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„Montagsauto“ – Wann ist ein gekauftes Neufahrzeug als sogenanntes „Montagsauto“ einzustufen?

Unter welchen Voraussetzungen bei einem gehäuften Auftreten von Mängeln ein sogenanntes „Montagsauto“ vorliegt, bei dem eine (weitere) Fristsetzung zur Nacherfüllung für den Käufer gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) entbehrlich oder nach § 440 S. 1 Alt. 3 BGB unzumutbar und der Käufer demzufolge gemäß § 323 Abs. 1 BGB i. V. m. § 437 Nr. 2 BGB zum (sofortigen) Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt ist, unterliegt der wertenden Betrachtung durch den Tatrichter.
Ob ein Neufahrzeug im Hinblick auf die Art, das Ausmaß und die Bedeutung der aufgetretenen Mängel als sogenanntes „Montagsauto“ anzusehen ist, beurteilt sich dabei danach, ob der bisherige Geschehensablauf aus Sicht eines verständigen Käufers die Befürchtung rechtfertigt, es handle sich um ein Fahrzeug, das wegen seiner auf herstellungsbedingten Qualitätsmängeln beruhenden Fehleranfälligkeit insgesamt mangelhaft ist und auch zukünftig nicht frei von herstellungsbedingten Mängeln sein wird.
Handelt es sich dagegen bei der weitaus überwiegenden Anzahl der beanstandeten Mängel um bloße Bagatellprobleme, die nicht die technische Funktionstüchtigkeit des Fahrzeugs, sondern dessen Optik und Ausstattung betreffen und denen lediglich „Lästigkeitswert“ beigemessen werden kann, wird das Fahrzeug nicht als sogenanntes „Montagsauto“ zu qualifizieren und demzufolge auch eine Fristsetzung zur Nacherfüllung nicht entbehrlich sein.

Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 23.01.2013 – VIII ZR 140/12 – entschieden.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Umfang der Verkehrssicherungspflicht für Radwanderwege – Schutz auch vor Gefahren durch Bäume? – Beweislast bei Schäden durch Astbruch?

Wird ein Radfahrer beim Fahren mit dem Fahrrad auf einem von einer Gemeinde ausgewiesenen sowie von ihr unterhaltenen und beworbenen „Rundweg für Wanderer und Radfahrer“ von einem abbrechenden Ast eines am Wegrand stehenden Baumes getroffen und verletzt, muss der Radfahrer, wenn er Schadensersatz nach §§ 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) i. V. m. Art. 34 Grundgesetz (GG) von der Gemeinde will, nicht nur darlegen und beweisen,

  • dass die Gemeinde die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht in Bezug auf den Unfallort verletzt hat,
  • sondern auch, dass die Verkehrssicherungspflichtverletzung – sollte eine solche nachweisbar vorgelegen haben – für den Unfall und den Schaden ursächlich war (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 04.03.2004 – III ZR 225/03 –).

Dazu, wann in einem solchen Fall eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorliegt und wann sie kausal für einen Schaden ist, hat das Oberlandesgericht (OLG) Celle mit Urteil vom 12.07.2012 – 8 U 61/12 – u. a. ausgeführt:

a) Zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht:

Eine Gemeinde ist grundsätzlich verkehrssicherungspflichtig für auf ihrem Gemeindegebiet befindliche Radwege und damit für die Überwachung der Verkehrssicherheit zuständig. Die Verkehrssicherungspflicht erstreckt sich auch auf den Schutz vor Gefahren durch Bäume an Straßen und Wegen. Eine verkehrssicherungspflichtige Gemeinde muss grundsätzlich Bäume oder Teile von ihnen entfernen, wenn sie den Verkehr gefährden, insbesondere wenn sie nicht mehr standsicher sind oder herabzustürzen drohen. Werden bei den, mittels Sichtkontrollen vom Boden aus durchzuführenden äußeren Gesundheits- und Zustandsprüfungen, Anzeichen verkannt oder übersehen, die nach der Erfahrung auf solche Gefahren durch einem Baum hinweisen, liegt eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 04.03.2004 – III ZR 225/03 –).
Erforderlich sind solche sorgfältigen äußeren Gesundheits- und Zustandsprüfungen grundsätzlich regelmäßig zweimal im Jahr, nämlich einmal im belaubten und einmal im unbelaubten Zustand.
Eine Verpflichtung zur Kontrolle jeden Baumes mittels eines Hubsteigers in der Krone kann zumutbar nicht verlangt werden. Solche Maßnahmen können angezeigt sein, wenn die Sichtkontrolle konkrete Anhaltspunkte für Schäden in der Krone des betreffenden Baumes ergibt, die es zu überprüfen gilt.

Allerdings richtet sich der Umfang der Verkehrssicherungspflicht für Straßen und Wege danach, für welche Art von Verkehr ein Weg nach seinem äußeren Bild unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und der allgemeinen Verkehrsauffassung gewidmet ist (vgl. BGH, Urteil vom 15.12.1988 – III ZR 112/87 –).
Handelt es sich nach dem äußerlich erkennbaren Bild und dem sichtbaren Ausbauzustand um einen als Rad- und Wanderweg gestalteten Weg, der mit einem parallel zu einer Landstraße verlaufenden Rad- und Fußweg nicht zu vergleichen ist und auch nicht die Verkehrsbedeutung eines nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) ausgewiesenen Rad- und Fußweges hat, kann eine dafür verkehrssicherungspflichtige Gemeinde den an sie zu stellenden Anforderungen genügen, wenn sie die fraglichen Bäume regelmäßig einmal im Jahr im Dezember bzw. Januar besichtigen und Baumschnitt- und Fällarbeiten durch Mitarbeiter durchführen lässt.

b) Zur Kausalität einer mögliche Verkehrssicherungspflichtverletzung für einen Unfall:

Nach ständiger Rechtsprechung hat der durch eine Amtspflichtverletzung Geschädigte grundsätzlich auch den Beweis zu führen, dass ihm hierdurch ein Schaden entstanden ist.
Nur, wenn die Amtspflichtverletzung und der zeitlich nachfolgende Schaden feststehen, kann der Geschädigte der öffentlichen Körperschaft den Nachweis überlassen, dass der Schaden nicht auf die Amtspflichtverletzung zurückzuführen ist. Dies gilt jedoch nur, wenn nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung oder eine tatsächliche Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang besteht; anderenfalls verbleibt die Beweislast beim Geschädigten.
Eine solch überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht nicht, wenn Ersatzansprüche wegen Schäden durch Astbruch bei einem Straßenbaum geltend gemacht werden und fest steht, dass der Verkehrssicherungspflichtige seine Kontrollpflichten hinsichtlich des Baumes verletzt hat. In einem solchen Fall hat vielmehr der Geschädigte weiterhin zu beweisen, dass die Schadhaftigkeit des abgebrochenen Astes im Rahmen der Baumschau erkennbar gewesen wäre bzw. sich bei der gebotenen Kontrolldichte Hinweise auf die Gefahr eines Astabbruches ergeben hätten, die dem Verkehrssicherungspflichtigen Anlass zum Handeln hätten geben müssen.
Beweiserleichterungen kommen dem Geschädigten dabei nicht zugute. Dies würde einen typischen Geschehensablauf voraussetzen. Das Abbrechen eines Astes, wie auch das Umstürzen eines Baumes, kann aber vielfältige Ursachen haben. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, wonach ein Ast oder Baum, bevor er abbricht, bei einer normalen Sichtkontrolle und schon gar nicht mehrere Monate zuvor, Krankheitssymptome aufweisen muss. Gerade darin unterscheidet sich die Situation bei einem Baumschaden zu anders gelagerten Verkehrssicherungspflichtverletzungen.

 

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Strafrecht – Wann liegt bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen bedingter Tötungsvorsatz vor?

Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus,

  • dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt (Wissenselement) und
  • dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (Willenselement).

Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt zwar sowohl die Annahme nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen, als auch, dass er – insbesondere, wenn er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt – einen solchen Erfolg auch billigend in Kauf nimmt. Dennoch muss der Tatrichter in seine Beweiserwägungen alle Umstände einbeziehen, welche die Überzeugung von einem Handeln mit (bedingtem) Tötungsvorsatz in Frage stellen könnten.
Denn auch wenn die offensichtliche Lebensgefährlichkeit der zugefügten Verletzungen ein gewichtiges Indiz für einen (bedingten) Tötungsvorsatz des Täters ist, können gleichwohl im Einzelfall das Wissens- oder das Willenselement des Eventualvorsatzes fehlen; so etwa, wenn einem Täter, obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, das Risiko der Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung – z.B. Affekt, alkoholische Beeinflussung oder hirnorganische Schädigung – zur Tatzeit nicht bewusst ist (Fehlen des Wissenselements) oder wenn – wofür aber tragfähige Anhaltspunkte vorliegen müssen –, der Täter trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut (Fehlen des Willenselements).

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 22.03.2012 – 4 StR 558/11 – hingewiesen.

 

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Erbrecht – Erbrechtliche Stellung der vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kinder.

Durch das Zweite Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder, zur Änderung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung vom 12. April 2011 (BGBl. I 615), sind für Erbfälle ab dem 29. Mai 2009 auch die vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kinder den ehelichen Kindern gleichgestellt worden.
Einem vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kind bzw. dessen Abkömmlingen steht demzufolge ein Erbrecht nach seinem Vater bzw. dessen Verwandten zu, wenn der Erblasser nach dem 28. Mai 2009 verstorben ist.
Bei einem nach dem 28. Mai 2009 eingetretenen Erbfall sind somit auch die vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kinder zu berücksichtigen. Unerheblich ist, ob der Vater des nichtehelichen Kindes oder das nichteheliche Kind bereits (vor dem 29. Mai 2009) verstorben ist.
Nur für vor dem 29. Mai 2009 eingetretene Erbfälle bleibt es bei der Regelung, dass ein vor dem 1. Juli 1949 geborenes nichteheliches Kind vom Erbrecht nach dem Vater und dessen Verwandten ausgeschlossen ist (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 26.10.2011 – IV ZR 150/10 –)

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) München mit Beschluss vom 21.01.2013 – 31 Wx 485/12 – hingewiesen.

 

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Versicherungsvertragsgesetz (VVG ) – Anforderungen an die Belehrung des Versicherungsnehmers über die Leistungsfreiheit bei Obliegenheitsverletzung.

Ist in einem Versicherungsvertrag bestimmt, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist, ist er gemäß § 28 Abs. 2 S. 1 VVG leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat.

Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer nach Satz 2 dieser Vorschrift berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen.
Die vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 28 Abs. 2 VVG hat bei Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalles bestehenden Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit nach § 28 Abs. 4 VVG aber auch zur Voraussetzung, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat.

Wann und wie diese Belehrung zu erfolgen hat, darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 09.01.2013 – IV ZR 197/11 – hingewiesen und dazu u. a. ausgeführt:

Die nach § 28 Abs. 4 VVG gebotene Belehrung über die im Falle der Verletzung einer Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit drohenden Rechtsfolgen soll dem Versicherungsnehmer vor der Beantwortung entsprechender Fragen des Versicherers eindringlich vor Augen führen, welche Bedeutung die vollständige, rechtzeitige und wahrheitsgemäße Information des Versicherers für dessen Leistungsverpflichtung hat. Der Versicherungsnehmer soll damit zu einer ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheiten angehalten, aus Gründen der Fairness zugleich aber auch vor den ihm anderenfalls drohenden Rechtsnachteilen gewarnt werden. Aus dieser Zielsetzung ergibt sich die Notwendigkeit, erst dann zu belehren, wenn von dem Versicherungsnehmer Angaben zu einem konkreten Versicherungsfall erwartet werden. Erst zu diesem Zeitpunkt ist es zweckmäßig, dass ihm die Belehrung vor Augen steht. Das wäre nicht gewährleistet, wenn die Belehrung bereits vorsorglich für künftige Versicherungsfälle im Versichersicherungsschein, den Versicherungsbedingungen, sonstigen Vertragsunterlagen oder Vertragsinformationen im Sinne des § 7 VVG wirksam erteilt werden könnte. Diese Belehrung muss von den letztgenannten Dokumenten getrennt und erst dann erfolgen, wenn die Erfüllung eines Aufklärungs- oder Auskunftsverlangens des Versicherers ansteht.

Erteilt werden kann eine solche anlassbezogene Belehrung sowohl mittels eines eigens für die Belehrung erstellten Dokuments („Extrablattes“), als auch auf dem Schadenmeldungsfragebogen oder in dem Schreiben, in welchem der Versicherer Fragen zur Aufklärung des Versicherungsfalles stellt.

Wird kein eigenes Dokument eigens für die Belehrung erstellt, sondern die Belehrung in ein Fragebogenformular oder ein anderes – Fragen des Versicherers enthaltendes – Schreiben mit aufgenommen, muss die Belehrung sowohl drucktechnisch als auch hinsichtlich ihrer Platzierung so ausgestaltet sein, dass sie sich deutlich vom übrigen Text desselben Dokuments abhebt – beispielsweise in der Schriftart oder -größe oder in Bezug auf Fett-, Kursiv- oder Normaldruck, Zeilenabstand, Zeilen- oder Absatzeinzügen oder Schriftfarbe bzw. durch Verwendung anderer graphischer Mittel zur Hervorhebung von Text, wie Balken, Kästen, Pfeile oder eine besondere Hintergrundfärbung – und vom Versicherer nicht übersehen werden kann.
Genügt die einem Versicherungsnehmer erteilte Belehrung diesen Anforderungen nicht, tritt eine vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit des Versicherers nicht ein.

 

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Erbrechtlicher Erwerb vor oder während des Insolvenzverfahrens – Wann fällt was in die Insolvenzmasse – Wann Insolvenzanfechtung nicht möglich ist.

Ist ein Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder während des Verfahrens Erbe geworden, fällt der Nachlass bis zur Annahme oder zur Ausschlagung (§§ 1942 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) vorläufig in die Masse (§ 1922 Abs. 1 BGB, § 35 Insolvenzordnung (InsO)).

Die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft steht wegen ihrer höchstpersönlichen Natur ausschließlich dem Schuldner zu (§ 83 Abs. 1 InsO). Die wirksame Ausschlagung beseitigt den Anfall der Erbschaft von Anfang an (§ 1953 Abs. 1 BGB ). Hat der Erbe die Erbschaft angenommen, kann er sie gemäß § 1943 BGB nicht mehr ausschlagen, es tritt hinsichtlich der Erbschaft Vollerwerb ein. Ab diesem Zeitpunkt ist der Nachlass endgültig Bestandteil der Insolvenzmasse, aus der die Nachlassgläubiger und die Eigengläubiger des Erben (Erbengläubiger) zu befriedigen sind, sofern nicht eine Trennung der Vermögensmassen durch Insolvenzverwalter, Erben oder Nachlassgläubiger herbeigeführt wird.

Die Ausschlagung einer Erbschaft ist der Insolvenzanfechtung entzogen, auch wenn der Ausschlagende im Einvernehmen mit dem an seine Stelle tretenden Erben mit dem Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung gehandelt hat.
Schlägt ein Erbe eine ihm in der Wohlverhaltensperiode angefallene Erbschaft aus, begeht er keine Obliegenheitsverletzung nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO.

Gleiches gilt für einen Erbverzicht (§§ 2346 ff BGB ) eines Schuldners. Dieser ist ebenfalls schon deshalb nicht anfechtbar, weil ein Verzichtender damit – bezogen auf die Erbenstellung – noch nicht einmal eine vorläufige Rechtsposition aufgibt, sondern nur die Aussicht auf ein künftiges Erbrecht

Für den Vermächtnisnehmer gilt entsprechendes. Seine Forderung kommt – wenn der Erblasser nichts anderes bestimmt hat – mit dem Erbfall zur Entstehung (§ 2176 BGB ) und fällt in die Masse. Der Vermächtnisnehmer kann das Vermächtnis jedoch – wie der Erbe die Erbschaft – annehmen oder ausschlagen (§ 2180 BGB ). Auch dieses Recht steht als höchstpersönlichem Recht in seiner Insolvenz allein dem Schuldner zu (§ 83 Abs. 1 InsO). Die Ausschlagung des Vermächtnisses ist ebenso wenig anfechtbar wie der Verzicht auf das Vermächtnis.
Auch die Ausschlagung des Vermächtnisses und der Verzicht stellen folgerichtig keine Obliegenheitsverletzung im Sinne von § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO dar.

Der Anspruch auf den Pflichtteil (§ 2303 BGB ) entsteht ebenfalls mit dem Erbfall (§ 2317 Abs. 1, § 1922 Abs. 1 BGB ). Von diesem Zeitpunkt an gehört er zum Vermögen des Pflichtteilsberechtigten. Gleichwohl ist § 852 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) so zu verstehen, dass vor der Anerkennung des Pflichtteilsanspruchs durch den Erben oder der Rechtshängigkeit des Anspruchs die Gläubiger des Pflichtteilsberechtigten den in seiner zwangsweisen Verwertbarkeit aufschiebend bedingten Pflichtteilsanspruch nur pfänden, nicht jedoch auf sich überweisen lassen können.
Als pfändbares Vermögen gehört der Anspruch nur vorläufig zur Insolvenzmasse (§ 35 Abs. 1, § 36 Abs. 1 InsO).
Wegen der familiären Verbundenheit zwischen dem Erblasser und dem Pflichtteilsberechtigten ist allein diesem die Entscheidung darüber vorbehalten, ob der Anspruch gegenüber dem Erben durchgesetzt werden soll. Dieses persönliche Entscheidungsrecht des Schuldners darf nicht durch Anwendung der Anfechtungsvorschriften unterlaufen werden.
Deswegen stellt der Verzicht auf die Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs in der Wohlverhaltensphase ebenfalls keine Obliegenheitsverletzung des Schuldners dar.

Darauf

  • und dass die vorgenannten Grundsätze auch dann gelten, wenn ein Schuldner an der Aufhebung seiner erbvertraglichen Einsetzung zum Erben mitwirkt (§ 2290 BGB ), weil auch diese Mitwirkung eine höchstpersönliche Entscheidung des Schuldners ist, ob und inwieweit er Erbe sein will und die Wirkungen dieser Entscheidung nicht durch die anfechtungsrechtliche Rückgewähr (§ 143 Abs. 1 InsO) unterlaufen werden dürfen,

hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 20.12.2012 – IX ZR 56/12 – hingewiesen.

 

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Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (Unfallflucht) und die Folgen für den Versicherungsschutz.

Wer vorsätzlich den Tatbestand des § 142 Abs. 1 StGB oder den Tatbestand des § 142 Abs. 2 StGB verwirklicht, macht sich schuldig des unerlaubten Entfernens vom Unfallort.

Den Straftatbestand des § 142 Abs. 1 StGB verwirklicht ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er

  1. zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, dass er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat oder
  2. eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne dass jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen.

Den Straftatbestand des § 142 Abs. 2 StGB verwirklicht ein Unfallbeteiligter, der sich

  1. nach Ablauf der Wartefrist (Absatz 1 Nr. 2) oder
  2. berechtigt oder entschuldigt

vom Unfallort entfernt hat und die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht, wobei der Unfallbeteiligte nach § 142 Abs. 3 S. 1 StGB der Verpflichtung, die Feststellungen nachträglich zu ermöglichen, genügt, wenn er den Berechtigten (Absatz 1 Nr. 1) oder einer nahe gelegenen Polizeidienststelle mitteilt, dass er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, und wenn er seine Anschrift, seinen Aufenthalt sowie das Kennzeichen und den Standort seines Fahrzeugs angibt und dieses zu unverzüglichen Feststellungen für eine ihm zumutbare Zeit zur Verfügung hält.

Im Fall der Tatbestandsverwirklichung des § 142 Abs. 1 StGB verliert ein unfallbeteiligter Fahrzeugführer, wegen der in den Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB ) verankerten allgemeinen Aufklärungsobliegenheit, die er dann verletzt hat, den Versicherungsschutz aus einer Kfz-Kaskoversicherung.

Im Gegensatz dazu wird das Aufklärungsinteresse des Kfz-Kaskoversicherers durch eine Tatbestandsverwirklichung des § 142 Abs. 2 StGB nicht in jedem Fall beeinträchtigt.
Denn verletzt ein unfallbeteiligter Fahrzeugführer, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, nachfolgend seine Handlungspflicht nach § 142 Abs. 2 StGB, folgt daraus nicht automatisch eine Verletzung der allgemeinen Aufklärungspflicht und ein Verlust des Versicherungsschutzes aus der Kfz-Kaskoversicherung wie im Fall der Tatbestandsverwirklichung nach § 142 Abs. 1 StGB.
Der Versicherungsnehmer, der seinen Versicherer zu einem Zeitpunkt informiert, zu dem er durch Mitteilung an den Geschädigten eine Strafbarkeit nach § 142 Abs. 2 StGB noch hätte abwehren bzw. vermeiden können, verletzt nämlich allein durch die unterlassene Erfüllung der Pflicht nach § 142 Abs. 2 StGB keine Aufklärungsobliegenheit.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 21.11.2012 – IV ZR 97/11 – hingewiesen.

 

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Arbeitsrecht – Im Betrieb beschäftigte Leiharbeitnehmer können bei der Berechnung der Betriebsgröße zu berücksichtigen sein.

Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) gilt das Kündigungsschutzgesetz für nach dem 31. Dezember 2003 eingestellte Arbeitnehmer nur in Betrieben, in denen in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden.
Eine an Sinn und Zweck orientierte Auslegung dieser gesetzlichen Bestimmung gebietet es, bei der Berechnung der Betriebsgröße auch im Betrieb beschäftigte Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen, wenn ihr Einsatz auf einem „in der Regel“ vorhandenen Personalbedarf beruht.

Das hat – laut Pressemitteilung Nr. 6/13 des Pressesprechers des Bundesarbeitsgerichts (BAG) – der 2. Senat des BAG mit Urteil vom 24.01.2013 – 2 AZR 140/12 – entschieden.

Danach steht der Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern nicht schon entgegen, dass sie kein Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber begründet haben. Die Herausnahme der Kleinbetriebe aus dem Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes soll der dort häufig engen persönlichen Zusammenarbeit, ihrer zumeist geringen Finanzausstattung und dem Umstand Rechnung tragen, dass der Verwaltungsaufwand, den ein Kündigungsschutzprozess mit sich bringt, die Inhaber kleinerer Betriebe typischerweise stärker belastet. Dies rechtfertige keine Unterscheidung danach, ob die den Betrieb kennzeichnende regelmäßige Personalstärke auf dem Einsatz eigener oder dem entliehener Arbeitnehmer beruht.

Nachdem in der streitgegenständlichen Kündigungsschutzklage eines Arbeitnehmers noch nicht feststand, ob die im Kündigungszeitpunkt im Betrieb tätigen Leiharbeitnehmer aufgrund eines regelmäßigen oder eines für den Betrieb „in der Regel“ nicht kennzeichnenden Geschäftsanfalls beschäftigt waren, ist die Sache vom BAG zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen worden.

 

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Vertragsstrafenregelungen in Allgemeine Geschäftsbedingungen des Auftraggebers eines Bauvertrags – Wann benachteiligen sie den Auftragnehmer unangemessen?

Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB ) des Auftraggebers enthaltene Vertragsstrafenklausel in einem Bauvertrag benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen und ist demzufolge gemäß § 307 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) unwirksam, wenn sie eine Höchstgrenze von über 5% der Auftragssumme vorsieht (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 23.01.2003 – VII ZR 210/01 –).

Mit Urteil vom 06.12.2012 – VII ZR 133/11 – hat der BGH jetzt darauf hingewiesen, dass diese Wertung auch die Beurteilung beeinflussen muss, welche in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Höhe einer Vertragsstrafe nicht mehr hingenommen werden kann,

  • wenn es um die Sicherung von Zwischenterminen geht und
  • hierzu entschieden, dass eine Vertragsstrafenregelung in einem solchen Fall unwirksam ist, wenn sie die Obergrenze der für eine schuldhafte Überschreitung eines Zwischentermins zu zahlende Vertragsstrafe an die Gesamtauftragssumme knüpft.

In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall waren in den vom BGH für unwirksam erklärten Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers als Vertragsstrafe vorgesehen, ein bestimmter Betrag für jeden Werktag des Verzugs sowohl bei Überschreitung der Ausführungsfrist als auch bei Überschreitung der Einzelfristen sowie eine Begrenzung der Vertragsstrafe auf insgesamt 5 % der Auftragssumme.
Der BGH hat in diesem Urteil abschließend darauf hingewiesen, dass, wenn im Einzelfall bei Nichteinhaltung einer Zwischenfrist ein ebenso hoher oder noch höherer Schaden wie bei Überschreitung einer Fertigstellungsfrist entstehen kann, der Auftraggeber ausreichend durch die Möglichkeit geschützt ist, seinen Schadensersatz gesondert gegen den Auftragnehmer zu verfolgen und es ihm darüber hinaus auch unbenommen ist, eine Vertragsstrafe individuell zu vereinbaren.

 

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Kaufvertrag und Autokauf – Gewährleistungsausschlusses gilt nicht für das Fehlen einer vereinbarten Beschaffenheit.

Ist in einem Vertrag über den Kauf eines gebrauchten Pkw unter der Rubrik „Das Fahrzeug hat keine/folgende Unfallschäden erlitten“ das Wort „keine“ eingekreist und unterstrichen und daneben im Vertrag auch ausdrücklich ein Gewährleistungsausschluss vereinbart, schließt dies eine Gewährleistung für etwaige, bei Gefahrübergang vorhandene Unfallschäden, die dem Käufer nicht bekannt sind (§ 442 Abs. 1 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB )) und die über bloße Bagatellschäden hinausgehen, nicht aus.

Indem sie im Kaufvertrag ausdrücklich festgehalten haben, dass das Fahrzeug keine Unfallschäden erlitten habe, ist von den Parteien eine Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) über die Unfallfreiheit des Fahrzeugs getroffen worden.
Im Falle einer vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung kann ein daneben ausdrücklich vereinbarter Gewährleistungsausschluss nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 29.11.2006 – VIII ZR 92/06 –) nur dahin ausgelegt werden, dass er nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit, sondern nur für solche Mängel gelten soll, die darin bestehen, dass die Sache sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB ) beziehungsweise sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet und keine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB ).

Darauf und dass auch im Falle eines stillschweigenden Gewährleistungsausschlusses nichts anderes gelten kann, hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 19.12.2012 – VIII ZR 117/12 – hingewiesen.

 

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