Category Blog

Verkehrsrecht – Warum man nicht ohne Helm Fahrrad fahren sollte.

Mit Urteil vom 05.06.2013 – 7 U 11/12 – hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) entschieden, dass ein Radfahrer, der im öffentlichen Straßenverkehr bei einer Kollision mit einem anderen – sich verkehrswidrig verhaltenden – Verkehrsteilnehmer eine Kopfverletzungen erleidet, die ein Fahrradhelm verhindert oder gemindert hätte, sich, weil er damit Schutzmaßnahmen zu seiner eigenen Sicherheit unterlassen hat (sog. Verschulden gegen sich selbst) grundsätzlich ein Mitverschulden wegen Nichttragens eines Fahrradhelms anrechnen lassen muss.

Zwar besteht für Fahrradfahrer nach dem Gesetz keine allgemeine Helmpflicht. Fahrradfahrer sind heutzutage jedoch im täglichen Straßenverkehr einem besonderen Verletzungsrisiko ausgesetzt. Der gegenwärtige Straßenverkehr ist besonders dicht, wobei motorisierte Fahrzeuge dominieren und Radfahrer von Kraftfahrern oftmals nur als störende Hindernisse im frei fließenden Verkehr empfunden werden. Aufgrund der Fallhöhe, der fehlenden Möglichkeit, sich abzustützen (die Hände stützen sich auf den Lenker, der keinen Halt bietet) und ihrer höheren Geschwindigkeit, z.B. gegenüber Fußgängern, sind Radfahrer besonders gefährdet, Kopfverletzungen zu erleiden. Gerade dagegen soll der Helm schützen. Dass der Helm diesen Schutz auch bewirkt, entspricht der einmütigen Einschätzung der Sicherheitsexperten und wird auch nicht ernsthaft angezweifelt. Die Anschaffung eines Schutzhelms ist darüber hinaus wirtschaftlich zumutbar. Daher kann nach dem heutigen Erkenntnisstand grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass ein verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens beim Radfahren einen Helm tragen wird, soweit er sich in den öffentlichen Straßenverkehr mit dem dargestellten besonderen Verletzungsrisiko begibt.

Darauf hat die Pressesprecherin des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts am 17.06.2013 in der Pressemitteilung 9/2013 hingewiesen.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung – nachdem verschiedene Oberlandesgerichte anderer Ansicht sind – hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) die Revision zugelassen.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Zivilprozess – Wann muss das Berufungsgericht in erster Instanz vernommene Zeugen erneut vernehmen?

Das Berufungsgericht ist nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des Gerichts des ersten Rechtszuges gebunden. Bestehen Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil, ist in aller Regel eine erneute Beweisaufnahme geboten.
Das Berufungsgericht ist in einem solchen Fall nach § 398 ZPO verpflichtet, in erster Instanz vernommene Zeugen erneut zu vernehmen, wenn es deren protokollierte Aussagen anders als die Vorinstanz verstehen oder würdigen. Unterlässt es dies und wendet damit § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO fehlerhaft an, ist die dadurch benachteiligte Partei in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör nach § 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verletzt.

Die erneute Vernehmung eines Zeugen kann allenfalls dann unterbleiben, wenn sich das Rechtsmittelgericht lediglich auf Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit seiner Aussage betreffen.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 14.05.2013 – XI ZR 274/12 – hingewiesen.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Strafrecht – Nebenkläger hat nur beschränktes Anfechtungsrecht.

Nach § 400 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) kann ein Nebenkläger ein Strafurteil nicht mit dem Ziel anfechten, dass eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird. Daher bedarf die Revision eines Nebenklägers eines Antrags oder einer Begründung, die deutlich macht, dass er eine Änderung des Schuldspruchs hinsichtlich eines Nebenklagedeliktes und damit ein zulässiges Ziel verfolgt.
Daran fehlt es, wenn ausweislich der Revisionsbegründung mit dem Rechtsmittel lediglich die Verhängung anderer, für den Angeklagten ungünstigerer Rechtsfolgen erreicht werden soll.

Hat das Landgericht ein Tötungsdelikt als Mord i.S.v. § 211 StGB gewertet, kann das Urteil von dem Nebenkläger nicht mit dem Ziel

  • der Annahme eines weiteren Mordmerkmals,
  • der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld i.S.d. § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB sowie
  • der Anwendung des allgemeinen Strafrechts statt Jugendstrafrechts

angefochten werden.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 03.05.2013 – 1 StR 637/12 – hingewiesen.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Zivilprozess – Vernehmung der Partei, die für ein Vier- oder Sechs-Augen-Gespräch keinen Zeugen hat.

Zur Wahrung des Grundsatzes der Waffengleichheit und des Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie des Rechts auf Gewährleistung eines fairen Prozesses und eines wirkungsvollen Rechtsschutzes ist es gemäß Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) erforderlich, einer Partei, die für ein entscheidungserhebliches Vier-Augen-Gespräch keinen Zeugen hat, Gelegenheit zu geben, ihre Darstellung des Gesprächs in den Prozess persönlich einzubringen und sie zu diesem Zweck entweder gemäß § 448 Zivilprozessordnung (ZPO) zu vernehmen oder gemäß § 141 ZPO anzuhören, es sei denn die Feststellungen über den Gesprächsverlauf werden nicht nur auf die Aussage des von der Gegenpartei benannten Zeugen, sondern zusätzlich auf sonstige Beweismittel oder Indizien gestützt (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 28.01.2013 – 1 BvR 274/12 –).

Diese Grundsätze gelten auch, wenn es sich um ein Sechs-Augen-Gespräch handelt, bei dem der allein zur Verfügung stehende Zeuge als Ehegatte im Lager des Prozessgegners steht. Dass bei einer solchen Konstellation der einen Partei ein Zeuge zur Seite steht, während die Gegenseite sich auf keinen Zeugen stützen kann, stellt eine Benachteiligung dar, die im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 448 ZPO berücksichtigt werden kann, zumal das Gericht einer Parteianhörung der benachteiligten Partei gemäß § 141 ZPO die gleiche Bedeutung wie einer Aussage bei einer Vernehmung zumessen kann.
Nach der Anhörung der benachteiligten Partei ohne einen vorliegenden Antrag die andere Partei ebenfalls persönlich anzuhören, ist dann nicht erforderlich, wenn dieser der Ehegatte als Zeuge zur Verfügung steht. Es liegt dann nämlich im Hinblick auf diese Partei nicht die Situation eines Vier-Augen-Gesprächs vor.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 14.05.2013 – VI ZR 325/11 – hingewiesen.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Fiktive Fahrzeugschadensberechnung nach Verkehrsunfall – Verweis auf günstigere Reparaturmöglichkeit noch im Rechtsstreit möglich.

Ein Geschädigter, der nach einem Verkehrsunfall den ihm entstandenen Fahrzeugschaden in Eigenregie repariert und den Schaden fiktiv auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens abgerechnet hat, kann noch im Rechtsstreit auf günstigere Reparaturmöglichkeiten in einer Referenzwerkstatt verwiesen werden.

Ein Geschädigter darf, sofern die Voraussetzungen für eine fiktive Schadensberechnung vorliegen, dieser grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Nach der Rechtsprechung des sechsten Zivilsenats des Bundesgerichtshofs besteht grundsätzlich ein Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon, ob der Geschädigte den Wagen tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt.

Allerdings ist unter Umständen ein Verweis des Schädigers auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen anderen markengebundenen oder „freien“ Fachwerkstatt möglich, wenn der Schädiger darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und der Geschädigte keine Umstände aufzeigt, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen.

Hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem der Verweis spätestens erfolgen muss, bestehen unterschiedliche Auffassungen.

  • Vertreten wird etwa, der Kfz-Haftpflichtversicherer könne den Unfallgeschädigten bei fiktiver Abrechnung des Unfallschadens an einem fünf Jahre alten Fahrzeug auch noch zu einem späteren Zeitpunkt, der mehrere Wochen nach dem Unfall liege, und zu dem das Fahrzeug bereits repariert worden sei, auf eine von ihm konkret benannte und dem Geschädigten zumutbare und zugängliche, technisch gleichwertige, aber kostengünstigere Reparaturmöglichkeit verweisen, es sei denn, der Geschädigte habe das Fahrzeug in einer markengebundenen Fachwerkstatt reparieren lassen.
  • Zum Teil wird es für ausreichend gehalten, dass im Fall der fiktiven Schadensberechnung der Schädiger auch noch erstmals im Prozess auf eine günstigere Werkstatt verweist.
  • Die Möglichkeit, erst im Prozess auf freie Werkstätten zu verweisen, wird von anderen abgelehnt, wobei u.a. darauf abgestellt wird, der Verweis müsse in dem Zeitpunkt bekannt sein, in dem der Geschädigte gewöhnlich seine Dispositionsentscheidung treffe, also zeitnah nach dem Unfall.

Nach Ansicht des erkennenden sechsten Zivilsenats ist der Verweis noch im Rechtsstreit möglich, soweit dem nicht prozessuale Gründe, wie die Verspätungsvorschriften, entgegenstehen.
Für den Geschädigten, der fiktiv abrechnet, ist es im Prinzip unerheblich, ob und wann der Versicherer auf die alternative Reparaturmöglichkeit verweist. Dem steht nicht entgegen, dass der Geschädigte nicht verpflichtet ist, zu den von ihm tatsächlich veranlassten oder auch nicht veranlassten Herstellungsmaßnahmen konkret vorzutragen. Entscheidend ist, dass in solchen Fällen der objektiv zur Herstellung erforderliche Betrag ohne Bezug zu tatsächlich getätigten Aufwendungen zu ermitteln ist. Der Geschädigte disponiert dahin, dass er sich mit einer Abrechnung auf dieser objektiven Grundlage zufrieden gibt. Hinweise der Schädigerseite auf Referenzwerkstätten dienen hier nur dazu, der in dem vom Geschädigten vorgelegten Sachverständigengutachten vorgenommenen Abrechnung entgegenzutreten.

Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 14.05.2013 – VI ZR 320/12 – entschieden.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Strafrecht – Aufklärungshilfe bei Betäubungsmittelstraftaten – Was ausschlaggebend für Strafmilderung ist.

Gemäß § 31 Nr. 1 Betäubungsmittelgesetz (BtmG) kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches (StGB ) mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter durch freiwillige (sowie gemäß § 49b Abs. 3 StGB rechtzeitige) Offenbarung seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt werden konnte.
Diese Vorschrift dient dem Ziel, die Möglichkeiten der Verfolgung begangener Straftaten zu verbessern. Nach ihrem Wortlaut sowie ihrem Sinn und Zweck genügt es deshalb, dass der Täter durch Offenbarung seines Wissens zur Aufdeckung der Tat insgesamt wesentlich beiträgt. Daher kommt es nicht darauf an, ob der Angeklagte seinen Tatbeitrag und sämtliche anderen Tatbeteiligten vollständig offenbart hat; auch seine eigenen Vorstellungen und Gefühle können in diesem Zusammenhang nicht entscheidend ins Gewicht fallen. Ausschlaggebend ist vielmehr allein, ob er überprüfbare Tatsachen preisgegeben hat, die zur Aufklärung des gesamten Tatgeschehens und zur Überprüfung der (an diesem) Beteiligten wesentlich beigetragen haben.

Tat im Sinne des § 31 BtmG ist ein geschichtlicher Vorgang, der das strafbare Verhalten des Angeklagten – als einen (Tat-)“Beitrag“ – und strafrechtlich relevante Beiträge anderer Personen umfasst.
Hat ein Angeklagter bei einer Tatserie hinsichtlich der meisten Einzeltaten Aufklärungshilfe geleistet, reicht dies aus, ihm auch hinsichtlich der Einzeltaten in den verbleibenden Fällen, in denen kein Aufklärungserfolg eingetreten ist, die Vergünstigung gewähren zu können.

Ein Aufklärungserfolg, der durch Angaben des Angeklagten im Ermittlungsverfahren eingetreten ist, wird durch das Schweigen des Angeklagten in der Hauptverhandlung nicht in Frage gestellt.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 10.04.2013 – 4 StR 90/13 – hingewiesen.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Mietrecht – Schallschutz in älteren Gebäuden – Wann liegt ein Mangel vor?

Mit Urteil vom 05.06.2013 – VIII ZR 287/12 – hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass – bei Fehlen einer vertraglichen Abrede – eine Mietwohnung in einem älteren Gebäude in schallschutztechnischer Hinsicht keinen Mangel i. S. v. § 536 Abs. 1 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) aufweist, sofern der Tritt- und der Luftschallschutz den zur Zeit der Errichtung des Gebäudes geltenden DIN-Normen entsprechen. Wegen unzureichender Schallisolierung seiner Wohnung zu der darüber liegenden Wohnung kann der Mieter der darunter liegenden Wohnung in einem solchen Fall deshalb auch nicht die Miete mindern.

Auch wenn später in der darüber gelegenen Wohnung vom Gebäudeeigentümer der Estrich abgeschliffen und verspachtelt und auf 12 % der Gesamtfläche entfernt und erneuert worden ist, rechtfertigt dieser Umstand es nicht, auf die zur Zeit der Durchführung dieser Arbeiten geltenden DIN-Normen abzustellen. Denn diese Maßnahme ist von der Intensität des Eingriffs in die Gebäudesubstanz her mit einem Neubau oder einer grundlegenden Veränderung des Gebäudes nicht vergleichbar. Der Mieter der darunter gelegenen Wohnung kann daher nicht erwarten, dass die Maßnahme so ausgeführt wird, dass der Schallschutz anschließend den höheren Anforderungen der zur Zeit der Durchführung der Arbeiten geltenden DIN-Normen genügt. Vielmehr ist der Tritt- und der Luftschallschutz der Wohnung nach wie vor als ausreichend und damit als vertragsgemäß zu bewerten.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 05.06.2013 – Nr. 97/2013 – mitgeteilt.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Verkehrsrecht – Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem (derzeit noch geltenden) Punktsystem.

Welche Maßnahmen die Fahrerlaubnisbehörde nach dem Punktsystem gegenüber den Inhabern einer Fahrerlaubnis zu ergreifen hat, ist in § 4 Abs. 3 Straßenverkehrsgesetz (StVG) geregelt. Nach Satz 1 Nr. 3 dieser Vorschrift gilt ein Betroffener als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wenn sich für ihn 18 oder mehr Punkte ergeben; die Fahrerlaubnisbehörde, die dabei an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder die Ordnungswidrigkeit gebunden ist, hat in diesem Fall die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer auf § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG gestützten Entziehungsverfügung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt, in dem sich zulasten des Fahrerlaubnisinhabers im Verkehrszentralregister erstmals 18 (oder mehr) Punkte ergeben haben und zwar unabhängig von später – vor oder nach Erlass der Entziehungsverfügung – eintretenden Punktetilgungen.
Für die Beantwortung der Frage, wann sich 18 Punkte im Sinne von § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG ergeben haben, kommt es auf den Tag der Begehung der letzten, zum Erreichen dieser Punkteschwelle führenden Tat (sog. Tattagprinzip) und nicht auf den Zeitpunkt deren rechtskräftiger Ahndung an.

Darauf hat das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf mit Beschluss vom 21.02.2013 – 14 L 223/13 – hingewiesen.

Wie Punkte von Betroffenen (derzeit noch) abgebaut werden können ist in § 4 Abs. 4 StVG geregelt.
Der Gesetzgeber beabsichtigt das bisherige Punktsystem zu reformieren. Er will ein vereinfachtes Punktesystem. Punkte soll es danach nur noch für sicherheitsrelevante Verstöße geben. Statt wie bisher von 1 bis 7 Punkten, soll es künftig je nach Schwere der Tat 1,2 oder 3 Punkte geben. Die bisherigen Punkte sollen nach dem neuen System umgerechnet werden. Der Führerschein soll bereits ab 8 Punkten entzogen werden.
Dieser vom Bundestag bereits beschlossenen Reform der Flensburger Verkehrssünderdatei hat der Bundesrat in seiner Sitzung am 07.06.2013 aber die Zustimmung verweigert und den Vermittlungsausschuss angerufen. Ob und wann es zu einem Kompromiss zwischen dem Bund und den Ländern kommt und wie ein solcher Kompromiss letztlich ausschauen wird, ist damit offen.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Ordnungswidrigkeitenrecht – Grenzwertbestimmung zum Alkoholverbot für Fahranfänger.

Wer

  • in der Probezeit nach § 2a Straßenverkehrsgesetz (StVG) oder
  • vor Vollendung des 21. Lebensjahres

als Führer eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr alkoholische Getränke zu sich nimmt oder die Fahrt antritt, obwohl er unter der Wirkung eines solchen Getränks steht, begeht eine Ordnungswidrigkeit nach § 24c StVG, die, sowohl bei vorsätzlicher, als auch bei fahrlässiger Begehungsweise mit einer Geldbuße geahndet werden kann.

Ein Verstoß gegen dieses Alkoholverbot für Fahranfänger und Fahranfängerinnen liegt,

  • in Fällen, in denen als Beweismittel nur eine dem Betroffenen entnommene Blutprobe zur Verfügung steht,
  • die Zuwiderhandlung also nicht (schon) durch andere Beweismittel nachgewiesen werden kann, wie beispielsweise eine Atemalkoholanalyse oder die Aussagen von Polizeibeamten oder sonstigen Zeugen, die den Betroffenen vor Fahrantritt oder während der Fahrt beim Konsum von Alkohol beobachtet haben,

regelmäßig ab einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,15 Promille vor.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart mit Beschluss vom 18.03.2013 – 1 Ss 661/12 – entschieden.

Da bereits ab einer Blutalkoholkonzentration von 0,1‰ eine abstrakte Gefährlichkeit eines Fahranfängers gegeben ist, kann, unter Berücksichtigung eines Sicherheitszuschlags von 0,05‰, insgesamt davon ausgegangen werden, dass die Normadressaten des § 24c StVG bei einer gemessenen Blutalkoholkonzentration von 0,15‰ für die Teilnahme am Straßenverkehr eine mögliche abstrakte Gefahr bilden und damit im Rechtssinne unter der Wirkung von Alkohol stehen.

Darauf hingewiesen hat der Senat in dieser Entscheidung auch, dass die Vorschrift des § 24c StVG auf den Konsum alkoholischer Getränke abstellt und die Einnahme alkoholhaltiger Medikamente oder Lebensmittel von dem Verbot ausnimmt. Die Einnahme von Arzneimitteln (Hustensäften, Tinkturen und ähnlichen Mitteln) und der Genuss alkoholhaltiger Süßwaren (z. B. Weinbrandbohnen) erfüllen daher den Tatbestand nicht.
Dies – so das Oberlandesgericht – zwingt, wenn ein Betroffener über die Einräumung seiner Fahrereigenschaft hinaus keine Angaben macht, indes nicht dazu, die Herkunft der Blutalkoholkonzentration zum Untersuchungszeitpunkt nach dem Zweifelssatz auf andere Ursachen als auf alkoholische Getränke zurückzuführen. Der Zweifelssatz bedeutet nicht, dass das Gericht von der dem Angeklagten günstigsten Fallgestaltung auch dann ausgehen muss, wenn hierfür keine zureichenden Anhaltspunkte bestehen. Er gebietet nicht, zugunsten eines Betroffenen Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen es keine konkreten Anhaltspunkte gibt. Auch die Aussageverweigerung eines Betroffenen zwingt nicht dazu, allen denkbaren, aber ganz unwahrscheinlichen oder gar abwegigen Fallgestaltungen nachzugehen.
Für den Fall einer Einlassung eines Betroffenen sind an deren Bewertung die gleichen Anforderungen zu stellen wie an die Beurteilung sonstiger Beweismittel. Der Tatrichter darf eine Einlassung, für deren Wahrheitsgehalt keine zureichenden Anhaltspunkte bestehen, nicht ohne weiteres als unwiderlegt seiner Entscheidung zugrunde legen. Insbesondere darf er bei der Prüfung der Glaubhaftigkeit und Schlüssigkeit der Einlassung des Betroffenen Indizien, die auf einen von der Einlassung abweichenden Geschehensablauf hinweisen, nicht unerörtert lassen.
Gegebenenfalls kann die Plausibilität einer Einlassung, der gemessene Alkohol rühre nicht von alkoholischen Getränken her, mit einer Begleitstoffanalyse und hinsichtlich der angegebenen Trinkmenge mit einem Sachverständigengutachten überprüft werden.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung und fester Laufzeit – Leasingnehmer muss beschädigungsbedingten Minderwertausgleich auch dann zahlen, wenn Leasinggeber bei Weiterverkauf den von ihm kalkulierten Restwert erzielt.

Wird ein Leasingvertrag über einen Pkw mit Kilometerabrechnung und einer festen Laufzeit geschlossen und vereinbart, dass,

  • die Leasing-Raten, eine vereinbarte Sonderzahlung und eine Mehrkilometerbelastung Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung des Fahrzeuges sind,
  • das Fahrzeug bei Rückgabe in einem dem Alter und der vertragsgemäßen Fahrleistung entsprechenden Erhaltungszustand, frei von Schäden sowie verkehrs- und betriebssicher sein muss, normale Verschleißspuren nicht als Schaden gelten und
  • wenn das Fahrzeug bei Rückgabe nach Ablauf der bei Vertragsabschluss vereinbarten Leasing-Zeit nicht dem Zustand entspricht, der Leasing-Nehmer zum Ersatz des entsprechenden Schadens verpflichtet ist,

haben die Parteien damit eine vertragliche Vereinbarung über einen als Erfüllungsanspruch ausgestalteten Anspruch auf Ausgleich eines etwaigen Minderwerts des Leasingfahrzeugs bei dessen Rückgabe in vertragswidrigem Zustand getroffen.
Dadurch wird ein Anspruch begründet, der aufgrund seiner leasingtypischen Amortisationsfunktion in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht als vertraglicher Erfüllungsanspruch zu charakterisieren ist.
Dem steht nicht entgegen, dass der Leasinggeber nach dem Wortlaut der Klausel „zum Ersatz des entsprechenden Schadens“ verpflichtet wird. Denn die Begriffe „Minderwert“ und „Schaden“ werden hier synonym gebraucht; dies gilt ebenso für die Begriffe „Ausgleich“ und „Ersatz“.

Ein solches Geschäftsmodell wie das vorliegende, d. h. ein Kraftfahrzeug-Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung und einer festen Laufzeit zielt zwar auch insgesamt darauf ab, dass der Leasinggeber bei planmäßigem Vertragsablauf die volle Amortisation des zum Erwerb des Fahrzeugs eingesetzten Kapitals einschließlich des kalkulierten Gewinns erlangt. Der Anspruch des Leasinggebers auf Amortisation seines Anschaffungs- und Finanzierungsaufwands wird im Wege der „Mischkalkulation“ durch die vom Leasingnehmer geschuldeten Zahlungen und durch die Verwertung des Leasingfahrzeugs erreicht, für dessen ordnungsgemäßen Zustand der Leasingnehmer einzustehen hat.

Bei einer solchen Vertragsgestaltung finden jedoch typischerweise kein Ausgleich und keine Abrechnung des vom Leasinggeber intern kalkulierten Restwerts statt. Die mit einem Kraftfahrzeug-Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung bezweckte Vollamortisation des Aufwands des Leasinggebers baut folglich nicht auf einer Restwertabrechnung auf. Das Verwertungsrisiko und die Verwertungschance liegen vielmehr allein beim Leasinggeber. Dieser trägt bei Rückgabe des Fahrzeugs in vertragsgemäßem Zustand das Risiko, dass er bei dessen Veräußerung die volle Amortisation des zum Erwerb des Fahrzeugs eingesetzten Kapitals einschließlich des kalkulierten Gewinns erzielt. Andererseits ist er nicht verpflichtet, den Leasingnehmer an einem durch Veräußerung des Fahrzeugs nach Vertragsablauf erzielten Gewinn zu beteiligen.
Diese Grundsätze gelten auch für die Bemessung des Minderwertausgleichs bei Rückgabe des Fahrzeugs in vertragswidrigem Zustand. Ein solcher Anspruch ist auf Zahlung des Betrages gerichtet, um den der Wert des Leasing-fahrzeugs bei Vertragsablauf wegen der vorhandenen Schäden oder Mängel hinter dem Wert zurückbleibt, den das Fahrzeug in vertragsgemäßem Zustand hätte. Da er in Anbetracht der von den Leasingparteien bezweckten Vollamortisation zusammen mit dem in vertragswidrigem Zustand zurückgegebenen Fahrzeug wirtschaftlich und rechtlich an die Stelle des ursprünglichen Anspruchs des Leasinggebers auf Rückgabe des Fahrzeugs in einem vertragsgerechten Erhaltungszustand tritt, ändert sich an der oben beschriebenen Verteilung des Verwertungsrisikos und der Verwertungschancen nichts. Daher sind für die Bemessung des mängel- oder beschädigungsbedingten Minderwertausgleichs weder der vom Leasinggeber vorab intern kalkulierte Restwert noch der nach Vertragsablauf erzielte Verwertungserlös von Bedeutung.

Weist das Fahrzeug bei Rückgabe ersatzpflichtige Schäden auf, hat der Leasinggeber in einem solchen Fall demzufolge auch dann Anspruch Ersatz des beschädigungsbedingten, sachverständig festgestellten Wertverlustes (Minderwertes), wenn er das Fahrzeug trotzdem zu dem von ihm vorab intern kalkulierten Restwert weiterverkaufen konnte.

Zur Substantiierung seines Vorbringens genügt es, dass der Leasinggeber darlegt, in welchem Umfang und in welcher Hinsicht der Zustand des zurück gegebenen Fahrzeugs aus seiner Sicht von dem Erhaltungszustand abweicht, der nach Ablauf der Vertragslaufzeit und der vertraglich vereinbarten Kilometerleistung zu erwarten gewesen wäre. Ob seine Einschätzung zutrifft oder nicht, ist keine Frage der Substantiierung, sondern der Begründetheit des geltend gemachten Anspruchs.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 24.04.2013 – VIII ZR 265/12 – hingewiesen.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.