Nach Ansicht der 4. Strafkammer des Landgerichts (LG) Potsdam (vgl. Beschluss vom 02.06.2015 – 24 Qs 110/14 –), soll, weil in der Graffiti-Szene die Regel gilt, dass ein Tag-Schriftzug nur von einem Graffiti-Sprüher benutzt wird und daher individuell zugeordnet werden kann,
- ein Tag-Schriftzug einen ähnlichen Beweiswert haben wie eine individuelle Unterschrift und
- ein Tag, wenn er sich – etwa aus früheren Verfahren – einem bestimmten Sprayer zuordnen lässt, diesem Sprayer auch in weiteren Fällen zugeordnet werden können, solange keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dieser Tag auch von einem anderen Sprayer verwendet wird oder dass der Tag verkauft worden ist (a. A. LG Offenburg, Beschluss vom 15.01.2002 – 8 KLs 5 Js 11475/99 – wonach dem Tag für die Frage der Täterschaft lediglich eine – allerdings erhebliche – Indizwirkung zukommen soll).
Zur Begründung ihrer Entscheidung hat die 4. Strafkammer des LG Potsdam sich auf die im Internet nachzulesenden Gepflogenheiten in Graffiti-Kreisen gestützt.
Danach sei das „Tag“ im Graffiti-Jargon ein Signaturkürzel des Graffiti-Sprühers und sein Pseudonym; es werde häufig als Unterschrift verwendet, aber auch als territoriale Markierung mit dem Ziel, den eigenen Style zu präsentieren und in einem bestimmten Gebiet besonders präsent zu sein und so Bekanntheit (Fame) zu erreichen (vgl. Wikipedia-Eintrag zum Graffiti-Jargon).
Einen guten, möglichst einzigartigen Style zu erreichen gelte in Graffiti-Kreisen als erstrebenswert.
So heiße es auf dem Graffiti-Portal:
„[…] Tags weisen auf die Individualität von Menschen hin. Es ist ein Ausdruck von Selbstwertgefühl und Urheberschaft, wie auch eine Art Gütezeichen.“
„Tags […] werden ständig wiederholt und daher von ihren Urhebern ´blind´ beherrscht. Sie dienen dazu, ein Territorium zu markieren und anderen Taggern zu signalisieren: hier war ich.“
Den Tag einer anderen Person zu verwenden sei in Graffiti-Kreisen verpönt. So werde angehenden Graffiti-Sprühern empfohlen, vor der Auswahl des Tag sicherzustellen, dass dieser nicht schon von jemand anderem genutzt wird und sich gegebenenfalls einen anderen Tag zu überlegen, da es „großen Ärger“ nach sich ziehen kann, wenn man mit einem Tag malt, der schon vergeben ist (vgl. Graffiti taggen).
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