Die Beiordnung als Pflichtverteidiger nach § 140 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) erstreckt sich nicht auf die Vertretung des Angeklagten im Adhäsionsverfahren.
Darauf hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden mit Beschluss vom 27.03.2013 – 3 Ws 2/13 – hingewiesen.
In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird die Frage, ob die Bestellung als Pflichtverteidiger gemäß § 140 StPO auch das Tätigwerden für den Angeklagten im Adhäsionsverfahren umfasst, nicht einheitlich beantwortet. Nach der inzwischen wohl herrschenden Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, ist die Vertretung im Adhäsionsverfahren von der Pflichtverteidigerbestellung nach § 140 StPO nicht erfasst, sondern bedarf der ausdrücklichen Beiordnung des Rechtsanwalts nach § 404 Abs. 5 StPO.
Maßgebend sind für den Senat insbesondere folgende Erwägungen:
Die in den §§ 403 bis 406 der StPO enthaltenen Regelungen zum Adhäsionsverfahren ermöglichen es dem Verletzten, seine bürgerlich-rechtlichen Ersatzansprüche gegen den mutmaßlichen Straftäter, die er an sich vor dem Zivilgericht verfolgen müsste (§ 13 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)), – wahlweise – im Strafverfahren geltend zu machen. Dadurch kann vermieden werden, dass mehrere Gerichte in derselben Sache tätig werden und zueinander widersprechenden Entscheidungen gelangen.
In diesem Rahmen sieht § 404 Abs. 5 S. 1 StPO vor, dass sowohl dem Antragsteller als auch dem Angeschuldigten auf Antrag Prozesskostenhilfe nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu bewilligen ist, sobald Klage erhoben ist. Damit gelten im Adhäsionsverfahren die Regelungen der §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend, wobei nach § 404 Abs. 5 S. 2 StPO lediglich § 121 Abs. 2 ZPO mit der Maßgabe zur Anwendung gelangt, dass dem Angeschuldigten, der einen Verteidiger hat, dieser beigeordnet werden soll.
Aus dem Wortlaut der genannten Regelung ergibt sich danach kein Anhalt dafür, dass nur dem Angeschuldigten, dem nicht bereits ein Pflichtverteidiger nach § 140 StPO beigeordnet worden ist, auf seinen Antrag hin im Adhäsionsverfahren ein Rechtsanwalt nach § 404 Abs. 5 StPO unter den Voraussetzungen der Regelungen in §§ 114 ff ZPO beigeordnet werden soll.
Vielmehr wird nach § 404 Abs. 5 Satz 2 StPO allein der in § 121 Abs. 2 StPO enthaltene Grundsatz der freien Anwaltswahl eingeschränkt, wenn der Angeschuldigte bereits durch einen Verteidiger im Verfahren vertreten wird.
Gleiches gilt auch im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte der Norm. Denn auch der Gesetzesbegründung lässt sich eine entsprechende Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 404 Abs. 5 StPO nicht entnehmen. Zudem sprechen aber auch der Sinn und Zweck der Regelungen über die Pflichtverteidigerbestellung auf der einen Seite und über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 404 Abs. 5 StPO auf der anderen Seite nicht dafür, dass auch die Abwehr von Adhäsionsanträgen von der Bestellung zum Pflichtverteidiger umfasst ist und der Anwendungsbereich des § 404 Abs. 5 StPO dahingehend eingeschränkt ist, dass er bei erfolgter Pflichtverteidigerbestellung nach § 140 StPO im Adhäsionsverfahren keine Anwendung findet.
Denn mit dem Institut der notwendigen Verteidigung durch Bestellung eines Verteidigers ohne Rücksicht auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Angeklagten nach § 140 StPO sichert der Gesetzgeber das Interesse, das der Rechtsstaat an einen prozessordnungsgemäßen Strafverfahren und zu diesem Zweck nicht zuletzt an einer wirksamen Verteidigung des Beschuldigten hat.
Dagegen dient die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vor dem Hintergrund des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG)) dazu, dass bedürftige Parteien aus wirtschaftlichen Gründen nicht daran gehindert werden, ihr Recht vor Gericht zu suchen.
Für die Prozesskostenhilfebewilligung nach §§ 114 ff. ZPO und die Pflichtverteidigerbestellung nach § 140 StPO gelten daher unterschiedliche Voraussetzungen. Es gibt danach jedoch keine sachliche Rechtfertigung dafür, insbesondere auch unter Berücksichtigung des (dargestellten) Zwecks des Adhäsionsverfahrens, nämlich es dem Verletzten zu ermöglichen, seine bürgerlich-rechtlichen Ersatzansprüche nicht im gesonderten Zivil-, sondern bereits im Strafverfahren geltend machen zu können, auch die Pflichtverteidigerbestellung auf das Adhäsionsverfahren zu erstrecken.
Vielmehr würde dies zu einer ungerechtfertigten Besserstellung des Angeklagten, der einen Pflichtverteidiger hat, gegenüber demjenigen führen, der im Zivilprozess in Anspruch genommen wird und dem dort, weil die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht vorliegen, ein Rechtsanwalt auf Staatskosten nicht beigeordnet werden würde.
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