OVG NRW entscheidet: Kein Anspruch auf Zugang zum Betäubungsmittel Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung

OVG NRW entscheidet: Kein Anspruch auf Zugang zum Betäubungsmittel Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung

Mit Urteil vom 02.02.2022 – 9 A 146/21, 9 A 147/21, 9 A 148/21 – hat der 9. Senat des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Nordrhein-Westfalen (NRW) in drei Fällen, in denen von den 

  • an verschiedenen schwerwiegenden Erkrankungen (u. a. Multiple Sklerose, Krebs) leidenden

Klägern, 

  • zwei Männern und einer Frau,

erfolglos vom Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) verlangt worden war, dass dieses ihnen jeweils die Erlaubnis 

  • zum Erwerb von 15 Gramm Natrium-Pentobarbital, 

erteilt,

  • um mithilfe dieses Betäubungsmittels ihr Leben zu beenden,

entschieden, dass das BfArM nicht verpflichtet ist, schwerkranken Menschen, 

  • die den Entschluss zum Suizid gefasst haben, 

hierfür den Erwerb des Betäubungsmittels Natrium-Pentobarbital zu erlauben.

Begründet hat der Senat dies damit, dass der beantragten Erwerbserlaubnis durch das BfArM der zwingende Versagungsgrund des 

  • § 5 Abs. 1 Nr. 6 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) 

entgegen steht, weil eine auf eine 

  • Nutzung von Betäubungsmitteln zur Selbsttötung 

gerichtete Erwerbserlaubnis nicht dazu dient die notwendige medizinische Versorgung, 

  • d.h. eine Heilung oder Linderung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden 

sicherzustellen, diese Beschränkung Suizidwilliger durch § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG jedoch nicht dazu führt, dass sie ihr Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben,

  • das im Übrigen keinen Leistungsanspruch gegenüber dem Staat beinhalte,

nicht wahrnehmen können, vielmehr ihnen, nachdem 

  • das ärztliche Berufsrecht der Suizidhilfe nicht mehr generell entgegen steht,
  • es Ärzte gibt, die tödlich wirkende Arzneimittel verschreiben sowie andere Unterstützungshandlungen vornehmen und
  • infolge der Nichtigkeit des § 217 Strafgesetzbuch (StGB) auch geschäftsmäßige Angebote der Suizidhilfe wieder verfügbar sind,

ein zumutbarer Zugang zu freiwillig bereitgestellter Suizidhilfe real eröffnet ist (Quelle: Pressemitteilung des OVG NRW).

Fazit:
Danach müsste, 

  • ob (auch) ein Zugang zu Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung ermöglicht werden soll, 

der Gesetzgeber entscheiden und dann dazu gleich auch ein 

  • diesbezügliches Schutzkonzept 

entwickeln.

Zur Erinnerung:
Mit 

hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden, dass, da das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) 

  • eines schwer und unheilbar kranken Patienten, 
  • der seinen Willen frei bilden und entsprechend handeln kann, 

auch das Recht umfasst zu entscheiden, 

  • wie und zu welchem Zeitpunkt sein Leben beendet werden soll, 

ihm vom Staat in extremen Einzelfällen der Zugang zu einem verkehrs- und verschreibungsfähigen Betäubungsmittel, 

  • das dem Patienten eine würdige und schmerzlose Selbsttötung ermöglicht, 

nicht verwehrt werden darf, im Lichte dieses verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrechts eine Ausnahme 

  • von den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes, nach denen es grundsätzlich nicht möglich sei, den Erwerb eines Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung zu erlauben, 

für schwer und unheilbar kranke Patienten gemacht werden müsse, wenn 

  • sie wegen ihrer unerträglichen Leidenssituation frei und ernsthaft entschieden haben, ihr Leben beenden zu wollen und 
  • ihnen keine zumutbare Alternative – etwa durch einen palliativmedizinisch begleiteten Behandlungsabbruch – zur Verfügung steht 

und, ob 

  • ein solcher Ausnahmefall vorliegt und 
  • deshalb die Erlaubnis zu erteilen ist, 

das BfArM zu prüfen hat.

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat im 

mit dem er

  • das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung für verfassungswidrig und 
  • § 217 StGB, der die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung verboten hat, für nichtig

erklärt hat, entschieden, 

  • dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) 
    • ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben umfasst, 
    • das die Freiheit einschließt, sich das Leben zu nehmen und 
    • hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen,
  • dass die in Wahrnehmung dieses Rechts getroffene Entscheidung des Einzelnen, seinem Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen, im Ausgangspunkt als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren ist,

dass,

  • weil es die Möglichkeiten einer assistierten Selbsttötung faktisch weitgehend entleert,

das in § 217 StGB normierte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung, gegen das Grundgesetz verstößt und nichtig ist und der Gesetzgeber,

  • wenn er die Suizidhilfe reguliert, 

sicherstellen muss, dass dem Recht des Einzelnen, sein Leben selbstbestimmt zu beenden, hinreichend Raum zur Entfaltung und Umsetzung verbleibt,

  • es eine Verpflichtung zur Suizidhilfe allerdings nicht geben darf.

Nachfolgend, mit 

hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) die Verfassungsbeschwerde eines Ehepaares,

  • das zuvor beim Bundesinstitut für Arzneimittel und 
  • anschließend bei den Fachgerichten 

erfolglos beantragt hatte, ihnen   

  • die Erlaubnis zum Erwerb einer tödlichen Dosis Natriumpentobarbital zum Zweck der Selbsttötung 

zu erteilen, 

  • zwar nicht zur Entscheidung angenommen, 

allerdings in dem Nichtannahmebeschluss u.a. auch auf Folgendes hingewiesen:

Infolge der Entscheidung des Zweiten Senats des BVerfG vom 26.02.2020 – 2 BvR 2347/15 u. a. –, 

  • mit der ein aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) hergeleitetes Recht auf selbstbestimmtes Sterben anerkannt und 
  • der Straftatbestand der gewerbsmäßigen Suizidbeihilfe (§ 217 Strafgesetzbuch (StGB)) für nichtig erklärt wurde,

sei die Möglichkeit der Beschwerdeführer, 

  • ihren Wunsch nach einem selbstbestimmten Lebensende zu verwirklichen, 

wesentlich verbessert worden und den Beschwerdeführern deshalb nunmehr zunächst zuzumuten,

  • durch aktive Suche nach suizidhilfebereiten Personen im Inland, 
  • durch Bemühungen um eine ärztliche Verschreibung des gewünschten Wirkstoffs oder 
  • auf anderem geeignetem Weg 

ihr anerkanntes Recht konkret zu verfolgen, zumal es infolge der Nichtigerklärung des § 217 StGB nicht mehr auf der Hand liege, dass eine aktive Suche der Beschwerdeführer

  • nach medizinisch kundigen Suizidbeihelfern und 
  • verschreibungswilligen und -berechtigten Personen 

aussichtslos ist, nachdem

  • unter strafrechtlichem Blickwinkel 

eine solche Leistung vielmehr (nunmehr) angeboten werden dürfe.


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