Dürfen Kranarm oder -ausleger eines auf einem Grundstück aufgestellten Baukrans über den Luftraum des Nachbargrundstücks

Dürfen Kranarm oder -ausleger eines auf einem Grundstück aufgestellten Baukrans über den Luftraum des Nachbargrundstücks

…. schwenken bzw. muss der Eigentümer des Nachbargrundstücks dies dulden oder wann kann er Unterlassung verlangen? 

Mit Urteil vom 15.10.2020 – 8 U 5531/20 – hat das Oberlandesgericht (OLG) München in einem Fall, in dem Eigentümer von Nachbargrundstücken darüber stritten, 

  • ob der Kranarm eines zu Bauzwecken auf dem einen Grundstück aufgestellten Baukrans über den Luftraum des anderen Grundstücks schwenken darf,

entschieden, dass 

  • das (Über)Schwenken eines Baukrans über den Luftraum eines Nachbargrundstücks 

unter das 

  • Hammerschlags- und Leiterrecht gem. Art. 46 b Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BayAGBGB) 

fällt, das vorsieht, dass Eigentümer und Nutzungsberechtigte eines Grundstücks dulden müssen, 

  • dass das Grundstück von dem Eigentümer oder dem Nutzungsberechtigten des Nachbargrundstücks und von diesem beauftragten Personen zwecks Errichtung, Veränderung, Instandhaltung oder Beseitigung einer baulichen Anlage betreten wird, 
  • auf ihrem Grundstück Gerüste und Geräte aufgestellt werden oder auf dieses übergreifen sowie 
  • die zu den Arbeiten erforderlichen Baustoffe über das Grundstück gebracht oder dort niedergelegt werden, wenn und soweit 
    • das Vorhaben anders nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten durchgeführt werden kann, 
    • die mit der Duldung verbundenen Nachteile oder Belästigungen nicht außer Verhältnis zu dem von dem Berechtigten erstrebten Vorteil stehen und 
    • das Vorhaben öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht widerspricht,

dass allerdings hierbei,

  • also bei einem „Übergreifen von Geräten“ auf das Nachbargrundstück, das ein Überschwenken eines Baukrans darstellt,

das sich aus Art. 46 b Abs. 3 BayAGBGB ergebende Verfahren einzuhalten ist, nämlich,

  • dass die Absicht, das Recht auszuüben, sowie Art und Dauer der Arbeiten mindestens einen Monat vor deren Beginn dem Eigentümer und Nutzungsberechtigten des betroffenen Grundstücks von dem die Arbeiten veranlassenden Eigentümer oder Nutzungsberechtigten anzuzeigen sind, wobei, 
    • wenn ein Betroffener, dem Anzeige zu machen ist, unbekannten Aufenthalts oder nicht alsbald erreichbar ist und er auch keinen Vertreter bestellt hat, statt der Anzeige an diesen Betroffenen die Anzeige an den unmittelbaren Besitzer genügt,

dass eine diesbezügliche vollständige Anzeige gem. Art. 46 b Abs. 3 BayAGBGB Voraussetzung ist für die Ausübung des Rechts, so dass 

  • bei einer nicht erfolgten bzw. unvollständigen Anzeige der Nachbar die Inanspruchnahme seines Grundstücks wegen verbotener Eigenmacht gem. §§ 858, 862 BGB, auch dann, wenn ihn eine entsprechende Duldungspflicht treffen könnte, untersagen kann 

und dass, 

  • sollte auf eine erfolgte Anzeige hin, der Eigentümer des betroffenen Grundstücks sich nicht erklären, dessen Grundstück ohne Weiteres für die Durchführung der Arbeiten betreten und genutzt werden darf,
  • während, wenn der Eigentümer des betroffenen Grundstücks dem Berechtigten das Recht verweigert, 
    • dieser das Recht – außer in dem Fall des Notstands (§ 904 BGB) – nicht im Wege der Selbsthilfe durchsetzen darf, 
    • sondern Duldungsklage erheben muss und das Nachbargrundstück erst auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung in Anspruch nehmen darf.

Übrigens:
Da gem. Art. 124 Satz 1 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) die landesgesetzlichen Vorschriften, 

  • welche das Eigentum an Grundstücken zugunsten der Nachbarn noch anderen als den im Bürgerlichen Gesetzbuch bestimmten Beschränkungen unterwerfen, 

unberührt bleiben und zu diesen landesgesetzlichen Vorschriften nach allgemeiner Meinung auch die 

  • landesrechtlichen Hammerschlags- und Leiterrechte

gehören, können sich die die Arbeiten auf ihrem Grundstück Durchführenden zur Rechtfertigung ihres Tuns nicht auf § 905 S. 2 BGB berufen, wonach 

  • ein Eigentümer Einwirkungen nicht verbieten kann, die in solcher Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, dass er an der Ausschließung kein Interesse hat.

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