbiete jedoch nicht die Scheidung, nachdem sich der Antragsteller aufgrund des Fortschritts seiner Erkrankung bereits in einem Zustand äußerster Eheferne befinde und sein zuvor gefasster Scheidungswille sicher feststellbar sei.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 14.10.2013 mitgeteilt.

 

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Arzthaftung – Zur Aufklärungspflicht des Patienten vor Durchführung einer Darmspiegelung.

Vor Durchführung einer Koloskopie (Darmspiegelung) muss der Arzt über das Risiko einer Darmperforation aufklären.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm mit Urteil vom 03.09.2013 – 26 U 85/12 – entschieden und einem Kläger, der über dieses Risiko nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden ist und in Folge einer Koloskopie eine Darmperforation mit schwerwiegenden Folgen erlitten hat, Schadensersatz zugesprochen.

In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall führte der beklagte Facharzt für Chirurgie bei dem Kläger, nachdem sich dieser wegen Blutungen im Stuhlgang beim ihm vorgestellt hatte, eine Koloskopie mit Polypenabtragung durch. In Folge dieses Eingriffs kam es zu einer Darmperforation, die wenige Tage später notfallmäßig operiert werden musste. Der Kläger erlitt eine Bauchfellentzündung, musste sich weiteren Operationen unterziehen und über Monate intensiv-medizinisch behandelt werden.
U.a. mit der Begründung, er sei über das Risiko einer Koloskopie und über Behandlungsalternativen nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden, hat er vom Beklagten Schadensersatz verlangt.

Der 26. Zivilsenat des OLG Hamm hat – nach Anhörung eines Sachverständigen – entschieden, dass eine im Rahmen einer Koloskopie auftretende Darmperforation zwar eine seltene Komplikation sei, die, wenn sie eintrete, jedoch überwiegend eine Bauchhöhlenentzündung zur Folge habe, die lebensbedrohlich sein könne und operativ behandelt werden müsse. Deswegen sei über das Risiko einer Perforation aufzuklären.

Vorliegend hafte der Beklagte, weil davon auszugehen sei, dass er den Kläger ohne ausreichende Aufklärung behandelt habe.
Der Inhalt der vom Kläger unterzeichneten Einverständniserklärung lasse nicht auf eine ausreichende Risikoaufklärung schließen. Nach dem vorgedruckten Teil der Erklärung sei u.a. auf „die mit dem Eingriff verbundenen unvermeidbaren nachteiligen Folgen, mögliche Risiken und Komplikationsgefahren“ hingewiesen worden.
Diese allgemein gehaltene Erklärung sei weithin inhaltslos und wirke mit dem Hinweis auf „unvermeidbare nachteilige Folgen“ verharmlosend.
Ihr sei nicht zu entnehmen, dass die Erklärung vom Patienten gelesen, von ihm verstanden oder mit ihm erörtert worden sei.
Ausgehändigte und vom Patienten unterzeichnete Formulare und Merkblätter ersetzten nicht das erforderliche Aufklärungsgespräch.
Zudem ließen sie nicht erkennen, dass ein Patient über ein in der Erklärung nicht ausdrücklich erwähntes Risiko informiert worden sei.
Eine hinreichende Aufklärung des Klägers sei auch mit der Aussage der Arzthelferin des Beklagten nicht bewiesen worden.
Von einer mutmaßlichen Einwilligung des Klägers sei ebenfalls nicht auszugehen. Der Kläger habe plausible Gründe dafür vorgetragen, dass er sich die Sache im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärung noch einmal überlegt, mit einem anderen Arzt oder Verwandten besprochen oder auch eine andere Klinik aufgesucht hätte.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm mitgeteilt.

 

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Kauf einer Photovoltaikanlage – Zur Verjährung von Mängelgewährleistungsansprüchen.

Kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche aus der Lieferung mangelhafter Teile einer Photovoltaikanlage verjähren gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) in zwei und nicht gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BGB in fünf Jahren.

Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 09.10.2013 – VIII ZR 318/12 – entschieden

In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall hatte die Klägerin von der Beklagten im April 2004 die Komponenten einer Photovoltaikanlage gekauft.
Die Beklagte lieferte diese auf Anweisung der Klägerin im April 2004 direkt an einen Landwirt aus, der sie seinerseits von der Klägerin gekauft hatte. Er montierte die Komponenten auf dem Dach seiner Scheune und nahm die Anlage zunächst störungsfrei in Betrieb.
Im Winter 2005/2006 traten infolge von Blitzschlag und hoher Schneelast Störungen an der Anlage auf, die der Landwirt seiner Gebäudeversicherung meldete. Deren Sachverständiger stellte an einigen Photovoltaik-Modulen Sachmängel (sogenannte „Delaminationen“) fest, worüber die Klägerin die Beklagte im August 2006 informierte.
Die Beklagte wies die Mängel zurück.
Im Rahmen eines von dem Landwirt gegenüber der Klägerin eingeleiteten selbständigen Beweisverfahrens, in dem die Klägerin der Beklagten im August 2007 den Streit verkündete, wurde ein weiterer Mangel (lückenhafte Frontkontaktierungen) festgestellt, wegen dem die Klägerin in einem anschließenden Prozess gegenüber dem Landwirt zum Schadensersatz verurteilt wurde.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten die Freistellung von dieser Schadensersatzverpflichtung.
Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die vom Bundesgerichtshof zugelassene Revision der Beklagten hatte Erfolg.

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die geltend gemachten Ansprüche nicht in fünf Jahren (§ 438 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BGB ), sondern in zwei Jahren (§ 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB ) verjähren und damit die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede durchgreift.
Die gelieferten Einzelteile der Photovoltaikanlage wurden nicht entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet.
Die auf dem Dach der Scheune errichtete Photovoltaikanlage ist selbst kein Bauwerk im Sinne des Gesetzes. Bauwerk ist allein die Scheune, auf deren Dach die Anlage montiert wurde. Für die Scheune sind die Solarmodule jedoch nicht verwendet worden. Sie waren weder Gegenstand von Erneuerungs- oder Umbauarbeiten an der Scheune, noch sind sie für deren Konstruktion, Bestand, Erhaltung oder Benutzbarkeit von Bedeutung. Vielmehr dient die Anlage eigenen Zwecken; denn sie soll Strom erzeugen und dem Käufer dadurch eine zusätzliche Einnahmequelle (Einspeisevergütung) verschaffen.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 09.10.2013 – Nr. 168/2013 – mitgeteilt.

 

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Zur Unwirksamkeit eines Haftungsausschlusses in Versteigerungsbedingungen eines Auktionshauses.

Der u. a. für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Urteil vom 09.10.2013 – VIII ZR 224/12 – entschieden, dass der in Ziffer 7 der nachfolgenden Versteigerungsbedingungen eines Auktionshauses enthaltene Gewährleistungsausschluss unwirksam ist.

In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall war Beklagter ein öffentlich bestellter und vereidigter Auktionator, der bei einer von ihm veranstalteten Kunstauktion eine bei ihm eingelieferte Buddha-Skulptur angeboten hatte.
Diese war im Auktionskatalog wie folgt beschrieben:
„Sitzender Buddha, Dhyan Asana, […] China, Sui-Dynastie, 581-681[…] Museal! 3.800,00 €“.

Die Versteigerungsbedingungen des Beklagten enthielten unter anderem folgende Bestimmungen:
„[…]

7. Gewährleistung, Haftung

a) Der Käufer kann gegen das Auktionshaus keine Einwendungen oder Ansprüche wegen Sachmängeln erheben. […]

b) Die Haftung des Auktionshauses auf Schadensersatz für Vermögensschäden, gleich aus welchem Rechtsgrund, ist ausgeschlossen, es sei denn, dem Auktionshaus fiele Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last…“

Die Skulptur wurde dem Kläger für 20.295 € zugeschlagen.
Er ließ sie später wegen aufgekommener Zweifel an der Echtheit von einem Privatsachverständigen mit dem Ergebnis untersuchen, dass die erhobenen Befunde gegen die Authentizität des Objekts sprächen.

Nachdem der Kläger den Einlieferer erfolglos auf Kaufpreisrückzahlung in Anspruch genommen hatte, erklärte er gegenüber dem Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Er beansprucht die Erstattung des gezahlten Kaufpreises und der angefallenen Gutachterkosten nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe der Skulptur.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht der Klage im Wesentlichen stattgegeben.

Die Revision des Beklagten hatte (nur) wegen eines Verfahrensfehlers des Oberlandesgerichts bei der von ihm angenommenen Unechtheit der Skulptur Erfolg.
Zur weiteren Aufklärung der Echtheit der Skulptur hat der BGH den Rechtsstreit deshalb an das Oberlandesgericht zurückverwiesen und dabei auf Folgendes hingewiesen:

Eine auf einer Kunstauktion angebotene Skulptur, die im Auktionskatalog wie vorstehend wiedergegeben beschrieben worden ist, ist mangelhaft, wenn es sich nicht um ein aus der angegebenen Stilepoche stammendes Original, sondern um eine neuzeitliche Fälschung handelt.

Ein aus der hier zu unterstellenden Unechtheit der Skulptur folgendes Rücktrittsrecht ist nicht durch Ziffer 7 der Versteigerungsbedingungen ausgeschlossen. Der dort geregelte Gewährleistungsausschluss verstößt gegen § 309 Nr. 7 Buchst. a BGB, wonach in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB ) ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders beruhen, unwirksam sind.
Denn der Gewährleistungsausschluss bezieht bereits nach seinem Wortlaut auch solche Ansprüche des Käufers gegen den Versteigerer aus Mängeln der ersteigerten Gegenstände unzulässig in seinen Geltungsbereich ein.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 09.10.2013 – Nr. 166/2013 – mitgeteilt.

 

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Streit um Swap-Geschäfte – Banken sind auch einer Kommune gegenüber zu objektgerechter Beratung verpflichtet.

Im Falle sogenannter Swap-Geschäfte (Zinswetten) muss die Bank insbesondere darüber aufklären, dass das Verlustrisiko der Kommune höher als das der Bank eingeschätzt wird.

Das hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf mit Urteil vom 07.10.2013 – I-9 U 101/12 – entschieden und damit ein Urteil des Landgerichts bestätigt, das festgestellt hatte, dass die Stadt keine weiteren Zahlungen auf Swap-Geschäfte erbringen muss, welche sie 2007 und 2008 mit der Bank abgeschlossen hatte.

Der Senat bemängelte, die Bank habe nicht offengelegt, dass nach den finanzmathematischen Simulationsmodellen zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses ein Verlust zu Lasten der Stadt als wahrscheinlicher galt.
Nur dieser Umstand habe das Geschäft für die Bank überhaupt wirtschaftlich attraktiv gemacht und es ihr ermöglicht, die eigenen, somit besser eingeschätzten Chancen und Risiken alsbald gewinnbringend an andere Marktteilnehmer weiterzugeben.
Die Bank habe sich folglich in einem gravierenden Interessengegensatz zu ihrem eigenen Kunden befunden und sei verpflichtet gewesen, die Stadt auf den für diese negativen Marktwert des Geschäftes hinzuweisen.

Die Grundsätze, die der Bundesgerichtshof (BGH) zur Beratungs- und Aufklärungspflicht bei Swap-Geschäften aufgestellt habe, seien dabei uneingeschränkt auch auf Geschäfte mit Kommunen anwendbar, so das Oberlandesgericht.
Städte und Gemeinden seien nicht weniger schutzbedürftig als mittelständische Unternehmen. Vertiefte Kenntnisse der Funktionsweise und Bewertung von Swap-Geschäften könnten auch bei ihnen nicht vorausgesetzt werden.

Das hat der Pressedezernent des Oberlandesgerichts Düsseldorf am 07.10.203 – Nr. 24/2013 – mitgeteilt.

 

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