Tag Ablenkung

Wer auf der Autobahn 200 km/h schnell fährt, sollte beachten, dass er grob fahrlässig handelt, wenn er sich dabei

…. auch nur kurzzeitig ablenken lässt.

Mit Urteil vom 02.05.2019 – 13 U 1296/17 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg darauf hingewiesen, dass Fahrzeugführer, die auf einer Autobahn mit einem weit über der Richtgeschwindigkeit liegenden Tempo fahren, beispielsweise mit 200 km/h,

  • ihre volle Konzentration ständig auf das Verkehrsgeschehen richten müssen und

schon eine kurzzeitige Ablenkung durch Bedienung des sog. Infotainmentsystems (Navigationssystem)

  • bei einem Verunfallen durch Abkommen von der Fahrbahn,

den Vorwurf grober Fahrlässigkeit begründet, mit der Folge, dass

  • ein bestehender Kaskoversicherungsschutz für die Schäden am gefahrenen Fahrzeug ganz oder teilweise entfällt.

Dass ein Fahrzeugführer, der entgegen § 1 Nr. 1 Autobahn-Richtgeschwindigkeits-Verordnung mit höheren Geschwindigkeiten als 130 km/h fährt,

  • seine volle Konzentration umso stärker auf das Führen des Fahrzeugs aufwenden muss, je weiter er die Richtgeschwindigkeit überschreitet,

ergibt sich danach daraus, dass

  • ein Fahrzeug etwa bei einer Geschwindigkeit von 200 km/h mehr als 55 Meter pro Sekunde zurücklegt, mit entsprechend starkem Versatz selbst bei geringen Lenkbewegungen,
  • der Anhalteweg selbst bei optimaler Reaktion des Fahrers und günstigen Bedingungen (trockene Fahrbahn) rund 275 Meter (gegenüber 125 Metern bei 130 km/h) beträgt und
  • die kinetische Energie bei einer Kollision bei 200 km/h mehr als das 2,3-fache gegenüber einer Kollision bei 130 km/h beträgt,

was zusammengefasst bedeutet, dass

  • bei derartig hohen Geschwindigkeiten schon minimale Fahrfehler nicht mehr korrigierbare verheerende Folgen haben können und
  • selbst bei einer Ablenkung von nur drei Sekunden durch die Bedienung des Infotainmentsystem das Fahrzeug eine Strecke von rund 167 Meter fährt, ohne dass der Fahrzeugführer dabei die Fahrbahn im Blick hat.

Verfügt ein Fahrzeug über einen sog. Spurhalteassistenten, reduziert dies, so das OLG, bei derartig hohen Geschwindigkeiten, den Schuldvorwurf nicht.

Wann haften Aufsteller von Werbeschildern (mit) für die Folgen von Verkehrsunfällen, wenn Werbeschilder

…. im Umfeld einer Straße aufgestellt sind und wann haften sie nicht?

Werbeschilder, die im Umfeld einer Straße (d.h. bis zu ca. 6 m von dieser entfernt) aufgestellt werden, müssen so beschaffen sein,

  • dass sich durch Umwelteinflüsse keine Teile ablösen können, sie also standsicher sind, sowie
  • dass keine Behinderung der Verkehrsteilnehmer durch
    • eine ungünstige Position der Schilder oder
    • eine Ablenkung durch deren Aufmachung erfolgt.

Ist das nicht der Fall,

  • geht also beispielsweise von einem Werbeschild eine die Verkehrssicherheit beeinträchtigende Ablenkungswirkung aus und
  • verunfallt ein Verkehrsteilnehmer deswegen, d.h. ist Unfallursache die Existenz eines solchen Schildes,

kann eine haftungsbegründende Verkehrssicherungspflichtverletzung vorliegen und der Aufsteller des Webeschildes für die Unfallfolgen (mit)haften.

  • Zu weitergehenden Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz von Verkehrsteilnehmern darüber hinaus sind Aufsteller von Werbeschilder nicht verpflichtet.

Deshalb kann beispielsweise ein Kraftradfahrer,

  • der unabhängig von der Existenz eines im Umfeld der Straße aufgestellten Webeschildes, die Kontrolle über sein Krad verliert, stürzt, über die Fahrbahn hinaus rutscht,
  • gegen das Werbeschild prallt und
  • sich dabei schwer verletzt,

von dem Aufsteller des Webeschildes nicht mit der Begründung Schadensersatz verlangen,

  • dass das Werbeschild einen Aufprallschutz, wie z.B. eine Styroporummantelung oder dergleichen, hätte aufweisen müssen.

Auch kann

  • bei einem derartigen Aufprallunfall

eine Haftung des Schildaufstellers nicht damit begründet werden, dass

  • das Werbeschild mangels Vorliegens der erforderlichen behördlichen Genehmigung nicht hätte aufgestellt werden dürfen.

Denn die beim Aufstellen eines Werbeschildes zu beachtenden straßenwegerechtlichen, straßenverkehrsrechtlichen und bauordnungsrechtlichen Vorschriften dienen nicht dazu, Verletzungen eines mit dem Werbeschild kollidierenden Verkehrsteilnehmers zu verhindern.

Darauf hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 05.02.2016 – 9 U 134/15 – hingewiesen (Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm).