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Verkehrsrecht – Sorgfaltspflichten beim Vorbeifahren an einem mit eingeschalteter Warnblinkanlage an einer Haltstelle stehenden Schulbus.

§ 20 Abs. 4 Straßenverkehrsordnung (StVO) lautet:

An Omnibussen des Linienverkehrs und an gekennzeichneten Schulbussen, die an Haltestellen (Zeichen 224) halten und Warnblinklicht eingeschaltet haben, darf nur mit Schrittgeschwindigkeit und nur in einem solchen Abstand vorbeigefahren werden, dass eine Gefährdung von Fahrgästen ausgeschlossen ist. Die Schrittgeschwindigkeit gilt auch für den Gegenverkehr auf derselben Fahrbahn. Die Fahrgäste dürfen auch nicht behindert werden. Wenn nötig, muss, wer ein Fahrzeug führt, warten.

Diese Vorschrift will alle Fahrgäste schützen, gleich aus welcher Richtung sie über die Straße zum Bus laufen, auch die, die von der – von dem sich Annähernden aus gesehen – linken Straßenseite über die Straße zum Bus laufen. Der sich Annähernde, der voreifahren will, ist damit verpflichtet, bei Annäherung an den mit eingeschalteter Warnblinkanlage in der Haltebucht stehenden Bus auch die Gegenfahrbahn zu beobachten, um rechtzeitig auf einen querenden Fußgänger reagieren zu können. Er muss in der Situation, dass ein Bus mit eingeschalteter Warnblinkleuchte an einer Haltebucht steht, mit Personen rechnen, die den Bus noch erreichen wollen und deshalb den direkten Weg über die Straße wählen. Er kann nicht darauf vertrauen, dass die Fahrgäste eine Fußgängerfurt in der Nähe benutzen werden.

§ 20 Abs. 4 StVO schützt gerade auch unachtsame Fußgänger, die wegen des wartenden Busses nicht auf den Verkehr achten. Ein Kfz-Fahrer muss, alarmiert durch die eingeschaltete Warnblinkanlage, sein Augenmerk besonders auf querende Fußgänger richten, gerade morgens, wenn Schüler zum Schulbus laufen.

Gehalten seine Geschwindigkeit herabzusetzen ist ein Kraftfahrer nicht erst bei Ansichtigwerden eines Fußgängers. § 20 Abs. 4 StVO erfordert bereits beim Vorbeifahren an einem Bus mit eingeschalteten Warnblinkleuchten ein Herabsetzen der Geschwindigkeit auf 4-7 km/h.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz mit Urteil vom 12.08.2013 – 12 U 806/11 – hingewiesen.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Betreuungsrecht – Zur Ungeeignetheit eines Vorsorgebevollmächtigten aufgrund störendem eigenmächtigen Verhaltens Dritter.

Eine Betreuung ist gemäß § 1896 Abs. 2 S. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) nicht erforderlich ist, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. Aufgrund dieser Vorschrift ist die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung grundsätzlich nachrangig zu einer wirksam erteilten Vorsorgevollmacht.

Eine Vorsorgevollmacht steht der Bestellung eines Betreuers jedoch dann nicht entgegen, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, insbesondere weil zu befürchten ist, dass die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch jenen eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründen.
Auch wenn die Redlichkeit des Vorsorgebevollmächtigten außer Zweifel steht, erfordert der Vorrang des Bevollmächtigten gegenüber der Anordnung einer Betreuung seine objektive Eignung, zum Wohl des Betroffenen zu handeln.

Hieran fehlt es, wenn der Bevollmächtigte wegen eines eigenmächtigen und störenden Verhaltens eines Dritten nicht in der Lage ist, zum Wohle des Betroffenen zu handeln, so dass in einem solchen Fall die Anordnung einer Betreuung erforderlich bleibt.

Dass danach ein redlicher Bevollmächtigter durch das eigenmächtige Verhalten eines Dritten aus der Vorsorgevollmacht gedrängt werden könnte ist nicht zwingend. Vielmehr sind auch Fallkonstellationen vorstellbar, in denen der Vorsorgebevollmächtigte etwa aufgrund seiner Persönlichkeit bzw. der ihm erteilten Vollmachten durchaus in der Lage ist, ein die Ausübung der Vorsorgevollmacht störendes eigenmächtiges Verhalten eines anderen zu unterbinden.
Maßgebend muss im Ergebnis immer das Wohl des Betroffenen bleiben. Dabei ist schließlich auch zu beachten, dass nicht etwa der sich eigenmächtig verhaltende Dritte im Ergebnis von seinem störenden Verhalten profitiert. Denn die Konsequenz ist nicht, dass er zum Betreuer bestellt wird. Vielmehr ist ein unbeteiligter Dritter als Betreuer zu bestellen, der im Zweifel besser dazu in der Lage ist, das störende Verhalten zu unterbinden.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 07.08.2013 – XII ZB 671/12 – hingewiesen.

 

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Strafrecht – Zum immateriellen Schadensersatz wegen nachträglich verlängerter Sicherungsverwahrung.

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Urteil vom 19.09.2013 – III ZR 405 bis 408/12 – auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass das Land Baden-Württemberg vier Straftätern Schadensersatz wegen nachträglich verlängerter Sicherungsverwahrung zahlen muss.

In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall waren die Kläger zwischen 1977 und 1986 durch Urteile baden-württembergischer Landgerichte zu langjährigen Freiheitsstrafen (von fünf bis fünfzehn Jahren) verurteilt worden.
Den Verurteilungen lagen jeweils schwere Straftaten zugrunde, insbesondere solche gegen die sexuelle Selbstbestimmung. In allen Fällen hatte das Gericht anschließende Sicherungsverwahrung angeordnet. Diese wurde nach Verbüßung der Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt Freiburg vollzogen.

Nach der im Zeitpunkt der Verurteilung der Kläger geltenden Fassung des § 67d Abs. 1, Abs. 3 Strafgesetzbuch (StGB ) durfte die Dauer der erstmaligen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zehn Jahre nicht übersteigen; nach Ablauf dieser Höchstfrist war der Untergebrachte zu entlassen.
Durch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.01.1998 (BGBl. I S. 160) wurde diese Regelung geändert. Die Höchstfrist von zehn Jahren entfiel; § 67d Abs. 3 StGB bestimmte nunmehr, dass nach Ablauf von zehn Jahren das Gericht die Sicherungsverwahrung für erledigt erklärt, „wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Hanges erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden“.
Diese Bestimmung galt auch für Altfälle, d.h. für Straftäter, die ihre Tat vor Verkündung und Inkrafttreten des Gesetzes begangen hatten und vor diesem Zeitpunkt verurteilt worden waren.

Aufgrund der Gesetzesänderung wurden die Kläger nicht nach Ablauf der Zehn-Jahresfrist aus der Sicherungsverwahrung entlassen. Vielmehr ordnete das Landgericht Freiburg (Strafvollstreckungskammer) – jeweils auf der Grundlage eingeholter Gutachten von Sachverständigen – in Abständen von zwei Jahren, zuletzt mit Beschlüssen im Dezember 2009 und August 2010 an, dass die Sicherungsverwahrung fortzudauern habe, da von den Klägern weiterhin ein Risiko ausgehe.

Auf die jeweiligen sofortigen Beschwerden der Kläger hob das Oberlandesgericht Karlsruhe im Juli, September bzw. Oktober 2010 die angefochtenen Entscheidungen auf und stellte die Erledigung der Sicherungsverwahrung fest.
Die Kläger wurden jeweils noch am gleichen Tag aus der Sicherungsverwahrung entlassen.
Das Oberlandesgericht stützte seine Entscheidungen maßgeblich auf das im Rahmen eines Individualbeschwerdeverfahrens eines anderen sicherungsverwahrten Straftäters ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) – V. Sektion – vom 17.12.2009 – Beschwerde-Nr. 19359/04 –, wonach die Änderung des § 67d Abs. 3 StGB mit Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) nicht vereinbar sei. Diese Entscheidung ist seit dem 10.05.2010 endgültig, nachdem ein Ausschuss der Großen Kammer den Antrag der Bundesregierung auf Verweisung an die Große Kammer nach Art. 43 Abs. 2 EMRK abgelehnt hat (Art. 44 Abs. 2 Buchst. c EMRK).

Mit Urteil vom 04.05.2011 – 2 BvR 2365/09 – erklärte das Bundesverfassungsgericht die gesetzlichen Regelungen zur nachträglichen Verlängerung der Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig.

Die Kläger haben das beklagte Land auf Ersatz ihres immateriellen Schadens für die auch nach Ablauf der Zehn-Jahresfrist weiter vollzogene Sicherungsverwahrung in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat den Klägern – unter Abweisung der weiter gehenden Klagen – entsprechend der jeweiligen Dauer der nachträglich verlängerten Sicherungsverwahrung Entschädigungen in Höhe zwischen 49.000 € und 73.000 € nach Art. 5 Abs. 5 EMRK zuerkannt.
Die Berufung des beklagten Landes ist in allen Fällen erfolglos geblieben.

Der Bundesgerichtshof hat die Berufungsurteile bestätigt.
Danach mussten die Vorinstanzen, nach Maßgabe der in den Entscheidungen des EGMR vom 17.12.2009 und des Bundesverfassungsgerichts vom 04.05.2011 aufgestellten Rechtsgrundsätze mussten die Vorinstanzen davon ausgehen, dass die nachträgliche Verlängerung der Sicherungsverwahrung auch im Fall der Kläger rechtswidrig war und diesen ein Anspruch auf Schadensersatz zusteht.
Denn Art. 5 Abs. 5 EMRK gewährt dem Betroffenen einen unmittelbaren Schadensersatzanspruch wegen rechtswidriger Freiheitsbeschränkungen durch die öffentliche Hand, der vom Verschulden der handelnden Amtsträger unabhängig ist und auch den Ersatz immateriellen Schadens umfasst.
Deshalb spielte es keine Rolle, dass die mit der Verlängerung der Sicherungsverwahrung befassten Amtsträger keinerlei Schuldvorwurf trifft, da sie entsprechend dem klaren und eindeutigen Wortlaut der maßgeblichen Vorschriften des Strafgesetzbuchs und im Einklang mit der vormaligen höchstrichterlichen Rechtsprechung – das Bundesverfassungsgericht hatte die Anwendung der streitgegenständlichen Regelungen mit Urteil vom 05.02.2004 in Übereinstimmung mit der fachgerichtlichen Rechtsprechung zunächst als rechtmäßig beurteilt – gehandelt haben.

Der Bundesgerichtshof ist der Argumentation des Beklagten nicht gefolgt, eine etwaige nach Art. 5 Abs. 5 EMRK zu leistende Entschädigung sei (nur) von der Bundesrepublik Deutschland, aber nicht vom Land Baden-Württemberg geschuldet, da die Strafgerichte des Landes aufgrund der objektiven, vom Bundesgesetzgeber durch das Gesetz vom 26.01.1998 geschaffenen Normenlage gar keine andere Wahl gehabt hätten, als die Fortsetzung der Sicherungsverwahrung auch nach Ablauf der früheren Höchstfrist anzuordnen. Denn im Rahmen der innerstaatlichen Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs nach Art. 5 Abs. 5 EMRK ist der Hoheitsträger verantwortlich, dessen Hoheitsgewalt bei der rechtswidrigen Freiheitsentziehung ausgeübt wurde.
Der unmittelbare Eingriff in das Freiheitsrecht der Kläger ist hier jedoch durch die Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Freiburg und deren anschließenden Vollzug in der Justizvollzugsanstalt Freiburg erfolgt.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs a, 19.09.2013 – Nr. 153/2013 – mitgeteilt.

 

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Magnetschmuck darf in Apotheken nicht verkauft werden.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig hat mit Urteil vom 19.09.2013 – 3 C 15.12 – entschieden, dass Magnetschmuck, also mit Magneten versehene Schmuckstücke, nicht zu den apothekenüblichen Waren gehört und deshalb in Apotheken nicht angeboten und verkauft werden darf.

In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall wandte sich der Kläger, selbstständiger Apotheker, gegen eine Ordnungsverfügung, mit der ihm die beklagte Stadt den weiteren Verkauf von Magnetschmuck aus seiner Apotheke untersagt hatte.
Zur Begründung hatte die Beklagte darauf abgestellt, dass in Apotheken außer Arzneimitteln und Medizinprodukten (z.B. ärztliche Instrumente, Verbandstoffe, Stützstrümpfe, Gehhilfen, Kontaktlinsen u.ä.) nur die in der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) als apothekenüblich bezeichneten Waren in den Verkehr gebracht werden dürften; Magnetschmuck zähle nicht dazu.
Die hiergegen gerichtete Klage blieb in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg.

Das BVerwG hat auch die Revision des Klägers zurückgewiesen.
Danach hat die Beklagte den Verkauf von Magnetschmuck zu Recht untersagt, weil das Produkt nicht zum zulässigen Warensortiment einer Apotheke gehört. Es ist weder Arzneimittel noch Medizinprodukt und erfüllt auch nicht die Voraussetzung einer apothekenüblichen Ware.
Als apothekenüblich bestimmt die Apothekenbetriebsordnung u.a. „Gegenstände, die der Gesundheit von Menschen unmittelbar dienen oder diese fördern“ (§ 1a Abs. 10 Nr. 2 ApBetrO 2012). Das Produkt muss objektiv geeignet sein, die menschliche Gesundheit positiv zu beeinflussen. Das ist der Fall, wenn es zur Erhaltung oder Verbesserung des Gesundheitszustandes beitragen kann. Ob einem Produkt ein solcher Gesundheitsbezug beigemessen werden kann, beurteilt sich nach der Verkehrsauffassung am Maßstab eines verständigen Verbrauchers.
Gemessen hieran ist Magnetschmuck keine apothekenübliche Ware. Nach den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen lässt sich die behauptete positive Wirkung auf die menschliche Gesundheit nicht nachvollziehen. Danach gibt es keine wissenschaftlich tragfähige Erklärung oder belastbare, aussagekräftige Erkenntnisse, die jenseits eines Placebo-Effekts eine Wirksamkeit von Magnetschmuck belegen könnten.
Die Untersagungsanordnung verletzt den Kläger auch nicht in seiner Berufsausübungsfreiheit. Die Begrenzung des in Apotheken neben Arzneimitteln und Medizinprodukten zulässigen Warensortiments auf apothekenübliche Waren ist durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt und verhältnismäßig. Die Beschränkung bezweckt mit Blick auf den Vorrang des Arzneimittelversorgungsauftrags der Apotheke, eine Entwicklung der Apotheken zum „drugstore“ zu verhindern, und schützt zudem das Vertrauen der Kunden, in der Apotheke Erzeugnisse mit einem tatsächlichen gesundheitlichen Nutzen zu erhalten.

Das hat die Pressestelle des Bundesverwaltungsgerichts am 19.09.2013 – Nr. 68/2013 – mitgeteilt.

 

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Zivilprozess – Zur Beweiswürdigung zum Abschluss eines für den Erwerber in der Zwangsversteigerung nachteiligen Mietvertrages unter nahen Angehörigen.

In einem Urteil vom 18.09.2014 – VIII ZR 297/12 – hat der Bundesgerichtshof (BGH) sich mit den Anforderungen an den Nachweis eines behaupteten Mietvertrages befasst, der dem Ersteigerer einer Wohnung von einem Angehörigen des ehemaligen Eigentümers entgegen gehalten wird.

In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall hatten die Kläger im Dezember 2009 eine Wohnung in der Zwangsversteigerung erworben und von der Beklagten Herausgabe sowie Zahlung von Nutzungsentschädigung verlangt.
Die Beklagte behauptete, sie habe im Jahre 2003 mit ihrem Vater und ihrem Bruder als den damaligen Eigentümern der Wohnung einen Mietvertrag abgeschlossen, mit dem ihr gegen Übernahme der Betriebskosten und einer eventuellen Pflege des Vaters ein lebenslanges Nutzungsrecht eingeräumt worden sei. Zum Beleg hatte sie im Prozess eine Kopie des angeblichen Mietvertrages vorgelegt.

Mit Schreiben vom 14.01.2010 forderten die Kläger die Beklagte auf, ab 19.12.2009 eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 864 € sowie Vorauszahlungen auf die Betriebskosten in Höhe von 136 € monatlich zu zahlen.
Bis Juni 2010 leistete die Beklagte keinerlei Zahlungen.
Die Kläger kündigten das von ihnen als Scheingeschäft angesehene Mietverhältnis vorsorglich wegen Zahlungsverzugs fristlos.
Die Beklagte glich in der Folgezeit lediglich die bis Ende Juni 2011 geforderten Betriebskosten aus.

Die Kläger haben Räumung der Wohnung sowie Zahlung von Nutzungsentschädigung in Höhe von 17.477 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten begehrt.

Das Amtsgericht hat die Klage nach Einholung eines Schriftsachverständigengutachtens abgewiesen.
Das Landgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Zwar habe sich das Amtsgericht nicht mit der Behauptung der Kläger auseinandergesetzt, die vorgelegte Urkunde sei lediglich „nachgeschoben“ und erst nach dem Tod des Vaters erstellt. Auch sei es auffällig, dass die Beklagte trotz der Aufforderung durch die Kläger nicht habe erklären können, wann, wo und unter welchen Umständen die Kopie des Nutzungsvertrags erstellt worden sei. Letztlich komme es darauf aber nicht an, weil der als Zeuge vernommene Bruder der Beklagten jedenfalls einen mündlichen Vertragsschluss bestätigt habe.
Da die Kläger mit dem Erwerb der Wohnung in diesen Vertrag eingetreten seien, schulde die Beklagte abgesehen von der Übernahme der Betriebskosten keine Nutzungsentschädigung.

Die vom Bundesgerichtshof zugelassene Revision der Kläger hatte Erfolg.

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Feststellungen des Berufungsgerichts zu dem Zustandekommen und dem Inhalt eines mündlichen Mietvertrages von Rechtsfehlern beeinflusst sind, weil es die Widersprüche zwischen den Angaben des Zeugen und den aus der Vertragskopie ersichtlichen Bestimmungen des Mietvertrags außer Acht gelassen hat. Zudem hätte sich das Berufungsgericht auch bei der Frage, ob ein mündlicher Vertrag abgeschlossen wurde, mit dem Vorbringen der Kläger auseinandersetzen müssen, der Mietvertrag sei von der Beklagten nur fingiert worden, um sich oder der Familie den Besitz der Wohnung ungeachtet der Zwangsversteigerung weiter zu erhalten.

Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil daher aufgehoben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 18.09.2013 – Nr. 151/2013 – mitgeteilt.

 

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Strafrecht – Bundesgerichtshof (BGH) entscheidet über Strafbarkeit wegen Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport

Der Bundesgerichthof (BGH) hat mit Urteilen jeweils vom 18.09.2013 – 2 StR 535/12 – und – 2 StR 365/12 – in zwei Fällen über die Revisionen zweier Angeklagter gegen ihre Verurteilung wegen Vertriebs von Anabolika an Bodybuilder und Kraftsportler entschieden.

Im ersten Fall (2 StR 535/12) hatte der Angeklagte von Bulgarien aus nach Bestellungen im Internet Ampullen und Tabletten gegen Vorkasse an Besteller in Deutschland verschickt. Diese Präparate enthielten zum Teil die der Aufmachung entsprechenden anabol-androgenen Steroide, zum Teil andere, zum Teil aber auch gar keine Wirkstoffe (sogenannte Placebos). Die Sendungen wurden jeweils am inländischen Zielflughafen von der Zollbehörde sichergestellt.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Inverkehrbringens falsch gekennzeichneter Arzneimittel gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 3a i.V.m. § 8a des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (AMG) verurteilt, soweit die Ampullen oder Tabletten keinen Wirkstoff enthielten. Im Übrigen hat es vor allem Taten des Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 2a i.V.m. § 6a AMG angenommen.
Der Bundesgerichtshof hat die Einordnung der wirkstofflosen Ampullen und Tabletten (Placebos) als Arzneimittel nicht beanstandet. Er hat das Urteil aufgehoben, weil das Inverkehrbringen nicht vollendet war, da die Arzneimittel nicht in den Zugriffsbereich der Besteller gelangt waren. Insoweit komme nach den bisherigen Feststellungen nur ein versuchtes Vergehen in Betracht.

Im zweiten Fall (2 StR 365/12) hatte ein internationales Unternehmen aufgrund von Internetwerbung im Tatzeitraum unter anderem Anabolika an über 100.000 Besteller in mehreren Kontinenten vertrieben und dabei einen Umsatz von mehr als 8,5 Millionen Euro erzielt. Der Angeklagte war in leitender Position im Vertriebsbereich des Unternehmens beteiligt.

Das Landgericht hat ihm den organisierten Vertrieb der Anabolika als einheitliche Tat des Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport zugerechnet.

Der Bundesgerichtshof hat seine Revision verworfen.

Die Verwendung von Anabolika zur Leistungssteigerung beim Bodybuilding sei auch als Doping im Sport anzusehen. Der Bundesgerichtshof hat die Bezugnahme in § 6a Abs. 2 Satz 1 AMG auf den zur Tatzeit geltenden Anhang des Übereinkommens gegen Doping vom 16.11.1989, in dem die verbotenen Wirkstoffe aufgeführt sind, gebilligt und sieht darin keinen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz (GG).

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 18.09.2013 – Nr. 152/2013 mitgeteilt.

 

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Bundesgerichtshof (BGH) entscheidet erneut zu Schadensersatzklagen von Lehman-Anlegern

Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich in einem Urteil vom 17.09.2013 – XI ZR 332/12 – erneut mit der Schadensersatzklage eines Anlegers im Zusammenhang mit dem Erwerb von Zertifikaten der niederländischen Tochtergesellschaft der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers Holdings Inc. befasst.

In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall hatte der Kläger im Dezember 2007 von der beklagten Bank für einen Anlagebetrag in Höhe von 102.000 € 100 Stück „Bonus Express Defensiv Zertifikate II“ zum Nennwert von je 1.000 € zuzüglich eines Ausgabeaufschlags von 2% erworben.
Hierbei handelte es sich um Inhaberschuldverschreibungen der niederländischen Lehman Brothers Treasury Co. B.V., deren Rückzahlung von der US-amerikanischen Lehman Brothers Holdings Inc. garantiert wurde. Zeitpunkt und Höhe der Rückzahlung der Zertifikate sowie mögliche Bonuszahlungen an die Anleger sollten nach näherer Maßgabe der Zertifikatbedingungen von der Wertentwicklung des Dow Jones EuroSTOXX 50 Index abhängig sein, mit denen das Zertifikat unterlegt war.
Die Beklagte erwarb die Zertifikate von der Emittentin zum Stückpreis von 972,50 €; ob sie den Kläger in dem Beratungsgespräch über diesen – von ihr vereinnahmten – Einkaufsrabatt von 27,50 € je Zertifikat aufgeklärt hat, ist zwischen den Parteien streitig.
Daneben erhielt sie den Ausgabeaufschlag, worauf in der vom Kläger unterschriebenen Kauforder hingewiesen wurde.

Mit der Insolvenz der Emittentin (Lehman Brothers Treasury Co. B.V.) und der Garantin (Lehman Brothers Holdings Inc.) im September 2008 wurden die erworbenen Zertifikate weitgehend wertlos.

Die im Wesentlichen auf Rückzahlung des Anlagebetrages gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg.
Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hat der Bundesgerichtshof zurückgewiesen.

Für den Fall eines Festpreisgeschäfts hat der XI. Zivilsenat durch seine Urteile vom 27.09.2011 – XI ZR 178/10 – und XI ZR 182/10 – und vom 26.06.2012 – XI ZR 316/11 – entschieden, dass die beratende Bank den Kunden auf der Grundlage der insoweit gebotenen typisierenden Betrachtungsweise weder über ihre Gewinnmarge noch darüber aufklären muss, dass der Zertifikaterwerb im Wege eines Eigengeschäfts (Kaufvertrag) erfolgt.
An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.
Daran hat sich auch durch die zum 01.11.2007 in Kraft getretene und damit für den vorliegenden Fall maßgebliche Neufassung der §§ 31 ff. des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG) vom 16.07.2007 (BGBl. I S. 1330) nichts geändert. Durch dieses Gesetz wurden die Richtlinien 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 (Finanzmarktrichtlinie) und 2006/73/EG der Kommission vom 10. August 2006 (Durchführungsrichtlinie) in nationales Recht umgesetzt, die jedoch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 30. Mai 2013 – C-604/11, ZIP 2013, 1417) bei Verstößen gegen die gemäß diesen Richtlinien erlassenen Vorschriften lediglich Verwaltungsmaßnahmen oder Verwaltungssanktionen gegen die verantwortlichen Personen fordern, die Festlegung etwaiger vertraglicher Folgen aber den innerstaatlichen Rechtsordnungen überlassen.
Ob die Richtlinien oder §§ 31 ff. WpHG, insbesondere § 31d WpHG, den Banken in aufsichtsrechtlicher Hinsicht eine Pflicht zur Offenlegung von Gewinnmargen oder Einkaufsrabatten auferlegen, hat der Senat offengelassen. Denn dies würde auch unter Beachtung der europarechtlich geprägten Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität keine zivilrechtliche Haftung der Banken begründen.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 17.09.2013 – Nr. 149/2013 – mitgeteilt.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Bundesgerichtshof (BGH) entscheidet erneut über Ausgleichszahlung bei verpasstem Anschlussflug.

Der für das Reise- und Personenbeförderungsrecht zuständige X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Urteil vom 17.09.2013 – X ZR 123/10 – erneut über Ausgleichsansprüche von Flugreisenden nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004) wegen einer Flugverspätung entschieden.

In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall beanspruchten die Kläger jeweils eine Ausgleichszahlung in Höhe von 600 €. Sie buchten bei der beklagten Iberia S.A. eine Flugreise von Miami über Madrid nach Düsseldorf. Der Abflug von Miami nach Madrid verzögerte sich um 1 Stunde 20 Minuten. Die bereits bei Flugantritt in Miami mit Bordkarten für die gesamte Reise versehenen Kläger erreichten Madrid entsprechend mit Verspätung. Der Weiterflug der Kläger sollte an einem ausgelagerten Terminal des Flughafens erfolgen, den die Kläger nicht mehr rechtzeitig erreichen konnten. Sie kamen infolgedessen mit einem anderen Flug 7 ½ Stunden später als vorgesehen in Düsseldorf an.

Das Amtsgericht (AG) hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte die Beklagte das Ziel der Klageabweisung weiter.

Der BGH hat das Revisionsverfahren zunächst ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vorgelegt, ob dem Fluggast eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Fluggastrechteverordnung auch dann zusteht, wenn sich der Abflug um eine Zeitspanne verzögert hat, die unterhalb der in Art. 6 Abs. 1 der Fluggastrechteverordnung definierten Grenzen liegt, die Ankunft am letzten Zielort aber mindestens drei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit erfolgt.
Nach dem Urteil des Unionsgerichtshofs vom 26.02.2013 (C-11/11 – Air France/Folkerts) hat er sodann das Vorabentscheidungsersuchen mit Rücksicht auf dieses Urteil wieder zurückgenommen.

Nunmehr hat der BGH die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Wie bereits in seinem Urteil vom 07.05.2013 – X ZR 127/11 – hat er die Klageforderung für begründet erachtet, weil nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union den Fluggästen eines verspäteten, wie im Streitfall in den Anwendungsbereich der Fluggastrechteverordnung fallenden Flugs ein Ausgleichsanspruch nach Art. 7 zusteht, soweit sie wie die Kläger infolge der Flugverspätung ihr individuelles Endziel mit einer Verspätung von mindestens drei Stunden erreichen.
Dies gilt auch, wenn die verspätete Ankunft am Endziel darauf beruht, dass infolge der Flugverspätung ein selbst nicht verspäteter Anschlussflug verpasst wird.
Bedenken gegen diese Auslegung der Fluggastrechteverordnung ergeben sich weder aus dem Primärrecht der Europäischen Union noch aus dem Grundgesetz.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 17.09.2013 – Nr. 150/2013 – mitgeteilt.

Vgl. hierzu auch Blog „Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004) – Ausgleichszahlung für verpassten Anschlussflug“.

 

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Versicherungsrecht – Zum Nachweis des Fahrzeugdiebstahls gegenüber dem Kaskoversicherer.

Für einen behaupteten Kfz-Diebstahl genügt der Versicherungsnehmer zunächst seiner Darlegungs- und Beweislast, wenn er Anzeichen behauptet und im Bestreitensfalle beweist,

  • die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das äußere Bild eines Diebstahls ergeben.

 

Dieses äußere Bild eines Diebstahls ist im Allgemeinen schon dann gegeben, wenn

  • der Versicherungsnehmer das Fahrzeug zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort abgestellt hat, an dem er es später nicht mehr vorfindet.

 

Diesen Minimalsachverhalt hat der Versicherungsnehmer, ohne dass ihm Beweiserleichterungen zu Gute kommt, in vollem Umfang zu beweisen.

Das äußere Bild eines Fahrzeugdiebstahls besteht aus zwei unabhängig voneinander zu betrachtenden Teilakten,

  • dem Abstellen und
  • dem Nichtwiederauffinden.

Sind die Tatsachen für das äußere Bild streitig, also das Abstellen und/oder das spätere Nichtwiederauffinden des Fahrzeugs, und hat der Versicherungsnehmer dafür (Zeugen-)Beweis angeboten, muss dieser Beweis erhoben werden, unabhängig davon, ob der Versicherungsnehmer selbst unglaubwürdig ist.

Hat der Versicherer konkrete Tatsachen nachgewiesen oder sind solche unstreitig, die die Annahme einer Vortäuschung des Versicherungsfalles mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nahelegen, braucht der Versicherer nicht zu leisten, wenn nicht der Versicherungsnehmer nunmehr den vollen Beweis für den Diebstahl erbringt.

Zwar hat grundsätzlich der Versicherer konkrete Tatsachen nachzuweisen, die die Annahme einer Vortäuschung des Versicherungsfalles mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nahelegen.
Derartige konkrete Tatsachen können sich aber auch aus dem Verhalten des Versicherungsnehmers ergeben, das ihn unglaubwürdig erscheinen lässt oder doch schwerwiegende Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit und an der Richtigkeit der von ihm aufgestellten Behauptung der Entwendung aufdrängt.
Das gilt insbesondere dann, wenn der Versicherungsnehmer im Rechtsverkehr – namentlich in Versicherungsangelegenheiten – zur Durchsetzung seiner Vermögensinteressen wiederholt unrichtige Angaben gemacht hat oder bei der versicherungsrechtlichen Abwicklung des Schadenfalles ein solches Verhalten an den Tag legt.

Grundsätzlich ist zwar der redliche Versicherungsnehmer der Regelfall, von dem auszugehen ist.
Fehlt es nach Überzeugung des Gerichts aber an der Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers, gilt die Redlichkeitsvermutung nicht mehr.
Von einem Regelfall kann nicht mehr ausgegangen werden, wenn konkrete Tatsachen vorliegen, die den Versicherungsnehmer als unglaubwürdig erscheinen lassen oder sich doch schwerwiegende Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit und an der Richtigkeit der von ihm aufgestellten Behauptungen der Entwendung aufdrängen.
Die Glaubwürdigkeit kann auch durch Unredlichkeiten in Frage gestellt sein, die in keinem Bezug zu dem umstrittenen Versicherungsfall stehen.
Solche Tatsachen müssen aber feststehen, d.h. unstreitig oder bewiesen sein, wohingegen bloße Verdachtsmomente schon wegen der Unschuldsvermutung nicht gegen den Versicherungsnehmer ins Feld geführt werden dürfen.

Nicht jede Unregelmäßigkeit reicht zu schwerwiegenden Zweifeln aus.

Ernsthafte Zweifel können berechtigt sein, wenn der Versicherungsnehmer im Rechtsverkehr, insbesondere in Versicherungsangelegenheiten, zur Durchsetzung seiner Vermögensinteressen wiederholt oder sogar beharrlich bewusst unrichtige Angaben gemacht hat.
Folgende Umstände rechtfertigen die Annahme der Unredlichkeit des Versicherungsnehmers:
Verschweigen eines früheren Diebstahls oder Diebstahlversuchs, grob falsche Angabe zur Laufleistung im Schadenanzeigeformular, Unglaubwürdigkeit des benannten Zeugen.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Celle mit Urteil vom 30.05. 2013 – 8 U 275/12 – hingewiesen.

 

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Zum Anspruch auf Aufwendungsersatz für selbstbeschafften Krippenplatz.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig hat mit Urteil vom 12.09.2013 – 5 C 35.12 – entschieden, dass ein Kind, dessen Rechtsanspruch auf Verschaffung eines Kindergartenplatzes nicht erfüllt wird, unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch darauf hat, dass die Aufwendungen der Eltern für seine Unterbringung in einer privaten Kindertagesstätte ersetzt werden.

In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall ging es um den Ersatz der Aufwendungen, die durch die Unterbringung der damals zweijährigen Tochter in der Kinderkrippe einer privaten Elterninitiative von April bis Oktober 2011 entstanden sind.
Die Eltern ließen die Tochter dort betreuen, weil die beklagte Stadt während dieser Zeit keinen Krippenplatz zur Verfügung stellen konnte.
Das in diesem Fall anwendbare Kindertagesstättengesetz Rheinland-Pfalz sieht vor, dass Kinder vom vollendeten zweiten Lebensjahr bis zum Schuleintritt Anspruch auf Erziehung, Bildung und Betreuung im Kindergarten haben.

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, die in dem genannten Zeitraum entstandenen Aufwendungen für die private Kinderkrippe in Höhe von ca. 2 200 € zu erstatten.
Dieses Urteil hat das Oberverwaltungsgericht im Ergebnis bestätigt. Die Beklagte habe den nach Landesrecht bestehenden und von der Mutter rechtzeitig geltend gemachten Anspruch auf einen Kindergartenplatz nicht erfüllt. Deshalb müsse sie die Kosten des selbst beschafften Ersatzplatzes in einer privaten Kinderkrippe übernehmen.

Die hiergegen eingelegte Revision der Beklagten hat das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen.
Danach hat das Oberverwaltungsgericht ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass im Fall der Nichterfüllung des landesrechtlichen Anspruchs auf Verschaffung eines Kindergartenplatzes unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen für einen selbstbeschafften Platz besteht.
Soweit das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen ist, das Bundesrecht sehe einen entsprechenden Anspruch vor und das Landesrecht folge dem, ist dies nicht zu beanstanden. Der bundesrechtliche Anspruch ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 36a Abs. 3 Achtes Buch Sozialgesetzbuch. Dieser verleiht einen Anspruch auf Aufwendungsersatz, wenn bestimmte Ansprüche auf Jugendhilfeleistungen nicht erfüllt werden.
Der Anspruch auf Übernahme der erforderlichen Aufwendungen setzt voraus, dass der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Bedarf rechtzeitig in Kenntnis gesetzt hat, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistung vorgelegen haben und die Deckung des Bedarfs keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat.
Ob im vorliegenden Einzelfall die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs vorliegen, entzieht sich der revisionsgerichtlichen Kontrolle, weil es sich insoweit um die Anwendung von Landesrecht handelt.

Das hat die Pressestelle des Bundesverwaltungsgericht am 12.09.2013 – Nr. 66/2013 – mitgeteilt.

 

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