Erbrechtlicher Erwerb vor oder während des Insolvenzverfahrens – Wann fällt was in die Insolvenzmasse – Wann Insolvenzanfechtung nicht möglich ist.

Erbrechtlicher Erwerb vor oder während des Insolvenzverfahrens – Wann fällt was in die Insolvenzmasse – Wann Insolvenzanfechtung nicht möglich ist.

Ist ein Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder während des Verfahrens Erbe geworden, fällt der Nachlass bis zur Annahme oder zur Ausschlagung (§§ 1942 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) vorläufig in die Masse (§ 1922 Abs. 1 BGB, § 35 Insolvenzordnung (InsO)).

Die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft steht wegen ihrer höchstpersönlichen Natur ausschließlich dem Schuldner zu (§ 83 Abs. 1 InsO). Die wirksame Ausschlagung beseitigt den Anfall der Erbschaft von Anfang an (§ 1953 Abs. 1 BGB ). Hat der Erbe die Erbschaft angenommen, kann er sie gemäß § 1943 BGB nicht mehr ausschlagen, es tritt hinsichtlich der Erbschaft Vollerwerb ein. Ab diesem Zeitpunkt ist der Nachlass endgültig Bestandteil der Insolvenzmasse, aus der die Nachlassgläubiger und die Eigengläubiger des Erben (Erbengläubiger) zu befriedigen sind, sofern nicht eine Trennung der Vermögensmassen durch Insolvenzverwalter, Erben oder Nachlassgläubiger herbeigeführt wird.

Die Ausschlagung einer Erbschaft ist der Insolvenzanfechtung entzogen, auch wenn der Ausschlagende im Einvernehmen mit dem an seine Stelle tretenden Erben mit dem Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung gehandelt hat.
Schlägt ein Erbe eine ihm in der Wohlverhaltensperiode angefallene Erbschaft aus, begeht er keine Obliegenheitsverletzung nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO.

Gleiches gilt für einen Erbverzicht (§§ 2346 ff BGB ) eines Schuldners. Dieser ist ebenfalls schon deshalb nicht anfechtbar, weil ein Verzichtender damit – bezogen auf die Erbenstellung – noch nicht einmal eine vorläufige Rechtsposition aufgibt, sondern nur die Aussicht auf ein künftiges Erbrecht

Für den Vermächtnisnehmer gilt entsprechendes. Seine Forderung kommt – wenn der Erblasser nichts anderes bestimmt hat – mit dem Erbfall zur Entstehung (§ 2176 BGB ) und fällt in die Masse. Der Vermächtnisnehmer kann das Vermächtnis jedoch – wie der Erbe die Erbschaft – annehmen oder ausschlagen (§ 2180 BGB ). Auch dieses Recht steht als höchstpersönlichem Recht in seiner Insolvenz allein dem Schuldner zu (§ 83 Abs. 1 InsO). Die Ausschlagung des Vermächtnisses ist ebenso wenig anfechtbar wie der Verzicht auf das Vermächtnis.
Auch die Ausschlagung des Vermächtnisses und der Verzicht stellen folgerichtig keine Obliegenheitsverletzung im Sinne von § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO dar.

Der Anspruch auf den Pflichtteil (§ 2303 BGB ) entsteht ebenfalls mit dem Erbfall (§ 2317 Abs. 1, § 1922 Abs. 1 BGB ). Von diesem Zeitpunkt an gehört er zum Vermögen des Pflichtteilsberechtigten. Gleichwohl ist § 852 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) so zu verstehen, dass vor der Anerkennung des Pflichtteilsanspruchs durch den Erben oder der Rechtshängigkeit des Anspruchs die Gläubiger des Pflichtteilsberechtigten den in seiner zwangsweisen Verwertbarkeit aufschiebend bedingten Pflichtteilsanspruch nur pfänden, nicht jedoch auf sich überweisen lassen können.
Als pfändbares Vermögen gehört der Anspruch nur vorläufig zur Insolvenzmasse (§ 35 Abs. 1, § 36 Abs. 1 InsO).
Wegen der familiären Verbundenheit zwischen dem Erblasser und dem Pflichtteilsberechtigten ist allein diesem die Entscheidung darüber vorbehalten, ob der Anspruch gegenüber dem Erben durchgesetzt werden soll. Dieses persönliche Entscheidungsrecht des Schuldners darf nicht durch Anwendung der Anfechtungsvorschriften unterlaufen werden.
Deswegen stellt der Verzicht auf die Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs in der Wohlverhaltensphase ebenfalls keine Obliegenheitsverletzung des Schuldners dar.

Darauf

  • und dass die vorgenannten Grundsätze auch dann gelten, wenn ein Schuldner an der Aufhebung seiner erbvertraglichen Einsetzung zum Erben mitwirkt (§ 2290 BGB ), weil auch diese Mitwirkung eine höchstpersönliche Entscheidung des Schuldners ist, ob und inwieweit er Erbe sein will und die Wirkungen dieser Entscheidung nicht durch die anfechtungsrechtliche Rückgewähr (§ 143 Abs. 1 InsO) unterlaufen werden dürfen,

hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 20.12.2012 – IX ZR 56/12 – hingewiesen.

 

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