Elternunterhalt – Wenn Kinder ihren Eltern Unterhalt zahlen sollen

Elternunterhalt – Wenn Kinder ihren Eltern Unterhalt zahlen sollen

Nach § 1601 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sind Verwandte in gerader Linie verpflichtet einander Unterhalt zu gewähren.
Danach schulden auch Kinder ihren Eltern Unterhalt,

  • wenn diese außerstande sind sich selbst zu unterhalten (§ 1602 Abs. 1 BGB),
  • wobei sich das Maß des einem Elternteil geschuldeten Unterhalts gemäß § 1610 Abs. 1 BGB nach dessen Lebensstellung richtet, die sich in erster Linie von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen ableitet.

 

Ist ein Elternteil in einem Heim untergebracht deckt sich sein Unterhaltsbedarf regelmäßig mit den dort anfallenden Kosten (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 21.11.2012 – XII ZR 150/10 –). Ein an der früheren besseren Lebensstellung des Elternteils orientierter höherer Standard ist dann grundsätzlich nicht mehr angemessen im Sinne von § 1610 Abs. 1 BGB. Denn der angemessene Lebensbedarf der Eltern richtet sich nach deren konkreter (aktueller) Lebenssituation (BGH, Beschluss vom 07.10.2015 – XII ZB 26/12 –).

Unterhaltspflichtig ist ein Kind allerdings gemäß § 1603 Abs. 1 BGB nur insoweit,

  • als es bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen imstande ist,
  • ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren ( vgl. u.a. BGH, Urteil vom 28.07.2010 – XII ZR 140/07 – zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit zur Zahlung von Elternunterhalt).

 

Nach § 1605 Abs. 1 BGB sind Kinder auch verpflichtet ihren Eltern auf Verlangen über ihre Einkünfte und ihr Vermögen

  • Auskunft zu erteilen,
  • soweit dies zur Feststellung des Bestehens eines Unterhaltsanspruchs oder einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich ist sowie
  • über die Höhe ihrer Einkünfte Belege, insbesondere Bescheinigungen des Arbeitgebers, vorzulegen.

 

Allerdings muss ein leistungsfähiges Kind einem bedürftigen Elternteil nach § 1611 Abs. 1 Satz 1 BGB nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht, wenn

  • der bedürftige Elternteil durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden ist,
  • er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder
  • sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht hat

 

und nach § 1611 Abs. 1 Satz 2 BGB gar keinen Unterhalt leisten, wenn

  • die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre.

 

Eine schwere Verfehlung gemäß § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB kann regelmäßig nur bei einer tiefgreifenden Beeinträchtigung schutzwürdiger wirtschaftlicher Interessen oder persönlicher Belange des Pflichtigen,

  • begangen durch aktives Tun des Berechtigten oder
  • durch Unterlassen, wenn der Berechtigte dadurch eine Rechtspflicht zum Handeln verletzt hat, wie beispielsweise eine – durch Unterlassen herbeigeführte – Verletzung elterlicher Pflichten, wie etwa der Pflicht zu Beistand und Rücksicht im Sinne von § 1618 a BGB (Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 15.09.2010 – XII ZR 148/09 – und vom 19.05.2004 – XII ZR 304/02 –),

 

angenommen werden.

Eine „schwere Verfehlung“ im vorgenannten Sinn ist nicht auf einzelne, schwerwiegende Übergriffe gegen den Unterhaltspflichtigen oder dessen nahe Angehörige beschränkt.
Vielmehr kann die Unterhaltspflicht in Fällen, in denen der Bedürftige durch unwürdiges Verhalten das Familienband zerrissen hat, auch ganz wegfallen.

  • Ein solches Verhalten kann sich zum einen in einzelnen besonders schwerwiegenden Verfehlungen zeigen;
  • eine schwere Verfehlung im Sinne des § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB kann sich zum anderen aber auch aus einer Gesamtschau des Verhaltens des Unterhaltsberechtigten ergeben.

 

Selbst wenn die einzelnen Verfehlungen dabei nicht besonders schwer wiegen, kommt es maßgeblich darauf an, ob sie zusammengenommen zeigen, dass sich der Unterhaltsberechtigte in besonders vorzuwerfender Weise aus der familiären Solidarität gelöst und damit letztlich bezogen auf seine familiären Verpflichtungen eine schwere Verfehlung begangen hat.

  • Eine vom Unterhaltsberechtigten ausgehende Kontaktverweigerung kann dagegen, wenn nicht weitere Umstände hinzutreten, nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen eine Verwirkung des Unterhalts gemäß § 1611 Abs. 1 BGB begründen.

 

Jedoch kann eine Verwirkung des Elternunterhaltsanspruchs dann gerechtfertigt sein,

  • wenn der Elternteil sein Kind, das er später auf Elternunterhalt in Anspruch nimmt, schon im Kleinkindalter bei den Großeltern zurückgelassen und sich in der Folgezeit nicht mehr in nennenswertem Umfang um es gekümmert hat.
    Dann offenbart das Unterlassen des Elternteils einen so groben Mangel an elterlicher Verantwortung und menschlicher Rücksichtnahme, dass nach Abwägung aller Umstände von einer schweren Verfehlung ausgegangen werden kann (BGH, Urteile vom 19.05.2004 – XII ZR 304/02 – und vom 15.09.2010 – XII ZR 148/09 – sowie Beschluss vom 12.02.2014 – XII ZR 607/12 –).

 

Wird ein Elternteil, der einen Unterhaltsanspruch gegen ein Kind hat, sozialhilfebedürftig und erhält er Sozialleistungen,

  • geht sein Unterhaltsanspruch gegen das Kind nach § 94 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs XII (SGB XII) bis zur Höhe der geleisteten Sozialleistungen zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf den Träger der Sozialhilfe über, außer
    • der Unterhaltsanspruch wird durch laufende Zahlung erfüllt oder
    • der Übergang des Anspruchs würde gemäß § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII eine unbillige Härte bedeuten.

 

Die Frage, ob der Anspruchsübergang nach § 94 SGB XII eine unbillige Härte bedeuten würde, richtet sich nach öffentlichem Recht.
Deshalb genügt eine zivilrechtlich einzuordnende Störung familiärer Beziehungen im Sinne des § 1611 BGB grundsätzlich nicht, um eine unbillige Härte im Sinne des § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII zu begründen und damit einen Anspruchsübergang auf den Träger der Sozialhilfe auszuschließen. Vielmehr umfasst § 1611 BGB für die Prüfung einer etwaigen Verwirkung nur die für das zivilrechtlich zu beurteilende Familienverhältnis in Frage kommenden Tatbestandsmerkmale.
Sind die Voraussetzungen für eine Verwirkung erfüllt, kommt § 94 SGB XII ohnehin nicht zum Tragen, weil es an einem Unterhaltsanspruch fehlt, der auf den Träger der Sozialhilfe übergehen könnte. Aber auch eine an sich unter § 1611 Abs. 1 BGB fallende Sachverhaltskonstellation, die jedoch nicht alle Tatbestandsmerkmale dieser Norm – wie etwa das Verschulden – erfüllt und deshalb nicht zu einer Verwirkung des Unterhaltsanspruchs führt, ist grundsätzlich nicht unter § 94 SGB XII zu subsumieren.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn der nach § 1611 BGB zu beurteilende Lebenssachverhalt aus Sicht des Sozialhilferechts auch soziale Belange erfasst, die einen Übergang des Anspruches nach öffentlich-rechtlichen Kriterien ausschließen (BGH, Urteil vom 15.09.2010 – XII ZR 148/09 –).

 


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