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Strafrecht – Wann kann bei „Spielsucht“ eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit angenommen werden?

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt Spielsucht zwar für sich genommen keine krankhafte seelische Störung oder schwere andere seelische Abartigkeit dar, welche die Schuldfähigkeit gemäß § 21 Strafgesetzbuch (StGB ) erheblich einschränken oder gemäß § 20 StGB ausschließen kann. Indes können in schweren Fällen psychische Defekte und Persönlichkeitsveränderungen auftreten, die eine ähnliche Struktur und Schwere wie bei den stoffgebundenen Suchterkrankungen aufweisen, und es kann zu schweren Entzugserscheinungen kommen.

Wie bei der Substanzabhängigkeit kann deshalb auch bei Spielsucht eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit angenommen werden, wenn

  • diese zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen geführt oder
  • der Täter bei Begehung der Straftat unter starken Entzugserscheinungen gelitten hat.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 06.03.2013 – 5 StR 597/12 – hingewiesen.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Arbeitsrecht – Außerordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers wegen Verdachts einer Straftat.

Nach § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar.
Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn

  • sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen,
  • die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und
  • der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat.

Der Verdacht muss auf konkrete – vom Kündigenden darzulegende und gegebenenfalls zu beweisende – Tatsachen gestützt sein.
Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus.

Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, ist ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend sind der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch. Deshalb besteht regelmäßig keine Rechtfertigung für die Aussetzung eines Kündigungsschutzprozesses bis zur rechtskräftigen Erledigung eines Strafverfahrens, in dem der Kündigungsvorwurf auf seine strafrechtliche Relevanz hin geprüft wird.

Im Strafverfahren gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können die Annahme, der Arbeitnehmer habe die Pflichtverletzung begangen, allenfalls verstärken. Sie können im Übrigen bei der Frage Bedeutung gewinnen, zu welchem Zeitpunkt eine Verdachtskündigung ausgesprochen werden soll, und deshalb für die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist von Bedeutung sein.
Allein auf eine den dringenden Tatverdacht bejahende Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden als solche kann die Verdachtskündigung deshalb nicht gestützt werden. Ebenso wie bei der Kündigung wegen einer aus Sicht des Arbeitgebers erwiesenen Tat, bei der eine strafgerichtliche Verurteilung für sich genommen nicht ausreicht, die Kündigung zu rechtfertigen, sind die Gerichte für Arbeitssachen auch bei der Verdachtskündigung gehalten, den Sachverhalt im Kündigungsschutzprozess im Rahmen des Parteivorbringens selbst aufzuklären und zu bewerten.
Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden, selbst wenn sie von Gesetzes wegen einen dringenden Tatverdacht voraussetzen sollten, sind nicht geeignet, Tatsachenvortrag der Parteien des Zivilprozesses zu ersetzen. Der wegen eines dringenden Tatverdachts kündigende Arbeitgeber hat im Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen vielmehr bestimmte Tatsachen darzulegen, die unmittelbar als solche den Schluss zulassen, der Arbeitnehmer sei eines bestimmten, die Kündigung rechtfertigenden Verhaltens dringend verdächtig. Zu diesem Zweck ist es ihm zwar unbenommen, sich Ermittlungsergebnisse der Strafverfolgungsbehörden zu eigen zu machen und sie im Arbeitsgerichtsprozess – zumindest durch Bezugnahme – als eigene Behauptungen vorzutragen. Es genügt aber nicht, an Stelle von unmittelbar verdachtsbegründenden Tatsachen lediglich den Umstand vorzutragen, auch die Strafverfolgungsbehörden gingen von einem Tatverdacht aus. Weder vermag sich der Prozessgegner darauf sachgerecht einzulassen noch vermögen auf dieser Grundlage die Gerichte für Arbeitssachen das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Wirksamkeit der ausgesprochenen (Verdachts-)Kündigung selbstständig zu beurteilen. Auch brächte sich der Arbeitgeber auf diese Weise selbst um die Möglichkeit, den Arbeitnehmer durch substantiierten Tatsachenvortrag gem. § 138 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) zur substantiierten Erwiderung zu veranlassen und gegebenenfalls aus den Regelungen in § 138 Abs. 3, Abs. 4 ZPO prozessualen Nutzen zu ziehen.

Darauf

  • sowie, dass eine nach § 626 Abs. 1 BGB unwirksame außerordentliche Kündigung nach § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden kann, wenn das dem mutmaßlichen Willen des Kündigenden entspricht und dieser Wille dem Kündigungsempfänger im Zeitpunkt des Kündigungszugangs erkennbar ist, dies bei feststehendem Sachverhalt auch noch in der Revisionsinstanz erfolgen kann, hierfür aber ebenfalls ein entsprechender Sachvortrag erforderlich ist, der es erlaubt, das Vorliegen eines dringenden Verdachts kündigungsrelevanten Verhaltens des Arbeitnehmers selbstständig zu beurteilen,

hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 15.10.2012 – 2 AZR 700/11 – hingewiesen.

 

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Strafrecht – Strafprozess – Berufung auf Zeugnisverweigerungsrecht – Verwertbarkeit früherer Aussagen?

Aus § 252 Strafprozessordnung (StPO) ergibt sich, wenn ein Zeuge unter Berufung auf sein Zeugnisverweigerungsrecht in der Hauptverhandlung die Aussage verweigert, grundsätzlich ein umfassendes Verwertungsverbot.

Eine Ausnahme gilt nach ständiger Rechtsprechung insoweit nur für eine Vernehmung eines Richters als Zeuge über eine frühere Aussage der Auskunftsperson, wenn diese bei jener früheren Vernehmung über ihr Zeugnisverweigerungsrecht ordnungsgemäß belehrt worden war.
Weitergehend erlaubt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung eine Verwertung früherer Aussagen, wenn der verweigerungsberechtigte Zeuge nach ausdrücklicher, qualifizierter Belehrung hierüber mitteilt, er mache von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, gestatte jedoch die Verwertung jener früheren Aussage. Es handelt sich insoweit um eine in der Rechtsprechung entwickelte eng begrenzte Ausnahme von dem gesetzlichen Verwertungsverbot.
Ob ein Zeuge qualifiziert belehrt worden ist und auf das Verwertungsverbot nach § 252 StPO verzichtet hat oder ob das nicht der Fall war, wird durch den Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls bewiesen. Hierbei handelt es sich um wesentliche Förmlichkeiten des Verfahrens (§ 273 Abs. 1 StPO); das Schweigen des Protokolls beweist, dass sie nicht stattgefunden haben.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 13.06.2012 – 2 StR 112/12 – hingewiesen.

 

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Prozess- und Verfahrenskostenhilfe – Bewilligung bei zweifelhaften Rechtsfragen.

Wenn in der Hauptsache eine zweifelhafte Rechtsfrage zu klären ist, darf nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wie des Bundesgerichtshofs die Klärung der Frage nicht in das Prozesskostenhilfeverfahren (Verfahrenskostenhilfeverfahren) verlagert werden. Die in Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) verbürgte Rechtsschutzgleichheit gebietet im Fall zweifelhafter Rechtsfragen, die Erfolgsaussicht zu bejahen und dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu gewähren, denn das Hauptverfahren eröffnet erheblich bessere Möglichkeiten der Entwicklung und Darstellung des eigenen Rechtsstandpunktes. Das nur einer summarischen Prüfung unterliegende Prozesskostenhilfeverfahren hat demgegenüber nicht den Zweck, über zweifelhafte Rechtsfragen vorweg zu entscheiden.
Bei zweifelhaften Rechtsfragen hat das Gericht demnach, wenn der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann (§ 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO)), Prozesskostenhilfe bzw. Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, auch wenn es der Auffassung ist, dass die Rechtsfrage zu Ungunsten des Antragstellers zu entscheiden ist.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 12.12.2012 – XII ZB 190/12 – hingewiesen.

 

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Steuerrecht – Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung – Bewertung dieses Vorteils.

Die Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung führt zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers und damit zu. Steht der Vorteil dem Grunde nach fest, ist dieser nach § 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 Einkommensteuergesetz (EStG) i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG entweder mit der 1 %-Regelung oder mit der Fahrtenbuchmethode zu bewerten. Wird ein Fahrtenbuch nicht geführt, ist der Vorteil mit der 1 %-Regelung zu bewerten.

Nach der 1 %-Regelung (§ 8 Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG) ist dieser Nutzungsvorteil für jeden Kalendermonat mit 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. Die 1 %-Regelung ist insoweit eine grundsätzlich zwingende, stark typisierende und pauschalierende Bewertungsregelung. Deshalb bleiben individuelle Besonderheiten hinsichtlich der Art und der Nutzung des Dienstwagens grundsätzlich ebenso unberücksichtigt wie nachträgliche Änderungen des Fahrzeugwertes.

Dementsprechend erhöht etwa der nachträgliche Einbau von Zusatzausstattungen nicht die Bemessungsgrundlage der 1 %-Regelung.
Weiter bleibt im Rahmen der Anwendung der 1 %-Regelung der inländische Listenpreis auch dann Bemessungsgrundlage, wenn der Arbeitgeber das Fahrzeug gebraucht angeschafft hatte oder wenn schon ein Großteil der Anschaffungskosten des Fahrzeugs als Betriebsausgaben (AfA) geltend gemacht worden war. Im Ergebnis entspricht der Ansatz des Listenpreises statt der tatsächlichen Anschaffungskosten gerade dem Erfordernis, die Zuwendung des Arbeitgebers nach dem Nutzungsvorteil zu bemessen, der dem steuerpflichtigen Arbeitnehmer dadurch zukommt.
Mit der 1 %-Regelung nutzt der Gesetzgeber den ihm insbesondere im Steuerrecht für Typisierungen zur Verfügung stehenden Gestaltungsspielraum, wenn er auf diese Weise die betriebliche und private Kfz-Nutzung typisierend und pauschalierend erfasst.

Die Bewertung des Vorteils mittels der 1 %-Regelung ist mit dem Ansatz eines Nutzungsvorteils in Höhe von 1 % des Bruttolistenpreises je Monat zwar eine nur grob typisierende Regelung. Allerdings normiert die Regelung keine zwingende und unwiderlegbare Typisierung, sondern tritt nur alternativ zur Fahrtenbuchmethode hinzu; diese Fahrtenbuchmethode bewertet den vom Arbeitgeber zugewandten Nutzungsvorteil indessen nach Maßgabe der konkret entstandenen Kosten (§ 8 Abs. 2 Satz 4 EStG). Insbesondere im Hinblick auf dieses Wahlrecht beurteilt die bisherige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Typisierungsregelung in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG als verfassungsrechtlich unbedenklich. Denn wenn der Steuerpflichtige statt der Anwendung einer typisierenden Regelung auch den Nachweis des tatsächlichen Sachverhalts und eine daran anknüpfende Besteuerung wählen kann, ist er durch eine ihm lediglich zusätzlich zur Wahl gestellte Typisierung in einer verfassungsrechtlich erheblichen Position auch dann nicht betroffen, wenn sie im Vergleich zur anderen Besteuerungsform im konkreten Fall nachteilig wirkt.
Angesichts dessen können sich Steuerpflichtige auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Kraftfahrzeughandel beim Neuwagenverkauf mittlerweile regelmäßig Rabatte einräume, also der Bruttolistenneupreis nicht einmal mehr typisierend den Verkaufspreis für Neufahrzeuge darstelle.
Im Übrigen bezweckt die Anwendung der 1 %-Regelung i.V.m. § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG, den beim Arbeitnehmer entstandenen Vorteil der Nutzungsüberlassung eines betriebsbereiten Kraftfahrzeugs zu bewerten. Dieser Vorteil umfasst mithin nicht nur das Zurverfügungstellen des Fahrzeugs selbst, sondern auch die Übernahme sämtlicher damit verbundener Kosten wie Steuern, Versicherungsprämien, Reparatur– und Wartungskosten sowie insbesondere der Treibstoffkosten; das alles sind Aufwendungen, die sich weder im Bruttolistenneupreis noch in den tatsächlichen Neuanschaffungskosten mit einem festen Prozentsatz unmittelbar abbilden. Die vom Gesetzgeber zu Grunde gelegte Bemessungsgrundlage des Bruttolistenneupreises bezweckt also nicht, die tatsächlichen Neuanschaffungskosten des Fahrzeugs und erst recht nicht dessen gegenwärtigen Wert im Zeitpunkt der Überlassung möglichst realitätsgerecht abzubilden. Der Bruttolistenneupreis erweist sich vielmehr als generalisierende Bemessungsgrundlage, die aus typisierten Neuanschaffungskosten den Nutzungsvorteil insgesamt zu gewinnen sucht, der indessen ungleich mehr umfasst als die Überlassung des genutzten Fahrzeugs selbst. Denn der tatsächliche geldwerte Vorteil entspricht dem Betrag, der von einem Arbeitnehmer für eine vergleichbare Nutzung aufgewandt werden müsste und den er durch die Überlassung des Fahrzeugs durch den Arbeitgeber erspart.

Darauf hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 13.12.2012 – VI R 51/11 – hingewiesen.

 

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Strafrecht – Strafprozess – Tatrichterliche Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung ist vom Revisionsgericht nur beschränkt überprüfbar.

Die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 Strafprozessordnung (StPO )). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld eines Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind.

Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind.
Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung

  • widersprüchlich,
  • unklar oder
  • lückenhaft ist,
  • gegen Denkgesetze oder
  • gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder
  • an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt.

Liegen solche Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich oder sogar näher liegend gewesen wäre.

Gleichermaßen Sache des Tatrichters ist es, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen be- oder entlastenden Indizien in der Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses zu bewerten.
Ist diese Bewertung nach den dargestellten rechtlichen Maßstäben vertretbar, so kann das Revisionsgericht nicht auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung einer Indiztatsache in die Überzeugungsbildung des Tatrichters.

Nicht anders als bei der Würdigung der Beweise ist auch bei der Prüfung der beiden Elemente der inneren Tatseite des bedingten Tötungsvorsatzes, also des Wissens- und des Willenselements, aus revisionsrechtlicher Sicht erforderlich, aber auch ausreichend, sämtliche objektiven und subjektiven, für und gegen einen Angeklagten sprechenden Umstände des Einzelfalles in eine individuelle Gesamtschau einzubeziehen und zu bewerten.
Dies gilt auch für solche Beweisanzeichen, die sich auf den ersten Blick als ambivalent darstellen, die also dem Tatrichter, je nachdem, wie er sie im Einzelfall bewertet, rechtlich zulässige Schlüsse sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Angeklagten ermöglichen.
So kann eine Alkoholbeeinflussung des Täters von Rechts wegen

  • den Schluss auf eine verminderte Hemmschwelle gegenüber der Tötung eines Menschen oder auf fehlendes Bewusstsein von Umständen, die gegen einen tödlichen Ausgang des Geschehens sprechen, ebenso tragen
  • wie umgekehrt den Schluss auf ein unüberlegtes Handeln, bei dem sich der Täter nahe liegender tödlicher Folgen nicht bewusst wird.

Eine rechtlich vertretbare tatrichterliche Entscheidung darüber, in welchem der möglichen, zueinander in einem Gegensatz stehenden Beweiszusammenhänge ein solcher Umstand im konkreten Fall indizielle Bedeutung entfaltet, ist vom Revisionsgericht hinzunehmen.
Der Tatrichter kann in einem solchen Falle nicht gehalten sein, denselben Umstand nochmals in dem anderen Beweiszusammenhang zu erwägen und damit Gefahr zu laufen, sich zu seinem anderweitig gewonnenen Ergebnis zu Gunsten oder zu Lasten des Angeklagten in Widerspruch zu setzen.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 04.04.2013 – 3 StR 37/13 – hingewiesen.

 

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Erbrecht – Erbscheinsverfahren – Verfahrensrechtliche Amtsermittlungspflicht des Nachlassgerichts – Umfang und Grenzen.

Gemäß § 2358 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) hat das Nachlassgericht im Erbscheinsverfahren unter Benutzung der vom Antragsteller angegebenen Beweismittel von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranstalten und die geeignet erscheinenden Beweise zu erheben. Verfahrensrechtlich bestimmt § 26 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG), dass das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen hat.
Welche Ermittlungen erforderlich sind, bestimmt das Gericht zwar grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen. Die von Amts wegen einzuleitenden und durchzuführenden Ermittlungen sind jedoch so weit auszudehnen, wie es die Sachlage erfordert; mit anderen Worten muss das Verfahren geeignet sein, eine möglichst zuverlässige Grundlage für die zu treffende Entscheidung zu erlangen.
Die richterliche Aufklärungspflicht ist verletzt, wenn Ermittlungen, zu denen nach dem Sachverhalt als solchem und dem Vorbringen der Beteiligten Anlass bestand, nicht durchgeführt worden sind; die Ermittlungen sind erst abzuschließen, wenn von weiteren Maßnahmen ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr zu erwarten ist. Diese Grenzen reichen aus, um die Annahme einer Amtsermittlungspflicht in Fällen zu unterbinden, in denen die Ermittlung sozusagen „ins Blaue“ hinein geschähe oder das Gericht einer lediglich denkbaren, rein theoretischen Möglichkeit nachginge.

Auf der anderen Seite sind die Beteiligten, wie § 27 Abs. 1 und 2 FamFG hervorhebt, auch in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit von der Verpflichtung, durch eingehende Tatsachendarstellung an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, nicht befreit. Ihrer Mitwirkungs- und Verfahrensförderungslast genügen sie, indem ihr Vortrag und die Bezeichnung geeigneter Beweismittel dem Gericht Anhaltspunkte dafür geben, in welche Richtung es seine Ermittlungen durchführen soll. Insbesondere findet die Verpflichtung des Gerichts zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts dort ihre Grenze, wo es die Verfahrensbeteiligten allein oder hauptsächlich in der Hand haben, die notwendigen Erklärungen abzugeben und Beweismittel zu bezeichnen bzw. vorzulegen, um eine ihren Interessen entsprechende Entscheidung herbeizuführen.

Darauf, dass sich nach diesen Grundsätzen die dem Nachlassgericht obliegende Amtsermittlungspflicht richtet, hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf mit Beschluss vom 16.01.2013 – I-3 Wx 27/12 – hingewiesen.

In dieser Entscheidung ging es darum, unter welchen Voraussetzungen der Vermerk des ein notarielles Testament beurkundenden Notars (vgl. hierzu § 11 Beurkundungsgesetz (BeurkG)) Anlass bietet, in Tatsachenermittlungen zur Testierfähigkeit des Erblassers einzutreten.

 

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Verkehrsrecht – Schäden am Fahrzeug nach Unfall – entstanden durch gegnerisches Fahrzeug oder bereits im Rahmen eines Vorschadens? – Darlegung- und Beweislast.

Es obliegt dem Geschädigten, die Verursachung des Schadens durch das gegnerische Fahrzeug darzulegen und zu beweisen. Der Geschädigte kann selbst kompatible Schäden nicht ersetzt verlangen, wenn jedenfalls nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (§ 287 ZPO) auszuschließen ist, dass sie bereits im Rahmen eines Vorschadens entstanden sind.

Bei

  • unstreitigen Vorschäden und
  • bestrittener unfallbedingter Kausalität des geltend gemachten Schadens

muss der Geschädigte im Einzelnen ausschließen, dass Schäden gleicher Art und gleichen Umfangs bereits zuvor vorhanden waren, wofür er bei unstreitigen Vorschäden im Einzelnen zu Art sowie Umfang der Vorschäden und deren behaupteter Reparatur vortragen muss und zwar auch dann, wenn der Schaden vor seiner Besitzzeit lag, weil dies den Geschädigten nicht von seiner Darlegungs- und Beweislast enthebt.

Dies gilt nicht nur dann, wenn unstreitig oder bewiesen ist, dass die Vorschäden in dem Fahrzeugbereich vorlagen, der Gegenstand des Schadensersatzbegehrens ist.

Es genügt, wenn von dem Anspruchsgegner ernsthafte Anhaltspunkte für derartige Vorschäden geltend gemacht werden.
Dann muss der Anspruchsteller dies konkret bestreiten und gegebenenfalls den Beweis des Gegenteils führen. Ein für eine Unfallverursachung streitender Anscheinsbeweis kann in diesem Falle nicht mehr eingreifen, so dass die allgemeine Beweislastregel zum Zuge kommt, nach der der Anspruchsteller den Schaden als Anspruchsvoraussetzung zu beweisen hat.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln mit Beschluss vom 08.04.2013 – 11 U 214/12 – hingewiesen.

 

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Arbeitsrecht – Kündigung eines Arbeitnehmers wegen Alkoholsucht – regelmäßig nur ordentliche Kündigung zulässig.

An eine Kündigung, die auf ein Verhalten des Arbeitnehmers gestützt wird, das im Zusammenhang mit einer Alkoholsucht steht, sind grundsätzlich die gleichen Anforderungen wie an krankheitsbedingte Kündigungen zu stellen. Alkoholabhängigkeit ist eine Krankheit; verstößt ein Arbeitnehmer infolge seiner Abhängigkeit gegen arbeitsvertragliche Pflichten, ist ihm zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung kein Schuldvorwurf zu machen.
Krankheit ist zwar nicht generell ungeeignet, einen wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) darzustellen. Schon an eine ordentliche Kündigung wegen Erkrankung des Arbeitnehmers ist jedoch ein strenger Maßstab anzulegen.

Eine außerordentliche Kündigung kommt daher nur in eng begrenzten Fällen in Betracht, etwa bei einem Ausschluss der ordentlichen Kündigung aufgrund tarifvertraglicher oder einzelvertraglicher Vereinbarungen.

Eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist durch Gründe in der Person des Arbeitnehmers bedingt und kann deshalb i. S. v. § 1 Abs. 2 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) sozial gerechtfertigt sein, wenn im Zeitpunkt der Kündigung die Annahme (Prognose) gerechtfertigt ist, der Arbeitnehmer biete aufgrund einer Alkoholsucht dauerhaft nicht die Gewähr, in der Lage zu sein, die vertraglich geschuldete Tätigkeit ordnungsgemäß zu erbringen.
Voraussetzung ist, dass

  • daraus eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen folgt,
  • diese durch mildere Mittel – etwa eine Versetzung – nicht abgewendet werden kann und
  • sie auch bei einer Abwägung gegen die Interessen des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden muss.

Darauf hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 20.12.2012 – 2 AZR 32/11 – hingewiesen.

 

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Arbeitsrecht – Fristlose Kündigung wegen Konkurrenztätigkeit.

Wer als Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber unerlaubt Konkurrenz macht, verletzt seine arbeitsvertraglichen Pflichten massiv und kann fristlos gekündigt werden.

Das hat, laut Pressemitteilung 3/13, das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) mit Urteil vom 28.01.2013 – Az: 16 Sa 593/12 – entschieden.

Danach darf ein Arbeitnehmer im Marktbereich seines Arbeitgebers keine Dienste und Leistungen anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr nachteiliger Beeinflussung durch die eigenen Arbeitnehmer offenstehen.

 

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