Dieselgate: Wenn bei dem gekauften Dieselfahrzeug die Abgaswerte manipuliert wurden

Dieselgate: Wenn bei dem gekauften Dieselfahrzeug die Abgaswerte manipuliert wurden

Autos müssen den genehmigten technischen Vorgaben entsprechen. Tun sie dies nicht, sind sie mangelhaft, weil

  • sie dann nicht diese (stillschweigend) vereinbarte Beschaffenheit haben (§ 434 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)),
  • sie sich aber jedenfalls für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung deshalb nicht eignen (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB), da den Fahrzeugeigentümern in einem solchen Fall der Betrieb des Fahrzeugs untersagt werden kann.

 

Gewährleistungsansprüche wegen eines Mangels des Fahrzeugs hat der Käufer allerdings

  • nur gegen den Verkäufer und
  • nicht gegen den Hersteller des Fahrzeugs.

 

Dass die VW AG die vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge, bei denen die Abgaswerte manipuliert worden sind, auf Anordnung des Kraftfahr-Bundesamtes nach § 25 Abs. 2 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (EG-FGV) zur Beseitigung der Mängel und zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit zurückrufen muss,

  • führt zwar dazu, dass durch eine entsprechende Umrüstung der Fahrzeuge der den technischen Vorgaben widersprechende Mangel beseitigt wird,
  • hat aber möglicherweise auch zur Folge, dass bis dahin derzeit noch nicht verjährte Gewährleistungsansprüche gegen den Verkäufer verjährt sind.

 

Beachten, dass Gewährleistungsansprüche gegen den Verkäufer nicht verjähren, sollte ein Käufer schon deshalb, weil es möglich sein kann, dass die Umrüstung des Fahrzeugs zu einem Leistungsverlust und/oder erhöhtem Kraftstoffverbrauch führt,

  • es sich, wenn der Kraftstoffverbrauch nach der Umrüstung den im Verkaufsprospekt angegebenen (kombinierten) Verbrauchswert, nach den Ergebnissen der von einem Sachverständigen auf einem Prüfstand durchgeführten Verbrauchstests, um mehr als 10 % übersteigen sollte,

 

um einen neuen Mangel handeln würde (vgl. Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Urteil vom 07.02.2013 – I-28 U 94/12 –) und deswegen nach Gewährleistungsrecht

  • nicht die VW AG,
  • sondern nur der Verkäufer in Anspruch genommen werden könnte.

 

War ein Auto bei der Übergabe mangelhaft, kann der Käufer vom Verkäufer nämlich, sofern

  • eine Haftung wegen der Mängel nicht wirksam ausgeschlossen wurde und
  • die Mängelansprüche noch nicht verjährt sind (vgl. hierzu §§ 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Satz 1, 195 BGB und die AGBs), bzw. sofern bereits Verjährung eingetreten ist, der Verkäufer die Einrede der Verjährung nicht erhebt oder vor Eintritt der Verjährung auf die Erhebung der Einrede der Verjährung verzichtet hat,

 

gemäß

  • § 439 Abs. 1 BGB die Nacherfüllung verlangen,
  • d.h. nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache.

 

Sofern die weiteren Voraussetzungen hierfür vorliegen und

  • der Mangel zu diesem Zeitpunkt noch nicht fachgerecht, vollständig und nachhaltig beseitigt ist (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 21.12.2012 – 3 U 22/12 –),

 

kann der Käufer aber auch

  • entweder nach §§ 437 Nr. 2, 440, 323, 346 Abs. 1 BGB gegenüber dem Verkäufer den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären und vom Verkäufer die Rückzahlung des Kaufpreises, abzüglich des Nutzungswertersatzes für jeden gefahrenen Kilometer, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs verlangen (vgl. hierzu Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 09.12.2014 – VIII ZR 196/14 – und Urteil vom 09.04.2014 – VIII ZR 215/13 –)
  • oder wenn er das Fahrzeug behalten will, nach §§ 437 Nr. 2, 441 BGB gegenüber dem Verkäufer die Minderung des Kaufpreises erklären und vom Verkäufer einen Teil des bezahlten Kaupreises, nämlich den Minderwert, der im Streitfall von einem Sachverständigen ermittelt wird, zurückfordern.

 

Allerdings sind Rücktritt vom Kaufvertrag oder Minderung des Kaufpreises,

  • sofern nicht ausnahmsweise eine Fristsetzung zur Nacherfüllung für den Käufer gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich oder nach § 440 Satz 1 Alt. 3 BGB unzumutbar ist,

 

erst möglich,

  • wenn dem Verkäufer zuvor erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 1 BGB gesetzt,
  • ihm das Fahrzeug am Erfüllungsort der Nacherfüllung zur Nacherfüllung zur Verfügung gestellt worden war (BGH, Urteile vom 10.03.2010 – VIII ZR 310/08 – und vom 19.12.2012 – VIII ZR 96/12 –; Hanseatisches OLG Bremen, Urteil vom 27.03.2015 – 2 U 12/15 –; LG Heidelberg, Urteil vom 05.02.2015 – 2 O 75/14 –) und
  • durch die Nachbesserung ein technischer Zustand wie er normalerweise bei einer werkseitigen Auslieferung besteht, nicht erreicht worden ist (BGH, Urteil vom 06.02.2013 – VIII ZR 374/11 –).

 

Mit Urteil vom 07.02.2013 – I-28 U 94/12 – hat das OLG Hamm entschieden, dass der Käufer eines neuen Kraftfahrzeuges gemäß §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 440, 323 BGB zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt ist,

  • wenn der Kraftstoffverbrauch den im Verkaufsprospekt angegebenen (kombinierten) Verbrauchswert, (auch) nach den Ergebnissen der von einem Sachverständigen auf einem Prüfstand durchgeführten Verbrauchstests, um mehr als 10 % übersteigt und
  • der Verkäufer zuvor erfolglos versucht hatte, den Verbrauch zu senken.

 

Danach ergibt sich das gesetzliche Rücktrittsrecht in einem solchen Fall daraus, dass dem gekauften Fahrzeug i. S. d. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 u. S. 3 BGB eine Beschaffenheit fehlt, die der Käufer nach dem Verkaufsprospekt des Herstellers erwarten darf.
Zwar folgt aus den Prospektangaben über die Verbrauchswerte keine Sollbeschaffenheit in dem Sinne, dass diese Verbrauchswerte im Alltagsgebrauch des konkret erworbenen Fahrzeugs erreicht werden müssten. Denn ein verständiger Käufer weiß, dass die tatsächlichen Verbrauchswerte von zahlreichen Einflüssen und der individuellen Fahrweise des Nutzers abhängen und deshalb nicht mit den Prospektangaben gleichgesetzt werden dürfen, die auf einem standardisierten Messverfahren beruhen.
Erwarten kann ein Käufer aber, dass die im Prospekt angegebenen Verbrauchswerte unter Testbedingungen reproduzierbar sind.
Ist das bei einem gekauften Fahrzeug nicht der Fall und ergeben die von einem Sachverständigen durchgeführten Verbrauchsmessungen, eine Überschreitung des im Verkaufsprospekt angegebenen (kombinierten) Verbrauchswertes um mehr als 10%, ist die Auslieferung eines solchen Fahrzeugs regelmäßig als erhebliche Pflichtverletzung i. S. d. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB anzusehen, die einen Käufer zum Rücktritt berechtigt (BGH, Beschluss vom 08.05.2007 – VIII ZR 19/05 –), wobei auch bei einer nur sehr geringfügigen Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle ein Rücktritt nicht ausgeschlossen ist. 

Übrigens:

  • Gewährleistungsansprüche gegen den Verkäufer verjähren, sofern im Vertrag nicht wirksam etwas anderes vereinbart worden ist, gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB in zwei Jahren ab Lieferung des Kaufsache.
    Eine dreijährige Verjährungsfrist gilt gemäß §§ 438 Abs. 1 Abs. 3 Satz 1, 195 BGB wenn der Verkäufer dem Käufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. Wahrscheinlich wusste der Verkäufer aber nichts von der Manipulation der Abgaswerte und ob der Käufer sich das Wissen der Volkswagen AG zurechnen lassen muss, ist zweifelhaft.
  • Auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird der Verkäufer nicht genommen werden können, weil Voraussetzung hierfür wäre, dass ihm die Manipulation bekannt war oder er diese zumindest für möglich gehalten hat.

 


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