Hausärztin muss an eine Patientin 22.000 Euro Schmerzensgeld zahlen.

Hausärztin muss an eine Patientin 22.000 Euro Schmerzensgeld zahlen.

Weil eine Hausärztin die von einer Patientin geschilderten Schmerzen im unteren Rücken und in der linken Gesäßhälfte unzureichend untersucht hatte und die Patientin 3 Tage später aufgrund einer Gewebeentzündung im Gesäßbereich (Entzündung des perirektalen und perianalen Fettgewebes) mit Verdacht auf eine bakterielle Infektionskrankheit der Unterhaut und Faszien (nekrotisierende Fasziitis) notfallmäßig operiert werden musste, muss die Hausärztin ihrer Patientin 22.000 Euro Schmerzensgeld zahlen.

Das hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 31.10.2014 – 26 U 173/13 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall haftete die beklagte Ärztin, die bei der Klägerin Ischiasbeschwerden diagnostiziert, ihr eine Spritze verabreicht und ein Schmerzmittel verordnet hatte,

  • wegen eines Befunderhebungsfehlers,
  • weil sie den Ursachen der ihr von der Klägerin geschilderten Beschwerden nicht ausreichend nachgegangen war.

Die Ärztin hatte es versäumt, auch die Analregion der Klägerin zu untersuchen.
Auf ihre Anfangsdiagnose hätte sie sich nicht verlassen dürfen, sondern auch die Möglichkeit von Erkrankungen mit schwerwiegenden Folgen berücksichtigen müssen.
Nach den Feststellungen 26. Zivilsenat des OLG Hamm hätte die Beklagte den mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bei der Klägerin schon vorhandenen periproktitischen Abszess ertasten können und müssen. Jedenfalls wäre dieser, wenn die Beklagte eine digital-rektale Untersuchung veranlasst hätte, dabei nachweisbar gewesen.

Dieser, der Beklagten anzulastende Befunderhebungsfehler, rechtfertigte eine Beweislastumkehr.
Eine solche Beweislastumkehr ist auch bei einem einfachen Befunderhebungsfehler gerechtfertigt, wenn die unterlassene Befunderhebung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu einem reaktionspflichtigen Befund geführt hätte und sich die Verkennung des Befundes oder das Verhalten des Arztes auf der Basis dieses Ergebnisses als grob fehlerhaft darstellen würde.
Das war hier der Fall, weil es sich angesichts der drohenden Folgen um einen reaktionspflichtiges Ereignis handelte. Ein Verkennen eines periproktitischer Abszesses, dessen Erkennen schon zum studentischen Standard gehört, insbesondere aber ein Untätigbleiben wäre angesichts drohender Gefahren bis hin zur Lebensgefahr als grober Behandlungsfehler zu werten, weil eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen würde und dieser Fehler aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheinen würde, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf.

Deshalb haftete die Beklagte grundsätzlich für alle primären Folgen der Rechtsgutverletzung.
Rechtsgutsverletzung (Primärschaden), auf die sich die haftungsbegründende Kausalität ausrichtet, ist dabei nicht die nicht rechtzeitige Erkennung einer bereits vorhandenen behandlungsbedürftigen Gesundheitsbeeinträchtigung.
Die geltend gemachte Körperverletzung (Primärschaden) ist vielmehr in der durch den Behandlungsfehler herbeigeführten gesundheitlichen Befindlichkeit in ihrer konkreten Ausprägung zu sehen. Das heißt, Primärschaden ist vorliegend die gesamte gesundheitliche Befindlichkeit der Klägerin, die dadurch entstanden ist, dass auf die Abszessbildung nicht sogleich reagiert worden ist.
Eine Verlagerung der Beweislast auf die Behandlungsseite wäre nur ausnahmsweise dann ausgeschlossen, wenn ein haftungsbegründender Ursachenzusammenhang äußerst unwahrscheinlich ist (vgl. etwa Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 16.11.2004 – VI ZR 328/03 –).
Das war aber nicht der Fall.
Zwar wäre eine Operation unumgänglich gewesen ist. Wegen des anzunehmenden fulminanten Verlaufs war aber zumindest nicht auszuschließen, dass

  • das Operationsgebiet und die daraus resultierenden Beeinträchtigungen bei einer 3 Tage früheren Operation deutlich kleiner gewesen wären und
  • möglicherweise dann auch der Schließmuskel, von dem bei der Notoperation ein Teil entfernt werden musste, nicht beeinträchtigt und die Klägerin in vollem Umfang geheilt worden wäre.

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